IMMOBILIENMÄRKTE

ONLINESHOPPING SCHAFFT NEUE CHANCEN BEI HANDELS- UND LOGISTIKIMMOBILIEN

Dr. Christoph Schumacher, Foto: Credit Suisse

Immobilien bleiben angesichts des Niedrigzinsumfelds weiterhin ein gefragtes Investment. Doch gerade bei Handels- und Logistikimmobilien sollten Investoren im Rahmen ihrer Anlageentscheidung auch strukturelle Trends berücksichtigen, denn diese sorgen für nachhaltige Veränderungen. So setzt das wachsende Onlineshopping den klassischen Einzelhandel teilweise unter Druck. Gleichwohl bleiben Investitionen in weniger vom Onlinehandel betroffene, gut positionierte Handelsformate weiterhin erfolgversprechend. Der Markt für Logistikimmobilien hingegen wird durch den Onlinehandel generell beflügelt. Der in Teilen überhitzte Transaktionsmarkt erfordert nach Einschätzung der Autoren jedoch auch in diesem Segment eine selektive Auswahl der Objekte und Mieter. Red.

Die anhaltende Phase extrem niedriger Zinsen führt zu einer hohen Nachfrage nach Immobilienanlagen. Das ist wenig verwunderlich, nachdem die Verzinsung von zehnjährigen deutschen Bundesanleihen, der Benchmark für die Eurozone, in den negativen Bereich zurückgefallen ist. Angesichts dieser großen Herausforderung für Investoren bleiben Immobilien als Anlageklasse aufgrund der soliden Renditedifferenzen weiterhin im Fokus von privaten sowie institutionellen Anlegern.

Tatsächlich sind die Wertschöpfungsketten für Handels- und Logistikimmobilien einem substanziellen Wandel unterworfen. Letzterer leitet sich aus dem technologischen Fortschritt ab, der eine zunehmend allumfassende Einbettung der mobilen Kommunikationsmittel in unseren Alltag mit sich bringt. Dies führt zu veränderten Konsumgewohnheiten und Ansprüchen.

Anhaltende Dynamik im Onlinesegment

Die Verkäufe im Onlinesegment entwickeln sich weiterhin sehr dynamisch. Amazon, der Branchenprimus, hat zwischen 2014 und 2018 seinen Umsatz allein in Deutschland von 8,9 auf 16,8 Milliarden Euro steigern können. Zalando möchte sich als erste Anlaufstelle von Fashion in Deutschland positionieren und setzt nun auch stärker auf den Vertrieb von Fremdmarken. In den europäischen Markt drängen auch chinesische Anbieter wie Alibaba oder JD. Zudem werden Nischen besetzt: Mit Zooplus hat zum Beispiel eine europaweit tätige Plattform für den Onlinevertrieb für Tierfutter eröffnet.

Nicht nur in Deutschland entwickelt sich der Onlinehandel dynamischer als der stationäre Einzelhandel. 2018 stagnierte der reale Umsatz für den stationären Einzelhandel in der Eurozone, während die Umsätze für den Onlinehandel gemäß Property Market Analysis (PMA) real um rund zehn Prozent anstiegen.

Einzelhandel reagiert auf neue Konsumgewohnheiten

Mit den neuen Konsumgewohnheiten einher geht letztlich ein struktureller Trend, auf den sich der Handel einstellt und der das Segment der Handelsimmobilien nachhaltig verändert. So setzen sowohl der traditionelle Einzelhandel als auch der Onlinehandel auf eine Weiterentwicklung ihrer Shoppingkonzepte. Stichwort Multichannel: Onlinehändler eröffnen in den Innenstädten zusätzlich Ladengeschäfte und erhöhen durch Showrooms ihre Visibilität.

Der Einzelhandel wiederum baut seine Onlineangebote aus oder investiert gar in eigene Apps, um so die Reichweite zu erhöhen. Viele passen ihre Verkaufskonzepte auch dahingehend an, dass sie in den Geschäften für Wohlfühlatmosphäre sorgen und so versuchen, den Einkauf durch Attraktionen zu einem besonderen Erlebnis zu machen und sich vom Einkaufen im Internet abzuheben. Den Komfort erhöhen Einzelhändler unter anderem, indem sie für eine bessere Beratung und eine schnellere Bezahlung sorgen.

Erlebniseinkauf stößt auf Anklang

Gleichzeitig entstehen auch völlig neue Verkaufsformate wie Minishops in besten Lauflagen oder sogenannten Pop-up-Stores, wobei Flächen kurzfristig für Produkttests oder zwecks Markenbildung angemietet werden. Generell kommt dem Erlebniseinkauf und der Einbeziehung anderer Nutzungen eine größere Bedeutung zu. Ein hochwertiges Unterhaltungs- und Gastronomieangebot in der Immobilie oder im nahen Umfeld wird von Konsumenten honoriert. Wohn- und Büroräume, eine moderne Gastronomie sowie Arztpraxen und Fitnessstudios in der Nähe sind Frequenzbringer.

Als Trend bei allen Nutzungen ist der gewachsene Bedarf nach einer hohen Flexibilität bei der Flächen- und Raumkonfiguration erkennbar. Eine Drittverwendungsfähigkeit für neue Mieter und Konzepte zahlt sich aus. Auch eine zeitgemäße technische Ausstattung, etwa durch schnelles Internet oder eine effiziente Klimatechnik, ist nicht mehr wegzudenken. Zudem kommen Nachhaltigkeitsaspekte immer stärker zum Tragen.

Effekte des Onlinehandels variieren stark

Grundsätzlich haben der Onlinehandel und die Digitalisierung nicht nur sektoral, sondern auch regional unterschiedliche Bedeutung, sodass zum Beispiel in Süd- und Osteuropa nur ein Umsatzanteil von fünf bis neun Prozent des Onlinehandels bis 2023 erwartet wird, während es für Großbritannien ein prognostizierter Anteil von 25 Prozent sein wird. Ebenso werden die einzelnen Produktkategorien unterschiedliche Ausprägungen in Bezug auf den Onlinehandel aufweisen. Im Bereich der Lebensmittel und Drogeriemärkte wird nur ein geringer Einfluss auf den stationären Einzelhandel prognostiziert, während die Bereiche Medien und Mode vermutlich stärkere Beeinträchtigungen erleben werden.

In der Summe führen diese unterschiedlichen Merkmale zu einer Fokussierung auf die jeweils zugehörigen Handelsformate. Nahversorgungsmärkte, Fachmarktzentren und Fachmärkte werden bei einem hohen Anteil an Gütern für den täglichen Bedarf weiterhin nachgefragt sein. Die Konzepte, die hingegen stärker vom Onlinehandel betroffen sein werden, müssen sich entsprechend neu positionieren.

Ähnlich ergeht es den innerstädtischen Handelsflächen. Flächen in frequentierten Haupteinkaufsstraßen in Großstädten und prosperierenden Mittelstädten mit großem Einzugsgebiet werden weiter sehr beliebt sein, während es zu einem Nachfragerückgang in 1b/2er-Lagen und in 1a-Lagen in Klein- und wenig attraktiven Mittelstädten kommen wird. Auch der Bereich der Shoppingcenter bleibt von der Digitalisierung und dem Onlinehandel nicht unbeeinflusst.

Bei führender Position im Einzugsgebiet mit modernem Gastronomie-/Unterhaltungsangebot und Verkaufskonzepten bleibt dieser Sektor weiterhin erfolgversprechend. Viele ältere Center hingegen gelten als nicht mehr wettbewerbsfähig, wenn sie nicht umfassend modernisiert und repositioniert werden.

Selektives Vorgehen empfiehlt sich

Traditionell verzeichneten in der Eurozone innerstädtische Handelsimmobilien an 1a-Lagen mit einer hohen Passantenfrequenz einen langfristigen Aufwärtstrend der Mietpreise (siehe Abbildung 1). Auch während Konjunkturabschwüngen erlebte dieses Segment historisch geringere Schwankungen als zum Beispiel Büroimmobilien. Die Situation hat sich in den letzten Jahren jedoch aufgrund oben benannter Gründe verändert, sodass man im Bereich der Einzelhandelsimmobilien selektiver vorgehen muss.

Ein Anstieg der Prime-Handelsimmobilienmieten war europaweit im vergangenen Jahr noch in Paris, Dublin, Südeuropa (Barcelona, Madrid, Mailand und Lissabon) sowie Mittel- und Osteuropa (Prag, Budapest und Warschau) zu beobachten. In deutschen und niederländischen Innenstädten war 2017 und 2018 kein Anstieg der Mieten selbst für 1a-Lagen zu erkennen, mit Ausnahme von Prime-Lagen in Berlin und München.

Neue Konzepte eröffnen neue Chancen

Für Investoren, die die aktuellen gesellschaftlichen Trends richtig deuten können und die Konzepte auf die aktuellen Konsumentenbedürfnisse ausrichten, besteht im Segment von Handelsimmobilien zweifellos weiterhin Potenzial. Insbesondere drei dieser Konzepte haben sich inzwischen herauskristallisiert: erstens, kleinere Flächen entlang der Highstreet mit hoher Passantenfrequenz und guter Visibilität, da Handelsflächen immer stärker zur Präsenz der Marken beitragen. Der Trend bewegt sich auch weiterhin in Richtung Showrooms und Flächen in Innenstädten, die die Onlineplattformen auch hier sichtbar machen.

Grundsätzlich liegt der Fokus auf Erdgeschosslagen und einer Umnutzung der Obergeschosse für Wohnungen sowie Hotels. Geografisch werden deutsche Groß- und Mittelstädte und Gebiete in Ost- und Südeuropa mit hoher Tourismusfrequenz bevorzugt. Dagegen sollten kleinere Städte ohne speziellen Anziehungscharakter für Investitionen eher einer genaueren Untersuchung unterzogen werden.

Zweitens kommen innovative Nahversorgungskonzepte oder Fachmarktzentren in Frage. Hier liegt der Fokus stark auf dem Food-Segment mit Convenience-Charakter, das zur Abdeckung der Güter für den täglichen Bedarf dient. Diese können vor allem bei der Neuentwicklung von modernen Wohnsiedlungen mitgedacht werden. Im Einzelhandelsbereich ist weiterhin eine hohe Nachfrage nach stationärem Einzelhandel mit Food-Charakter, insbesondere in Deutschland, zu beobachten. Auch haben Fachmärkte und Fachmarktzentren großes Potenzial entwickelt, wobei hier der Mietermix und das Einzugsgebiet entscheidende Erfolgskriterien darstellen.

Drittens muss über moderne Shoppingzentren mit Alleinstellungsmerkmalen nachgedacht werden. Einkaufszentren sollten in Zukunft die Fähigkeit besitzen, als Anziehungspunkt und Bildung von modernen Communities dienen zu können. Diese Zentren können neben dem Einzelhandel vor allem über ein vielfältiges Unterhaltungs- und trendiges Food- and Beverage-Angebot verfügen. Da dieses Segment gerade ein Repricing erlebt, ist für Investitionen eine hohe Selektivität erforderlich.

Multi-Channel-Distribution beflügelt Logistikimmobilien

Der Trend zu einer Multi-Channel-Distribution im Einzelhandel führt auch zu einem signifikant höheren Bedarf an Logistikflächen. Die aggregierte jährliche Flächennachfrage in Europa stand in den vergangenen zwei Jahren auf einem zirka 60 Prozent höheren Niveau gegenüber dem Durchschnitt zwischen 2010 und 2014. Daher sind die Leerstände weiter rückläufig, trotz einer relativ starken Bauaktivität.

Der große Teil der Nachfrage kommt weiterhin von Drittparteilogistikern, die 2018 etwa 42 Prozent der gesamten Flächen bezogen. Traditionelle Retailer waren das zweitaktivste Segment mit rund 25 Prozent der bezogenen Flächen, während E-Commerce-Anbieter rund 20 Prozent der Flächennachfrage ausmachten. In Deutschland dominierte der Onlinehändler Amazon das E-Commerce-Segment mit einem Anteil von rund 45 Prozent, wobei Discounter Lidl den zweiten Platz belegte. In den kommenden Jahren werden verstärkt asiatische Wettbewerber in den Markt eintreten und die Flächennachfrage auf einem hohen Niveau halten.

Bessere Mietentwicklung in UK

Logistikimmobilien lassen sich in zwei Kategorien unterscheiden. Zum einen gibt es die traditionell großflächigen "peripheren" Logistikgebäude, die entlang der Hauptverkehrsachsen, aber oft in nicht dicht besiedelten Regionen liegen. Zum anderen existieren die sogenannten "urbanen" Logistikflächen in den Agglomerationen der Großstädte. Aufgrund der geringeren Verfügbarkeit von Flächen sind diese Assets eher klein.

Im Vereinigten Königreich ist der Anstieg der Mieten für beide Segmente stärker als auf dem restlichen Kontinent (siehe Abbildung 2). Dies ist durch die bereits höhere Bedeutung von Onlineverkäufen im UK zu erklären, aber auch durch die stärkere Angebotsknappheit und Planungsregimes. Auf dem europäischen Kontinent zeigen sich relativ deutliche Unterschiede zwischen den Segmenten urbaner und peripherer Logistik. Im Segment peripherer Logistik befinden sich die Mieten immer noch unter dem Niveau von 2007 und haben erst seit 2015 begonnen, sich zu erhöhen.

Urbane Logistik: hohe Nachfrage, geringes Angebot

Obwohl das Segment urbane Logistik stärker wuchs, wird für die Zukunft im Bereich der urbanen Logistikflächen eine stärkere Nachfrage bei einem limitierten Angebot erwartet. Sowohl stationäre Einzelhändler als auch Onlineretailer benötigen Lagerflächen in der Nähe der Konsumenten, da deren Ansprüche an eine schnelle Belieferung zunehmen. Die Nettorenditen für Logistikimmobilien sind aufgrund der starken Anlegernachfrage in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.

Investoren sollten daher die Standorte, das Pricing und die Objektqualität genau evaluieren, bevor Investitionsentscheidungen getroffen werden. Gerade strategische Logistikstandorte in Europa wie zum Beispiel Rhein-Ruhr, Süddeutschland, Norditalien sowie Westpolen und die Slowakei werden derzeit präferiert. Daneben stehen Städte wie Paris, Berlin, Hamburg, Madrid oder Barcelona weiterhin auf der Einkaufsliste.

DER AUTOR DR. CHRISTOPH SCHUMACHER, Head of Global Real Estate, Credit Suisse Asset Management, Zürich
DER AUTOR ZOLTAN SZELYES, Head of Global Real Estate Research, Credit Suisse Asset Management, Zürich
Dr. Christoph Schumacher , Head of Global Real Estate, Credit Suisse Asset Management, Zürich
Zoltan Szelyes , Head of Global Real Estate Research, Credit Suisse Asset Management, Zürich

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