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Neue Gesetze verändern die Pflegebranche

Patrick Holze

Der demografische Wandel wird nicht nur die Gesellschaft, sondern auch das Pflegesystem nachhaltig verändern. Mit dem ersten und zweiten Pflegestärkungsgesetz unternimmt die Bundesregierung die dritte Ergänzung der gesetzlichen Pflege. Gerade die neuen Gesetzesänderungen sind notwendig, um den jetzt schon präsenten Pflegenotstand zu bewältigen. Um die Verbesserungen der Pflege zu finanzieren, werden durch die Pflegestärkungsgesetze die Beiträge für die Pflegeversicherung in zwei Schritten um insgesamt 0,5 Beitragssatzpunkte angehoben. Ob dieser Betrag ausreicht, ist jedoch heute schon fraglich. Es besteht erhöhter Bedarf an Neu- und Ausbauten von Pflegeheimplätzen. Fraglich ist, ob der Staat die gesetzlichen Auflagen reduzieren wird. Den Kommunen fehlen zunehmend die finanziellen Mittel, sich an Pflegeheimen zu beteiligen. Red.

Die Entwicklung der deutschen Bevölkerungsstruktur ist rückläufig - die Zahlen dazu sprechen eine eindeutige Sprache: Laut Bericht des Statistischen Bundesamts werden im Jahr 2060 fast doppelt so viele 70-Jährige leben, wie Kinder geboren werden. Zum Vergleich: Aktuell liegt der Anteil der 20- bis 64-Jährigen in der Bevölkerung bei 61 Prozent, der der über 65-Jährigen bereits bei 21 Prozent.

In naher Zukunft, bis zum Jahr 2030, soll sich dieser Prozentsatz weiter auf 27 erhöht haben. Dahingegen entwickelt sich der Anteil der unter 20-Jährigen deutlich langsamer. Während dieser im Jahr 2014 bei 18 Prozent lag, wird er bis zum Jahr 2030 voraussichtlich um gerade Mal einen Prozentpunkt steigen.

Demografischer Wandel verlangt Maßnahmen

Dieser Trend sorgt dafür, dass der jetzt schon vorhandene Pflegenotstand sich mit aller Voraussicht drastisch entwickeln wird. Denn im Jahr 2013 waren bereits 2,63 Millionen Menschen nach SGB XI pflegebedürftig. Diese Zahl wird, bedingt durch den demografischen Wandel, steigen. Angesichts dieser Entwicklung sieht sich die Bundesregierung erneut in der Bringschuld.

Mit dem in diesem Jahr in Kraft getretenen Pflegestärkungsgesetz I sollen nochmalig die Bedingungen der pflegerischen Versorgung in Deutschland verbessert werden. 2016 wird mit der Anwendung des Pflegestärkungsgesetzes II der Begriff "pflegebedürftig" neu definiert und ein neues Begutachtungsverfahren eingeführt.

Änderungen für die häusliche Pflege

Von den zirka 2,6 Millionen derzeit in Deutschland pflegebedürftigen Menschen werden laut Statistischem Bundesamt rund 71 Prozent häuslich gepflegt.

Sogenannte "pflegende Angehörige" profitieren zuallererst vom Pflegestärkungsgesetz I. Deren Probleme hat die Bundesregierung erkannt und handelt nun: Seit 1. Januar 2015 stehen besonders für die häusliche Pflege deutlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung: Insgesamt werden 1,4 Milliarden Euro zusätzlich bereitgestellt. Pflegebedürftige können so länger im gewohnten Umfeld bleiben. Um den Verbleib in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen, fördert die Bundesregierung unter anderem Umbaumaßnahmen, wie beispielsweise den Abbau von Schwellen oder den Einbau barrierefreier Duschen. Hier steigt der Förderungswert von bisher maximal 2 557 Euro auf bis zu 4 000 Euro pro Maßnahme.

Die zusätzlich ausgebauten Leistungen werden für alle Pflegebedürftigen zugänglich gemacht. Damit erhalten beispielsweise Demenzkranke seit dem 1. Januar 2015 bis zu 104 oder 208 Euro pro Monat. Auch bei rein körperlicher Beeinträchtigung werden nun 104 Euro pro Monat von der Pflegekasse erstattet. Künftig werden Leistungen wie Kurzzeitpflege, Tages- und Nachtpflege und Betreuungsleistungen durch ambulante Pflegedienste oder nach Landesrecht anerkannte niedrigschwellige Angebote besser finanziert.

Zusätzlich unterstützt das neue Pflegestärkungsgesetz pflegende Angehörige besser. Sie sollen künftig die Möglichkeit haben, die Unterstützung zu erhalten, die am besten in ihre konkrete Lebenssituation passt. So wurde der Zeitraum für Anspruch auf Kurzzeitpflege, wenn also eine kurzzeitige Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung nötig ist, ausgeweitet. Statt ursprünglich vier Wochen ist nun eine Kurzzeitpflege von acht Wochen pro Jahr möglich. Die Pflegekasse übernimmt dafür künftig bis zu 3 224 Euro, zuvor lag die Grenze bei bis zu 3 100 Euro.

Auch die Verhinderungspflege, wenn pflegende Angehörige eine Vertretung benötigen, weil sie beispielsweise krank sind, wurde entsprechend angepasst. Unter Anrechnung auf den Anspruch von Kurzzeitpflege wird eine Vertretung von bis zu sechs Wochen gewährleistet. Zuvor lag die Dauer bei bis zu vier Wochen. Finanziell unterstützt wird die Verhinderungspflege pro Jahr mit bis zu 2 418 Euro.

Pflegestufen werden zu Pflegegraden

Umfangreiche Änderungen bringt auch das zweite Pflegestärkungsgesetz mit sich, das bereits im August 2015 vom Bundeskabinett als Entwurf verabschiedet wurde. Das Gesetz, das schon am 1. Januar 2016 in Kraft treten soll, verändert die Pflege in Deutschland nachhaltig. Es wird mit diesem Gesetz ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt, der laut Bundesminister für Gesundheit, Hermann Gröhe, den tatsächlichen Unterstützungsbedarf besser erfasst. In Zukunft wird die Leistungshöhe darüber bemessen, zu welchen Tätigkeiten eine Person noch selbst fähig ist und wo sie Unterstützung braucht.

Um dies umzusetzen, werden die bisher geläufigen drei Pflegestufen in fünf Pflegegrade umgewandelt. Diese gelten dann für alle Pflegebedürftigen. Zu diesen Gruppen zählen dann auch Personen von erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz. Dadurch ändert sich die Überprüfung der Pflegegrade. Körperliche, geistige und psychische Einschränkungen werden künftig gleichermaßen für die Einstufung erfasst.

Dazu wird der Grad der Selbstständigkeit miteinbezogen. Dieser wird in unterschiedlicher Gewichtung in sechs verschiedenen Bereichen erfasst. Die Bereiche sind: Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.

Die Ergebnisse dieser Überprüfung ergeben die Einstufung in einen Pflegegrad. Pflegebedürftige, die sich bereits in einer der drei Stufen befinden, werden automatisch in das neue System eingegliedert.

Verbesserung der Pflegebedingungen

Das Pflegestärkungsgesetz I erweckt den Anschein, dass die ambulante Pflege gegenüber der stationären Pflege bevorzugt wird. Ein Trugschluss: Das Pflegestärkungsgesetz I erhöht auch den Betreuungsschlüssel von bisher 1:24 auf 1:20. Dies erfordert eine Aufstockung des Betreuungspersonals auf nunmehr 45 000 - das Gesetz schafft 20 000 neue Stellen. Diese Erhöhung soll vor allem in der stationären Pflege den emotionalen Charakter des Aufenthalts in einem Pflegeheim verbessern. Denn ob auch künftig 71 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt werden können, ist angesichts des demografischen Wandels nicht zu garantieren.

Unabhängig von der Politik hat sich die Branche der Verbesserung der Pflegebedingungen angenommen. Die meisten neuen Pflegeheime sind vergleichbar mit einem Vier-Sterne-Hotel. Es gilt, die schon bestehenden Pflegeheime auf ein ähnliches Niveau zu bringen: Rund 6 000 Einrichtungen stehen damit zur Disposition. Die schwer zu bewältigenden Rahmenbedingungen für den Bau neuer Pflegeheime machen Modernisierungsarbeiten an bestehenden Einrichtungen attraktiv. Jedoch verursachen die nötigen Umbaumaßnahmen enorme Kosten. Häufig fehlen dazu die finanziellen Mittel. Immer weniger Kommunen sind bereit, sich an Pflegeheimen zu beteiligen - der Aufwand sei zu hoch.

Daher gibt es mehr private Träger, die Pflegeeinrichtungen übernehmen. Damit die Betreiber das nötige Kapital für Modernisierungen generieren, können Anteile der Pflegeimmobilien von privaten Kapitalanlegern erworben werden. Für Kapitalanleger bietet sich zum einen die Gelegenheit, risikoarm in Sachwerte zu investieren; Betreiber können zum anderen mit dem Kapital den Standard ihrer Einrichtung verbessern.

Neben Mieteinnahmen und Rendite erhalten Anleger zudem ein sogenanntes bevorzugtes Belegungsrecht für sich und nahe Angehörige. Durch Portale wie marktplatz-pflegeimmobilie.de können interessierte Anleger gezielt nach einem passenden Investment suchen.

Der Neubau von Pflegeheimen scheint neben der privaten Pflege künftig unumgänglich. In vielen Ortschaften gibt es keine Einrichtungen. Der größte Fehlbestand an Pflegeplätzen liegt in Gemeinden mit 3 000 bis 50 000 Einwohnern. Hier sollte eine Verbesserung der Pflegesituation forciert werden. Hohe gesetzliche Auflagen und Vorschriften erschweren den Bau sowohl für kommunale Träger als auch für private Betreiber.

Eine andere Möglichkeit, die Wohnsituation von Pflegebedürftigen zu verbessern, wäre der Bau weiterer Wohnanlagen für betreutes Wohnen, auch gerade in kleinen Gemeinden. Auch logistisch wäre eine solche Maßnahme von Interesse: Pflegedienste hätten so kürzere Wege zum potenziell Pflegebedürftigen und könnten ihre Einsätze so besser planen. Für die Pflegebedürftigen ist diese Variante jedoch problematisch, denn ein Aufenthalt im betreuten Wohnen muss in der Regel selbst finanziert werden. Zwar übernimmt die Pflegekasse die Pflegekosten je nach Pflegestufe, doch eine weitere Absicherung durch das Sozialgesetzbuch ist nicht gewährleistet.

Pflege - quo vadis?

Die neuen Pflegestärkungsgesetze können nur ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Es gilt für unsere alternde Gesellschaft, weiterhin an besseren Rahmenbedingungen zu arbeiten und die Versäumnisse der Vergangenheit nach und nach zu revidieren. Die Politik muss definitiv nachbessern, denn es ist unklar, wie in Zukunft der erhöhte Bedarf an Pflegeheimplätzen gedeckt werden soll - die Wartelisten sind längst überfüllt.

Erhöhter Bedarf verlangt mehr Neu- und Ausbauten. Doch ob der Staat hier die gesetzlichen Auflagen reduzieren wird, ist fraglich. Die Branche hat das erkannt und durch Möglichkeiten wie die Kapitalanlage in Pflegeimmobilien gezeigt, dass Pflege für die Menschen ein wichtiges Thema ist. Angesichts des schon heute vorherrschenden Pflegenotstands sollte die Politik diese Entwicklungen nicht verschlafen.

Der Autor

Patrick Holze - Geschäftsführer, Marktplatz Pflegeimmobilie, Novario GmbH, Harsum

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