Wohnungswesen

Wohnungswirtschaft im Spannungsfeld von Demografiewandel, Energiewende und Regulierung

Axel Gedaschko

Die Gefahr steigt, dass das Bestreben, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, durch die steigende Abgabenlast konterkariert wird. Während beispielsweise der Bau einer Wohnung innerhalb eines mehrgeschossigen Gebäudes in den Jahren 2005 und 2006 rund 1680 Euro pro Quadratmeter gekostet hat, muss ein Unternehmer dafür heute 2470 Euro pro Quadratmeter in die Hand nehmen. Um dieser Gefahr zu begegnen unterbreitet der Autor "Dreizehn Vorschläge für bezahlbaren Wohnraum und einen stabilen Wohnungsmarkt in Deutschland". Er mahnt zudem an, den Blick nicht nur auf Regionen mit knappem Wohnraum zu lenken, sondern auch diejenigen Gemeinden mit hohen Leerständen nicht aus den Augen zu verlieren. Hier bedürfe es einer Strategie des geordneten Rückbaus mit gleichzeitiger Aufwertung der Stadtgebiete. Red.

Die Wohnungswirtschaft soll zahlreiche Probleme auf einmal lösen. Sie muss den demografischen Wandel bewältigen, den Klimaschutz durch das energetische Sanieren von Wohnungen vorantreiben, Leistungen für Integration und funktionierende Stadtquartiere erbringen und parallel bezahlbare Wohnungen in allen Stadtlagen Deutschlands bereitstellen. Dies alles sind Aufgaben, die viel kosten. Auf der anderen Seite drohen aber regulatorische Eingriffe das wirtschaftliche Handeln der Wohnungsunternehmen zu untergraben. Die Unternehmen des GdW sehen diese Entwicklung mit großer Sorge.

Eine wohnungspolitische Strategie, bei der die Unternehmen sozial verantwortlich und nachhaltig, aber als Voraussetzung dafür auch wirtschaft lich agieren können, ist daher dringend notwendig. Wir befinden uns in einem Paradox - auf der einen Seite soll Bauen und Wohnen bezahlbar sein und bleiben, auf der anderen Seite führen - auch vom Staat verursachte - Kostensteigerungen dazu, dass das immer weniger möglich ist.

Zahlreiche Kostentreiber

Es gibt zahlreiche Kostentreiber, die das Bauen und Wohnen in Deutschland verteuern. Allein die Grunderwerbsteuer steigt in fast allen Bundesländern. Sie liegt heute - mit zwei Ausnahmen - zwischen 4,5 und 6,5 Prozent der Bemessungsgrundlage. Kürzlich wurde in Nordrhein-Westfalen eine Anhebung der Grunderwerbsteuer auf 6,5 Prozent zum 1. Januar 2015 angekündigt. Im Jahr 2010 wurden in Deutschland insgesamt 5,29 Milliarden Euro Grunderwerbsteuer gezahlt. 2013 lag das Steueraufkommen bei 8,4 Milliarden Euro. Diese Preisspirale verteuert das Wohnen und muss ein Ende haben.

Seit Anfang 2010 haben aber auch 60 Prozent der Kommunen die Grundsteuer B, die von Haus- und Wohnungseigentümern aber auch Mietern im Rahmen der Mietnebenkosten zu zahlen ist, erhöht. Jeweils nur ein Prozent der Kommunen hat im gleichen Zeitraum die Grundsteuer gesenkt. Das sind die Ergebnisse einer Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) zur Entwicklung der Grundsteuer B und Gewerbesteuerhebesätze aller deutschen Kommunen (ohne Stadtstaaten) in den Jahren 2005 bis 2013. Besonders in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen kam es zu Steuererhöhungen auf breiter Front: In beiden Bundesländern erhöhten zwischen Anfang 2010 und Mitte 2013 mehr als neun von zehn Kommunen mindestens einmal die Grundsteuer.

Bundesweit stieg der durchschnittliche Grundsteuerhebesatz um 26 Prozentpunkte auf 351 Prozent - ein Anstieg um 8 Prozent. Haus- und Wohnungseigentümer beziehungsweise Mieter müssen derzeit in Nordrhein-Westfalen mit Abstand am meisten zahlen: Dort liegt der durchschnittliche Grundsteuerhebesatz bei 453 Prozent. Am wenigsten verlangen die Kommunen in Hessen (316 Prozent) und Schleswig-Holstein (299 Prozent) von Haus- und Wohnungseigentümern beziehungsweise Mietern.

Im Zuge der fast flächendeckenden Heraufsetzungen der Grundsteuerhebesätze in den vergangenen Jahren hat sich der Anteil der Kommunen mit einem hohen bis sehr hohen Hebesatz von 350 Prozent und mehr zwischen Anfang 2006 und Mitte 2013 von 13 auf 39 Prozent verdreifacht. Gleichzeitig ging der Anteil der Kommunen mit einem niedrigen Hebesatz von unter 300 Prozent von 44 auf 24 Prozent zurück. In den kommenden Jahren müssen sich Haus- und Wohnungseigentümer und Mieter auf eine weiter steigende Steuerbelastung einstellen - vor allem in solchen Kommunen, die Finanzhilfen der Bundesländer in Anspruch nehmen.

Kritik am Höchstpreisverfahren

Darüber hinaus verkaufen viele Kommunen ihre Grundstücke immer noch nach dem Höchstpreisverfahren. Das heißt: Der Investor, der am meisten Geld hinlegt, bekommt das Baugrundstück. Wohnungsunternehmen, die mit solchen Grundstücken bezahlbaren Wohnraum erbauen wollen, haben hier oft das Nachsehen. Wenn sie die Höchstpreise für den Erwerb zahlen, rechnet sich das am Ende nur mit einer entsprechend hohen Miete.

Berechnungen haben ergeben, dass eine Subventionierung von Bodenpreisen eine Mietenersparnis von 10 bis 20 Prozent bringen kann. Die Kommunen sind hier gefordert, die Grundstücke an den Bewerber mit dem besten Konzept für bezahlbaren Wohnraum zu vergeben. Mit gutem Beispiel voran geht hier beispielsweise Hamburg.

Insgesamt ist Wohnungsneubau durch die technischen Anforderungen, unter anderem an die Energieeffizienz, aber auch durch die Preise für den Baugrund und die Baukosten so teuer geworden, dass er sich in vielen Fällen nur noch im oberen Mietpreissegment rechnet. Die Folge sind hohe Mieten oder mehr Wohnungsbau im Eigentumsbereich. Während beispielsweise der Bau einer Wohnung innerhalb eines mehrgeschossigen Gebäudes in den Jahren 2005 und 2006 rund 1680 Euro pro Quadratmeter gekostet hat, muss ein Unternehmer dafür heute 2 470 Euro pro Quadratmeter in die Hand nehmen. Das ergibt einen Preissprung von 47 Prozent.

Hier zeigt sich, dass das Bündel von Teuerungen - gestrickt aus Energieeinsparvorschriften, Baukosten, Grundstückskosten und vieles mehr - das Wohnen immer teurer werden lässt. Erst kürzlich kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass eine Verbesserung der steuerlichen Abschreibungsbedingungen, eine Reduzierung der Baulandkosten und verbesserte Finanzierungskonditionen einen enormen Preiseffekt auf dem Mietwohnungsmarkt hätten. Im Idealfall könnten die Kaltmieten in Neubauten um bis zu 4,14 Euro pro Quadratmeter gesenkt werden, rechnen die Wissenschaftler des Pestel-Instituts in ihrer Studie vor. Notwendig hierfür wäre in dem Paket kombinierter Maßnahmen insbesondere die Einführung einer linearen Abschreibung (AfA) in Höhe von vier Prozent jährlich.

Insgesamt erfordern die zahlreichen Anforderungen an die Wohnungswirtschaft vom Staat auch ein verstärktes Engagement im Bereich der Förderung.

Dreizehn Vorschläge für bezahlbaren Wohnraum und einen stabilen Wohnungsmarkt in Deutschland:

Der Wohnungsmarkt in Deutschland braucht stabile Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer. Dazu müssen auf der einen Seite die Bedingungen für Investoren so verbessert werden, damit diese zu bezahlbaren Mieten neuen Wohnraum schaffen können. Auf der anderen Seite darf man aber die Regionen, in denen Wohnungsleerstand ein großes Problem ist, nicht aus den Augen verlieren. Zu einer Wohnstrategie gehört aus Sicht der Wohnungswirtschaft:

1. Kommunen sollten städtische Grundstücke grundsätzlich nach Konzeptqualität und nicht im Höchstbieterverfahren vergeben.

2. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen in einem angemessenen Zeitraum abgeschlossen werden.

3. Keine weiteren Steuerbelastungen durch Kommunen oder den Bund.

4. Absenkung der Grunderwerbsteuer in Wachstumsregionen.

5. Die Abschreibungssätze sollten von zwei auf drei Prozent erhöht werden. In den Gebieten, in denen die neue Mietpreisbremse gelten soll, sollten die Abschreibungssätze auf vier Prozent erhöht beziehungsweise ein Investitionszuschuss eingeführt werden.

6. Die Mittel der sozialen Wohnraumförderung in Höhe von 518 Millionen Euro jährlich (Bundesmittel) müssen zweckgebunden sein.

7. Energetische Anforderungen dürfen nicht durch einzelne Landesgesetze noch weiter verschärft werden.

8. Mietendeckel verschieben das Problem steigender Mieten in die Zukunft und hemmen den Neubau. Die Folge: Das Problem wird noch verschärft. Wenn die Mietpreisbremse für die Wiedervermietung kommt, muss sie daher zeitlich befristet sein und an einen Maßnahmenplan für Wohnungsneubau gekoppelt werden. Darüber hinaus muss die Mietpreisbremse geografisch abgegrenzt sein und darf nur in Gebieten mit einer echten Mangellage gelten.

9. Der drastische Anstieg der Nebenkosten - Energie, Wasserversorgung, Müllbeseitigung und Grundsteuer - muss begrenzt werden.

10. Die Baukostensenkungskommission muss zügig zu konkreten Ergebnissen kommen.

11. "Neubauklima" in der Bevölkerung fördern - alle möchten mehr Wohnraum in Ballungsregionen - aber möglichst nicht in der eigenen Nachbarschaft oder auf dem Grundstück gegenüber. Wir brauchen eine klare politische Schwerpunktsetzung für mehr Neubau, eine Neubaukampagne und Unterstützung für eine sachgerechte öffentliche Debatte zur Wohnungspolitik. Es gehört zur Führungsverantwortung eines jeden Bürgermeisters, sich für eine funktionierende Wohnungspolitik und den Wohnungsneubau in Boom-Regionen einzusetzen.

12. Der altersgerechte Umbau muss angemessen gefördert werden. Der Bund muss das KfW-Programm für altersgerechtes Bauen jährlich weiter steigern und mittelfristig mit jährlich 100 Millionen Euro ausstatten. Zudem sind gemeinsam mit den Bundesländern die Erstellung und Weiterentwicklung kommunaler Demografie-Konzepte zu forcieren.

13. Schub für die energetische Gebäudesanierung: Eine steuerliche Förderung und die Aufstockung der KfW-Programme für energieeffizientes Bauen und Sanieren auf insgesamt drei Milliarden Euro jährlich durch den Bund sind notwendig.

Ein besonderes Augenmerk muss sich aber auch auf die Regionen richten, in denen es keinen Wohnraummangel, sondern immer noch zu viele leer stehende Wohnungen gibt. In den ostdeutschen Ländern standen Ende 2013 insgesamt 580 000 Wohnungen leer.

Wenn der Abriss in den neuen Ländern nicht weiter vorangetrieben wird, könnte es bis zum Jahr 2030 zu einer Verdreifachung des Leerstandes kommen. Alle Marktteilnehmer müssen sich für die Städte und Regionen engagieren und einen Rückbau mit der Aufwertung der Stadtgebiete verbinden. Die Wohnungsunternehmen tun, was sie können.

Rückbau und Aufwertung

Aber auch andere Eigentümer müssen in den Stadtumbau in Ostdeutschland eingebunden werden. In den klassischen Schrumpfungsregionen wachsen die Leerstände wieder. 31 Prozent der GdW-Unternehmen in den neuen Ländern verzeichnen wieder steigende Leerstände.

Bei sechs Prozent der Unternehmen ist der Leerstand seit 2006 sogar um mehr als fünf Prozentpunkte gestiegen. Die GdW-Unternehmen können ihre eigenen Leerstandszahlen häufig noch durch ihre gute Qualität und Bezahlbarkeit der Wohnungen stabilisieren. Aber auch dieser Effekt ist irgendwann zu Ende. Wenn dann nichts passiert, geraten auch die engagierten Marktteilnehmer in den Sog der Leerstandswelle.

Angesichts dieser Entwicklung sollten die Länder Wohnungseigentümern, die zielgerecht, das heißt innerhalb einer von der Kommune festgelegten Gebietskulisse mit Aufwertungspriorität, investieren, einen zusätzlichen Anreiz in Form eines Investitionsbonus gewähren.

Darüber hinaus sollte beim Abriss von Wohnungen wegen der gestiegenen Kosten die Höchstgrenze der förderfähigen Kosten von 70 Euro auf 120 Euro angehoben werden. Die Förderung der Innenentwicklung darf sich außerdem nicht allein auf die Innenstädte und Altbauten fokussieren, sondern muss alle zukunftsfähigen Stadtquartiere und Wohnungsbestände erreichen. Dies beinhaltet auch den Abriss nicht zukunftsfähiger Bauten.

Der Autor

Axel Gedaschko Präsident, GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Berlin

Axel Gedaschko , Präsident , GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Berlin

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