EXPO REAL-SPECIAL

"WIR BRAUCHEN EINE PRODUKTINNOVATION, DIE BESSER IN DAS DIGITALE ZEITALTER PASST"

Jochen Schenk, Foto: Real I.S. AG

Komfort, Schnelligkeit, Flexibilität - diese Ansprüche stellen Verbraucher in Zeiten der voranschreitenden Digitalisierung immer öfter an Produkte und Dienstleistungen. Und auch vor der Kapitalanlage macht dieser Trend natürlich keinen Halt. Doch tragen die im deutschen Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) vorgesehen Investmentvehikel der veränderten Kundennachfrage ausreichend Rechnung? Jochen Schenk meldet im Redaktionsgespräch punktuelle Zweifel an und plädiert deshalb für eine vorurteilsfreie und ergebnisoffene Diskussion hinsichtlich möglicher Produktinnovationen innerhalb des bestehenden regulatorischen Umfelds. Seine Denkanstöße beschränken sich dabei im Übrigen nicht nur auf die Belange privater Investoren. Red.

Herr Schenk, Sie haben jüngst den ersten offenen Immobilien-Publikumsfonds der Real I.S. an den Start gebracht. Diese Anlageform erfreut sich derzeit großer Beliebtheit, die Mittelzuflüsse haben sich im ersten Halbjahr 2019 mehr als verdoppelt. Kurz zuvor haben Sie aber auch einen geschlossenen Immobilien-Publikumsfonds aufgelegt, der in ein Büroobjekt in der australischen Hauptstadt Canberra investiert. Sind geschlossene AIF überhaupt noch ein geeignetes, zeitgemäßes Vehikel für Privatanleger, die in Immobilien investieren möchten?

Ja, absolut. Für ein solch spezialisiertes Investment, das auf eine bestimmte Zielgruppe von Anlegern zugeschnitten ist, handelt es sich beim geschlossenen Publikumsfonds um ein sehr geeignetes Instrument. Das bestätigt uns auch die lebhafte Nachfrage nach unserem "Real I.S. Australien 10". Aber ich verstehe, worauf Sie hinauswollen: Vor zehn Jahren hatte der geschlossene Fonds zweifellos eine größere Bedeutung als Investmentvehikel in Immobilien.

Und dann kam die AIFM-Richtline, die Alternative Investment Fund Manager Directive, die 2013 in Deutschland umgesetzt wurde ...

Die Richtlinie für sich genommen ist nicht der entscheidende Faktor. Wir beobachten einen tiefgreifenden Wandel bei den Bedürfnissen und im Verhalten privater Anleger. Convenience und Flexibilität sind gefragt. Die Verbraucher sind es gewohnt, Waren und Dienstleistungen mit einem Mausklick oder per Handy-App zu bestellen - schnell, einfach und transparent.

Das erwarten sie auch bei der Kapitalanlage. Doch dazu wollen nicht mehr alle Produkte so recht passen, die im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), also der deutschen Umsetzung der Richtlinie vorgesehen sind. Hinzu kommt, dass die Anlageberatung der Banken sehr stark reguliert - Stichwort: MiFID II - und zum Teil bereits automatisiert wurde. Manches Anlagevehikel fällt da pauschal durchs Raster.

Andere Länder haben die Spielräume der AIFM-Richtlinie großzügiger ausgenutzt?

In der Tat, zum Beispiel Luxemburg. Der luxemburgische Real Estate Investment Fonds (REIF) hat sich als sehr attraktive, verbriefte Investmentstruktur entpuppt, die sich vor allem bei institutionellen Investoren aus der ganzen EU großer Beliebtheit erfreut. Der REIF weist wertpapierähnliche Eigenschaften auf und ist schlanker und fungibler als die Instrumente, die uns nach dem deutschen KAGB zur Verfügung stehen - alles im Rahmen derselben europaweiten AIFM-Richtlinie. Das ist letztlich auch eine Frage des Standortwettbewerbs unter den Finanzplätzen.

Sie meinen, man sollte den geschlossenen Publikums-AIF grundlegend reformieren oder gar durch ein völlig neues Produkt ersetzen?

Es geht nicht darum, den Publikums-AIF abzuschaffen. Wie gesagt: Für bestimmte Zwecke ist er das ideal geeignete Instrument. Mir geht es darum, einmal offen darüber nachzudenken und zu diskutieren, ob es nicht zusätzlich auch andere Instrumente für Privatanleger geben sollte. Privaten Immobilieninvestoren steht ja noch der offene Immobilien-Publikumsfonds zur Verfügung. Wie Sie eingangs zu Recht sagten, ist es ein derzeit bei Anlegern sehr gefragtes Anlageprodukt, das wir nun selbst im Angebot haben. Es gibt ihn aber ausschließlich für Immobilien. Was ist mit Investitionen in andere Sachwerte und alternative Anlagen? Anders gefragt: Wie finanzieren wir den Kampf gegen den Klimawandel?

Sie denken vor allem an erneuerbare Energien?

Auch, aber nicht nur. Es stellt sich doch die gesellschaftlich relevante Frage, wie wir die Bekämpfung der Ursachen und die Folgen des Klimawandels finanzieren. Da stehen wir vor milliardenschweren Investitionen in den kommenden Jahren. Das betrifft die Stromerzeugung aus Erneuerbaren, aber auch Netze und Speicherkapazitäten, die Elektromobilität, neue Technologien, Forschung und Entwicklung über Private Equity und vieles mehr. Diese Investitionen kann und sollte die öffentliche Hand nicht allein stemmen. Dafür werden die private Wirtschaft und privates Kapital dringend benötigt.

Für institutionelle Investoren ist das schon seit längerer Zeit ein Thema. Aber können Privatanleger überhaupt nennenswert dazu beitragen?

Und ob. Die zumeist risikoaversen deutschen Sparer horten Abermilliarden unverzinst auf ihren Bankkonten. Da ist es doch naheliegend, darüber nachzudenken, mit welchen Instrumenten man das Kapitalangebot und die Kapitalnachfrage besser in Einklang bringt. Vor zehn, fünfzehn Jahren verzeichneten geschlossene Immobilienfonds Mittelzuflüsse von Privatanlegern im zweistelligen Milliardenbereich. Im ersten Halbjahr 2019 waren es gemäß BVI-Statistik etwas mehr als 100 Millionen Euro. Es gibt also durchaus nennenswerte Kapitalreserven. Aber Sie haben Recht: Es braucht sowohl die Institutionellen als auch die Privaten.

Wie genau sollte ein solches Instrument denn beschaffen sein?

Genau darüber sollten wir - die Industrie, die Politik, die Finanzaufsicht und der Anlegerschutz - einmal vorurteilsfrei und ergebnisoffen diskutieren. Ich persönlich denke an einige Eigenschaften, die ein solches Instrument mitbringen sollte: Vor allem sollte es digitalisierungsfähig sein, zudem depotfähig wie ein liquides Wertpapier, mit Blick auf die Zukunft am besten auch Blockchain-fähig. Für den Anleger heißt das: Convenience. Wichtig wären zudem hohe Fungibilität und Liquidität, ohne das Prinzip der Fristentransformation überzustrapazieren. Hier gilt es einen Mittelweg zu finden. Und zu guter Letzt sollte es besser in den Produktkorb von Bankberatern passen. Wie so etwas konkret aussehen könnte - zum Beispiel wie ein Wertpapier -, stelle ich hiermit gerne zur Diskussion.

Einiges davon klingt ein wenig nach Crowdinvestments.

Das stimmt, gerade in Sachen Convenience ließen sich einige Aspekte von der Crowd abgucken. Allerdings handelt es sich dabei zumeist um Fremdkapitalinstrumente wie etwa Nachrangdarlehen. Eine unternehmerische Beteiligung mit lupenreinem Eigenkapital ist eher die Ausnahme. Und besonders fungibel und liquide ist ein Crowdinvestment oftmals nicht, depotfähig ebenso wenig.

Die Crowd ist grundsätzlich ein durchaus begrüßenswertes Vertriebsmodell, das das Anlagespektrum für Privatanleger verbreitert. Mir schwebt jedoch ein neuer Ansatz auf Produktebene vor. Eine Produktinnovation innerhalb der AIFMD-Welt, die besser in das digitale Zeitalter passt.

Und die soll sowohl private als auch institutionelle Kapitalanleger überzeugen?

Ganz genau. Auch für institutionelle Investoren wäre es schließlich von Vorteil, ein Investment schneller, bequemer und transparenter abschließen, verwahren und wieder veräußern zu können. Sie stehen aber aktuell noch vor einer weiteren Herausforderung: der Regulierung. Je nachdem, ob sie nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz oder nach Solvency II reguliert sind, müssen sie bei ihrer Asset Allocation entweder die Quotenregelungen der Anlageverordnung beachten oder ihre Investments mit viel Eigenkapital unterlegen.

Viele Versorgungswerke und Pensionskassen sind bei ihren Immobilien- und Fondsinvestments jedoch bereits am oberen Ende ihrer Höchstquoten angelangt. Ein wertpapierähnliches Instrument könnte eventuell anders kategorisiert werden. Aber das sind Ideen zu Details, so weit sind wir noch lange nicht.

Was heißt denn in diesem Fall "wir"?

Wenn ich mich in der Branche umhöre, stelle ich fest, dass wir unter den größeren Asset Managern mit dieser Meinung nicht allein dastehen. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, sich einmal mit Akteuren an einen Tisch zu setzen und diese Überlegungen konstruktiv zu diskutieren.

Sehr wichtig sind dabei die Verbände, also der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) sowie der Bundesverband der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI), um die Meinungsbildung im Markt und gegenüber der Politik voranzutreiben.

ZUR PERSON JOCHEN SCHENK, Vizepräsident, ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V., Berlin, und Vorsitzender des Vorstands, Real I.S. AG, München
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