BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2018

"FUSIONEN SORGEN IMMER FÜR JAHRE DER SELBSTBESCHÄFTIGUNG - ZULASTEN DER MARKTPOSITION"

Dr. Bernd Dedert Quelle: BKM

Die Bausparkasse Mainz (BKM) wurde im Jahr 1930 von drei Architekten gegründet und zählt somit zu den ältesten und traditionsreichsten Instituten der Branche. In der fast neunzigjährigen Unternehmensgeschichte mussten so manche Herausforderungen gemeistert werden. Die derzeit anhaltende Niedrigzinsphase zählt wie bei den Wettbewerbern sicherlich zu den anspruchsvollsten. Im Gespräch mit der I & F-Redaktion diskutiert Dr. Bernd Dedert die aktuelle Entwicklung seines Hauses. Mit dem zurückliegenden Geschäftsjahr 2017 ist er zufrieden und auch der Blick in die Zukunft fällt optimistisch aus. Mithilfe der neuen Freiheiten des novellierten Bausparkassengesetzes soll die BKM noch stärker als ganzheitlicher Baufinanzierer positioniert werden. Klare Worte findet er darüber hinaus hinsichtlich der ausufernden Regulatorik, die gerade kleinere Institute überproportional belaste. Red.

Herr Dr. Dedert, wie zufrieden sind Sie mit dem Geschäftsjahr 2017 der Bausparkasse Mainz?

2017 war ein gutes Jahr. Wir haben unser Neugeschäft in der Baufinanzierung um 15 Prozent zum Vorjahr gesteigert und waren damit besser als der Markt. Unsere Forderungen an Kunden wuchsen um über 75 Millionen Euro auf 1,84 Milliarden Euro. Und unser Jahresüberschuss stieg auf fast 2,1 Millionen Euro nach Steuern, und dies nach erheblicher Bildung - nicht Auflösung - von Reserven. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen, unter anderem Nullzinsen im Markt und hohen Kosten für Regulatorik, stehen wir recht gut da.

Dem Trend abschmelzender Zinsüberschüsse können aber auch Sie sich nicht entziehen. Wie steuern Sie hier gegen?

Unser Zinsüberschuss lag nur noch leicht unter Vorjahr. Ab dem Jahr 2018 erwarten wir steigende Zinsüberschüsse. Wir werden die zinstragenden Finanzierungsbestände ertragsorientiert ausbauen und zugleich unsere Refinanzierung über Pfandbriefe günstiger gestalten.

Haben sich die spürbar angezogenen Bauzinsen bereits positiv im Neugeschäft 2018 bemerkbar gemacht?

Im Bausparen haben wir in den vergangenen Jahren Marktanteile gewonnen. In den ersten zwei Monaten 2018 liegen wir auf Vorjahresniveau. Das Neugeschäft in der Baufinanzierung war fünf Prozent höher als im Vergleichszeitraum 2017.

Derzeit ist viel von der Umstellung auf variable Guthaben- und Darlehenszinsen zu lesen. Folgen Sie diesem Trend?

Wir haben ein übersichtliches Tarifwerk im Bausparen und setzen eher auf Kontinuität als auf häufige Änderungen, die dann zu immensen Mehrkosten in der Bestandsverwaltung führen. Variable Zinsen haben wir nicht und diese sind auch nicht geplant.

Auf Ihrer Website wirbt die Bausparkasse Mainz aktuell mit Guthabenzinsen von bis zu 2,36 Prozent beim Abschluss eines Bausparvertrages. Wie ist das angesichts anhaltender Niedrigzinsen möglich?

Unser Renditetarif bietet tatsächlich eine aus Kundensicht sehr attraktive Verzinsung bei langen Laufzeiten. Der Kunde muss allerdings spezifische Bedingungen strikt einhalten, um an die höhere Bonusverzinsung zu kommen. Die Abschlussgebühr beträgt 1,6 Prozent. Wir setzen diesen Tarif insbesondere für die Neukundengewinnung ein - und gewinnen damit Potenzial für späteres Finanzierungsgeschäft. Der Renditetarif hat nur einen Anteil von 15 Prozent an unserem Neugeschäft.

Fürchten Sie nicht, dass damit eher spar- anstatt finanzierungsorientierte Menschen angelockt werden?

80 Prozent aller Menschen in unserem Land wollen früher oder später in die eigenen vier Wände. Das gilt auch für Menschen, die zunächst einmal nur mit dem Motiv des Sparens anfangen.

Sind die im Neugeschäft abgeschlossenen Bausparsummen dabei (weiter) steigend? Was schließen Sie daraus?

Klar, die durchschnittlichen Bausparsummen steigen. Kein Wunder bei steigenden Preisen für Immobilien und steigenden Kosten für Renovierungsmaßnahmen.

Viele Bausparer wollen sich derzeit bekanntlich das historisch niedrige Zinsniveau langfristig sichern. Für wie wahrscheinlich halten Sie das Szenario, wonach Bausparkassen in ein oder zwei Jahrzehnten mit einer im Vergleich zu heute komplett gegenteiligen Ausgangslage konfrontiert sind? Sprich, dass Bausparer ihre Darlehen dann plötzlich im großen Stile abrufen?

Diese komplett anderen Zeiten hatten wir schon mal - in den achtziger Jahren und zu Beginn der neunziger Jahre. Ich habe das am Anfang meines beruflichen Weges erlebt. Von den damaligen Marktverhältnissen und der damaligen Kollektivsituation sind wir aber meilenweit entfernt. Wie schön wäre es, wenn mehr Bausparer ihre Zuteilungsdarlehen in Anspruch nehmen würden ...

Welche Implikationen hat dies für Ihr Risikomanagement? Und wie anspruchsvoll wird die Steuerung des Bausparkollektivs dadurch?

Lassen Sie mich die Frage mal so beantworten: Wir nutzen als Bausparkasse alle Möglichkeiten, um uns in der Rolle des ganzheitlichen Baufinanzierers für private Kunden ertraglich auf eine breitere Basis zu stellen und die Abhängigkeit allein vom Bausparkollektiv zu reduzieren. Und genau das bestimmt schon heute unsere doch recht stabile Ertragslage.

Derzeit ist auch immer wieder von potenziellen Zinsänderungsrisiken in Bilanzen von Geschäftsbanken die Rede. Sehen Sie für Bausparkassen diese Gefahren auch?

Für unser Haus darf ich sagen, dass wir unsere Zinsänderungsrisiken im Griff haben. Und mit der erwarteten Refinanzierung des Finanzierungsgeschäftes über Pfandbriefe werden wir die Risiken von Marktzinsveränderungen weiter abbauen.

Wie sehr belastet Regulatorik Ihr Geschäft? Schlägt sie bei einem vergleichsweise kleinen Institut stärker ins Kontor?

Ein klarer, fairer Rechtsrahmen ist ein Muss. Aber: Die Vorschriften zu Themen wie Datenschutz, Geldwäsche, Compliance, IT-Sicherheit, Verbraucherschutz mit einschlägigen Richtlinien und Gerichtsurteilen, Reportingpflichten und Meldeanforderungen seitens Aufsicht und Zentralbanken haben insgesamt ein kaum noch akzeptables Niveau erreicht - ganz speziell für kleinere Institute. Unser Staat muss dafür Sorge tragen, dass das Management nicht zu mehr als der Hälfte mit der Erfüllung immer neuer Vorschriften blockiert wird, sondern "nach vorne" denken und arbeiten kann. Anders lassen sich der Wohlstand in unserem Land und eine stabile, weil wirtschaftlich starke, Kreditwirtschaft nicht erhalten.

Nimmt die Sorge der Bankenaufsicht mit Blick auf die Bausparkassen zu oder kehrt nach der Umfrage zu den Auswirkungen der Niedrigzinsphase und den positiven Ergebnissen ein wenig Ruhe ein?

Da müssten Sie die Bankenaufsicht fragen - ich weiß es nicht.

Haben die im Dezember 2017 finalisierten Vorschriften von Basel III (negative) Auswirkungen auf Ihr Kreditgeschäft?

Da noch etliche Fragen im Detail offen sind, kann ich Ihnen dies nicht wirklich beantworten.

Lässt die auf Vereinheitlichung bedachte EU im Rahmen ihrer Integration genügend Raum für nationale Institutionen wie das Bausparen?

Die Politik der EU-Institutionen steht nach meinem Eindruck unter dem Einfluss der Tatsache, dass es in vielen Ländern nur wenige, dafür aber große Kreditinstitute gibt. Ich kann das nur bedauern. Wir waren vielmehr die Stabilisatoren unserer Wirtschaft - und müssen jetzt unter massiver Regulatorik und insbesondere der Nullzinspolitik am meisten leiden.

Welche Wege gehen Sie im Vertrieb? Wer sind aktuell die wichtigsten Vertriebspartner?

Wir setzen auf persönliche Beratung und persönlichen Service. Daher halten wir an unserem deutschen Exklusivvertrieb genauso fest wie an unserer eigenen Organisation für ausländische Mitbürger. Menschen machen Märkte. Parallel bauen wir die sogenannte M-Orga, also insbesondere die Kooperation mit Finanzierungsvertrieben und Pools aus, die für Bauspar- und Finanzierungsgeschäft stehen. Sehr erfolgreich übrigens. Wir sind als Produktanbieter auf der Plattform Europace mit der Baufinanzierung und mit Bausparen präsent.

In welchem Umfang kann ein bisher eher "analoges" Produkt wie der Bausparvertrag künftig digital abgeschlossen werden?

Künftig? Wir bieten über unsere neu gestaltete Website bereits den Onlineabschluss im Bausparen an.

Liegen Sie mit Blick auf Ihr Effizienzsteigerungsprogramm "BKM 2020" im Plan?

Klar. Aus den im Jahre 2015 beschlossenen Maßnahmen haben wir bereits seit 2016 Personal- und Sachkosteneinsparungen von drei Millionen Euro pro Jahr realisiert. Bis Jahresende stellen wir übrigens für die eigene Ausschließlichkeitsorganisation die Darlehensbeantragung voll auf "digital" um.

Die Bausparkasse Mainz gehört mit einem Vertragsbestand von rund 4,7 Milliarden Euro und einer Bilanzsumme von knapp 2,4 Milliarden Euro (Stand: Ende 2016) zu den kleineren Instituten. Welche Vor- und Nachteile bringt das in diesen anspruchsvollen Zeiten mit sich?

Wir können mehr als große, breit aufgestellte Institute ein einfaches, transparentes Geschäftsmodell bewahren. Das sehe ich sehr positiv. Ebenso ist es mit rund 220 Mitarbeitern im Innendienst und 470 Partnern im Außendienst möglich, sich als Familie zu verstehen und die entsprechende Nähe zu leben. Die relativ gesehen größeren Belastungen aus der Regulatorik sind leider auch wahr.

Ist bei anhaltend niedrigen Zinsen ein Zusammenschluss mit einem Konkurrenten vorstellbar, oder provokant gefragt: unausweichlich?

Im Moment halte ich es für wünschenswert, dass wir aus Marktsicht die genannten spezifischen Vorteile eines kleinen Hauses nicht aufs Spiel setzen. Und Fusionen sorgen immer für Jahre der Selbstbeschäftigung - zulasten der Marktposition. Rein betriebswirtschaftlich würde uns ein Zusammenschluss derzeit keine Vorteile bringen.

Sind Kooperationen unter privaten Bausparkassen, wie sie aktuell beispielsweise von Schwäbisch Hall, Wüstenrot und BHW im IT-Bereich praktiziert werden, sinnvoll?

Zu dem gemeinsamen Projekt der drei großen Bausparkassen kann ich nichts sagen. Der fachliche Austausch, aber auch gemeinsame Projekte wie die Beobachtung der Immobilienpreisentwicklung auf Postleitzahlenebene sind sicher sinnvoll und machen eine Kostenteilung möglich.

Laut unserem redaktionellen Bilanzvergleich der Bausparkassen lag der Anteil klassischer Bauspardarlehen am gesamten Kreditbestand 2016 bei gerade einmal noch knapp elf Prozent. Würden Sie der Aussage zustimmen, wonach Bausparkassen mittlerweile ganz normale Immobilienfinanzierer sind?

Natürlich, wobei die Akzente in den einzelnen Bausparkassen unterschiedlich gesetzt werden. Wir, die BKM, wollen uns ganz klar noch stärker als der ganzheitliche Baufinanzierer für private Kunden positionieren - über Finanzierungslösungen mit und bei Bedarf ohne Bausparen.

Wie nutzen Sie die neuen Freiheiten, die Ihnen das novellierte Bausparkassengesetz seit 2015 einräumt? Vor rund einem Jahr war zu lesen, dass es noch 2018 ein Pfandbrief-Debüt der BKM geben soll.

Wir begrüßen die erweiterten rechtlichen Möglichkeiten für Bausparkassen. Unter anderem bauen wir das Geschäft mit "sonstigen Baudarlehen" aus. Vor allem haben wir als eine der ersten Bausparkassen eine Pfandbrieflizenz beantragt und intern ein umfangreiches Projekt dazu zum Abschluss gebracht. Wir stehen "Gewehr bei Fuß" und warten nur noch auf die formelle Genehmigung unserer Aufsicht.

Bei all den Kostensparmaßnahmen, die die Branche seit geraumer Zeit prägen: Sind Nachwuchskräfte dennoch gefragt? Wenn ja, wonach halten Sie konkret Ausschau?

Im vergangenen Jahr haben wir unser IT-Team in den Bereichen Anwendungsentwicklung und Fachbereichsbetreuung verstärkt. Auch in Compliance und im Risikomanagement haben wir uns verstärkt. Was wir jetzt speziell suchen, sind unternehmerisch denkende und handelnde Berater und Führungskräfte für unseren Vertrieb, die mit uns im Familienverbund wachsen wollen.

Abschließend eine politische Frage: Wie bewerten Sie die Neuauflage der Großen Koalition?

Wieviel Zeit geben Sie mir für eine Antwort? Für mich wäre die Arbeit der GroKo erfolgreich, wenn es gelingen würde, die überbordende Komplexität der staatlichen Rahmenbedingungen auf das wirklich notwendige Maß zurückzuführen. Nur dann hat der Wirtschaftsstandort Deutschland eine Zukunft.

ZUR PERSON DR. BERND DEDERT Sprecher des Vorstands, Bausparkasse Mainz AG, Mainz
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