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LAST HOUR LOGISTICS - WO FINDEN INVESTOREN GEEIGNETE STANDORTE?

Simon Wallace, Foto DWS

Die Onlinerevolution verändert zunehmend auch die Liefergeschwindigkeit an Endkunden und sie bewirkt eine Reorganisation der Lieferketten. Einzelhändler und ihre Logistikdienstleister müssen sich hierauf einstellen und schnelle, flexible Lieferoptionen anbieten. Zudem gilt es, räumlich dicht am Verbraucher zu sein. Wo aber sind die optimalen Standorte, von denen aus Lieferanten innerhalb kurzer Zeit effizient liefern können? Die DWS hat dazu jüngst gemeinsam mit CACI die Studie "Last Hour Logistics" veröffentlicht, deren Kernergebnisse im Folgenden vorgestellt werden. Red.

So wie die Verbraucher in Deutschland immer stärker Onlinebestellungen nutzen, dürfte das zweistellige Wachstum im Onlinehandel auch weiterhin anhalten. Allerdings werden sich sowohl die Art und Weise des Onlineeinkaufs, als auch die Geschwindigkeit der Zustellung weiter entwickeln. Lieferungen werden immer schneller, häufiger und flexibler werden, und der Wunsch der Verbraucher nach Bequemlichkeit wird im Mittelpunkt stehen. Zweifellos wird die Nachfrage nach zeitnahen Zustellungen ("Same Day/Same Hour Delivery") rapide wachsen, was eine kontinuierliche Entwicklung der Lieferketten entlang des Hub-and-Spoke-Modells erforderlich macht und den Bedarf an einer Vielzahl von Logistik- und Lagerimmobilientypen schafft.

Einige Einzelhändler, insbesondere die größten reinen Onlinehändler, stellen sich bereits der Herausforderung einer schnelleren Lieferung. Sie konfigurieren ihre Lieferketten neu, eröffnen neue städtische Einrichtungen und erproben gleichzeitig mehrere Lieferpunkte, einschließlich Click & Collect, Paketschließfächern sowie Haus- und Außer-Haus-Lieferungen. Viele dieser unterschiedlichen Immobilientypen dürften in der Nähe von Ballungszentren liegen und sich in der Regel auf städtische Ge biete mit hohem Bestellvolumen konzentrieren.

Schwerpunktverlagerung

Allerdings sind nicht alle städtischen Standorte gleich, daher ist eine Betrachtung der Mikrolage der Einrichtungen wichtig. Da Einzelhändler und Logistikunternehmen häufig mit der Zustellung auf der letzten Meile zu kämpfen haben, ist eine Schwerpunktverlagerung von der Lieferdistanz auf die Lieferzeit zu erwarten. Nicht zuletzt durch technische Möglichkeiten zur Kraftstoffeinsparung und vermindertem Personaleinsatz dürften Lagevorteile durch räumliche Nähe zum Endkunden an Bedeutung verlieren.

Für Kontraktlogistiker, Lebensmitteleinzelhändler, traditionelle Einzelhändler und E-Commerce-Unternehmen, die schnell an Geschäfte oder Verbraucher verteilen, hilft die Identifikation dieser Standorte, um am Wachstum im Onlinehandel zu partizipieren. Nichtsdestotrotz bleiben Verteilzentren in möglichst kurzer Entfernung zum Endkunden für die Belieferung "on demand" wichtig. Im Zuge des erwarteten Wachstums der Paketzustellung dürfte damit auch die Nachfrage nach stadtnahen "Last-Hour"-Standorten weiter steigen.

Infolge dieser Entwicklung erwartet die DWS europaweit ein stärkeres Mietwachstum für diese Art von Verteilzentren. Am deutlichsten ausgeprägt dürfte dies in urbanen Stadtrandlagen sein, die einem erhöhten Druck auf die Flächenverfügbarkeit sowie starker Konkurrenz alternativer Nutzungsarten, insbesondere für Wohnraum, ausgesetzt sind. In Deutschland wird dabei in den nächsten fünf Jahren ein Anstieg der Logistikmieten in urbanen Räumen zwischen 2,5 Prozent in Frankfurt, etwa 3 Prozent in Düsseldorf und deutlich über 3 Prozent in Berlin und Hamburg prognostiziert. Damit liegt das Mietwachstum hier deutlich über den erwarteten Mietanstiegen für traditionelle, großvolumige Logistikflächen.

NRW sticht positiv hervor

Die Identifikation von "Last-Hour"-Standorten, die einen möglichst hohen Onlineumsatz abdecken, ist dabei nicht nur für Nutzer, sondern auch für Investoren von Interesse. Mithilfe von CACI wurde dazu das Potenzial der Onlineausgaben innerhalb einer Stunde Fahrzeit ("Last-Hour") identifiziert, wobei die gewählte Studienmethode auch für andere Lieferfenster (von 30 Minuten bis zu sechs Stunden) replizierbar ist und sogar für verschiedene Onlineausgabekategorien differenziert werden kann. Letztlich kann diese Studie als eine umgekehrte Analyse des Einzugsgebiets betrachtet werden: Statt der Kundenumsätze, die einem Einkaufszentrum zur Verfügung stehen, wird hier die Höhe der möglichen Onlineausgaben aufgezeigt, die innerhalb einer Stunde Fahrzeit von einem Logistikstandort aus abgedeckt werden. Im Ergebnis zeigt sich, dass im eher polyzentrischen deutschen Markt die Region Nordrhein-Westfalen (NRW) positiv hervorsticht. Hier sind die potenziellen Umsätze im Onlinehandel fast dreimal so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Dies gilt insbesondere für den bevölkerungsreichen Ballungsraum Köln/Düsseldorf. Darüber hinaus weisen auch die Bundesländer Berlin, Hamburg und Hessen hohe Werte auf.

Der Blick auf den potenziellen Onlineumsatz ist allerdings nur ein Teil der Gleichung, da die Ergebnisse nicht isoliert betrachtet werden können. Variablen wie Arbeitskräfte- und Standortverfügbarkeit, Stromversorgung, Betriebskosten und die Höhe der Miete spielen ebenfalls eine gewichtige Rolle. Daher müssen die potenziellen Onlineausgaben zum aktuellen Mietniveau ins Verhältnis gesetzt werden. Diese Auswertung wurde für 127 Standorte in Deutschland durchgeführt. Im Vergleich zu Großbritannien, das ebenfalls im Rahmen der Studie untersucht wurde, ist in Deutschland der Zusammenhang zwischen den potenziellen Onlineausgaben und den branchenüblichen Mieten weniger deutlich.

Grund hierfür ist einerseits die polyzentrische Struktur des Landes, andererseits aber auch die außergewöhnlich hohe Straßendichte sowie die Nähe zwischen Großstädten wie etwa in NRW. Auffallend ist, dass in Teilen NRWs die monatlichen Spitzenmieten trotz des hohen Onlineausgabepotenzials deutlich unter der Marke von sechs Euro pro Quadratmeter liegen und Mietniveaus an anderen Standorten der Region nochmals abfallen. Außerhalb NRWs besteht eine stärkere Beziehung zwischen Mieten und Ausgabepotenzial, allerdings dürfte hier der Faktor "alternative Flächennutzung" stärkeren Einfluss auf die Höhe der Mieten haben.

Ballungszentren im Anlegerfokus

Einige Standorte in NRW, an denen die Bodenpreise vergleichsweise niedrig sind, die aber noch - wie zum Beispiel in Remscheid - über ein relativ hohes Potenzial an Ausgaben für Onlinekäufe verfügen, könnten sich zu zukünftigen Last-Hour-Logistikzentren entwickeln. So verfügt beispielsweise Recklinghausen über ein Ausgabenpotenzial für Onlinekäufe, das nur acht Prozent unter dem Niveau von Düsseldorf liegt, wobei die Spitzenmieten gleichzeitig mit 40 Prozent deutlich niedriger ausfallen und auch die Bodenpreise um ein Fünftel geringer sind.

Wichtige Ballungszentren wie Düsseldorf und Köln dürften allerdings auch weiterhin hoch in der Gunst der Investoren stehen, da sie perspektivisch von fallenden Transportkosten profitieren. Damit werden Mieter in die Lage versetzt, höhere Mieten zu zahlen und sich damit Standorte zu sichern, die schnellere Lieferzeiten ermöglichen. Außerhalb NRWs scheint das Verhältnis zwischen Spitzenmieten und Onlineausgabepotenzial zu steigen, wenn auch noch nicht auf das in Großbritannien beobachtete Niveau.

Die Analyse deutet darauf hin, dass es durchaus deutlich günstigere Standorte innerhalb einer Agglomeration gibt. Ein Beispiel hierfür ist Mainz, wo ein ähnliches Umsatzpotenzial im Onlinehandel wie im nahe gelegenen Frankfurt erreicht wird, die Spitzenmieten allerdings fast 30 Prozent niedriger ausfallen. Andererseits existiert hier auch eine signifikant höhere Flächenverfügbarkeit, die Mietniveaus momentan begrenzen dürfte. Ähnlich verhält es sich mit Ludwigshafen, das aufgrund der Nähe zu Mannheim, Heidelberg und dem Rhein-Main-Gebiet ein hohes Potenzial für Onlineausgaben hat, gleichzeitig aber Mietniveaus aufweist, die deutlich niedriger ausfallen. Das grundsätzliche Risiko in Bezug auf die Flächenverfügbarkeit im deutschen Last-Hour-Markt ist auch hier deutlich erkennbar. Der Standort profitiert zwar von einer sehr guten Erreichbarkeit und der unmittelbaren Nähe zu einer Metropolregion, jedoch in einer Lage mit hoher Verfügbarkeit an Freiflächen. Die Vielzahl potenzieller Standorte für Projektentwicklungen bietet Mietern damit grundsätzlich eine große Auswahl. Allerdings gibt es einige Beispiele für solche Last-Hour-Ansiedlungen, wie die Standortwahl eines großen E-Commerce-Anbieters beweist, der ein 60 000 Quadratmeter großes Fulfillment-Center im nahe gelegenen Frankenthal betreibt.

Ein weiteres Beispiel dafür ist das günstig gelegene Pforzheim. Dieser Standort hat ein höheres Onlineausgabenpotenzial als Stuttgart, während die Mieten rund 30 Prozent niedriger liegen. Auch in Pforzheim eröffnete das genannte E-Commerce-Unternehmen 2012 ein 110 000 Quadratmeter großes Fulfillment-Center. Aufgrund steigender Baukosten und deutlich niedrigeren Mieten in derartigen Lagen halten wir diese Teilmärkte für relativ defensiv, zumal sie trotz des vorhandenen Wettbewerbsrisikos von Basiseffekten profitieren. Allerdings ist auch ein geringeres Mietwachstum im Vergleich zu urbanen Lagen zu erwarten. In urbanen Lagen könnte die technologiebedingte Senkung der Betriebskosten wiederum die Neigung der Nutzer zu höheren Mietzahlungen fördern, insbesondere an Standorten, die eine schnelle Belieferung der Kunden innerhalb eines 30-minütigen Lieferradius ermöglichen.

Lohnende Investmentstrategien

Investoren sollten "angebotsbeschränkte" Last-Hour-Standorte mit niedrigen Mietniveaus, wie etwa Pforzheim, in Betracht ziehen, um sowohl von Basiseffekten bei der Miete, aber auch dem defensiven Charakter des Marktsegments zu profitieren. Zwar könnten Mietsteigerungen auch an diesen Standorten nur moderat ausfallen, allerdings ist gleichzeitig mit günstigeren Einstiegspreisen zu rechnen. Das Vorhandensein von Standortalternativen deutet darauf hin, dass das künftige Mietwachstum in schwachen Mikrolagen innerhalb von Städten wie Düsseldorf, Frankfurt oder Stuttgart geringer ausfallen könnte. Die besten Mikrostandorte finden sich vielmehr in urbanen Stadtrandlagen, die schnelle Lieferzeiten ermöglichen, gleichzeitig jedoch mit alternativen Flächennutzungen konkurrieren und damit perspektivisch einen steigenden Druck auf Mietniveaus entwickeln.

Aufgrund des hohen Preisniveaus für Spitzenobjekte sollten Investoren trotz Verfügbarkeitsrisiken Standorte mit moderaten Mieten und einem hohen Ausgabenpotenzial im Onlinehandel in Betracht ziehen. Attraktiv sind beispielsweise Recklinghausen und Herne sowie die nahe gelegenen Städte Gelsenkirchen, Bochum und Witten in NRW. Diese Standorte bieten relative Preis- und Mietnachlässe zu Düsseldorf und Köln und verfügen über ein ähnliches Umsatzpotenzial im Onlinehandel. Zwischen Herne und Bochum gibt es Einrichtungen wie etwa Paketverteilzentren, die neben dem Einzelhandel und E-Commerce-Betreibern vertreten sind. Da der technologische Wandel die entfernungsbedingten Transportkosten reduziert, ist mit steigenden Mietniveaus und einer entsprechenden Nutzerfavorisierung an einigen dieser Standorte zu rechnen. Alternative Flächennutzungen sind hier aufgrund der hohen Verfügbarkeit an Freiflächen allerdings begrenzt.

Außerhalb von NRW sind unter anderem Mainz und Ludwigshafen interessant. Bei niedrigen Mieten könnten diese Standorte von Basiseffekten, zunehmender Flächenknappheit in etablierten Stadtlagen und ihrem relativ großen Potenzial für Onlineausgaben profitieren. Darüber hinaus erscheinen Städte wie Augsburg, Ingolstadt, Darmstadt oder Wiesbaden trotz eines vergleichsweise hohen Mietniveaus im Vergleich zur jeweiligen Kernstadt der Metropolregion attraktiv, erreichen sie doch ein ähnliches Niveau bei den Onlineausgaben. Auch an gut angebundenen Standorten im Berliner Umland sind Mieten deutlich günstiger, während die Preise trotz des ähnlichen Onlineumsatzpotenzials einen hohen Abschlag aufweisen.

Ziel dieser Analyse war die Identifizierung von optimalen Last-Hour-Lieferstandorten an denen Mieten und Bodenwerte nicht marktgerecht bepreist erscheinen. Die Studie soll Entwickler und Investoren dabei unterstützen, jene Standorte zu prüfen, die das Onlinewachstum für Einzelhändler erleichtern. Folglich erwarten wir an diesen Standorten niedrigere Leerstandsraten und ein stabiles und solides Mietwachstum. Im Gegensatz dazu befeuern konkurrierende Endnutzer und alternative Flächennutzungskonzepte das Mietwachstum an eher städtisch geprägten Last-Hour-Standorten.

DER AUTOR SIMON WALLACE Global Co-Head of Alternatives Research and Strategy, Alternatives, DWS, London
DER AUTOR FARHAZ MIAH Research-Analyst, Alternatives and Real Estate, DWS, London
Simon Wallace , Global Co-Head of Alternatives Research and Strategy, Alternatives, DWS, London
Farhaz Miah , Research-Analyst, Alternatives and Real Estate, DWS, London

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