INSTITUTIONAL ASSET MANAGEMENT - IMMOBILIEN-SPEZIALFONDS

DAS REAL ESTATE ASSET MANAGEMENT MUSS SICH DEM VERÄNDERUNGSDRUCK STELLEN

Martin Eberhardt, Foto: Faceland Hamburg

Wie schnell sich die Vorzeichen doch ändern können: Drehte sich in der Immobilienbranche bis vor kurzem noch alles um steigende Preise und Mieten, so geht es nun vielerorts erst einmal um Schadensbegrenzung. Eine Schlüsselrolle im Corona-Krisenmanagement kommt dabei natürlich den Asset Managern zu. Der Autor sieht die Disziplin gleichwohl noch nicht optimal aufgestellt, um den enormen Herausforderungen, die letztlich weit über Corona hinausgehen, gerecht zu werden: Effizienzsteigerungen und Investitionen in die Digitalisierung seien infolge des lange währenden Immobilienbooms vielfach vernachlässigt worden, zudem stände der Nutzer nach wie vor zu selten im Mittelpunkt der Überlegungen. Hier und an vielen weiteren Stellen müsse deshalb ein Umdenken stattfinden. Red.

"Vertreibung aus dem Zuckerwatteland" titelte unlängst die Immobilienzeitung und beschrieb die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Immobilienwirtschaft. Wurden bis vor kurzer Zeit Büroflächen mit großen Mietpreiszuwächsen eher verteilt als vermarktet, so scheint die Zeit der Büroexpansion und des Nachfrageüberhangs vorbei zu sein. Und nicht nur der Büromarkt ist betroffen - andere Assetklassen wie Handels- oder Hotelimmobilien leiden noch viel stärker unter der Krise. Dabei ist absehbar, dass der Leidensdruck in vielen Immobiliensegmenten, aber auch innerhalb der immobilienwirtschaftlichen Wertekette, mit dem Ende der medizinischen Corona-Krise nicht vorbei sein wird.

Steigende Leerstände sind unvermeidbar

Kurz- bis mittelfristig ist an der globalen Corona-Pandemie besonders alarmierend, dass sie sowohl einen Angebots- als auch einen Nachfrageschock ausgelöst hat. Die Realwirtschaft ist weltweit infiziert. Viele Nutzer von Gebäuden werden die Krise wirtschaftlich nicht überstehen. Mietstundungen oder -erlasse sind derzeit vielfach angeraten, um den Mietern Luft zu verschaffen. Aber auch das wird Insolvenzen und somit Leerstände nicht vermeiden. Insgesamt wird Covid-19 einen stark negativen Einfluss auf die Cashflows vieler Bestandshalter haben.

Mindestens genauso gravierend sind die langfristigen Veränderungen. In der Vergangenheit führte jede große Krise zu Trendbrüchen und vielfältigem Wandel - wie zum Beispiel die Ölkrise in den siebziger Jahren oder die Finanzmarktkrise. Die langfristigen Umwälzungen von Corona sind sicherlich noch nicht absehbar. Dennoch zeigen sich schon heute deutliche Tendenzen ab. Die Art und Weise, wie Menschen Immobilien nutzen, ihre Verhaltensweisen, wie sie miteinander verkehren - das "Work, Life, Eat, Shop & Socialize" - es verändert sich. Und damit verändert sich auch, ob und wie "physischer Raum" genutzt wird - eine Chance für Projektentwickler und eine immense Herausforderung für Immobilieneigentümer.

Viele Veränderungstreiber sind nicht neu. Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich in Deutschland und der Welt in einem sehr kräftigen Strukturwandel: Digitalisierung, soziodemografischer Wandel, Urbanisierung und Nachhaltigkeit üben einen erheblichen Veränderungsdruck aus. Corona verstärkt und beschleunigt wie ein Katalysator nun die Trends. Wie wird sich zum Beispiel langfristig die zunehmende Akzeptanz des Homeoffice auf die Büronachfrage auswirken? Wieviel Umsatz wird Gaststätten durch die Essensbestellung via Internet langfristig entgehen? Wenn nun immer mehr Organisationen und Menschen ihre Aktivitäten vom physischen in den virtuellen Raum verlagern, was bedeutet das für die Nachfrage nach physischem Raum und dessen Wert?

Der Boom der letzten Jahre hat sehr viel vom Veränderungsdruck genommen. Es war gemütlich im "Zuckerwatteland". Hohe Gewinne haben viele Immobilienunternehmen etwas träge gemacht. Effizienzsteigerungen wurden vielfach vernachlässigt, Investitionen in die Digitalisierung verschoben. Jetzt trifft die Corona-Krise viele Unternehmen mit voller Wucht. Es erscheint aus heutiger Sicht zwar wahrscheinlich, dass die Immobilie ihren Nimbus als "Safe Haven" der Kapitalanlage behalten wird und die Multiplikatoren hoch bleiben.

Mehr Aufwand bei weniger Ertrag

Aber ganz sicher ist durch die Krise - insbesondere bei geringeren Mieterträgen - nicht mehr Geld zu verteilen. Die Margen im Asset und Property Management werden jetzt noch mehr unter Druck geraten. Zudem ist im Rahmen eines aktiven Krisenmanagements mehr zu leisten und für die Zeit danach scheint der Nachfrageboom nicht unmittelbar zurückzukehren. Die Bedeutung der "Arbeit am Objekt" rückt damit in den Vordergrund. Das bedeutet mehr Aufwand bei weniger Ertrag - ein Dilemma für die Immobilien-Asset-Manager.

Was besagt der nachhaltige und nun beschleunigte Wandel für Bestandsportfolios und ihre Manager? Der immanente Wert von Immobilien sinkt und das Risiko für die Eigentümer steigt. Schwächen im Asset Management sind abzustellen und neue Kompetenzen rücken in den Fokus. So vergrößert sich das Aufgabengebiet im Asset Management, weitere Themen rücken in den Vordergrund und neue Kompetenzen sind gefragt. Notwendige Investitionen in neue Technologien, Kostendruck und erweiterte Aufgaben werden unweigerlich zu Konsolidierungen im Markt für Asset-Management-Dienstleistungen führen.

Der vernachlässigte Nutzer

Der Nutzer steht im Mittelpunkt. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit. Daher ist es immer wieder verblüffend, wie oft in der Praxis der Nutzer vernachlässigt wird. Zu häufig herrscht bei Bestandshaltern das Prinzip der Objekt- statt der Nutzerorientierung vor. In den letzten Jahren war zudem die Aufmerksamkeit des Topmanagements weit mehr auf die Ankaufsseite als auf die Mieterbetreuung gerichtet. Mietsteigerungen ergaben sich ja quasi von allein und Mieterwechsel gereichten meist zu Vorteil. Das rächt sich gerade in der aktuellen Phase des Corona-Krisenmanagements.

Im Vorteil ist, wer seine Mieter gut kennt, ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat und nun zu einvernehmlichen Lösungen kommt. Daher ist jetzt die Zeit, die Vielzahl der Mieter zu analysieren, mit ihnen in Kontakt zu treten und Einzelfallentscheidungen zu treffen, ob und in welchem Umfang man Mietern entgegen kommt, um ihnen ein Überleben zu ermöglichen. Mit pauschalen Entscheidungen auf der Portfolioebene ist es nicht getan. Denn die Subvention Corona-unabhängiger Schieflagen sollte vermieden werden.

Unverzichtbar: ganzheitliche Objektstrategie

Im Rahmen des Wandels vom Vermieterzum Mietermarkt verstärken sich die strukturellen Veränderungen. Internetportale haben die Markttransparenz für die Bestandsmieter wesentlich erhöht. Dies steigert die Marktmacht der Mieter und senkt die Wechselbarrieren und damit die Mieterloyalität. Dabei sind Mieterwechsel im Marktabschwung mit sehr hohen Transaktionskosten und oft mit Leerstands- und Ausbaukosten verbunden. Eine echte Kundenorientierung und ein Mieterbindungskonzept tun daher Not: "It's the customer, stupid!"

Zum Erhalt und bestenfalls zur Steigerung des Immobilienwerts wird in Theorie und Praxis ein wichtiges Element im Handwerkskasten des Asset Managers meist unterschätzt: Die Entwicklung einer ganzheitlichen Objektstrategie, die den Namen "Strategie" auch verdient. Heute sind Asset Manager noch zu viel mit Routinetätigkeiten beschäftigt. Sie müssen mehr Freiräume erhalten, um sich zunehmend der Strategieentwicklung und damit der Wertschöpfung am Objekt widmen zu können. Es empfiehlt sich eine Verschiebung von Routinetätigkeiten ins Property Management und die Nutzung digitaler Werkzeuge, um solche Freiräume zu schaffen.

Ein zentrales Element der Objektstrategie ist die Positionierung der Immobilie. Welche Zielgruppe soll mit welchem Leistungsversprechen zu welchen Mieten angesprochen werden? Mit welchen Maßnahmen kann das Objekt im Vergleich zum Wettbewerb herausgehoben werden, damit es für bestehende und potenzielle Mieter attraktiv erscheint und diese bestenfalls bereit sind eine höhere Miete zu bezahlen? Hierbei sind insbesondere die oben beschriebenen Verhaltensänderungen des "Work, Play, Eat, Shop & Socialize" zu beachten.

Das Heben von Wertschöpfungspotenzialen und eine Positionierung erfolgen vor allem auf der Grundlage einer Swot-Analyse: Was sind die Stärken und Schwächen des Objekts? Wo liegen die Chancen und Risiken? Wie mit einem Radargerät "screent" der Asset Manager die Immobilie und ihre Umwelt. So findet er bestenfalls Alleinstellungsmerkmale um die Immobilie vom Wettbewerb abzugrenzen. Und bitte nicht vergessen: Der Kunde steht im Mittelpunkt - der Wurm soll dem Fisch schmecken und nicht dem Angler!

Großer Handlungsdruck beim Thema ESG

Auch wenn die Nachrichten derzeit von anderen Themen geprägt sind: Nachhaltigkeitsaspekte werden zukünftig für die Objektstrategie und das Tagesgeschäft noch wichtiger. Auch hier sind die Gründe vielfältig: Immer mehr institutionelle Anleger investieren nach den Prinzipien verantwortungsbewusster Investments. Nicht zuletzt setzen Regulatoren wie die EU Nachhaltigkeitsaspekte und ESG ganz oben auf die politische Agenda.

Aus den Forderungen der verschiedenen Stakeholder ergibt sich ein erheblicher Handlungsdruck für das Asset Management. Nach der im Dezember 2019 veröffentlichten Offenlegungsverordnung der EU sind Fondsanbieter und andere Finanzmarktteilnehmer bald dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Anlageentscheidungen einzubeziehen und diese zu dokumentieren. Ziel der EU ist es, für regulierte Investoren perspektivisch nur noch nachhaltige Objekte als Investition zuzulassen.

Es empfiehlt sich daher als ein Element der Objektstrategie eine Nachhaltigkeitsstrategie für jede Immobilie zu entwickeln. Das "Manage to Green" erweitert somit nochmals das Aufgabenspektrum des Asset Managers. Konkrete Elemente sind:

  • Mit Zertifizierungen und Ratings von Immobilien darzulegen, dass und inwieweit Immobilien im Bestand Nachhaltigkeitskriterien entsprechen.
  • Bei der Vertragsgestaltung mit Mietern und Dienstleistern ESG-Klauseln einfließen zu lassen.
  • Mit einer Verbesserung der Datenqualität sind ESG-Maßnahmen gegenüber relevanten Stakeholdern zu belegen. Hier setzt beispielsweise eine Initiative der RICS an, die einen weltweit standardisierten "Building Passport" initiiert, der alle relevanten Gebäudedaten beinhaltet.

Nutzungsänderungen gewinnen an Bedeutung

Ein Blick auf die Baustellen unserer Städte zeigt, wie sehr sich die Nutzungszyklen der Gebäude verkürzt haben. Viele Häuser erfüllen schon nach 30 Jahren nicht mehr die Bedürfnisse von Investoren und Nutzern und fallen der Abrissbirne zum Opfer. Die Corona-Pandemie befeuert diese Entwicklung. Nicht nur kurzfristig wird physischer Raum mit seiner gegenwärtigen Nutzung obsolet. Die Ökobilanz von Abriss und Neubau fällt aber sehr schlecht aus. Es ist davon auszugehen, dass der Regulator versucht, die Nutzungszyklen von Immobilien durch gesetzgeberische Auflagen zu verlängern. Brüssel und Berlin sprechen in diesem Zusammenhang von baulicher Nachhaltigkeit. Zudem ist ein Abriss häufig auch wirtschaftlich nicht sinnvoll.

Damit rücken Optimierung im Bestand und Nutzungsänderung in den Fokus des Asset Managements. Nutzungsänderungen sind nicht neu, sind zukünftig aber wesentlicher Bestandteil des Asset Managements: Büroraum wird in Studentenapartments umgewandelt oder Ladenlokale in gastronomische Betriebe oder Co-Working-Flächen. Wie auch immer: Hochprofessionelle Asset Manager vermögen in ihre Objektstrategie selbst Nutzungsänderungen zu integrieren und dabei wie ein Projektentwickler zu denken und zu handeln. Er versteht es, mit Nutzungsflexibilität und -neutralität umzugehen.

Effizienzsteigerung ist zwingend erforderlich

Der zunehmende Kostendruck macht eine Steigerung der Managementeffizienz erforderlich. Es bestehen Möglichkeiten durch eine zunehmende Digitalisierung die Gebäude kostengünstiger zu managen. Erste Schritte auf dem Weg zur integrierten IT-Landschaft sollten schon heute vollzogen werden. Einzelne Elemente des Gesamtbilds sind bereits erkennbar:

  • Immer mehr Informationen werden im Rahmen eines "Big-Data-Ansatzes" digital erhoben.
  • "Smart Data" generiert auf der Grundlage einer hohen Quantität und Qualität von Daten transparente und nachvollziehbare Entscheidungsgrundlagen.
  • Die Kommunikation zwischen Investoren-, Asset-Management- und Property-Management-Ebene geschieht schnittstellenoptimiert auf digitalem Weg.
  • Die Genehmigung und Freigabe von Vorgängen erfolgt ebenfalls digital.- Künstliche Intelligenz unterstützt zunehmend beim Auslesen von vorhandenen Dokumenten.
  • Die Nutzung von mobilen Endgeräten steigt.

Neben der Digitalisierung gibt es noch weitere Möglichkeiten für Effizienzgewinne. Hierzu gehören im Teamplay des Asset Managements vor allem klare Aufgaben und Rollen, Strukturen und Prozesse sowie sauber definierte Schnittstellen. Der Asset Manager ist dabei allein für die Performance seiner Objekte gegenüber dem Eigentümervertreter, wie zum Beispiel dem Fonds- oder Portfoliomanager, verantwortlich. Er dirigiert und steuert hierzu ein Orchester von Experten zu einem harmonischen Ganzen.

Massive Veränderung des Berufsbildes

Die dargestellten Veränderungstreiber und Herausforderungen zeigen: Das Aufgabenspektrum des Asset Managers erweitert sich. Mit einer bestandserhaltenden Verwaltung von Immobilien ist es nicht mehr getan. Es bedarf einer Reihe von Kenntnissen und neuen Fähigkeiten entlang der immobilienwirtschaftlichen Wertekette - über viele Assetklassen hinweg. Insgesamt wird sich der Tätigkeitsinhalt des Asset Managers massiv verändern und damit auch das Berufsbild:

  • Der Asset Manager entwickelt mit seinen Spezialisten, wie zum Beispiel technischer Asset Manager oder Objektvermieter, eine stimmige Objektstrategie und stellt dabei den Kundennutzen in den Vordergrund. Er beachtet insbesondere Nachfrageveränderungen, die durch Covid-19 noch verstärkt werden.
  • Er ist ein guter Kommunikator und spricht mit den Mietern und anderen wichtigen Stakeholdern, aber auch mit den im Asset-Management-Prozess beteiligten Spezialisten.
  • Er versteht sich nicht als verwaltender Objektmanager, sondern stellt proaktiv eine nachhaltige Performance der Immobilie sicher - "Wertorientierung first"!
  • Er trifft die richtigen Rückschlüsse aus Big Data - humane Intelligenz nutzt Künstliche Intelligenz.
  • Er versteht und steuert die Immobilie über ihren gesamten Lebenszyklus - und nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt. Im besonderen Fokus stehen dabei Nutzungsänderungen und ein "Manage-to-Green"-Ansatz.
  • Er weist bestenfalls eine "Developer-DNA" auf, um Potenziale einer Immobilie zu erkennen und nötigenfalls eine Nutzungsänderung zu initiieren und umzusetzen.

Zusammenfassend sieht sich das Real Estate Asset Management mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Performance- und Kostendruck, Digitalisierung, Verhaltensänderungen der Nutzer, Regulierung, Nachhaltigkeit und nun die Corona-Krise sind nur die wichtigsten Stichworte. In Zeiten von Covid-19 sollte der Blick nicht nur auf akutes Krisenmanagement gerichtet sein, sondern auf eine wertorientierte Weiterentwicklung der Immobilien sowie eine gezielte Evolution des Asset Managements.

Die Auswirkungen von Corona wird die Immobilienwirtschaft noch eine Zeit beschäftigen. Auch für die Zeit danach gibt es nur wenig Platz im "Zuckerwatteland" - und die nächste Krise kommt bestimmt. Im Vorteil ist dann derjenige, dessen Organisation und Immobilienbestand sich als innovativ und robust erweist.

DER AUTOR MARTIN EBERHARDT FRICS, Governing Council Member, RICS, und Mitglied des Präsidiums, ZIA Zentraler Immobilienausschuss e.V., Hamburg
Martin Eberhardt , FRICS, Governing Council Member, RICS, und Mitglied des Präsidiums, ZIA Zentraler Immobilienausschuss e.V., Hamburg
Noch keine Bewertungen vorhanden


X