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Wohnimmobilienmarkt Deutschland: Top-7-Standorte mit weiterem Aufwärtspotential

Abbildung 1: Bayern-LB-Scoringmodell: Aktuelle Situation Quelle: Bulwiengesa AG, Statistisches Bundesamt, Bayern-LB Research

Die Preissteigerungen von Wohnimmobilien in den Top-7-Standorten der vergangenen Jahre sind aufgrund der guten wirtschaftlichen Rahmendaten nachvollziehbar. Für die nächsten zwei Jahre ist tendenziell von weiter stabilen Märkten auszugehen. Bei einem weiter hohen Nachfrageüberhang, steigender Risikobereitschaft der Finanzierer und der Fortdauer der Niedrigzinspolitik ist sogar ein weiterer Preisanstieg zu erwarten. Der Autor beschäftigt sich unter Risikomanagementgesichtspunkten in seinem Beitrag ausführlich mit den möglichen Marktentwicklungen in unterschiedlichen Szenarien. Er kalkuliert beispielsweise auch die Auswirkungen einer tiefen Wirtschaftskrise und einer dreijährigen Rezession auf die Entwicklung der Preise für Wohnimmobilien. Aufgezeigt werden die möglichen Ergebnisse für alle Top-7-Standorte. Dabei erweisen sich München und Stuttgart am stabilsten. Red.

Das Transaktionsvolumen im deutschen Wohnimmobilienmarkt ist im Jahr 2015 deutlich angestiegen. Nach einer Studie von Jones Lang Lasalle wurde ein Volumen in Höhe von rund 25 Milliarden Euro erreicht und damit selbst das Rekordergebnis des Gesamtjahres 2005 um 25 Prozent übertroffen. Die damit einhergehenden Preissteigerungen sind unter anderem auf die in der EZB-Politik begründete hohe Liquidität zurückzuführen.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Preissteigerungen führt die Bayern-LB regelmäßig eine Analyse der Top-7-Standorte durch, um Warnsignale rechtzeitig zu identifizieren und Änderungen in der Finanzierungspolitik vorzunehmen.

Hierbei werden sowohl immobilienspezifische Faktoren (zum Beispiel Miete/ Kaufpreis, Rendite, Nachfrageüberhang, Baugrundstückverfügbarkeit) als auch wirtschaftliche Faktoren (beispielsweise Pro-Kopf-Einkommen, Bruttoinlandsprodukt, Arbeitslosigkeit) in die Risikobeurteilung eines Standorts miteinbezogen. Die einzelnen Faktoren werden auf einer Skala von 0 bis 13 Punkten bewertet, wobei 13 Punkte ein geringes Risiko widerspiegeln. Durch die Multiplikation der Punktzahlen mit den zugehörigen Gewichtungen ergibt sich pro Stadt ein immobilienspezifischer und ein wirtschaftlicher Score, die im Verhältnis 2 zu 1 zum Gesamtscore (siehe Abbildung 1) aggregiert werden.

Top-7: Gute wirtschaftliche Rahmendaten stützen Preise

Die Analyse zeigt, dass die Preissteigerungen im Vergleich zu den vergangenen Jahren aufgrund einer höheren Bautätigkeit bereits geringer ausfallen. Zusätzlich werden diese nach derzeit zu einem großen Teil durch gute wirtschaftliche Rahmendaten der Standorte fundamental begründet: Trotz stetig steigender Fertigstellungen besteht in den Top-7-Standorten nach wie vor ein deutlicher Nachfrageüberhang, der vor allem auf den höheren Zuzug und insgesamt gestiegene Haushaltszahlen zurückzuführen ist.

Zudem unterstützt die positive Einkommensentwicklung einen Anstieg der Preise. Insbesondere in München und Stuttgart werden die aktuellen Preissteigerungen durch die positive ökonomische Entwicklung getragen. Berlin hingegen zeigt sich hinsichtlich der wirtschaftlichen Faktoren nach wie vor unterdurchschnittlich.

Die zeitliche Entwicklung unserer Scoringwerte zeigt eine kontinuierliche Verbesserung seit 2003. Gründe hierfür liegen in der positiven Entwicklung der verfügbaren Einkommen, der steigenden Haushaltsanzahl und dem gesunkenen Zinsniveau. Die Entwicklung der Scoringwerte der Standorte verläuft relativ parallel, jedoch auf unterschiedlichem Niveau. Aufgrund der weiterhin positiv prognostizierten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sehen wir die Top 7 auf 2-Jahres-Sicht weitgehend stabil.

Hohe Nachfrage trägt Überbewertungen mit

Die hohe Nachfrage wird auch mögliche Überbewertungen mittragen, solange sich die wesentlichen Rahmenbedingungen (Zinsen, Wohnraumpolitik, BIP-Wachstum, geopolitische Faktoren, Zuwanderung) nicht ändern. Ab 2017 wird die Prognose deutlich schwieriger. Die rückläufigen Scoringwerte sind im Wesentlichen in einer leicht steigenden Zinsprognose begründet.

Unserer Einschätzung nach dürften sich die in den vergangenen Jahren hohen Mieten und Kaufpreise der betrachteten Standorte in der Prognose parallel weiter aufwärts entwickeln aber die Dynamik etwas abflachen. Unterschiede in der Spreizung der Kaufpreis- und Mietpreissteigerungen ergeben sich für die Standorte jeweils aus der Vergangenheit.

In München, Frankfurt am Main und Stuttgart zeigt sich seit 2010 eine stärkere Kaufpreis- als Mietpreissteigerung. Insgesamt beträgt in München die Differenz zwischen Kaufpreis- und Mietpreissteigerung rund 39 Prozentpunkte. Dahinter liegt Stuttgart mit 22 sowie Frankfurt am Main mit 19 Prozentpunkten. Darüber hinaus zeigen die Abbildungen, dass in München seit 2003 insgesamt der höchste Kaufpreisanstieg mit rund 71 Prozent vorliegt.

In Hamburg, Düsseldorf und Berlin dagegen ist die Entwicklung der Mieten und Kaufpreise bereits seit 2010 größtenteils parallel verlaufen. Hamburg und Düsseldorf stellen die einzigen Standorte dar, bei denen in der Vergangenheit die Mietpreisentwicklung über der der Kaufpreise lag. In der Prognose bis 2019 jedoch wird sich dieses Verhältnis umkehren. Die Kaufpreise werden voraussichtlich leicht stärker steigen als die Mieten (plus 2 bis 3 Prozent).

Ausgehend von unserer Analyse der Standorte können wir unser Scoringmodell nutzen um Potenziale für Preisänderungen von Wohnimmobilien an den einzelnen Standorten bei Veränderung verschiedener Faktoren zu identifizieren. Hierzu simulieren wir in einem ersten Schritt, welche Preisbewegung in den einzelnen Standorten nötig wäre, um im Scoring den Durchschnittswert der Top-7-Standorte zu erreichen (aktuell 7,3 Punkte).

Wir halten hierfür alle Variablen im Scoringmodell unverändert und variieren lediglich den Kaufpreis so lange, bis der durchschnittliche Score von 7,3 Punkten erreicht wird. Gedanklich gleichen wir so die Attraktivität der Standorte für ein Investment in Wohnimmobilien einander an indem wir den Preis ermitteln, der in den Top-7-Standorten bei den gegebenen Fundamentaldaten resultieren würde. Die jeweiligen Abweichungen, die sich für den Kaufpreis an den jeweiligen Standorten ergeben sind in der Abbildung 5 dargestellt.

Aufgrund der guten wirtschaftlichen Situation Münchens wäre sogar ein um 20 Prozent höherer Preis nötig, um die Attraktivität des Standortes auf den Durchschnitt der Top-7-Städte zu bewegen. In Berlin wäre hingegen ein Preisabschlag von 25 Prozent angemessen. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass diese Herangehensweise lediglich die Top-7-Städte vergleicht und daher keine Aussage zu den durchschnittlichen Wohnimmobilienpreisen in Deutschland insgesamt oder den Preisen außerhalb der Top-7-Standorte gemacht werden kann.

Tiefe Wirtschaftskrise: Nur München und Stuttgart stark

Angesichts der Rezession im Euro-Raum nach der Finanzkrise und den weiterhin unvollständigen Krisenmechanismen in der Währungsunion drängt sich die Frage auf, wie sensitiv die Analyseergebnisse in einem Szenario sind, in dem die Konjunktur erneut in ähnlicher Weise getroffen wird. Wir haben daher ein Stressszenario einer Rezession entwickelt, die im Ausmaß in etwa die konjunkturellen Auswirkungen der Finanzkrise wiederspiegelt, jedoch zeitlich noch etwas länger wirkt, da der Spielraum der Geld- und Fiskalpolitik in vielen Regionen inzwischen begrenzt ist.

Ausgelöst wird diese Rezession in unserem Szenario durch einen weltweit wirkenden Nachfrageschock. Hieraus resultieren ein deutlicher BIP-Rückgang in Deutschland und eine Rezession über drei Jahre, ein Absinken der verfügbaren Einkommen, eine deutlich steigende Arbeitslosenquote sowie ein anhaltend niedriges Zinsniveau. Euro und Aktienmärkte kommen aufgrund der fragilen Lage in der Währungsunion unter Druck.

Im Ergebnis verschlechtert sich die Risikoeinschätzung aller Standorte. Für die Top-7-Standorte verschieben sich vor allem die Scores bezüglich der wirtschaftlichen Faktoren. Lediglich München und Stuttgart sind in den wirtschaftlichen Fundamentaldaten im Ausgangsniveau so stark, dass für den Immobilienmarkt trotz Rezession nur von mittleren Warnsignalen ausgegangen werden kann. Alle anderen Städte werden aufgrund ihrer generell schwächeren wirtschaftlichen Basis bei einem externen Schock kritischer eingeschätzt.

Preisveränderungspotenziale der Top-7 - im Stressszenario

Unsere zweite Preissimulation mit unserem Scoringmodell betrifft die Preisveränderungen, die für die jeweiligen Standorte im Stressszenario zu erwarten sind. Hierzu lassen wir ausgehend vom verschlechterten Score im Stressszenario erneut alle Variablen unverändert und simulieren eine Verbesserung des Scores auf den jeweils ursprünglichen Wert in 2014 durch eine Anpassung der Kaufpreise. Ausgehend vom Score 2018 im Stressszenario bei einer deutlich nachlassenden Wirtschaftsleistung wäre das aktuelle Preisniveau aller Standorte deutlich zu hoch.

Um die Attraktivität der Standorte wieder auf 2014er-Niveau zu heben ergibt sich rechnerisch ein negatives Preisveränderungspotenzial der Kaufpreise von 25 Prozent (zum Beispiel München) bis 35 Prozent in Berlin, wobei über die Fundamentaldaten hinausgehende Motivationen für Investorenverhalten, wie beispielweise der Faktor "Berlin als Hauptstadt", nicht berücksichtigt wurden.

Preissteigerungen nachvollziehbar

Insgesamt betrachtet sind aufgrund der guten wirtschaftlichen Rahmendaten in den Top-7-Städten die Preissteigerungen der letzten Jahre aus heutiger Sicht nachvollziehbar. Auf 2-Jahres-Sicht sehen wir deshalb diese Märkte weitgehend stabil. Ab 2017 wird die Prognose dann deutlich schwieriger. In den Chancen und Risiken haben wir diesbezüglich zwei mögliche Alternativen dargestellt:

- Durch eine weitere Ausweitung der Neubautätigkeit könnten trotz der hohen Wohnungsnachfrage weitgehend ausgeglichene Marktrelationen entstehen, sodass sich die Kaufpreise mittelfristig auf hohem Niveau stabilisieren. Darüber hinaus würden bei anhaltend positiver Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmendaten weitere Impulse auf die Mieten ausgehen und sich somit eventuelle Ungleichgewichte zwischen Miete und Kaufpreis ausgleichen. Ein weiterer Preisanstieg wäre von diesen Relationen aus wieder besser zu begründen.

- Bei anhaltend hohem Nachfrageüberhang, steigender Risikobereitschaft der Finanzierer und Fortdauer der Niedrigzinspolitik ist zunächst ein weiterer Preisanstieg an den Top-7-Standorten zu erwarten. Ein "soft landing" wird damit allerdings schwerer, insbesondere auch dann, wenn die Konjunktur schwächeln sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt aufgebaute Überbewertungen könnten in dieser Situation schlagend werden. Im Stressszenario eines weltweiten Konjunkturabschwungs wären allein auf Basis der Entwicklung der fundamentalen Faktoren Preisanpassungen von bis zu 35 Prozent möglich.

Der Autor

Marcus Kramer Mitglied des Vorstands, Bayerische Landesbank, München

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