Kommunalfinanzierung

Kommunale Investitionen - gute Rahmenbedingungen als Chance für strukturelle Verbesserungen nutzen

Dr. Stephan Brand, Senior Referent Volkswirtschaft (Kommunen und Infrastruktur), KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main

Quelle: KfW

Die anhaltend guten konjunkturellen Rahmenbedingungen haben sich in der jüngeren Vergangenheit auch bei vielen deutschen Kommunen positiv bemerkbar gemacht. Dank steigender Steuereinnahmen und niedriger Sozialausgaben verzeichneten die Kämmerer in den beiden zurückliegenden Jahren einen Haushaltsüberschuss in Milliardenhöhe. Hinzu kommen günstige Kreditkonditionen, die infolge des Dauerzinstiefs die Finanzierung erleichtern. Dass sich Städte und Gemeinden auf diesen vorübergehenden Faktoren dennoch nicht ausruhen können, zeigt die Analyse des folgenden Beitrags. Die beiden Autoren stellen unter anderem eine aktuelle Umfrage unter Kämmerern vor, die den anhaltend hohen Investitionsbedarf der Kommunen offenlegt. Wie dieser sinnvoll bewerkstelligt werden kann erläutern sie ebenso wie die Frage, welche Schritte auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Stabilisierung der kommunalen Finanzen zeitnah gegangen werden müssen. Red.

Die Kommunen sind im föderalen System die wichtigste Ebene für die Bereitstellung öffentlicher Leistungen vor Ort, wie beispielsweise Schulen, Kitas oder der Wasserver- und -entsorgung. Dabei sind sie auch der größte Träger der gesamtstaatlichen Investitionen: Rund 35 Prozent der öffentlichen Bruttoinvestitionen wurden 2016 durch die Kommunen gestemmt. Durch die zahlreichen Herausforderungen, denen sich die Kommunen gegenüberstehen, wird diese Aufgabenerfüllung immer schwerer. Demografischer Wandel, Digitalisierung oder die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen bringen zusätzliche Kosten mit sich, die im kommunalen Haushalt oftmals nicht ohne Einsparungen an anderer Stelle oder zusätzliche Schulden gedeckt werden konnten. In der Summe haben sich in den vergangenen Jahren nicht nur die Schulden deutlich erhöht (siehe Abbildung). Auch hat sich ein kommunaler Investitionsrückstand manifestiert, der gegenwärtig trotz eines Rückgangs im Jahr 2016 immer noch bei 126 Milliarden Euro verortet werden kann.1)

Konjunkturelles Umfeld derzeit günstig

Die erfreuliche Nachricht ist: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind so gut wie lange nicht mehr. Die Steuereinnahmen sprudeln kräftig, die niedrigen Zinsen entlasten die öffentlichen Haushalte spürbar und die gute konjunkturelle Lage sorgt für Entspannung bei den Sozialausgaben. Kein Wunder also, dass auch die kommunalen Haushalte von der Entwicklung profitieren können (siehe Abbildung 1). Im vergangenen Jahr betrug der Haushaltsüberschuss der kommunalen Ebene über fünf Milliarden Euro - der höchste Wert seit der Finanzkrise 2008/ 2009.2) Auch die Investitionen ziehen weiter an und erreichen (nominal) den höchsten Stand seit über zehn Jahren.

Und selbst bei der Verschuldung konnte im zurückliegenden Jahr erstmals seit Jahren wieder ein Rückgang beobachtet werden. Dies gilt sogar für die kommunalen Kassenkredite, die als Indikator für eine besonders schwierige Haushaltslage gelten. Die insgesamt guten Zahlen haben aber zwei wesentliche Schwachpunkte: Zum ersten sind die entlastenden Effekte konjunktureller und damit zwangsläufig vorübergehender Natur. Die Herausforderungen, vor denen die Kommunen stehen (zum Beispiel dem demografischen Wandel), sind hingegen strukturell. Diese Herausforderungen werden auch weiter bestehen, wenn die Finanzlage sich wieder verschlechtert und müssen deshalb frühzeitig angegangen werden.

Zum Zweiten verbergen die erfreulichen Durchschnitte enorme regionale Unterschiede. Diese Unterschiede zeigen sich in verschiedenen Facetten. So liegt beispielsweise die Steuereinnahmekraft bayerischer oder hessischer Gemeinden im Durchschnitt rund 100 Prozent über denen in Mecklenburg-Vorpommern oder Thüringen.3) Auch im Hinblick auf die Investitionstätigkeit oder Verschuldung zeigen sich deutliche Unterschiede. Die Kommunen müssen somit teilweise unter extrem unterschiedlichen Voraussetzungen ähnliche (Mindest)Anforderungen erfüllen. Kommen dann außerordentliche Herausforderungen hinzu, wie die Bewältigung der hohen Flüchtlingszahlen im Jahr 2015, stoßen viele Kommunen an ihre Grenzen.

Abbau des Investitionsstaus: Geduld ist gefragt

Unter diesem Gesichtspunkt wundert es nicht, dass bei den öffentlichen Investitionen teilweise erheblicher Nachholbedarf besteht. Im Rahmen des KfW-Kommunalpanels werden die Kämmerer deutscher Kommunen jährlich nach ihrer Einschätzung zum Investitionsbedarf ihrer Kommune befragt. Das aktuelle KfW-Kommunalpanel 2017 zeigt einerseits, dass der Rückstand mit rund 126 Milliarden Euro weiterhin substanziell ist. Bedenkt man ferner, dass die größten Rückstände im Schul- und Verkehrsbereich liegen, verdeutlicht der Investitionsrückstand nicht nur ein fiskalisches, sondern auch ein standortpolitisches Problem von gesamtstaatlicher Tragweite.4) Die gute Nachricht andererseits ist, dass der Investitionsrückstand im Jahr 2016 um rund zehn Milliarden Euro zurückging. Die zahlreichen Maßnahmen aller föderalen Ebenen zur Investitionssteigerung zeigen also erste Wirkung. Legt man das Investitionsvolumen der Kommunen von 23,5 Milliarden Euro im Jahr 2016 zugrunde, wird jedoch auch klar, dass der weitere Abbau des Investitionsstaus noch einige Geduld erfordern wird. Die ersten Schritte in die richtige Richtung sind damit getan, auch wenn es insgesamt noch ein langer Weg ist.

Planungssicherheit und Kontinuität wünschenswert

Kann man diesen langen Weg mit großen Einmalinvestitionen oder Hilfs- und Investitionsprogrammen verkürzen? Nur bedingt! Bereits jetzt offenbart sich, dass die Kommunen nur ein begrenztes Volumen an Investitionsmitteln überhaupt zeitnah und sinnvoll verwenden können. Die Planung und Umsetzung von Investitionsprojekten erfordert Personal und Kapazitäten, die den Kommunen nicht unbeschränkt zur Verfügung stehen.5) Auch dürfen Preiseffekte nicht außer Acht gelassen werden. Angesichts des hohen Auslastungsgrades der Bauwirtschaft lassen sich wohl viele Investitionsprojekte nur in Angriff nehmen, wenn die gestiegenen Preise in Kauf genommen werden.6)

Das Ergebnis wären dann höhere Investitionssummen, bei sonst gleichbleibenden Leistungen. Investitionsprogramme können natürlich dabei helfen, wichtige Impulse und Anreize für zusätzliche Investitionen in politisch gewünschten Aufgabenbereichen zu setzen. Wich-tiger ist jedoch Kontinuität und Planungssicherheit für die Kommunen zu schaffen. Nur wenn Kommunen relativ konstant mit ihren Aufgaben und ihrer Finanzausstattung planen können, lassen sich langfristig sinnvolle Projekte entwickeln und Kapazitäten effizient an die bestehenden Rahmenbedingungen anpassen.

Dazu bedarf es jedoch weiterer Anstrengungen aller föderalen Ebenen. Der Bund sollte vor allem bei der Aufgabenverteilung stärker auf die Konnexität der Finanzierung achten, insbesondere im Sozialbereich. Die Länder wiederum müssen über ihre jeweiligen Ausgleichssysteme für eine angemessene Finanzmittelausstattung ihrer Kommunen sorgen.

Aber auch die Kommunen selbst müssen ihren Beitrag leisten. Dazu gehört zunächst eine Abwägung zwischen Kosten und Bürgerbedürfnissen, die zu einer sinnvollen Prioritätensetzung bei der Investitionsplanung führen sollte. Im Hinblick auf die angespannte Haushaltslage vieler Kommunen muss dabei auch auf die Nachhaltigkeit der Investitionsmaßnahme geachtet werden. Deshalb muss stets auch eine angemessene Berücksichtigung der Folgekosten erfolgen.

Auch ist zu prüfen, inwiefern das gegenwärtige Zinsumfeld für eine langfristige Entlastung der kommunalen Haushalte genutzt werden kann. Zudem könnten viele Projekte in der aktuellen Niedrigzinsphase günstig über den Kreditmarkt finanziert werden. Die Finanzierungsbedingungen der allermeisten Kommunen sind nämlich momentan gut, gerade auch im Hinblick auf den Kommunalkredit.7)

Kommunale Finanzen jetzt wetterfest machen

Dies gilt vor allem für solche Kommunen, in denen die Finanzierung den eigentlichen Engpass darstellt. Allerdings muss auch hier natürlich stets für ein dauerhaft trag fähiges Niveau der kommunalen Verschuldung Sorge getragen werden, insbesondere für den Fall, wenn die Kreditzinsen eines Tages wieder ansteigen. Ein Freibrief für eine überbordende Verschuldung ist die aktuelle Niedrigzinsphase eben nicht.

Die aktuell gute Gesamtsituation würde ein Angehen vieler dieser Punkte erleichtern, nicht zuletzt weil gegenwärtig genügend finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen, um strukturelle Reformen im Gemeindefinanzsystem anzupacken, vor denen bislang aufgrund der hohen (politischen) Kosten zurückgeschreckt wurde. Die wirtschaftliche Schönwetterperiode sollte in Anbetracht der aktuellen und absehbaren Herausforderungen deshalb unbedingt genutzt werden, die kommunalen Finanzen dauerhaft "wetterfest" zu machen, um auch in weniger guten Zeiten kommunale Investitionen und Angebote für die Bürger gewährleisten zu können.

Dieser Beitrag gibt die Meinung der Autoren wieder und repräsentiert nicht notwendigerweise die Position der KfW.

Fußnoten

1) Vgl. Scheller, H. et al. (2017): KfW-Kommunalpanel 2017, Hrsg. KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main.

2) Alle Angaben nach amtlicher Finanzstatistik. Siehe hierzu Statistisches Bundesamt (2017): Vierteljährliche Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts - Fachserie 14 Reihe 2 - 1.- 4. Vierteljahr 2016 sowie Vorläufiger Schuldenstand des öffentlichen Gesamthaushalts Fachserie 14 Reihe 5.2 - 1. Vierteljahr 2017.

3) Vgl. Arnold, F., Boettcher, F. et al. (2016): Kommunaler Finanzreport 2015. Hrsg. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh.

4) Vgl. Brand, S. und J. Steinbrecher (2016): Kommunaler Investitionsrückstand bei Schulgebäuden erschwert Bildungserfolge. In: KfW Research Fokus Volkswirtschaft Nr. 143, September 2016, Frankfurt.

5) Vgl. Brand, S. und J. Steinbrecher (2016): Erst mehr Geld und jetzt mehr Personal - was benötigen Kommunen für Investitionen? In: KfW Research Fokus Volkswirtschaft Nr. 151, Dezember 2016, Frankfurt.

6) Vgl. Mohl, A. (2017): Kostenexplosion bei Bauprojekten macht Kommunen zu schaffen. In: Der Neue Kämmerer v. 29. Juni 2017.

7) Vgl. Brand, S. und J. Steinbrecher (2017): Paradigmenwechsel in der Kommunalfinanzierung? Aktuelle Entwicklungen beim Kommunalkredit. In: Junkernheinrich, M., Korioth, S. et al. (Hrsg.): Jahrbuch für öffentliche Finanzen.

Die Autoren Dr. Stephan Brand, Senior Referent Volkswirtschaft (Kommunen und Infrastruktur), Dr. Johannes Steinbrecher, Senior Referent Volkswirtschaft (Kommunen und Infrastruktur), beide KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main
Dr. Stephan Brand , Senior Referent Volkswirtschaft (Kommunen und Infrastruktur) , KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main
Dr. Johannes Steinbrecher , Senior Referent Volkswirtschaft (Kommunen und Infrastruktur) , KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main

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