MARKT- UND OBJEKTBEWERTUNG

INNOVATIONSBOOSTER FÜR DIE IMMOBILIENWIRTSCHAFT - DATENSTANDARDS NICHT NUR FÜR PROPTECHS

Sabine Georgi, Foto: Esswein

In Deutschland und Europa ist in den vergangenen Jahren ein vielfältiges Proptech-Ökosystem entstanden. Die jungen, stark technologieaffinen Nachwuchsunternehmen setzen mit ihren innovativen Ideen mittlerweile in so ziemlich allen Teilen der Immobilienwertschöpfungskette (nicht zuletzt der Bewertung) an und sorgen damit für den dringend benötigten frischen Wind in der Branche. Gleichwohl könnte ihr Wirken noch effektiver sein, existierte etwa ein einheitlicher Datenstandard. Dieser Problematik nimmt sich unlängst auch die RICS verstärkt an, wie der vorliegende Beitrag zeigt. Red.

Eines vorweg: Das Thema Datenstandards bei Proptechs ähnelt dem Bereich Rechnungswesen bei Fashion-Unternehmen. Die Unternehmen sind sehr spannend, aber die Grundlage erscheint zunächst "dröge", muss aber sitzen. Denn die Verfügbarkeit verlässlicher Daten gewinnt zunehmend an Bedeutung, um mit den aktuellen Marktentwicklungen, Veränderungen der Kundenbedürfnisse sowie Investitions- und Nachhaltigkeitstrends Schritt halten zu können. Das gilt sowohl für die traditionellen Marktteilnehmer der Immobilienwirtschaft, aber vor allem für die "Jungen Wilden", die durch eine bessere Datennutzung traditionelle Prozesse in der Immobilienwirtschaft beschleunigen oder gar gänzlich neu aufsetzen, wie beispielsweise die Immobilienbewertung.

Standardisierte Daten sind das neue Erdöl

Zwar nutzen bereits zahlreiche Unternehmen moderne Technologien für die Bereitstellung strukturierter Daten, das Fehlen eines einheitlichen Datenstandards und damit einer gemeinsamen Umgebung für den Austausch verlässlicher Daten stellt jedoch weiterhin ein Problem dar. Auch dies gilt im Besonderen für die Proptechs, denn ein ständiges neues Anpassen an Schnittstellen der Kunden gefährdet das Geschäftsmodell und die Skalierung.

Man kann daher mit Sicherheit sagen, dass sowohl die Daten als auch der ungefilterte Datenfluss im Mittelpunkt der Proptech-Revolution stehen und der oft herangezogene Vergleich von (standardisierten) Daten als dem neuen Erdöl nicht unberechtigt ist. Denn der wertvolle Rohstoff Erdöl wird in allen seinen Formen relativ ungehindert über den gesamten Globus transportiert. Und auch Daten - insbesondere Immobiliendaten - müssen in einem Format zur Verfügung stehen, das einen unkomplizierten Datenaustausch ermöglicht. Nur leider wird derzeit vielfach noch der Austausch von Daten durch Negativanreize wie Markttreiber und -verhalten stark gehemmt.

Doch auch praktische Probleme wirken dem Datenaustausch entgegen. Aktuelle Grundstücksdaten sowie Daten zu Planung, Bau, Veräußerung, Vermietung, Nutzung, Instandhaltung und Nutzungsdauer einer Immobilie sind häufig ausschließlich in Papierform verfügbar und können deshalb lediglich als Scan im PDF-Format geteilt werden. Der Austausch von Daten, die in strukturierten Datenbanken oder als Excel-Datei verfügbar sind, zwischen Unternehmen und über den Gesamtmarkt hinweg wird durch das Fehlen gemeinsamer Datenstandards und -modelle erschwert.

Als internationale Organisation, die die Standardisierung innerhalb des Immobiliensektors vorantreibt, hat RICS dieses Problem als wesentliche Hürde identifiziert und offene Datenmodelle entwickelt, die bestehende RICS-Branchenstandards ergänzen. Die neuen RICS-Datenstandards fördern die Erfassung, die Verifizierung und den Austausch von Daten in einem einheitlichen Format. Dies ermöglicht eine verlässliche Nutzung für Analysen, Benchmarking und Entscheidungsfindung in Verbindung mit Investitionsgelegenheiten. RICS-Datenstandards sind aktuell zu Baukosten (International Construction Measurement Standards) und Flächenberechnung (International Property Measurement Standards) verfügbar. Diese sehen zwar "schlicht" aus, sorgen jedoch für eine höhere Transparenz der Flächenbestandteile. In Kürze erscheinen zudem Datenstandards zum International Land Measurement Standard (ILMS) - eine Due-Diligence-Richtlinie für die Landvermessung in ländlichen Räumen.

Zudem entwickelt RICS im Rahmen des Building Cost Information Service (BCIS) aktuell ein System zur Konvertierung von Baukostendaten in unterschiedlichen Formaten und aus verschiedenen Quellen in branchenübliche Standard-Datenformate. Ohne einheitliches Datenformat sind die Möglichkeiten zur Durchführung aussagekräftiger Benchmarks über globale Bau- und Infrastrukturprojekte hinweg äußerst begrenzt. RICS ist deshalb der Auffassung, dass neben dem ungehinderten Datenfluss durch einheitliche Standards trotzdem immer noch darauf hingewiesen werden muss, dass der Dateninhalt ebenfalls maßgeblich ist. Oft fällt erst durch die häufigere Nutzung - auch in einem neuen Zusammenhang - auf, dass die Daten nicht in den gleichen Parametern vorliegen (zum Beispiel Währungen, Maßeinheiten et cetera).

Hilfestellung für Proptechs und Etablierte

Denn was nützen Proptech-Lösungen, die beispielweise Massendaten zu einem ESG-Rating für GRESB auswerten und aufbereiten, wenn folgend Äpfel mit Birnen verglichen werden, etwa dadurch, dass Energieverbräuche beispielsweise einmal auf der Grundlage der Fläche in Form der BGF, ein andermal auf Basis der Mietfläche herangezogen werden. RICS hilft damit sowohl den Proptechs als auch den etablierten Unternehmen mit Datenstandards, die auch die Dateninhalte vereinheitlichen.

Zum anderen profitieren Proptechs von einheitlichen Datenstandards, da diese dann auch die Grundlage zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) beim Einlesen von Daten sein können. Ohne eine solche Datengrundlage können solche Lösungen zwar zum Einsatz kommen, würden aber jedoch einen großen händischen Aufwand bei der Datenzuweisung bedeuten. Ein weiterer, bereits erprobter Vorgang, der durch den Einsatz von Big Data ermöglicht wird, ist das Benchmarkting auch von anderen Key Performance Indicators (KPI) wie Mieten. Auch bei diesen Benchmarking-Aufgaben kommt es auf die Einhaltung von allgemeingültigen Datenstandards an. Dabei ist das Benchmarking vielfach erst der Einstieg in eine erste Vorstufe für eine automatische Ermittlung der wichtigsten Bewertungsparameter.

Damit gilt auch für die Einbindung von Proptechs in den Bewertungsprozess, wie beispielsweise von 21st Real Estate bei der Berlin Hyp umgesetzt, dass die Festlegung von Datenstandards ein wichtiger Meilenstein ist. Speziell für die Immobilienbewertung ist kürzlich ein Datenstandard zum International Valuation Standard (IVS /"Red Book") der RICS hinzukommen. Damit werden die Grundlagen dafür gelegt, Bewertungsprozesse weiter zu digitalisieren. Dazu passend wurde parallel der Startschuss gegeben, Standards für sogenannte AVM (Automated Valuation Models) zu entwickeln. #Um den Datenaustausch zu verbessern beziehungsweise um einmal erfasste Daten weiter verwenden zu können, unterstützt die RICS auch andere Brancheninitiativen, wie den gif-Standard zum Datenaustausch oder den Standard zum Aufbau eines Immobiliendatenraumes und Dokumentenmanagements 2.0 der gif, der auch durch den Datenstandardanbieter FIDJI unterstützt wird.

Zuverlässigkeit und Schutz haben Priorität

Erfasste und gespeicherte Daten müssen zuverlässig sein. Fachleute aus allen Bereichen stehen mehr denn je in der Verantwortung, die Verifizierung und damit die Zuverlässigkeit digital erfasster Immobiliendaten sicherzustellen. In Blockchains gespeicherte Daten sind unveränderbar, die Branche muss jedoch die Zuverlässigkeit der ursprünglichen Datenquellen gewährleisten. Die Datenherkunft und -qualität sind dabei entscheidend. Die Vorteile eines branchenweiten Datenaustauschs sind offensichtlich: Er bewirkt unter anderem die Steigerung der Markttransparenz und die Ermöglichung von Benchmarking-Analysen für Immobilieneigentümer und -nutzer. Es wird jedoch auch in Zukunft Situationen geben, in denen der Austausch vertraulicher oder gewerblich sensibler Daten nicht möglich ist. Daher ist es entscheidend, dass Data-Governance-Verfahren und -Richtlinien nicht nur den unerlaubten Zugriff auf sensible Daten unterbinden, sondern auch eindeutige Vorgaben dazu enthalten, welche Daten mit wem innerhalb und außerhalb von Unternehmen ausgetauscht werden dürfen. Dazu wurde ein RICS-Standard zum Datenhandling und zur Datensicherheit entwickelt, der gerade mit der Community diskutiert wird. RICS ermöglicht Unternehmen damit den Zugang zu zuverlässigen und sicheren Daten, indem Proptech-Unternehmen und -Technologien, die die RICS-Berufsstandards einhalten, im Rahmen des Technology Affiliate Programme (TAP) vorgestellt werden.

In den kommenden Jahren bietet sich innerhalb der Immobilienbranche eine große Chance, die Vorteile der aktuellsten technologischen Innovationen zu nutzen. RICS informiert Stakeholder darüber und unterstützt sie bei der Einführung von Proptech-Lösungen und RICS-Datenstandards auf gewerblicher und technischer Ebene, um sicherzustellen, dass sie auf dem neuesten Stand sind und mit aktuellen Marktentwicklungen und veränderten Kundenbedürfnissen Schritt halten können.

DIE AUTORIN SABINE GEORGI Country Managerin, RICS Deutschland, Berlin
Sabine Georgi , Geschäftsführerin , Urban Land Institute (ULI) Deutschland, Frankfurt am Main
Noch keine Bewertungen vorhanden


X