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SOLVENCY II UND IMMOBILIENINVESTMENTS - VERSICHERUNGEN LASSEN CHANCEN UNGENUTZT

Prof. Dr. Steffen Metzner Quelle: Empira AG

Vor ein paar Jahren gestaltete sich die Kapitalanlage der Versicherungsunternehmen noch verhältnismäßig simpel: So versprachen Investments in europäische Staatsanleihen bereits ausreichend hohe Renditen für die zu erwirtschaftenden Garantiezinsversprechen der Kunden. Doch die Situation hat sich bekanntlich grundlegend geändert. Die anhaltende Nullzinspolitik der EZB hat zu einer beispiellosen Renditeflaute am Rentenmarkt geführt und übt dadurch großen Druck auf die Assekuranz aus. Seit einigen Jahren lautet ein wichtiges Mantra der Branchenakteure deshalb, die Immobilienquote nach oben schrauben zu wollen. Nur: Wirklich viel Bewegung ist diesbezüglich bislang nicht zu beobachten. Für die Autoren ist dies gerade aufgrund des "eher positiven regulatorischen Umfeldes" ein überraschender Befund. Sie erörtern, welche Immobilieninvestmentstrategien für Versicherer in Zeiten von Solvency II vielversprechend sind. Red.

Niedrige Renditen bei klassischen festverzinslichen Kapitalanlagen führen in der Versicherungswirtschaft zu einer Neuausrichtung institutioneller Portfolios. Alternative Anlagen wie Immobiliendirektanlagen und Immobilienfonds gewinnen an Bedeutung. Diese Investments weisen ein höheres Renditeniveau auf als Anleihen mit geringerem oder mittlerem Risiko. Bei der Wahl entsprechender Anlagealternativen spielen jedoch die Besonderheiten und Restriktionen von Solvency II eine bedeutende Rolle.

Solvency II gilt seit Anfang des Jahres 2016 EU-weit. Vorrangiges Ziel ist dabei der Schutz von Versicherungsnehmern und Anspruchsberechtigten sowie die Sicherung der Finanzstabilität in fairen und stabilen Märkten. Im Wesentlichen umfasst Solvency II drei Säulen. Säule I enthält quantitative Anforderungen hinsichtlich Bewertungsmethoden, Eigenmittelklassen und Solvenzkapital. Säule II regelt die Governance-Prozesse und Säule III die Publizitätsanforderungen.

Flexible und risikoorientierte Kapitalanlageregelungen

Die Kapitalanlageregelungen unter Solvency II sind relativ flexibel und risikoorientiert. Dies gilt insbesondere im Vergleich zur früheren Anlageverordnung, die allgemeine Anlagevorschriften, zulässige Anlageformen und Grundätze der Mischung, Streuung und Liquidität enthielt. Starre Grenzen für die Kapitalanlage gelten nur noch für kleine Versicherungsunternehmen mit einem Prämienaufkommen von unter fünf Millionen Euro sowie für Pensionskassen.

Solvency II geht grundsätzlich von einer Kapitalanlagefreiheit aus, steuert diese jedoch durch differenzierte Eigenkapitalunterlegungen nach dem Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht. Dabei werden Solvenzanforderungen mit verschiedenen Risikomodulen ermittelt und anschließend unter Berücksichtigung von Diversifikationseffekten aggregiert. Risiken aus den Kapitalanlageaktivitäten eines Versicherungsunternehmens werden vor allem im Marktrisikomodul abgebildet.

Aus Sicht der Kapitalanlage sind Fragen der spezifischen Risikobewertung sowie der Unterscheidung verschiedener Assetklassen relevant. Die optimale Portfoliostruktur ergibt sich somit nicht nur aus der jeweiligen Performance, sondern auch aus den Risikokapitalvorschriften von Solvency II.

Real-Estate-Investments werden unterschiedlich bewertet

Für jede Kapitalanlage müssen Versicherungsunternehmen festgelegtes Eigenkapital unterlegen. Dieses dient als Reserve für Anlagerisiken wie Wertschwankungen. Immobilienrisiken werden nach direkten Investments und indirekten Anlagen wie etwa Fondstrukturen unterschieden.

Bei einer direkten Investition sind 25 Prozent des Marktwertes als Risikokapital zu unterlegen. Fondskonstruktionen können analog behandelt werden (Transparenzprinzip). Nach dem Look-Through-Ansatz soll das notwendige Solvenzkapital auf Basis der tatsächlichen Vermögenswerte berechnet werden. Ersatzweise kann unter bestimmten Voraussetzungen die Zielallokation des Fonds herangezogen werden. Der Look-Through-Ansatz ist auf 20 Prozent des Gesamtvermögens begrenzt. Bei sonstigen Fondsstrukturen (Look-Through-Voraussetzungen nicht erfüllt) sind die entsprechenden Assets nach dem Untermodul Aktienkursrisiko mit 39 bis 49 Prozent des Marktwertes zu unterlegen.

Bei der Aggregation der Risikomodule und folglich der notwendigen Eigenkapitalunterlegung spielen angenommene Korrelationen eine Rolle. Im Falle einer niedrigen Korrelation können Immobilien aus regulatorischer Sicht Diversifikationseffekte erzeugen, wodurch sich die Eigenmittelanforderungen insgesamt optimieren lassen.

Zielkonflikt zwischen Risikoreduzierung und Renditeabsicherung

Werden Immobilienfonds mit dem Aktienmodul bewertet, entfällt jedoch in der regulatorischen Perspektive der Diversifikationseffekt gegenüber Aktien. Am Kapitalanlagemarkt sind zunehmend auch Immobilienkreditfonds zu finden. Diese können nach Solvency II bei Vorliegen bestimmter Eigenschaften mit weniger Eigenkapital unterlegt werden als entsprechende Direktanlagen und somit eine interessante Alternative darstellen. Die Erzielung angemessener Renditen mit Kapitalanlagen hat insbesondere vor dem Hintergrund der Garantieverzinsung von Lebensversicherungen eine hohe Bedeutung. Diese Versicherer gehören zu den größten institutionellen Anlegern in Deutschland. Ihre Kapitalanlage ist eher konservativ und sicherheitsorientiert.

Die aktuellen Herausforderungen sind beachtlich. Der durchschnittliche Garantiezins lag zuletzt bei 2,77 Prozent (Assekurata-Studie 2018). Dem stehen anhaltende Niedrigzinsen gegenüber. Auch die zunehmende Regulierung zwingt Lebensversicherer zur Veräußerung gut verzinster Altpapiere. Die entsprechende Realisierung stiller Reserven stützt zwar die Altverträge, schwächt jedoch die Verzinsung im Neubestand.

Die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA ist sich dieser Problematik bewusst. In einer Studie ließ sie das veränderte Kapitalanlageverhalten von Versicherungsunternehmen untersuchen. Der zunehmende Kauf von Wertpapieren mit geringerer Bonität, illiquide beziehungsweise nicht börsennotierte Beteiligungen und eine stärkere Kreditvergabe stehen für das typische Searchfor-Yield-Verhalten. Angesichts des auf Vertrauen und Sicherheitsorientierung basierenden Geschäftsmodells ist ein allzu hoher Anteil an Aktien oder Auslandsanleihen von teils stark verschuldeten Non-EU-Staaten kritisch. Die Volatilität der Anlagen steigt. Die Risiko-Rendite-Relation ist nicht immer angemessen. Regulatorisch ist eine höhere Kapitalunterlegung die Folge. Generell gesucht sind wenig volatile und dennoch renditestarke Assets. Immobilien, speziell Wohnimmobilien, können hierfür eine sinnvolle Anlagealternative darstellen.

Deutsche Wohnimmobilien mit signifikantem Renditevorteil

Im Vergleich zu anderen Assetklassen bieten Wohnimmobilien in deutschen Städten noch immer relativ hohe laufende Erträge. Im Jahr 2017 betrug die Cashflow-Rendite basierend auf der Mietrendite für 110 deutsche Städte ab 75 000 Einwohnern 4,18 Prozent. Sie liegt damit erheblich über der Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen. Geht man von dieser klassischen Anlage aus, so haben Wohnungsinvestments einen Vorteil von knapp vier Prozentpunkten. Selbst bei Einbeziehung von Effizienzverlusten wie Ankaufsnebenkosten dürfte ein signifikanter Vorteil der Wohninvestments bestehen bleiben.

Aktien bieten (ohne Werteffekte) keinen Vorteil gegenüber Wohnimmobilien. Die Dividendenrenditen des deutschen Leitindex Dax waren in den vergangenen vier Jahren mit rund 2,3 bis 2,8 Prozent relativ gering. Weitere Anlagemöglichkeiten wie Spareinlagen oder Festgelder zeigen ebenfalls sehr geringe Renditen und kommen damit als Anlagealternative kaum infrage, allenfalls als Liquiditätsreserve. Insgesamt zeigt die Untersuchung, dass die Cashflow-Rendite von Wohnimmobilien im Betrachtungszeitraum höher und weniger volatil als bei den Anlagealternativen ausfällt.

Neben der Cashflow-Rendite spielt bei Immobilieninvestitionen auch die Wertänderungsrendite eine Rolle. In den von Investoren bevorzugten Top-7-Märkten überstieg die Wertänderungsrendite zuletzt regelmäßig die Cashflow-Rendite. Dies führte dort zu Total Returns von zirka acht Prozent. Nach wie vor liegt die Immobilienquote bei Versicherungsunternehmen bei gerade einmal 3,9 Prozent. Der Anteil der direkt gehaltenen Immobilien liegt laut GDV und BaFin bei etwa 2,2 Prozent, der Anteil an Immobilienfonds bei 1,7 Prozent des durchschnittlichen Gesamtbestandes an Kapitalanlagen. Der durchschnittliche Rentenbestand liegt dagegen bei 84,9 Prozent, der Aktienbestand bei 5,1 Prozent, Beteiligungen bei 3,8 Prozent, sonstige Anlagen bei 2,4 Prozent.

Überraschend niedrige Immobilienquote der Assekuranz

Die geringe Immobilienquote überrascht angesichts des eher positiven regulatorischen Umfeldes, gerade im Vergleich zu Aktien. Versicherer nutzen das Potenzial des Immobilienmarktes bisher zu wenig. Deren Eigenkapitalkosten würden bei einem höheren Anteil von Direktanlagen oder transparenten Fonds sinken. Regulatorische Diversifikationseffekte ließen sich durch eine höhere Immobilienquote intelligent nutzen, wobei sich gleichzeitig auch die portfoliobezogene Rendite-Risiko-Relation verbessert.

Der Kauf von Immobilien über Fondsstrukturen, die die Look-Through-Anforderungen erfüllen, bietet somit sowohl regulatorische als auch performancebezogene Vorteile. Über spezialisierte Fonds sind auch spezifische regionale oder qualitative Portfolioallokationen umsetzbar. Die individuelle Rendite-Risiko-Relation lässt sich damit bis auf eine detaillierte Ebene steuern.

DER AUTOR PROF. DR. STEFFEN METZNER, Head of Research, Empira Asset Management GmbH, Leipzig
DIE AUTORIN KRISTINA ZENTNER, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Versicherungswissenschaften e.V., Universität Leipzig
Prof. Dr. Steffen Metzner , Head of Research , Empira Asset Management GmbH, Leipzig

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