PRIVATE WOHNUNGSBAUFINANZIERUNG

WOHNRAUMOFFENSIVE DER BUNDESREGIERUNG - AUSREICHEND ZUR STÄRKUNG DES WOHNEIGENTUMSMARKTES?

Quelle: K. Fleischer

Deutschland nimmt bei der Wohneigentumsbildung in Europa mit einer Quote von lediglich zirka 45 Prozent den vorletzten Platz vor Schlusslicht Schweiz mit 37 Prozent ein. Spitzenquoten an Wohneigentum verzeichnen dagegen die Länder Norwegen, Polen, Spanien und Italien mit Werten bis zu 80 Prozent. Erschwerend kommt hinzu, dass hierzulande trotz anhaltend guter Wirtschaftslage seit dem Jahr 2010 keine Zuwachsraten in der Wohneigentumsbildung zu beobachten sind. Im Umfeld von Niedrigzins, Altersvorsorge und Rentenlücke steht die private Wohnwirtschaft somit nach Einschätzung des Autors vor großen sozioökonomischen Herausforderungen. Red.

Die Bundesregierung hat mit Abschluss des Koalitionsvertrages eine neue Wohnrauminitiative geschultert. Sie will mittels umfangreicher neuer Fördermaßnahmen den Wohnungsbau ankurbeln, um die Voraussetzungen zu schaffen, dass in der laufenden Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen frei finanziert und mit öffentlicher Unterstützung erstellt werden. Angesichts der derzeit stark angespannten Situation auf den Immobilienmärkten erscheint aber das konkret vorgelegte Mengenziel auf Bundesebene und die vage gehaltenen Absichtserklärungen wenig zielführend.

Allerdings kommt der Bundesregierung und den zuständigen Ministerien eine wichtige Rolle als Initiativgeber zu, um für eine Normalisierung und Verbesserung auf den Märkten zu sorgen. Der Grad der Zielerreichung nach Umsetzung eines ersten Maßnahmenpakets wird weitgehend von den Folgemaßnahmen des im Herbst anstehenden "Wohngipfels 2018" abhängen.

Betrübliche Ausgangslage

Unstrittig ist, dass ein hoher Nachholbedarf verbunden mit einem künftig stark steigenden Bedarf an Wohnraum besteht. So konnte die Entwicklung des Wohnungsangebots der letzten Jahre weder kurz-, mittel- noch langfristig eine Deckung der durch Zuzug und Zuwanderung stark wachsenden regionalen Nachfrage gerecht werden. Statistiken aus diversen Studien- und Medienberichten belegen die Mangelsituation unterschiedlich. Insgesamt fällt aber der Negativtrend eindeutig und übereinstimmend aus und rechtfertigt die Dringlichkeit und den Ruf nach zu ergreifenden Fördermaßnahmen.

Der Wohnungsmarkt ist seit Längerem gekennzeichnet durch eine starke Unterdeckung von Wohnraum. Experten schätzen, dass derzeit ein jährlicher Bedarf von zirka 350 000 bis 400 000 Wohnungen besteht. Dem stehen aber lediglich 285 000 fertiggestellte Wohnungen im Jahr 2017 gegenüber. Zwar werden ausreichend Wohnungen durch die Kommunen genehmigt und die Zahl stieg seit 2009 stetig. Dieser Aufwärtstrend hat sich allerdings im vergangenen Jahr mit einem Rückgang um 7,3 Prozent auf 348 000 Einheiten wieder umgekehrt. Von großer Bedeutung ist, dass aktuell die Zahlen der Baugenehmigungen knapp unterhalb des jährlichen Minimalbedarfes liegen, aber nicht annähernd realisiert werden. Hierdurch verschärft sich durch einen aktuell kumulierten Genehmigungsüberhang von schätzungsweise rund 650 000 Wohnungseinheiten die Wohnraumsituation, dessen Abbau es durch geeignete Anreize zu beseitigen gilt.

Die Ursachen für das Nachlassen der Nachfrage nach Wohnungseigentum überrascht, da entsprechend einer jüngst repräsentativ erhobenen Umfrage erstmals Investitionen in Immobilien zwar die beliebteste Anlageform der Bundesbürger sind. Mit 31 Prozent der Nennungen bevorzugen demzufolge die Bundesbürger Investitionen in ein Haus, eine Wohnung oder in diverse Formen von Immobilien-Wertpapieren mit knappem Vorsprung vor einem Abschluss von Lebensversicherungsprodukten (30 Prozent). Andererseits belegt eine weitere Umfrage, dass eine Diskrepanz zwischen Anlagezielen und Wohneigentumsquote besteht, mit der Folge, dass die Wohnungspolitik Gegenstand heftig und kontrovers geführter Diskussionen geworden ist. Für die Große Koalition bedeutet dies, dass sie einem Interessenausgleich zwischen den gegensätzlichen Entwicklungspolen "Stärkung Mieterpolitik" und "Förderung Eigentumsbildung und Neubau" unterliegt. Im Wesentlichen werden folgende Hauptursachen für die derzeitigen Defizite in der Wohneigentumsbildung verantwortlich gemacht.

Galoppierende Immobilienpreise

Die Schere aus Angebot und Nachfrage, Immobilienpreis- und Einkommensentwicklung scheint sich trotz nachhaltigem Niedrigzinsniveau immer weiter zu öffnen. Verantwortlich sind rasant steigende Preise, die ursächlich auf ein hohes Wohnungsdefizit von mehr als eine Million Wohnungen zurückzuführen sind. So stiegen die Preise für privat genutztes Wohneigentum allein im vergangenen Jahr bundesweit um 5,5 Prozent.

Dieser Preisauftrieb setzt sich - wenn auch verlangsamt - im laufenden Jahr weiter fort. Verschiedentlich wird deshalb von Preisübertreibungen von bis zu 35 Prozent gesprochen. Die Gefahr einer aufkommenden Immobilienblase ist dennoch als gering einzustufen, da in Deutschland eine grundsolide Finanzierungspraxis durch langfristige Zinsfestschreibungen, hohen Tilgungssätzen bei tolerierbarer Verschuldung von Privathaushalten vorherrscht.

Die Erschwinglichkeit von Wohneigentum wird aufgrund der Knappheit, bedingt durch eine hohe private Nachfrage, aber auch gewerblicher Investoren und von Immobilienfonds, deutlich erschwert. Sie kann durch nachhaltig niedrige Bauzinsen bei Weitem nicht mehr kompensiert werden. Erschwerend erweist sich, dass seit Jahren zu wenig und zu zögerlich Bauland bereitgestellt wird und die Ablaufprozesse zu bürokratisch und zeitraubend sind. Allerdings ist eine regional differenziert bedarfsorientierte Entwicklung zu berücksichtigen. Zudem sind der Bundesregierung die Hände gebunden, da die Baulandpolitik im Hoheitsbereich der Kommunen liegt.

Beitrag durch Bestandsabbau

Dennoch wäre es hilfreich, wenn der Bund einen Beitrag durch zügigen Abbau seiner Bestände an Wohngrund und Wohnimmobilien vornehmen würde. Auch eine Forcierung einer längst überfälligen Reform der Städtebauförderung unter Wahrung marktwirtschaftlicher Grundsätze wäre dienlich. Zielsetzung ist es, die Metropolen wirksam in ihrem Bestreben zu unterstützen, neue Stadtviertel ohne zu hohen bürokratischen Aufwand erstellen zu können. Richtungsweisend hierbei ist auch der Weg des Spitzenverbands der Immobilienwirtschaft e.V. (ZIA) mit der Gründung eines Kommunalrates für Bau- und Prozessbeschleunigung. In dem Gremium suchen Kommunalpolitiker und Experten der Immobilienwirtschaft und Stadtentwicklung gemeinsam nach innovativen und richtungsweisenden Maßnahmen, um mit modernen und effizienten Ansätzen eine Ausweitung des Wohnangebots schnellstmöglichst zu erreichen.

Breite Einkommensschichten trifft neben der primären Teuerung der Immobilienpreise und der Teuerung der Gestehungskosten in besonderem Maße der überproportionale Anstieg der Erwerbsnebenkosten. Die hohen Aufwendungen für Notar, Grundbucheintragung und Grunderwerbsteuer mit einer Bandbreite je nach Bundesland von 3,5 bis 6,5 Prozent sowie hohe Maklercourtagen bis zu 7,14 Prozent wirken abschreckend. Diese hohen Erwerbskosten können vielfach von einkommensschwächeren Haushalten nicht mehr bewältigt werden.

Auch hier kann der Bund nicht direkt eingreifen, da die Grunderwerbsteuer in den Bereich Länderautonomie fällt. Es ist jedoch ein Paradoxon, dass der Bund durch kostenintensive Steuersubventionierung beispielsweise in Form der Wohngeldkinderzulage einerseits die Kapitalaufbringungssituation potenzieller Käufer verbessert, andererseits die Länder in einer Erhöhungsspirale den Prozentsatz der Grunderwerbsteuer und der Grundsteuerhebesätze in die Höhe treiben, was zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft unter Deutschlands Kommunen führt. Die Bundesregierung prüft aber gegenwärtig zur Eingrenzung die Einführung eines Freibetrages bei der Grunderwerbsteuer für Familien. Sollte eine Gesetzesinitiative hierzu kommen, so vermag dies allerdings die teils großen Differenzen bei den Steuersätzen der Länder nicht lösen.

Verschärfte Bonitätsanforderungen

Während die Entwicklung der Immobilienmärkte weitgehend von Angebot und Nachfrage, den Finanzierungsmöglichkeiten und der situativen Wohnzufriedenheit der Bundesbürger geprägt wird, hat der Gesetzgeber mit der Umsetzung der EU-Immobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht per 21. März 2016 direkt eingegriffen. Die neuen Gesetzesnormen sollen dem Schutz der Bundesbürger und einer Begrenzung drohender Überschuldung dienen. Die gewonnenen Erfahrungen belegen, dass die verschärft anzuwendenden Bedingungen der Bonitätsprüfung für die Gewährung eines Hypothekendarlehens die Wohneigentumsbildung einschränkt und gerade schwächeren Einkommenshaushalten den Wunsch nach Eigenheim oder dessen Renovierung erschwert.

Anbieter von Immobilienfinanzierungen sind gezwungen, die Kreditgewährung primär auf den derzeitigen und vor allem künftig nachhaltig zu erwartenden Einnahmestrom abzustellen. Eine Beleihung aufgrund eines stark wachsenden Objektwertes wird nachrangiges Entscheidungskriterium. Damit wird die Kreditvergabe für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie junge Ehepaare, Selbstständige und Senioren deutlich erschwert, da sie in der Regel diesen Nachweis nicht glaubwürdig belegen können. Die Folge ist ein erstmaliger Rückgang der Wohnungsbaukredite im vergangenen Jahr um zirka zwei Prozent. Verstärkt wird diese negative Entwicklung durch eine starke Verteuerung der Grundstücke und der Baukosten.

Eckpunkte des ersten Maßnahmenpakets der Koalition zur Verbesserung der Wohnsituation sind die Gewährung eines Baukindergeldes rückwirkend ab 1. Januar 2018 sowie eine geplante Sonderabschreibung. Bislang unterstützt der Staat die Bildung von selbst genutztem Wohneigentum seit Ende 2008 lediglich in Form der Eigenheimrente. Allerdings erweisen sich offensichtlich die Beträge der Zulagen pro Jahr vor dem Hintergrund der hohen Verteuerung als zu gering, weshalb der sogenannte "Wohn-Riester" deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb. Neu hinzu kommt nun eine gezielte Förderung junger Familien durch die Gewährung eines Baukindergeldes. Der selektive Lösungsansatz senkt zwar den Kapitalbedarf für potenzielle Häuslebauer, dürfte aber gleichfalls nicht in der Lage sein, die Baupreisentwicklung entscheidend zu kompensieren.

Die neue Regelung setzt zudem falsche Anreize, indem die Förderung marktbedingt die Nachfrage bei geringem stagnierendem Baulandangebot tendenziell erhöht und zu weiterem Anstieg der Baupreise führen dürfte. Insgesamt erscheint das Baukindergeld im gegenwärtigen Regierungsentwurf ein teures, kostenintensives Instrument zu sein, verbunden mit ähnlich negativen Effekten wie die im Jahr 2006 zu Recht abgeschaffte Eigenheimzulage. Die im Planungsstatus stehenden Überlegungen zu einer zeitlich befristeten Gewährung einer Sonderabschreibung betreffen primär den Mietwohnungsmarkt. Sie dürfte sich belebend auf die Bautätigkeit auswirken, allerdings steht sie konjunkturpolitisch nicht im Einklang mit der aktuellen Wirtschaftsentwicklung.

Große Erwartungen stellen alle Beteiligten an die Ergebnisse des am 21. September 2018 im Kanzleramt stattfindenden Wohngipfels. Bereits im Vorfeld haben die Interessenvertreter konkrete Vorschläge, beispielsweise für die dringend angestrebte Beschleunigung sämtlicher Bauprozesse, vorgelegt. Am weitesten geht das 28 Punkte umfassende ZIA-Arbeitspapier mit Verbesserungsvorschlägen. So wird beispielsweise dem Staat auf verschiedenen Ebenen die Übernahme im Planungsbereich einschließlich finanzieller Unterstützung angeboten. Allein die Sollzahl bei den Baugenehmigungen und Fertigstellungen durch schlankere und effizientere Prozesse zu erreichen ist nur Teil der Lösung des angespannten deutschen Immobilienmarktes. Die Baubranche selbst ist gleichermaßen wie die Politik gefordert, indem sie Sorge zu tragen hat für bessere Rahmenbedingungen und Erhöhung der Kapazitäten. Derzeit arbeitet sie an ihren Auslastungsgrenzen. Engpässe sind lange Bauzeiten und Fachkräftemangel. Entlastung würde eine Verkürzung der Brutto-Bauzeit mit sich bringen, die sich in den letzten drei Jahren von 29 auf 48 Monate dramatisch - auch im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedsländern - verlängert hat.

Obwohl Studien belegen, dass Wohneigentum gegenüber Miete in Deutschland zunehmende Kostenvorteile aufweist und für die Bundesbürger die beliebteste Altersvorsorge eine eigene Immobilie ist, stagniert die Wohneigentumsbildung. Zudem steigt das Durchschnittsalter der Erwerber von Wohneigentum. Verantwortlich hierfür ist die Verknappung von Baugrund und ein hoher zu verzeichnender Preisanstieg, der zu steigendem Kapitalbedarf führt und immer mehr die Eigenheiminteressenten überfordert. Weiter erschwerend wirken sich die höheren Anforderungen bei der Kreditgewährung aus.

Selektive Lösungsansätze wie das Baukindergeld, die Planung von Bürgschaftsprogrammen der KfW sowie der Prüfauftrag für einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer für Familien werden insgesamt wenig beitragen, die aktuelle Notsituation bei der Wohneigentumsbildung zu beheben. Bei der Bekämpfung der Wohneigentumsdefizite gilt es, schnellstmöglich die Angebotsseite durch zur Verfügungstellung von mehr Baugrund zu stärken. Dass großer Handlungsbedarf besteht, zeigt auch das Bundesverfassungsgericht, das die Grundsteuer in ihrer jetzigen Form im April für verfassungswidrig erklärt hat. Mit einer Neugestaltung der Grundsteuer mit Fokus "Baulandsteuer" könnte die Bundesregierung weitere Anreize für private Eigentümer schaffen und einen Abbau der bestehenden Wohngenehmigungshalde in Gang setzen.

Stark dirigistische Eingriffe vermeiden

Abzuwarten sind die Ausführungen zu weiterführenden Plänen wie Umverteilung und Einführung von Regularien im Interesse des Gemeinwohls. Derzeit bleibt es noch ein Wunschtraum, dass ein neues Bodenrecht Bauträger und private Investoren zwingt, erhöhte Beiträge zur Erstellung und Verbesserung der Infrastruktur zu leisten.

Allerdings dürften die Zeiten des Bauens ohne soziale Verpflichtungen der Vergangenheit angehören. Mit Interesse sind deshalb die aus dem im Herbst stattfindenden Wohngipfel abgeleiteten weiter folgenden Maßnahmen zu werten. Stark dirigistische Eingriffe in den Bereichen Vorgaben für das Mietniveau, Pflichtanteile von öffentlich gefördertem sowie bezahlbarem Wohnen verletzen die Prinzipien einer funktionierenden Marktwirtschaft und sind folglich zu vermeiden. Sie beschleunigen das Abwandern von Investoren mit der Folge eines Rückgangs in der Bildung von Wohneigentum.

DER AUTOR PROF. DR. KLAUS FLEISCHER, Finanz- und Bankwirtschaft, Hochschule München, und Of Counsel, Baker Tilly, München

Klaus Fleischer , Prof. (em.) Finanz- und Bankwirtschaft, Hochschule München, München

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