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DIE NEUE SEIDENSTRASSE: IMPLIKATIONEN DES CHINESISCHEN ENTWICKLUNGSPROJEKTS FÜR LOGISTIKSTANDORTE

Bodo Hollung Quelle: LIP Invest

Investitionen in Milliardenhöhe sollen die berühmte Handelsroute wieder auferstehen lassen: Mit dem Bau von Eisenbahnen, Straßen, Häfen und Pipelines will China den Handelskorridor von Zentralasien bis Europa neu beleben. Das ehrgeizige Konzept läuft unter dem Namen "Belt and Road Initiative" (BRI) und besteht aus zwei Haupttransportrouten: Der interkontinentale Landgürtel (Belt) erstreckt sich von China über Zentralasien und den Nahen Osten nach Europa, das maritime Straßennetz (Road) reicht von Südchina über Südostasien, Indien, Sri Lanka und Ostafrika nach Europa. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts sollen Logistikstrukturen geschaffen werden, die China besser mit dem Rest der Welt verbinden und das nationale Handelswachstum ankurbeln. Red.

Bis zu 900 Milliarden US-Dollar lässt sich China die umfassenden Investitionen in Infrastrukturprojekte kosten, die Stück für Stück ein Gesamtnetzwerk ergeben sollen. Der Wirtschaftsgürtel entlang der früheren Handelsrouten soll bis zu drei Milliarden Menschen und damit den größten Markt der Welt umfassen. Mittlerweile sind an der Initiative über 70 Länder beteiligt. Die ersten Abschnitte des neuen Handelskorridors sind bereits fertiggestellt.

Schiene als Alternative zu Luft- und Seefracht

Kurzfristig sollen dadurch Überkapazitäten der inländischen Industrie abgebaut werden, langfristiges Ziel ist dagegen die Stärkung der geopolitischen und weltwirtschaftlichen Position Chinas. Die chinesischen Produktionsstätten "rücken" näher an Europa heran: Die Transportzeiten können auf dem Land- und Seeweg deutlich verkürzt werden, was für die deutsche und europäische Logistik- und Transportindustrie Chance und Risiko zugleich ist.

Bislang wird rund 95 Prozent des Güterverkehrs zwischen Asien und Europa über den Seeweg transportiert. Klassischerweise führt die Route von Ostasien über den Suezkanal durch das Mittelmeer bis zu den Nordseehäfen. Für die rund 11 000 Seemeilen lange Strecke werden in der Regel vier bis sechs Wochen benötigt. Der Transport via Luftfracht dauert lediglich drei bis vier Tage, allerdings sind die Transportkosten bis zu zehnmal höher als bei der Seefracht. Entsprechend spielt Luftfracht vor allem für kleine, hochpreisige Güter eine wichtige Rolle. Dem Transport auf der Schiene kommt mit dem Ausbau der neuen Seidenstraße eine zunehmende Bedeutung im Handel zwischen China und Europa zu. Je nach Route dauert die Fahrt zwischen 12 und 20 Tagen und ist damit deutlich kürzer als über den Seeweg. Die Güterzüge zwischen China und Europa bieten somit einen Mittelweg zwischen der langsamen, aber kostengünstigsten Transportoption per Schiff und der schnellen, aber dafür teuren Luftfracht.

Enormes Potenzial

Die Bahnverbindung wird den Seetransport zwar nicht ersetzen, da im Vergleich zum Containerschiff deutlich weniger Fracht aufgenommen werden kann und die bislang notwendigen Umspurvorgänge aufgrund unterschiedlicher Spurweiten in China, Europa und Russland die Transportkosten in die Höhe treiben. Vor allem bei eiligeren Gütern ist der Schienenverkehr jedoch eine ernst zu nehmende Alternative, insbesondere zur Luftfracht. Mit einer Angleichung der diversen Schienensysteme wäre zudem eine weitere Verkürzung der Dauer möglich.

Rund 8 000 Zugfahrten haben in dem Korridor bereits stattgefunden. Für Deutschland bietet das Projekt ein enormes Potenzial durch schnellere und günstigere Transporte, allerdings auch eine zunehmende Konkurrenz für inländische Produktions- und Handelsunternehmen. Die großen deutschen Logistikdienstleister bieten bereits seit längerem Transporte auf der Schiene zwischen Europa und China an. Hier befindet man sich zunehmend im Wettbewerb mit den aufstrebenden chinesischen Speditionsunternehmen. Eine Differenzierung ist nur über das Servicelevel möglich. Zugänge zur neuen Seidenstraße gibt es auch in Deutschland: Von Duisburg aus fahren bereits 25 Züge pro Woche zu mehreren chinesischen Zielen. Eine direkte Bahnverbindung besteht beispielsweise zum Güterbahnhof in Chongqing. Ab 2020 sollen auf dieser Strecke bis zu 5 000 Güterzüge pro Jahr verkehren. Über eine strategische Partnerschaft mit dem Hafen Triest soll zudem das europäische Netzwerk ausgebaut und eine Anbindung an China sowohl über den Suezkanal als auch über den Landweg via Türkei und Iran geschaffen werden. Erklärtes Ziel ist die Steigerung des Güterumschlags in beiden Häfen.

Neue Einfallstore und Transportrouten entstehen

Nicht zuletzt die Anbindung an die 11 000 Kilometer lange Bahnstrecke machen den Standort Duisburg auch für chinesische Unternehmen interessant. Vorteilhaft ist die zentrale Lage innerhalb Europas und damit eine günstigere Ausgangsposition für eine weiträumige Distribution im Vergleich zu den Hafenstandorten an der Küste. In der Nähe des Duisburger Binnenhafens sollen rund 300 chinesische Firmen angesiedelt werden, die von hier aus ihren Vertrieb für Mitteleuropa abwickeln. Noch sind die Züge allerdings nicht profitabel. Das liegt vor allem daran, dass ein Ungleichgewicht im Frachtaufkommen besteht: Deutlich mehr Güter werden von China nach Europa geschickt als in die entgegengesetzte Richtung.

Doch die Situation ändert sich. Mit dem Anstieg der Kaufkraft im asiatischen Raum wächst auch die Nachfrage nach Luxusgütern, Textilien und Fahrzeugen aus Europa. Während zu Beginn viermal so viele Container nach Europa transportiert wurden, sind es mittlerweile nur noch zweimal so viele. Auch andere Standorte nutzen die Verbindung nach China: Von beziehungsweise nach Hamburg werden pro Woche über 170 Ganzzugverbindungen angeboten. Von Nürnberg aus verkehrt einmal pro Woche ein Güterzug mit über 50 Containern in das 10 000 Kilometer entfernte Chengdu. Chinas Eingangstor nach Europa auf der Seeseite und Drehkreuz im Mittelmeer ist der griechische Hafen Piräus, der im Zuge der Finanzkrise in chinesische Hand gelangte: Die chinesische Reederei Cosco will mit dem Ausbau des Hafens ein Hub für den gesamten Mittelmeerraum schaffen. Von hier sollen weitere Korridore nach Mitteleuropa entstehen. Seeverkehre könnten sich von den Nordrange-Häfen wie Hamburg und Bremen in diesem Zuge an den Mittelmeerhafen verlagern. Bislang sind in den rund fünf Jahren bereits zwischen 200 und 400 Milliarden US-Dollar in das gesamte Projekt geflossen.

Standorte im Osten Deutschlands

Durch die Anbindung von Standorten an die Verkehrsrouten und Infrastrukturknotenpunkte der neuen Seidenstraße ergeben sich Ansiedlungsanreize und auch Standortvorteile für bereits ansässige Logistik-, Handels- und Industrieunternehmen und erhebliche Potenziale zur Steigerung der Attraktivität als Logistikstandort. Logistikstrukturen können sich mit solch neuen Verkehrswegen grundlegend verändern und sogar komplett neue Wirtschaftszentren entstehen lassen. Mit den aus Osten nach Deutschland eingehenden Warenströmen können sich insbesondere am östlichen Rand Deutschlands entlang der Transportrouten neue Logistikzentren entwickeln. So könnten beispielsweise Standorte wie Nürnberg, Hof, Bayreuth, Regensburg, Straubing, Dresden oder Chemnitz von den neuen Strukturen profitieren. Die neue Seidenstraße ist nur ein Beispiel, wie die Globalisierung die Logistikstrukturen verändert: Mit dem Abbau von Zöllen, der Einführung von Standards und Normen sowie der Reduzierung von Handelshemmnissen werden die internationalen Verflechtungen fortschreiten. Logistikstandorte an Infrastrukturknoten gewinnen somit weiter an Bedeutung. Die Dynamik der Logistikbranche und der Bedarf an Logistikflächen ist ungebrochen.

Die Logistik gehört zu den bedeutendsten Wirtschaftsbereichen in Europa: Mit einem Volumen von 1 050 Milliarden Euro trug der Logistikmarkt in 2016 zu knapp sieben Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts bei. Über die letzten Jahre hinweg ist der Markt zudem stetig gewachsen. Deutschland ist dabei mit rund einem Viertel der mit Abstand größte Logistikmarkt in Europa und das schon seit Jahren. Als Exportnation und aufgrund der zentralen Lage mit gut ausgebauter Verkehrsinfrastruktur ist Deutschland ein internationales Logistikdrehkreuz. Immer mehr internationale Unternehmen entscheiden sich bei der weltweiten Verteilung ihrer Waren für Deutschland als Logistikstandort.

Logistikimmobilien werden sich auch als Assetklasse weiter etablieren. Durch die hohe Nachfrage nach Logistikimmobilien als Investment hat sich der Marktanteil inzwischen auf 15 Prozent erhöht. Aus allen Teilen der Welt strömt Geld auf den deutschen Gewerbeimmobilienmarkt. Bei Logistikimmobilien ist der Anteil internationaler Investoren so hoch wie in keinem anderen Segment. Die hohe Nachfrage wirkt sich auf die Renditen aus, insbesondere in den etablierten Logistikregionen.

Auch die anderen Segmente haben Renditerückgänge zu verzeichnen, sodass der Renditespread gegenüber anderen Anlageklassen immer noch zirka 125 bis 175 Basispunkte beträgt. Die Bruttoanfangsrenditen für Logistikneubauten in besten Lagen liegen derzeit bei rund 5,0 Prozent oder leicht darunter. Die Spitzenrenditen gehen bereits in Richtung 4,5 Prozent. Attraktive Investments sind in guten Lagen jedoch auch zu höheren Renditen möglich, wofür es allerdings eine gute Marktkenntnis braucht.

Immobilien als Teil der Supply Chain

Bei Logistikimmobilien bestimmt die Lage wesentlich den Grad der Drittverwendungsfähigkeit und somit den nachhaltigen Wert der Immobilie. Auf der Makroebene gibt es Standorte, die unabhängig von der spezifischen Nutzung attraktive Rahmenbedingungen für die Logistik bieten, beispielsweise durch die Lage in einer etablierten Logistikregion, der Nähe zu Infrastrukturknoten, Ballungszentren, großen Produktionsstätten oder das Arbeitskräftepotenzial. Die Mikrolage ist hingegen stark von den individuellen Anforderungen des Nutzers, wie etwa dem konkreten Flächenbedarf, abhängig. Wichtige Kriterien sind hier unter anderem eine gute Verkehrsanbindung und schnelle Autobahnerreichbarkeit.

Die hohe Neubautätigkeit der letzten Jahre belegt die anhaltende Nachfrage nach Logistikflächen - und zwar nicht nur an wenigen Topstandorten, sondern relativ flächendeckend über Deutschland verteilt. Für die Bewertung ist es wichtig, die Logistikimmobilie als Teil der Supply Chain zu verstehen, um beurteilen zu können, welchen strategischen Nutzen eine Immobilie für den Mieter hat und welche Nachnutzungspotenziale gegebenenfalls bestehen. Durch die zeitliche Verkürzung der langen und risikobehafteten Supply Chains zwischen China und Europa ist bei einer volatileren Nachfrage eine schnellere Reaktion auf die Endkundenbedarfe möglich. Dadurch müssen weniger Pufferbestände vorgehalten werden, wodurch sich gegebenenfalls die Anforderungen an Logistikimmobilien wie geringere Hallenhöhen aufgrund eines geringeren Bedarfs an Lagerkapazität verändern können. Auch nimmt die zeitkritische Lieferung von Waren aufgrund schneller Saison- und Modellwechsel immer mehr zu, wodurch eine Verkürzung der Transportzeit Vorteile bringt.

Auch wenn der Seeweg im Hinblick auf das Volumen wohl weiterhin die wichtigste Transportverbindung zwischen China und Europa bleiben wird, kann der Schienenoder Straßenweg durchaus eine attraktive Mittellösung darstellen, die schneller als die Seefracht und günstiger als die Luftfracht ist. Für fundierte Investmententscheidungen sollte somit die Entwicklung des Megaprojekts und dessen Auswirkungen auf die logistische Attraktivität von Standorten einbezogen werden.

DER AUTOR BODO HOLLUNG, Geschäftsführender Gesellschafter, LIP Invest GmbH, München
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Bodo Hollung , Gesellschafter, Geschäftsführer , LIP Invest GmbH
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