IMMOBILIEN AN DER BÖRSE

"BLIND HINZUKAUFEN IST SELBSTVERSTÄNDLICH NICHT DER RICHTIGE ANSATZ"

Stefan Scharf, Foto: SRC Research

Der Aufstieg von Vonovia in den deutschen Leitindex Dax im September 2015 markierte sicherlich den vorläufigen Höhepunkt in der Geschichte der hiesigen Immobilienaktien. Doch auch abseits dieses Glanzstücks kann sich der Erfolg von Immobilien an Börse und Kapitalmarkt mittlerweile sehen lassen - allen Skeptikern zum Trotz, die argumentieren, etwas so Unbewegliches wie "Immobilien" und etwas so Liquides wie der Kapitalmarkt passten einfach nicht zusammen. Im Redaktionsgespräch mit "Immobilien & Finanzierung" diskutiert der Immobilienaktien-Spezialist Stefan Scharff den Siegeszug einer Assetklasse, die bis vor wenigen Jahren noch ein Schattendasein in Deutschland fristete. Darüber hinaus erörtert er die Chancen und Herausforderungen bei den aktuell verstärkt zu beobachtenden Fusionen unter börsennotierten Immobilien-AGs, die Implikationen eines sich immer weiter verschärfenden Regulierungsumfelds sowie die Performance-Aussichten des Sektors für das noch junge Jahr 2020. Red.

Herr Scharff, Sie haben 2003 das auf Immobilienaktien spezialisierte Analysehaus SRC Research gegründet. Wie hat sich die Landschaft börsennotierter Immobilienunternehmen in Deutschland seitdem verändert?

Die Landschaft hat sich grundlegend gewandelt und ist heute definitiv viel bunter. Denken Sie nur an das Jahr 2008: Damals gab es hierzulande mit der Deutschen Euroshop und der IVG gerade einmal nur zwei wirklich namhafte börsennotierte Immobilienunternehmen.

Erstere gibt es noch, Letztere bekanntlich nicht mehr ...

Richtig, die Insolvenz der IVG hat dem Ansehen der Immobilienaktie natürlich insofern geschadet, als der bis dahin vorherrschende Eindruck eines soliden Investments beziehungsweise einer Substanzaktie stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Assetklasse "Immobilienaktie" lag de facto darnieder. Hinzu kamen mit der Lehman-Pleite sowie der Krise bei den offenen Immobilienfonds zusätzliche Belastungen auf, die die Etablierung der Assetklasse an der Börse zunächst erschwerten.

Inzwischen ist diese Mission aber erfolgreich abgeschlossen, oder?

Auf jeden Fall, das Segment hat die genannten Krisen sehr gut weggesteckt und sich in den vergangenen zehn Jahren insgesamt gesehen hervorragend entwickelt. Davon zeugen nicht zuletzt das stark gestiegene Angebot an Immobilienaktien - sowohl im gewerblichen als auch wohnungswirtschaftlichen Bereich - sowie die mittlerweile doch beachtliche Anzahl an Immobilienvertretern in den großen deutschen Indizes.

Allerdings droht die Auswahl derzeit doch wieder etwas geringer zu werden, Stichwort "Fusionen". Wie beurteilen Sie diese Entwicklung und inwieweit kommt sie überraschend?

Der Faktor "Größe" ist grundsätzlich wichtig für börsennotierte Immobilienunternehmen, insofern überraschen mich die aktuellen Zusammenschlüsse nicht. Nehmen Sie das Beispiel Aroundtown: Das Unternehmen hat ohne die TLG bereits über 19 Milliarden Euro an Immobilienvermögen. Das ist eine beachtliche Größe und entsprechend groß müssen nun eben auch die Sprünge ausfallen, um das Wachstumstempo auf einem hohen Niveau zu halten.

Ähnlich war es bei Vonovia vor einigen Jahren mit den Übernahmen von Buwog und Conwert. Darüber hinaus geht damit üblicherweise ein wertvoller Beitrag zur Portfoliodiversifikation einher, der sich positiv auf das Rating auswirkt und somit auch zu niedrigeren Finanzierungskosten führt. "Size matters" würde man im Englischen sagen.

Ist Größe also eine Art Patentrezept für mehr Erfolg?

Nein, blind hinzukaufen ist selbstverständlich nicht der richtige Ansatz. Um tatsächlich einen Mehrwert in Form von Synergieeffekten schaffen zu können, braucht es ein erfahrenes Management mit entsprechendem Know-how: Passen die Bestände zum eigenen Portfolio, sind sie eine sinnvolle Ergänzung, die sich möglichst reibungslos integrieren lassen? Habe ich die geeigneten Property Manager vor Ort, um sich adäquat um die Mieter zu kümmern?

Das sind Dinge, bei denen man ein Gespür dafür entwickeln muss, ob es passt oder eben nicht. Dass diese Voraussetzungen nicht immer automatisch erfüllt sind, sieht man ein Stück weit ja auch daran, dass es durchaus noch Immobilien-AGs mit eher kleinen Beständen gibt.

Wer in den vergangenen Jahren in deutsche Immobilienaktien investiert hat, profitierte zumeist von einer überdurchschnittlichen Performance. Lässt sich diese Entwicklung für 2020 nun nahtlos fortschreiben oder neigen sich die guten Zeiten langsam aber sicher dem Ende zu?

Viele Kurse sind inzwischen relativ weit gelaufen, grundsätzlich bin ich aber noch immer optimistisch gestimmt. Die steilen Kursanstiege aus den Jahren 2017 bis 2019 werden wir vermutlich nicht mehr in dieser Form erleben, aber der Pfeil zeigt tendenziell weiter nach Norden. Dafür sprechen auch die weiterhin soliden Fundamentaldaten auf den Immobilienmärkten sowie die anhaltend niedrigen Zinsen.

Stichwort Zinsen: Wie viel Spielraum gibt es noch beim Absenken der Refinanzierungskosten?

Hier ist in der jüngeren Vergangenheit natürlich bereits viel geschehen. Die günstigen Rahmenbedingungen wurden intensiv genutzt, um die Cost of Debt signifikant zu verringern und dadurch entsprechend höhere Gewinne auszuweisen. Bei der weiteren Verringerung der Finanzierungsaufwendungen wird es somit wohl künftig etwas weniger Spielraum geben.

Wie gefährlich sind die weiter verschärften Regulierungsmaßnahmen vonseiten der Politik, insbesondere mit Blick auf die Wohnimmobilien-AGs?

Nun, man hat am Beispiel der Deutsche Wohnen mit ihrem hohen Berlin-Exposure gut gesehen, wie stark die Auswirkungen auf den Kurs sein können. Der Kursverlauf hatte zur Jahresmitte 2019 sehr gelitten unter den Diskussionen über Mietendeckel bis hin zu Enteignungen.

Was man dabei aber nie vergessen sollte: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Sprich, so manche Dinge schlagen am Ende doch nicht so durch auf die Gewinnrechnung eines Unternehmens, wie zunächst befürchtet. Überhaupt wird man abwarten müssen, ob ein Mietendeckel tatsächlich rechtlich vertretbar ist.

Haben die Aktionäre also etwas überreagiert?

Im Prinzip ja. Die Entwicklung erinnert mich ein wenig an die von Bayer im vergangenen Jahr. Sobald den Leuten dämmert, dass doch kein Weltuntergang droht, erholen sich die Kurse auch wieder.

In Ihrer Coverage tauchen auch viele österreichische Immobilien-AGs auf. Welche Vorzüge bieten sie?

Die Österreicher haben früh erkannt, welche Potenziale gerade der deutsche Immobilienmarkt bietet und sind entsprechend schon seit Jahren gut unterwegs. Hier besteht oftmals noch einiges an Kurspotenzial, etwa bei CA Immo, S Immo und UBM. Außerdem erwarte ich bei diesen Unternehmen eine weitere Anhebung der Dividenden.

Wie beurteilen Sie die Dividendenpolitik der Immobilien-AGs allgemein?

Sie ist größtenteils sehr attraktiv, das kann letztlich aber auch nicht wirklich überraschen: In den meisten Fällen war beziehungsweise ist die Geschäftsentwicklung sehr positiv und daran sollten die Aktionäre entsprechend beteiligt werden, zumal es am Anleihemarkt kaum noch gescheite Renditen gibt.

Eine Dividendenrendite zwischen drei und fünf Prozent im Immobilienbereich ist momentan der Regelfall und hebt sich wohltuend ab. In Einzelfällen kann es auch etwas weniger sein, etwa wenn Geld gebraucht wird, um die Entwicklungspipeline voranzutreiben. Aber ein klassischer Immobilien-Bestandshalter muss eine ordentliche Dividende liefern und tut dies in der Praxis auch.

Wie professionell ist der Kapitalmarktauftritt hiesiger Immobilien-AGs mittlerweile?

Hier hat sich vieles in der letzten Dekade verbessert. Vor allem die Kommunikation ist sehr professionell geworden, die Conference Calls zu den Quartals- und Halbjahresergebnissen sind in aller Regel erstklassig und liefern alle Key Performance Indikatoren. Egal ob Detailfragen zum Substanzwert, zur Entwicklung der Mieten oder der Bewertung - das wird alles sehr gut erklärt.

Ist die Professionalisierung auch auf Investorenseite vorangeschritten?

Absolut. Vor nicht allzu langer Zeit gab es eben nur eine IVG und Euroshop, da lohnte ein intensives Research nicht wirklich. Jetzt gibt es so viele spannende Immobilienunternehmen an der Börse, die seit Jahren höchst solide performen, entsprechend Vertrauen aufgebaut haben und nun gewissermaßen über eine treue Fangemeinde verfügen. Das kann wiederum dann nützlich sein, wenn man für eine Kapitalerhöhung bei den Anlegern anklopft.

Zu Ihrer Herangehensweise als Analyst: Welche Kriterien entscheiden letztlich über Ihr Anlageurteil?

Wie so oft im Leben gilt auch hier die Devise "Die Mischung macht's". Neben harten Kennziffern wie FFO, Substanzwert, Entwicklung von Leerstand und Gewinn muss immer auch auf die Management-Qualitäten geachtet werden: Verfügen die Verantwortlichen über die nötige Expertise und können einen langjährigen Track Rekord vorweisen?

Darüber hinaus empfiehlt es sich natürlich, ein gutes Händchen für die zyklische Logik der Immobilienmärkte zu haben. Hier sticht meiner Einschätzung nach zum Beispiel die S Immo hervor: Die hat vor zirka einem Jahr in Berlin viel verkauft und sich gleichzeitig umorientiert in Städte mit noch etwas höheren Renditen, die neue Opportunitäten bieten. Ein solches aktives Zyklus-Management zahlt sich definitiv aus.

Erwarten Sie in der nächsten Zeit Börsengänge mit Immobilienbezug?

Auch wenn wir im Zyklus mittlerweile recht weit fortgeschritten sind, könnte noch das ein oder andere Unternehmen an die Börse kommen. Denkbar ist sicher auch, dass Unternehmen, die bislang mit einem kleinen Listing an der Börse vertreten sind, nun noch einmal akzentuierter auftreten, etwa in Form einer Kapitalerhöhung.

Und der bereits angesprochene Konsolidierungsprozess ist vermutlich noch nicht abgeschlossen?

Davon ist auszugehen. Die Vorteile liegen wie erläutert in vielen Fällen einfach auf der Hand. Das aktuelle Beispiel Aroundtown / TLG zeigt aktuell im Übrigen wieder einmal, dass dies gerade vom Markt honoriert wird.

Möglicherweise entsteht dabei auch ein neuer Kandidat für den Dax ...

Stimmt, das ist sicher auch nicht von Nachteil. Aufstiege in den Indizes erhöhen die Aufmerksamkeit bei den Investoren.

ZUR PERSON STEFAN SCHARFF, Managing Partner, SRC Research GmbH, Frankfurt am Main
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