BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2020

"GEMÜTLICHER WIRD ES NICHT"

Bernd Hertweck, Foto: W&W-Gruppe

Fast einhundert Jahre ist es her, dass Georg Kropp das Bausparwesen in Deutschland begründete. Das haben wahrlich nicht viele "Finanzprodukte" geschafft. Und entgegen so mancher Prophezeiung erweist sich das Konzept ausgerechnet auch im aktuellen Umfeld geprägt von Null- und Negativzins als äußerst lebendig. Davon zeugt nicht zuletzt die positive Entwicklung im Neugeschäft der privaten Bausparkassen, wie deren Verbandsvorsitzender Bernd Hertweck im Interview mit der I & F-Redaktion unter anderem zu berichten weiß. Zusätzliche Nachfrageimpulse erwartet er darüber hinaus infolge der steuerlichen Förderungen im Rahmen des Klimapakets sowie der ab kommendem Jahr deutlich attraktiveren Wohnungsbauprämie. In diesem Sinne: Totgesagte leben länger! Red.

Herr Hertweck, wie kommen die elf privaten Bausparkassen derzeit zurecht: Gibt es neue Herausforderungen oder setzt sich der Trend der vergangenen Jahre einfach nur beschleunigt fort?

Die neuen sind die alten. Niedrigzinsumfeld, Regulatorik, Digitalisierung - das können Sie übersetzen mit Margendruck, Kostendruck und Investitionsdruck. Gemütlicher wird es nicht.

Stehen die Vorzeichen im Bauspar-Neugeschäft weiter auf Grün?

2019 verlief für die privaten Bausparkassen sehr ordentlich. Das Bausparvolumen ist stärker gestiegen als 2018: um fast vier Prozent oder zwei Milliarden auf rund 57 Milliarden Euro. Es gab sogar, erstmals seit Jahren, ein kleines Plus bei der Zahl der neuen Verträge. Die durchschnittliche Bausparsumme pro neuem Vertrag hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Sie liegt heute bei 50 000 Euro. Der Bausparer spart mehr an, um sich für die Zukunft ein größeres Bauspardarlehen zu sichern. Da mangelndes Eigenkapital das größte Hindernis auf dem Weg in die eigenen vier Wände ist, ist das ein gutes Signal.

Abgesehen von der erfreulichen Entwicklung im Neugeschäft: Wie tief wird sich der anhaltende Niedrigzins noch in die Erträge fressen? Welche Maßnahmen haben die Institute, um gegenzusteuern?

Der mit der Niedrigzinspolitik einhergehende Trend abschmelzender Zinsüberschüsse konnte durch Gegensteuerungsmaßnahmen gestoppt werden: allen voran durch neue Tarife und strenge Kostendisziplin.

Der Zinsüberschuss als maßgebliche Ertragsgröße belief sich branchenweit 2018 - Zahlen für 2019 haben wir noch nicht - auf 2,7 Milliarden Euro. 2017 waren es 2,6 Milliarden. 2016 waren wir mit 2,5 Milliarden Euro auf einem, so die Bundesbank, historischen Tiefpunkt angelangt. Gleichwohl ist die Situation natürlich alles andere als komfortabel. Um unabhängiger vom Zinsüberschuss zu werden, sind einige Institute deshalb auch als Plattformbetreiber aktiv - mit Partnerangeboten rund ums Wohnen und die Immobilie.

Die Deutsche Bundesbank und die BaFin haben die deutschen Bausparkassen 2019 erneut einem Stresstest unterzogen. Über die Ergebnisse wurde wenig bekannt. Gab es Auffälligkeiten?

Auch dieser Stresstest war, wie schon die vorherigen in den Jahren 2013, 2015 und 2017, Teil einer größeren Umfrage. Dabei wurden die Auswirkungen verschiedener Zinsszenarien - fallende, stabile und steigende - auf die Ertrags- und Liquiditätslage der Kreditinstitute insgesamt geprüft. Aufgrund ihres langfristig angelegten Geschäftsmodells müssen die Bausparkassen über einen Zeitraum von 20 Jahren rechnen - viel länger als das bei Banken üblich ist.

Für Alarmrufe sah die Bankenaufsicht in der Tat keinen Anlass. Über uns geäußert hat sie sich beim vorletzten Stresstest. Der Tenor: Das Niedrigzinsumfeld belastet zwar die Ertragskraft der Bausparkassen. Die Berechnungen zeigen aber, dass sich die Ertragslage selbst bei anhaltend niedrigen Zinsen im Zeitablauf stabilisiert.

Eine Möglichkeit zur Ertragssteigerung ist die verstärkte Zusammenarbeit bei der IT. Die drei großen privaten Bausparkassen sind hier initiativ geworden. Wie steht es um dieses Projekt?

Im Zentrum des Projekts steht ja die Schaffung eines neuen Bauspar-Kernsystems. Dabei werden Großrechner-Systeme in den nächsten Jahren durch eine Bauspar-Standardsoftware abgelöst. Dies ist eine komplexe und fordernde Aufgabe, die wir aber miteinander gut bewältigen. Ziel ist, den stark gewandelten Kunden- und Prozessanforderungen gerecht zu werden. Am Ende sollen den Kunden beispielsweise schnellere Bearbeitungszeiten geboten werden. Das ist unumgänglich, denn wendige Vergleichsportale geben bei den Kundenerwartungen vielerorts den Takt vor.

Kann der Verband bei solchen Dingen unterstützend wirken? Beispielsweise als Moderator?

Der Verband konzentriert sich auf das, was er am besten kann: auf die Moderation regulatorischer Fragen. Kompetenzbündelung, Interessenbündelung, eine saubere Argumentation und eine zielgerichtete Politikansprache - damit haben wir gute Erfahrungen gemacht.

Wird sich die Konsolidierung sowohl bei den privaten Bausparkassen als auch den Landesbausparkassen zwangsläufig fortsetzen, weil es gerade für kleinere Institute immer schwieriger wird, sich in diesem Umfeld zu behaupten?

Ich kann mich nur zu den privaten Bausparkassen äußern. Und hier jedenfalls ist das keine Frage von Klein oder Groß. Denn wem gehören die Kleinen? Doch in der Regel den großen Versicherungen oder Banken - mit vermutlich nicht immer ausgeschöpften Marktpotenzialen im Konzernverbund. BHW und Deutsche Bank Bauspar fusionierten 2019, weil die Deutsche Bank, durchaus nachvollziehbar, nur noch eine Bausparkasse im Konzern haben wollte.

Nicht aus einer Not heraus, sondern aus Vernunftgründen. Und Wüstenrot wird die Aachener Bausparkasse 2020 übernehmen, auch weil deren bisherige Eigentümerstruktur mit mehreren verschieden großen Versicherungen Wüstenrot neue Vertriebschancen bietet.

Beim Blick auf die Kreditwirtschaft allgemein mache ich mir aber natürlich Sorgen vor einer Regulatorik à la "one size fits all". Wir brauchen eine risikoadjustierte Regulierung. Risikoarmes Geschäft muss anders behandelt werden als risikoreiches. Dafür kämpfen wir in Brüssel und Berlin.

Eine Abkehr von der ultraexpansiven Geldpolitik dürfte noch viele Jahre auf sich warten lassen. Verliert das Bausparen damit nicht eines seiner Hauptargumente - sprich die Absicherung gegen absehbar wieder steigende Zinsen?

Nicht wenn man genauer hinschaut. Angenommen, Sie wollen als junger Mann erst in acht oder zehn Jahren bauen, kaufen oder modernisieren. Wie können Sie sich dann die heute extrem niedrigen Bauzinsen sichern? Nur mit einem Bausparvertrag! Mit keinem anderen Finanzprodukt. Oder wissen Sie, wie hoch die Bauzinsen dann sein werden? Der normale Bausparer weiß das genauso wenig wie ich. Er geht lieber auf Nummer Sicher und wählt die Zinsgarantie. Oft auch für die Anschlussfinanzierung, wenn die Zinsbindung seines Hypothekendarlehens nach zehn oder 15 Jahren ausläuft. Mit einem Bausparvertrag können Sie sich die Bauzinsen 30 Jahre lang sichern.

Vor allem geht die Zinsgarantie Hand in Hand mit einem zielgerichteten Eigenkapitalaufbau. Auch diese Kombination ist einmalig. Mehr Eigenkapital heißt weniger Schulden, heißt weniger Kreditbelastung. Niedrige Bauzinsen sind dafür kein Ersatz.

Die Novellierung des Bausparkassengesetzes liegt nun gut vier Jahre zurück. Wie lautet Ihr (Zwischen-)Fazit?

Ziel war es, die Risikotragfähigkeit des Bausparsystems zu erhöhen. Dafür wurde uns ein Instrumentenkasten zur Verfügung gestellt. Erstens: erleichterte Vergabe normaler Hypothekendarlehen. Zweitens: höhere Beleihungsmöglichkeiten. Drittens: die Erlaubnis, Pfandbriefe auszugeben. Viertens: die Möglichkeit, in begrenztem Umfang Aktien zu erwerben. Und fünftens: die Nutzung des Fonds zur bauspartechnischen Absicherung auch zur Risikoabwehr in einer Niedrigzinsphase.

Fünf Instrumente - dabei war von Anfang an klar, dass nicht jedes Institut gleich jedes Instrument nutzen will oder wird. Vom Pfandbriefprivileg machen bisher zum Beispiel vier Bausparkassen Gebrauch. Alles private. In der Summe haben diese Verbesserungen mit zur nachhaltigen Stabilisierung beigetragen.

Lassen Sie uns auf die Wohneigentumspolitik zu sprechen kommen: Etwas überraschend wurde bereits Ende 2019 die Erhöhung der Wohnungsbauprämie beschlossen. Mit Wirkung zum 1. Januar 2021 wird Bausparen also stärker belohnt. Zudem kommen mehr Menschen in den Genuss der Förderung. Wie stark werden diese Maßnahmen das Bauspargeschäft beflügeln?

Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren ein- bis eineinhalb Millionen Menschen neu anfangen, gefördert zu sparen. Die Verbesserung war nach 23 Jahren überfällig. Eine Krankenschwester im zweiten Berufsjahr verdient heute zu viel, um noch in den Genuss der Wohnungsbauprämie zu kommen. Das hat niemand mehr verstanden. Die Politik hatte dafür zum Glück ein offenes Ohr. Entscheidend war aber auch, dass wir nachweisen konnten: Wer Wohnungsbauprämie bekommt, spart im Schnitt bei gleichem Einkommen deutlich mehr als sonst üblich und kommt Jahre früher in die eigenen vier Wände. Für Normalverdiener wird es jetzt wieder leichter, sich einen Lebenstraum zu erfüllen.

Welche Impulse erwarten Sie vom Klimapaket der GroKo?

Jeder dritte Wohneigentümer plant, seine Immobilie in den nächsten fünf Jahren energetisch zu sanieren. Im Schnitt wurden dabei bisher rund 30 000 Euro investiert. 40 Prozent der investitionswilligen Wohneigentümer legen dafür vorher Geld auf die Seite: rund 180 Euro pro Monat. Fast jeder Dritte tut das mit einem Bausparvertrag. Der ist oft längst zum Energiesparvertrag geworden.

Allein 2019 sind wiederum rund 20 Milliarden Euro an Bauspargeldern in die Modernisierung des Wohnungsbestands geflossen - davon der größte Teil in Energieeinsparinvestitionen. Andernorts ist vielfach von "Green Finance" die Rede. Die Bausparkassen praktizieren "Financing Green". Da wir im Unterschied zu vielen Banken auf sogenannte Kleindarlehenszuschläge verzichten, sind wir hier konditionsseitig auch absolut wettbewerbsfähig.

Was das Klimapaket angeht, erhoffen wir uns gerade von der neuen steuerlichen Förderung zusätzliche Impulse. Die Steuerzahlung kann, wie Sie wissen, verteilt über drei Jahre, um 20 Prozent der Sanierungskosten gemindert werden. Maximal um 40 000 Euro. Unterstützt werden Komplettsanierungen ebenso wie Einzelsanierungen. Das sollte für einen Push sorgen.

Darüber hinaus treibt Ihr Verband die Vereinfachung des Riester-Systems voran. Gemeinsam mit den Landesbausparkassen und dem Versicherungs- und Fondsverband wurde zu diesem Zweck jüngst ein Fünf-Punkte-Plan vorgestellt. Wie groß sind die Aussichten auf Erfolg?

Immerhin hat der CDU-Parteitag im November 2019 einem Staatsfonds in der privaten Altersvorsorge eine Absage erteilt. Darauf können wir aufbauen. Aber die Zahl der Riester-Gegner ist groß.

Riester gilt als zu teuer und ineffizient ...

Deswegen müssen wir ihn besser machen. Wir dürfen ihn aber nicht abschaffen. Mehr als 16 Millionen Menschen haben sich bisher dazu entschieden, mit Riester ihren Ruhestand finanziell abzusichern. Erst rein in die Kartoffeln, dann raus aus den Kartoffeln: Soll so eine Politik aussehen, bei dem die Menschen wie bei kaum einem anderen Thema zu Recht Verlässlichkeit und einen langen Atem erwarten? Stichwort Verlässlichkeit: Darauf vertrauen auch fast zwei Millionen Menschen, die sich für den Wohn-Riester - genauer: für eine Eigenheimrente - entschieden haben. Ein Produkt, das von Verbraucherschützern nach wie vor gute Noten bekommt.

Deshalb also der Fünf-Punkte-Plan?

Ja. Der umfasst vor allem einen tiefgreifenden Bürokratieabbau, einen einfacheren und attraktiveren Förderansatz und ein Konzept für kostengünstige Standardprodukte.

Was ist dabei konkret Ihre Vision für den Wohn-Riester beziehungsweise die Eigenheimrente?

Die Eigenheimrente muss in jedem Fall eine gleichberechtigte Alternative zur Geldrente bleiben. Frei wählbar. Deswegen wehren wir uns auch gegen eine Opting-out-Lösung, die den Menschen als sanfter Zwang verkauft wird. Was aber ist, wenn ich mir nicht beides leisten kann: eine Geldrente und eine womöglich präferierte Eigenheimrente? Wie sanft wäre ein solcher Zwang in der Praxis? Wie (innerlich) frei fühle ich mich als Arbeitnehmer wirklich, "Nein" zu sagen, wenn ich bei Vertragsabschluss vom Arbeitgeber ein bestimmtes Angebot erhalte? Und was passiert dann mit meinem eigentlich präferierten Wunsch?

Merklich ruhiger ist es um das Thema Kündigungen alter, hochverzinster Bausparverträge geworden. Wie ist hier der aktuelle Stand, ist das Gros dieser Fälle bereits abgearbeitet?

Der Bundesgerichtshof hat Anfang 2017 für Klarheit gesorgt. Ein Vertrag darf zehn Jahre nach Zuteilung gekündigt werden. Damit ist in dieser Frage tatsächlich Ruhe eingekehrt. Die Kündigung eines voll besparten Vertrags war ohnehin bereits länger unstrittig.

Heute ist das Gros dieser Fälle abgearbeitet. Kunden älterer Verträge, die diese zehnjährige Annahmefrist überschreiten, müssen natürlich bei einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld weiterhin damit rechnen, dass die Bausparkasse im Interesse der Bauspargemeinschaft als Ganzes den Vertrag dann beenden wird.

Der Anteil der Kollektivdarlehen an den gesamten Baudarlehen ist laut unserem Bausparkassenvergleich im privaten Lager zuletzt auf unter zehn Prozent gesunken. Wann dreht sich dieses Verhältnis wieder?

Der Rückgang ist eine Folge der sinkenden Bauzinsen. Das Sinken ist zu Ende. Die Trendwende beim Anlagegrad dürfte deshalb nicht mehr lange auf sich warten lassen. Denn die Bausparkassen haben ja längst reagiert. Mittlerweile finden Sie auf dem Markt Bauspardarlehen ab gut ein Prozent Zins. Und das für ein Darlehen, das Sie nachrangig absichern können. Die finden ihre Abnehmer, ganz sicher.

Welche Risiken birgt das in der aktuellen Marktphase stark hochgefahrene außerkollektive Neugeschäft bei den Vor- und Zwischenkrediten sowie sonstigen Baudarlehen?

Keine, die Sie nicht steuern können. Der Kunde hat sich ja hier bereits für ein Darlehen entschieden. Das schafft Kalkulationssicherheit. Schon aus eigenem Antrieb heraus rechnen die Bausparkassen immer wieder verschiedene Zinsszenarien durch. Die Stresstests kamen on top: mit einem Hochzinsszenario, das eine Steigerung um fünf Prozentpunkte in kurzer Frist vorsah. Fünf Prozentpunkte - das ist ja wahrlich eine Hausnummer.

In einer aktuellen Untersuchung von Stiftung Warentest kommen die Bausparkassen ziemlich schlecht weg, das Produkt Bausparen an sich wird aber ausdrücklich gelobt. Was ist hier schiefgelaufen?

Mit dem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein. Institute, die nicht gut weggekommen sind, haben sich ihr Ergebnis sicher genau angeschaut. Unser aller Anspruch ist selbst verständlich, eine möglichst hohe Beratungsqualität zu gewährleisten. Und das durchgängig!

Schauen wir auf 2020. Welches Thema steht denn in diesem Jahr im Vordergrund der Verbandsarbeit?

Eindeutig Vermögensbildung und Vermögensverteilung. Wohneigentum ist für Normalverdiener der klassische Weg zur Vermögensbildung. Wer sich dafür entscheidet, spart mehr - und hat später mehr. Im Schnitt sechs Mal so viel wie Mieter, wie das Empirica Institut ausgerechnet hat. Oder in absoluten Zahlen: 277 000 Euro im Unterschied zu 10 400 Euro laut der Deutschen Bundesbank. In Zeiten, in denen wir über Arm und Reich diskutieren und über die Frage, ob die Schere weiter auseinandergeht, liefern solche Fakten wichtige Hinweise für notwendige politische Entscheidungen.

ZUR PERSON BERND HERTWECK Vorsitzender des Vorstands, Verband der Privaten Bausparkassen e.V., Berlin, und Vorsitzender des Vorstands, Wüstenrot Bausparkasse AG, Ludwigsburg
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