INTERNATIONALES IMMOBILIENGESCHÄFT

"GEDULD IST WAHRSCHEINLICH DIE WICHTIGSTE TUGEND IN DER IMMOBILIENBRANCHE"

Ernst Vejdovszky, Foto: Michael Liebert

Der aktuelle Immobilienzyklus dauert bereits ungewöhnlich lange an, sodass einige Marktakteure mittlerweile von einem "Aufschwung ohne Ende" sprechen. Doch die Vergangenheit lehrt, dass Immobilienmärkte teils starken Schwankungen unterliegen. Somit sind also gerade Investoren in diesem spätzyklischen Umfeld gut beraten, wachsam zu sein. Im Redaktionsgespräch mit "Immobilien & Finanzierung" erörtert Ernst Vejdovszky den Ansatz seines Unternehmens, um von Immobilienzyklen profitieren zu können. Ein wesentlicher Eckpfeiler bestehe seit jeher darin, verschiedene Märkte und Assetklassen miteinander zu kombinieren. So könne man Schwankungen der Teilmärkte leichter ausgleichen und reduziere in Summe das Risiko. Dass diese Strategie ihre Berechtigung hat, verdeutlicht nicht zuletzt die starke Aktienperformance der österreichischen Investmentgesellschaft. Red.

Herr Vejdovszky, was sind Ihrer Ansicht nach die wesentlichen Charakteristika eines erfolgreichen Immobilieninvestors?

Als Unternehmer im Immobiliengeschäft treffen wir tagtäglich essenzielle Entscheidungen. Wir investieren in eine Immobilie mit dem Ziel, ihren Wert in absehbarer Zeit zu steigern und gegebenenfalls auch zu realisieren. Es gilt also darum, in einem Moment die Situation richtig einzuschätzen und im nächsten Moment den passenden Zeitpunkt zu erkennen.

Um Potenziale von Objekten und Grundstücken zu identifizieren und erfolgreich zu nutzen, braucht es viel Erfahrung, ein gesundes Gespür für Markt und Situation und nicht zuletzt eine sorgfältige Analyse aller Details.

Dazu kommt, dass der Immobilienmarkt nicht einheitlich ist. Er setzt sich aus vielen verschiedenen Teilmärkten zusammen. Um von Zyklen profitieren zu können und den Wert des Portfolios nach haltig zu steigern, braucht es eine solide Kombination aus Strategie, Analyse und Intuition.

Inwieweit hat sich das Geschäftsmodell der S Immo in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt?

Die S Immo ist seit 1987 an der Wiener Börse. Ich war schon zur Unternehmensgründung im Vorstand der Gesellschaft und blicke somit auf über drei Jahrzehnte Geschichte und eine Unzahl an Erfahrungen zurück. Märkte und Immobilien haben sich in dieser Zeit geändert, die grundlegenden Eckpfeiler unseres Geschäftsmodells sind jedoch dieselben geblieben.

Worin bestehen diese Eckpfeiler konkret?

Ein wesentlicher Bestandteil unserer Strategie ist es, verschiedene Märkte miteinander zu kombinieren. So kann man Schwankungen der Teilmärkte leichter ausgleichen und reduziert in Summe das Risiko. Etwa zwei Drittel unseres Portfolios befinden sich in Deutschland und Österreich. Das sind relativ stabile Märkte, die wir sehr gut kennen und mit Teams in Wien und Berlin bewirtschaften.

Das verbleibende Drittel Ihrer Liegenschaften befindet sich in mittel- und osteuropäischen Ländern. Was schätzen Sie an diesen Märkten?

Es ist eine Region, die nach wie vor großes Potenzial hat. Auch hier sind wir in Budapest und Bukarest mit lokalen Teams vertreten, überall sonst besteht eine intensive Zusammenarbeit mit Experten vor Ort. Wir kombinieren also "sichere Häfen" mit Wachstumsmärkten, profitieren so von den Chancen in beiden Bereichen und reduzieren gleichzeitig die möglichen Risiken.

Verfolgen Sie diese Strategie auch mit Blick auf Assetklassen?

In der Tat kombinieren wir nicht nur Märkte miteinander, sondern auch Nutzungsarten. Der Großteil unseres Portfolios (zirka 70 Prozent) setzt sich aus Gewerbeimmobilien zusammen: Büros, Geschäftsflächen und Hotels. Ein ergänzender Anteil sind Wohnimmobilien, die sich beinahe ausschließlich in Deutschland befinden. Auch diese Kombination ermöglicht es uns, schnell und effizient von Immobilienzyklen zu profitieren.

Ihre Investments beschränken sich auf Länder der Europäischen Union. Warum?

Es ist eine weitere, risikominimierende Säule unseres Geschäftsmodells, nur innerhalb der Europäischen Union und - mit Ausnahme Deutschland - beinahe ausschließlich in Hauptstädte zu investieren. Die EU-Zugehörigkeit ermöglicht eine hohe Rechtssicherheit. Durch unsere Konzentration auf Hauptstädte stellen wir vor allem im mittel- und osteuropäischen Raum sicher, dass wir dort sind, wo das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf am höchsten ist. Ein weiterer Aspekt ist die hohe Qualität unseres Portfolios und die gute Lage unserer Immobilien. Diese Faktoren sind sowohl bei der Vermietung als auch bei einer möglichen Veräußerung von großer Bedeutung.

All diese Eckpfeiler schaffen eine stabile, strategische Basis für unser Geschäft und stellen eine gute Berechenbarkeit sicher - eine Tatsache, die viele Aktionäre sehr zu schätzen wissen. Neben Berechenbarkeit und Risikominimierung bedarf es aber natürlich auch unternehmerischer Strategien und Entscheidungen, um langfristig Erträge zu schaffen.

Sie hatten eingangs bereits die zyklische Natur der Immobilienmärkte angesprochen. Wie stellen Sie sich darauf ein?

Wenn man Zyklen kennt und sie antizipieren kann, besteht die Möglichkeit, von ihnen zu profitieren. Das Immobiliengeschäft ist ausgesprochen langfristig, bei Investitionen sollte man also zumindest die nächsten zehn Jahre vor Augen haben. Das ermöglicht es einem im besten Fall, in einer niedrigen Marktphase zu günstigen Preisen einzukaufen und in weiterer Folge die Wertsteigerungen der Objekte zu realisieren - sowohl über steigende Mieterträge als natürlich in manchen Fällen auch über Veräußerungen.

Das erfordert viel Erfahrung und vor allem auch großes lokales Knowhow. Welche Bezirke in Berlin in den nächsten Jahren einen Aufschwung erfahren, welche Lage in Budapest zunehmend attraktiv wird - das ist von Wien aus oft kaum zu beurteilen. Wir haben in unseren größeren Märkten deshalb wie erwähnt lokale Teams vor Ort und arbeiten intensiv mit Experten zusammen. Das ermöglicht es, Chancen frühzeitig zu erkennen und sie zeitnah zu nutzen - oft auch zu einem Zeitpunkt, an dem man dafür nicht nur Verständnis erntet.

Spielen Sie damit auf einen konkreten Fall an?

Als wir zum Beispiel 2005/2006 nach Deutschland gegangen sind und vor allem in Berlin große Portfolios angekauft haben, sind wir dafür scharf kritisiert worden. Die allgemeine Meinung war, dass Deutschland ein langweiliger Markt ohne Potenzial ist. Der Trend ging damals eindeutig in Richtung deutlich riskanterer Märkte - vor allem in Osteuropa. Wir haben uns nicht beirren lassen und waren davon über zeugt, dass Berlin einen Aufschwung erleben wird. Die vergangenen Jahre haben uns nicht nur Recht gegeben, sondern auch sehr schöne Gewinne ermöglicht.

Es ist also auch ein wesentlicher Faktor, nicht jedem Trend zu glauben beziehungsweise nachzueifern. Wir haben uns damals - genauso wie viele andere Immobilienkonzerne - auch in der Ukraine umgesehen. Der Druck, dort zu investieren, war sehr hoch, denn alle waren überzeugt vom Potenzial dieses Landes.

Die S Immo hat diesem Druck standgehalten, eine sorg fältige Due Diligence gemacht und sich im Endeffekt gegen Investitionen in der Ukraine entschieden. Es gab schlichtweg zu große Unsicherheiten und kaum kalkulier bare Risiken.

Deutschland erschien uns damals als das attraktivere Pflaster - eine Einschätzung, die als sehr konservativ wahr genommen wurde, uns in den vergangenen Jahren aber große Freude bereitet hat.

Im Gegensatz zur Ukraine haben sie beispielsweise Ungarn und Rumänien als Zielregionen gewählt. Wie glücklich sind Sie da mit in der Rückschau?

Das stimmt, in den ungarischen Markt sind wir bereits 2001 eingetreten, in weiterer Folge dann auch in Rumänien, wo wir 2010 ein großes Shoppingcenter eröffnet haben. Natürlich waren die Zeiten in diesen Märkten nicht immer rosig, gerade nach der Krise gab es zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen und 2009 mussten wir einige osteuropäische Immobilien empfindlich abwerten.

Aber die Schlüsselmerkmale der Objekte passen: Lage, Infrastruktur, Bewirtschaftung, Nachhaltigkeit und Qualität. Durch beharrliches Management unserer Immobilien haben wir in den meisten Fällen die Vorkrisen werte bereits übertroffen - und dabei über Jahre hinweg schöne Mieteinnahmen verdient.

Wird sich an Ihrer Herangehensweise etwas verändern? Und wo liegen Ihre Schwerpunkte für künftige Ankäufe?

Nein, mit Blick auf die Zukunft bleiben wir unserem Erfolgsrezept treu. Wir agieren mit viel Erfahrung, prüfen sorgfältig und penibel und hören immer auch auf unser Gespür. In welchen Märkten bekommt man attraktive Objekte zu vernünftigen Preisen? Wie gestalten sich die demografischen Entwicklungen verschiedener Regionen? Welche Lagen und welche Immobilien werden in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren gefragt sein?

Für uns haben sich in den vergangenen Monaten zwei Schwerpunkte heraus kristallisiert: Das sind einerseits Objekte in deutschen Städten wie zum Beispiel Leipzig, Kiel oder Rostock. Hier kaufen wir noch zu vernünftigen Preisen, erzielen bei einem sehr niedrigen Mietniveau eine schöne Rendite und sehen in den nächsten Jahren durchaus Wertsteigerungspotenzial. Diese Städte profitieren von Bevölkerungswachstum und einer positiven Wirtschaftsentwicklung, das bietet Chancen.

Immobilieninvestments brauchen also zusammengefasst Weitblick, viel kaufmännische Sorgfalt, großes Knowhow über den Markt und eine gesunde Portion Erfahrung. Und vor allem braucht es Geduld. Ob eine Entscheidung richtig war, wird sich oft erst Jahre später herausstellen, oft muss man lange warten, bis der Zeitpunkt gekommen ist und eine Investition sich lohnt. Diese Geduld ist wahrscheinlich die wichtigste Tugend in unserer Branche.

ZUR PERSON ERNST VEJDOVSZKY CEO, S IMMO AG, Wien
Noch keine Bewertungen vorhanden


X