PRIVATE WOHNUNGSBAUFINANZIERUNG

"DIE DIGITALE CUSTOMER JOURNEY BEGINNT AUF DER COUCH AM SAMSTAGABEND"

Stefan Kennerknecht Quelle: Europace AG

Freie Vertriebe werden auch in Zukunft weiter Marktanteile gewinnen. Dabei spielen Plattformen wie Europace eine wichtige Rolle, treffen hier doch gerade Banken und Sparkassen mit ihren Produkten auf den unliebsamen Wettbewerber als Partner. Bereits heute werden fast 20 Prozent der Baufinanzierungen in Deutschland über Europace abgewickelt. 2025 geht dessen Vorstand Stefan Kennerknecht im Interview mit I & F von einem Marktanteil von dann gut 50 Prozent aus. Banken und Sparkassen werden sich diesem Wettbewerb stellen müssen und auf die veränderten Kundebedürfnisse reagieren, tun dies seiner Ansicht aber bereits deutlich aktiver als noch vor einigen Jahren. Bei allem Fortschritt bleibt die persönliche Beratung aber zentraler Erfolgsbaustein der Baufinanzierung. Red.

Das Nachfrageverhalten der Verbraucher hat sich infolge des Siegeszugs des Internets in vielen Lebensbereichen stark verändert. Wie sehr trifft dies auch auf die Baufinanzierung zu?

Eine Baufinanzierung ist komplexer als beispielsweise der Abschluss eines Ratenkredits oder eines Stromvertrags. Dennoch besteht natürlich auch hier der berechtigte Wunsch des Verbrauchers nach Vergleichsmöglichkeiten. Fast alle Anbieter kommen diesem nach, indem sie Konditionen auf ihren Webseiten publizieren. Aufgrund der Komplexität einer Baufinanzierung können dies aber immer nur "Schaufenster-Konditionen" sein. Die konkrete Kondition hängt von der persönlichen Situation des Verbrauchers (Vermögen, Einkommen), vom Objekt und der Finanzierungskonstruktion ab. Doch wir stellen unseren Partnern auch Vergleichsrechner für ihre Kunden zur Verfügung. Wenn diese bereit sind, einige persönliche Angaben auf den Webseiten der Kreditgeber zu machen, werfen die Rechentools schon recht realistische Konditionen aus.

Zumindest als Richtwert ist das für die Verbraucher schon sehr wertvoll. Aber eine wirklich belastbare Darlehenskondition bekommt der Kunde erst, wenn er seinem Berater wirklich alle für ein Darlehen notwendige Daten liefert - und das sind bei Baufinanzierungen eine Menge. Daher bemühen wir uns, mit unseren Systemen sowohl den Kunden als auch dem Baufinanzierungsberater zu unterstützen. Das geschieht beispielsweise dadurch, dass wir Daten und Dokumente digital in unsere Plattform einspielen, dass Objektdaten digital bereitgestellt werden, Prozesse wie etwa die Immobilienbewertung automatisiert, und Finanzierungskonstruktionen über lernende Systeme vorgeschlagen werden. Hier wird sich in den nächsten Jahren noch eine Menge tun, was sowohl dem Verbraucher als auch den Baufinanzierungsvertrieben hilft.

Inwieweit müssen sich Banken, Sparkassen und Bausparkassen als Platzhirsche in der privaten Wohnungsbaufinanzierung an das veränderte Nachfrageverhalten anpassen?

Die digitale "Customer Journey" des Verbrauchers auf dem Weg ins Eigenheim beginnt auf der Couch am Samstagabend. Dort gilt es, an den wichtigen "Touchpoints" präsent zu sein. Doch das ist für die Darlehensgeber inzwischen nichts Neues mehr. Das Nutzerverhalten hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Das haben inzwischen auch die letzten Banken begriffen. Allerdings handeln noch nicht alle entsprechend.

Das Vergleichen und Suchen der besten Tarife beziehungsweise Konditionen mag online erfolgen, die individuelle und persönliche Beratung ist aber keineswegs obsolet, oder?

Eine Immobilie kaufen die meisten Verbraucher nur einmal im Leben. Zugleich ist es das weitaus größte finanzielle "Abenteuer" ihres Lebens. Gepaart mit der Komplexität einer Baufinanzierung und der Menge an Finanzierungsbausteinen und Möglichkeiten, die Konditionen nach den Bedürfnissen des Verbrauchers "fein zu justieren", können wir nur jedem raten, sich von einem Experten beraten zu lassen.

Zwar kommen die Kunden heute - durch Informationen im Internet - deutlich "vorgebildeter" in die Beratung, aber Expertenwissen ist dann doch noch mal ein ganz anderes Level. So bleibt die persönliche Beratung ein wichtiger Bestandteil in der Customer Journey des Kunden hin zur Verwirklichung des Traums von den eigenen vier Wänden. Wichtige Bestandteile hierbei sind das Vertrauen zwischen Berater und Kunden. Eine positiv besetzte Vertriebsoder Produktmarke ist dabei nicht zu unterschätzen.

Welche Bedeutung kommt dem Filialgeschäft Ihrer Einschätzung nach im Rahmen des Vertriebs von Baufinanzierungen heute noch zu?

Die Bankfiliale bleibt wichtiger Anlaufpunkt für Bankgeschäfte aller Art - vor allem, wenn die Banken sie entsprechend der neuen Bedürfnisse und Gewohnheiten der Kunden ausrichten. Es gibt viele Kunden - und nicht nur in der jüngeren Generation - die keine "Hausbank" in dem Sinn mehr haben. Sie werden sich eher an einen unabhängigen Finanzvertrieb mit Baufinanzierungsspezialisten wenden. Doch genauso gibt es noch viele Kunden - und nicht nur in der älteren Generation - die ein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis zu ihrer Bank haben.

Hier gilt es meiner Meinung nach, dieses Vertrauen nicht zu verspielen, sondern sich auch dem Vertrieb von Fremdprodukten zu öffnen. Nur so kann ich dem Kunden ein wettbewerbsfähiges und faires Angebot machen, wenn das Portfolio meines Hauses gerade nicht passt. Entweder ich biete ihm eine interessante Alternative, oder er wird sich nach einer solchen - außerhalb meiner Bank - umschauen. Und dann sehe ich ihn vielleicht nie wieder. Die Filialbanken haben einen großen Vertrauensvorschuss und den Vorteil der Nähe zum Kunden. Sie müssen ihn aber aktiv nutzen und weiterentwickeln. Denn die kommende Generation von Immobilienkäufern wird nicht mehr automatisch in ihre Filiale kommen.

Was ist die wesentliche Dominante für Banken, um sich im Onlinevertrieb von Immobilienfinanzierungen gegenüber der Konkurrenz abzusetzen zu können? Nur die Zinskonditionen?

Grundsätzlich gilt es für Banken, als "Multilen der" zu denken. Der Kunde kommt mit einem Vergleichsangebot zu seinem Berater. Wenn dieser nur das eigene Produkt verkaufen kann, wird es zusehends schwieriger, im Vertrieb erfolgreich zu sein. Der Vorteil im Bankvertrieb ist die Präsenz in der Region "vor Ort". Dazu kommt die in der Regel starke Marke, die Vertrauen in die Vertriebsleistung schafft. Aber die Kondition muss eben auch stimmen. Lösungsorientierung und aktive Begleitung des Kunden über die oftmals lange Dauer der Finanzierungsphase hinweg sind weitere Stichwörter für einen erfolgreichen Vertrieb von Baufinanzierungen.

Nicht wenige Kreditinstitute, gerade die mit einem dichten Filialnetz, sahen den Siegeszug des neu en digitalen Vertriebskanals durch internetbasierte "Baufinanzierungs-Broker" à la Dr. Klein und Interhyp vor gut zehn Jahren kritisch und fürchteten das Heranwachsen unliebsamer neuer Konkurrenten. Wie begründet waren diese Sorgen? Sind Onlinebroker Konkurrenten oder Partner der Banken?

Vertriebsseitig haben vom Produktangebot unabhängige Unternehmen wie Dr. Klein, die Swiss-Life-Gruppe, Planethome, Check 24 oder zahlreiche Vermittlerpools wie Fonds Finanz, Starpool oder Qualitypool seit Jahren enorme Zuwächse und inzwischen eine hoch relevante Position in der Vermittlung von Finanzierungen. Wir gehen davon aus, dass die freien Vertriebe auch in Zukunft weiter Marktanteile hinzugewinnen, wenngleich wir spüren, dass aufseiten der Bankvertriebe auf diesen Wettbewerb zunehmend aktiver reagiert wird. Spannend bleibt, wie sich Banken, die einerseits im Finanzierungsvertrieb im Wettbewerb stehen, andererseits aber erfolgreich Produktgeber für freie Finanzvertriebe sind, positionieren.

Europace ist eine B2B-Kreditplattform, auf der Banken mit ihren Baufinanzierungsprodukten und freie Vermittler zusammenfinden. Wie viele Vertragspartner haben Sie bislang von der Idee überzeugen können? Ist die für digitale Plattformen so wichtige "kritische Masse" von Nutzern erreicht?

Aktuell arbeiten wir mit knapp 570 Partnern zusammen. Darunter sind 42 der Top-50-Genossenschaftsbanken und 41 der Top-50-Sparkassen. Die kritische Masse haben wir längst überschritten. Mittlerweile laufen in einem recht zerstückelten Markt fast 20 Prozent der Baufinanzierungen in Deutschland über unsere Plattform. Das Europace-Transaktionsvolumen beläuft sich inzwischen auf rund fünf Milliarden Euro pro Monat.

Wie wird dabei die Chancengleichheit und Neutralität unter allen an die Plattform angebundenen Vertriebs- und Vermittlerunternehmen gewährleistet? Immerhin ist Dr. Klein ein Schwesterunternehmen von Europace ...

Europace ist ein neutraler Marktplatz. Das Geschäftsmodell würde nicht funktionieren, wenn wir einzelne Partner bevorzugen würden. Wir profitieren von stattgefundenen Abschlüssen und haben damit ein Interesse, möglichst viele Vertriebspartner von der Europace-Technologie zu überzeugen.

Mit zahlreichen Partnern zu wachsen bedeutet, die Technologie auf alle Marktplatzteilnehmer gleichermaßen auszurichten. Dr. Klein ist ein autonomes Unternehmen innerhalb der Hypoport-Gruppe - genau wie Europace - und Dr. Klein ist einer von vielen Vertrieben, der Europace als Technologie nutzt.

Die Marktplatzentwicklung achtet darauf, dass Leistungen für alle Partner gleichermaßen zur Verfügungen stehen und die Technologie in den unterschiedlichen Vertrieben integrierbar ist.

Wo sehen Sie Ihren Marktanteil perspektivisch in fünf bis zehn Jahren?

Wie wir anhand der Bundesbankzahlen sehen können, wachsen wir seit Jahren stärker als der Markt. Wir gewinnen mit unserem Marktplatz also stetig Marktanteil hinzu. Insgesamt gehen wir davon aus, dass der Marktanteil für Plattformen in der Baufinanzierung bis 2025 auf deutlich über 50 Prozent des gesamten privaten Baufinanzierungsgeschäfts in Deutschland ansteigt. Europace wird davon weiterhin einen signifikanten Anteil besetzen.

Wie genau verdient Europace dabei Geld?

Bei erfolgreichem Abschluss einer Finanzierung vergütet der Produktgeber die Leistung des Marktplatzes. Für die Vertriebe ist die Nutzung unserer Plattform kostenlos.

Sie bieten für Sparkassen mit "Finmas" und für Volks- und Raiffeisenbanken mit "Genopace" jeweils verbundspezifische Plattformen an. Scheuen die beiden Bankengruppen den freien Wettbewerb im Internet (noch)?

Auch auf dem Marktplatz der freien Vertriebe sind mittlerweile zahlreiche Sparkassen und genossenschaftlichen Institute als Produktgeber im Wettbewerb gelistet. Viele haben zunächst den Einstieg über die Schwesterplattformen Finmas oder Genopace genommen. Eine vollständige Öffnung sehen wir in Zeiten eines veränderten Verbraucherverhaltens und -wissens als richtig, wichtig und notwendig an. Bei immer mehr Instituten setzt sich diese Einsicht ebenfalls durch.

Das Konzept des Plattformvertriebs wirft einige Fragen auf: Wird beispielsweise nicht das bei Genossenschaftsbanken gelebte Regionalprinzip ausgehebelt? Was heißt das für die Kundenbindung?

Generell entscheidet der Verbraucher über den Erfolg der Institute, nicht das Regionalprinzip. Doch auch in der Plattform bilden wir unterschiedliche Bedürfnisse der jeweiligen Produktpartner ab: Der Verbraucher kann zum Beispiel über eine Volks- und Raiffeisenbank gegebenenfalls auch an eine Spardabank oder die Münchener Hypothekenbank weitervermittelt werden, wenn das eigene Angebot nicht wettbewerbsfähig ist. Insofern erweitert die Plattform die Möglichkeiten, den Kunden zu binden, da ihm eine Lösung angeboten werden kann.

In der gewerblichen Immobilienfinanzierung hält derzeit das Crowdfunding-Modell Einzug. Halten Sie eine ähnliche Entwicklung im Geschäft mit Privaten für realistisch?

Nein, zumindest nicht in relevanter Größe. Denn es besteht schlicht kein Bedarf. Das Angebot an "professionellen" Darlehensgebern ist riesig und auch attraktive Nischen sind weitgehend besetzt mit Produktangeboten. Zudem ist der Margen- und Wettbewerbsdruck durch die hohe Anzahl an Anbietern eher noch höher als im gewerblichen Umfeld. Insofern sehen wir Crowdfunding in der privaten Immobilienfinanzierung zwar als weitere Möglichkeit, aber mit eher wenig Marktanteilspotenzial.

Glauben Sie an einen Eintritt von Fintech-Banken wie Auxmoney in die private Baufinanzierung? Und wie steht es mit den "GAFAs", Google, Amazon, Facebook und Apple?

Fintech-Banken werden sich mit der volldigitalen Baufinanzierung beschäftigen. Für Deutschland sehen wir aktuell keinen Eintritt der GAFAs in die Baufinanzierung. Allerdings werden wir wohl erste Versuche im Ratenkredit sehen.

Google hat sich in Deutschland schon mit Kfz-Versicherungen versucht und augenscheinlich wenig gute Erfahrungen gesammelt. Auch Amazon & Co. sehen wir eher im Leadbereich als in der tatsächlichen Abwicklung von Baufinanzierungen. Die regulatorischen Bedingungen und damit einhergehenden Produkte und Prozesse lassen sich oft nicht einfach in andere Länder übertragen. Eine Insellösung nur für den deutschen Markt scheint auf den ersten Blick nicht attraktiv.

Europace verfügt auch über eine viel beachtete und relativ umfassende Kreditdatenbasis zur Beurteilung der Baufinanzierungsstandards in Deutschland. Wie sieht es hier anno 2018 aus, gibt es Zeichen für höhere Risikobereitschaft aufseiten der Kunden?

Wir veröffentlichen in unserem Europace-Report quartalsweise Auswertungen der Finanzierungsparameter - für jeden einsehbar unter report.europace.de. Hier lässt sich beispielsweise erkennen, dass die Zinsbindungsdauer in den vergangenen Jahren - aufgrund der Niedrigzinsphase - immer höher geworden ist. Bei Erstfinanzierungen lagen wir in den vergangenen Monaten im Schnitt bei deutlich über 14 Jahren. Die Verbraucher sichern sich also die günstigen Zinsen sehr langfristig, um das Zinsänderungsrisiko nach Auslaufen der Zinsbindungsfrist möglichst gering zu halten. Gleichzeitig sieht man beim Tilgungssatz, dass die Kunden die niedrigen Zinsen nutzen, um stärker zu tilgen. Der durchschnittliche anfängliche Tilgungssatz, der bis 2010 noch unter zwei Prozent lag, pendelt die letzten Jahre rund um die Drei-Prozent-Marke. Die Verbraucher in Deutschland sind also weiterhin sehr sicherheitsorientiert.

ZUR PERSON STEFAN KENNERKNECHT Mitglied des Vorstands, EUROPACE AG, Berlin
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