MIPIM-SPECIAL

"JETZT GILT ES, EINE MÖGLICHST UMFANGREICHE PRODUKTPALETTE ZU SCHAFFEN"

Ulrich Höller, Foto: ABG

Back to the roots: Die Karriere von Ulrich Höller nahm ihren Anfang bei einem Projektentwickler. Nach Stationen bei der DIC Asset und dem Aufbau der GEG schließt sich mit dem Einstieg bei der ABG der Kreis. Neu ist, dass Höller nun für sein eigenes Unternehmen arbeitet, denn er hat sich "maßgeblich" an der ABG beteiligt. Wie immer ist, dass der umtriebige Immobilienmanager viel vor hat. Zwar sei die ABG ein erstklassig funktionierendes Unternehmen. Aber es gibt schon noch Raum für punktuelle Ergänzungen. Der erste ist der Auf- und Ausbau der Bestandsfinanzierung mit internationalen Investoren. Daneben will Höller die Refinanzierungsbasis mit Fonds auf eine breitere Basis stellen. Auch eine intensivere Kommunikation wird angestrebt, ohne dass die Öffentlichkeit sich bald auf konkrete Zahlen im Viertaljahrestakt freuen darf. Denn eine Börsennotierung ist kein Thema. Ebenso wenig wie die Internationalsierung, denn der deutsche Markt sei groß genug. Red.

Herr Höller, was ist Ihre Prognose für den deutschen Gewerbeimmobilien-Investmentmarkt 2020? Wird es wieder ein Jahr der Rekorde?

Ich rechne fest mit einem erneut sehr guten Jahr, nochmalige Steigerungen zu 2019 erwarte ich gleichwohl nicht. Vermutlich wird es zu einem leichten Rückgang beim Investitionsvolumen kommen, die rund 73 Milliarden Euro aus dem Vorjahr werden wohl nicht ganz erreicht werden. Auch die Vermietungsumsätze dürften leicht unter dem Vorjahr liegen, alles in allem ist das aber überhaupt kein Grund zur Panik: Die Branche bewegt sich noch immer auf allerhöchstem Niveau.

Werden in diesem Jahr mehr Großdeals zu beobachten sein oder wird abermals ein "Grundrauschen", sprich viele kleinere Einzeldeals, dominieren?

Vermutlich eher Letzteres. Darüber hinaus könnte es 2020 am Kapitalmarkt zu erhöhten Aktivitäten kommen, etwa in Form von Konsolidierungen oder kleineren Börsengängen.

Stichwort Börsengang: Ist das perspektivisch auch für die ABG Real Estate Group eine Option?

Nein, das ist für uns überhaupt kein Thema, auch wenn man im Leben bekanntlich niemals nie sagen soll. Grundsätzlich ist die Story der ABG aber eine völlig andere als die eines reinen Kapitalmarktunternehmens. Es handelt sich um einen branchenbezogenen Market Leader als mittelständisch geprägtes Unternehmen, und dafür habe ich mich letztlich auch ganz bewusst entschieden.

Ihr Einstieg bei der ABG ist also ein langfristiges Commitment?

Absolut, die ABG ist für mich ein langfristiges Commitment, bei dem Wachstum und Profitabilität absoluten Vorrang haben. Natürlich bleibe ich aber allein aufgrund meiner persönlichen Vergangenheit ein interessierter Beobachter des Kapitalmarkts.

Wie schätzen Sie abgesehen vom anhaltend guten Investitionsklima das Bauklima 2020 ein?

Bauen bleibt hochkompliziert. Die Kommunen stehen bei den Genehmigungsverfahren unter Wasser, hinzu kommt die anhaltende und zeitraubende Suche nach Lösungen für die vielerorts angespannten Wohnungsmärkte. Das wiederum macht die Planungs- und Genehmigungsprozesse noch anspruchsvoller und langwieriger. Zudem arbeitet die Baubranche aufgrund voller Auftragsbücher und mangelnder Kapazitäten unverändert am Limit, Bauen wird 2020 also auch nicht günstiger werden.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit beim Bauen?

Das Thema rückt zunehmend in den Fokus, wobei man fairerweise sagen muss, dass aufgrund des boomenden Tagesgeschäfts die großen Revolutionen und Visionen derzeit noch nicht zu beobachten sind. Solche Dinge werden meist erst dann mit der erforderlichen Vehemenz angegangen, wenn Märkte kriseln. Doch dafür läuft es momentan einfach zu gut. Grundsätzlich wird das Thema schon diskutiert und vereinzelt auch umgesetzt, aber eben noch nicht im großen Stil.

Noch einmal zum deutschen Immobilienmarkt: Sehen Sie hier irgendwelche Störfaktoren, die zu einem Abflauen oder gar Einbruch führen könnten?

Denken Sie nur an das Coronavirus. Das ist eine reale Bedrohung, die quasi aus dem Nichts aufgetaucht ist. Auf einmal sind da große chinesische Städte mehr oder weniger abgeschottet, der Handel kommt zum Erliegen und die Produktion steht still. Durch die hohe Abhängigkeit der deutschen Volkswirtschaft von China wird das hierzulande über kurz oder lang mit Sicherheit Spuren hinterlassen. Da zeigen sich eben auch einmal die Schattenseiten einer globalisierten Welt.

Die Börsen haben das Ganze innerhalb kürzester Zeit weggesteckt, könnte es bei den Immobilienmärkten nicht ähnlich sein?

Es gibt derzeit natürlich einige Faktoren, die sowohl für Aktien- als auch Immobilienmärkte stützend wirken. Insbesondere die anhaltend niedrigen Zinsen, der akute Mangel an Alternativanlagen sowie die extrem hohe Liquidität sind hier zu nennen. Mit Blick auf die gewerblichen und wohnwirtschaftlichen Immobilienmärkte erwarte ich dennoch, dass eine Eintrübung der Konjunktur nicht folgenlos bleiben wird. Man muss nicht von einem Crash-Szenario ausgehen, aber nennenswerte Mietsteigerungen wie in den vergangenen Jahren werden voraussichtlich nicht mehr zu beobachten sein. Und dann wird sich gerade bei Wohnimmobilien, wo die Kaufpreise den Mieten doch stark davongelaufen sind, die Frage stellen, wie nachhaltig diese Entwicklung ist.

Ein Anlass zur Sorge?

Nein, ich denke eher, dass das eine beruhigende Wirkung haben wird.

Kommen wir zur ABG: Wofür steht das Unternehmen Anfang 2020?

Die ABG ist Stand heute ein reiner Developer, und zwar einer der größten in Deutschland. Wir verfügen derzeit über Projekte im Gesamtvolumen von über 2,5 Milliarden Euro. Das sind wohlgemerkt echte Entwicklungen, also keine fiktiven Pipelines oder ähnliches. Dieses Projektentwicklergeschäft soll und wird auch in Zukunft die wichtigste Säule der ABG bilden. Wie aber bereits erwähnt, ist Größe dabei nicht der entscheidende Faktor. Die Pipeline kann theoretisch einmal bei 3, ein anderes Mal bei 2 Milliarden Euro liegen - das hängt einzig und allein von den zum jeweiligen Zeitpunkt vorherrschenden Opportunitäten und Marktzyklen ab.

Nun haben Sie bereits angekündigt, dass darüber hinaus das Bestandsgeschäft mit institutionellen Investoren an Bedeutung gewinnen soll ...

Richtig, wobei die ABG wohlgemerkt schon immer auch vereinzelt mit institutionellen Investoren zusammengearbeitet hat, etwa im Rahmen von Forward Deals bei Projektentwicklungen. Jetzt gilt es, das Ganze auf eine noch breitere Basis zu stellen, sprich eine möglichst umfangreiche Produktpalette zu schaffen, um die hohe Nachfrage institutioneller Anleger nach Immobilieninvestitionen adäquat bedienen zu können.

Bietet die ABG dafür die richtigen Voraussetzungen?

Absolut, denn sie ist in fünf deutschen Großstädten mit eigenen Büros und fast 90 Mitarbeitern vertreten. Ein Vorteil ist sicher auch, dass wir Projektentwicklung betreiben, die Königsdisziplin der Immobilienbranche und der Garant für absolute Marktnähe. Das ist letztlich eben doch noch einmal etwas anderes, als wenn man einfach nur für den Bestand einkauft: Man ist viel tiefer in den Marktgeschehnissen drin und befasst sich letztlich auch tiefgründiger mit den einzelnen Stakeholdern, nicht zuletzt mit den politischen Verantwortlichen. Alles in allem ist die ABG prädestiniert, die Nachfrage von institutionellen Investoren abzudecken. Und für diesen Zweck bauen wir nun die ABG Capital auf, um gemeinsam verstärkt in das Bestandsgeschäft einsteigen zu können.

Welche konkreten Vorteile erhoffen Sie sich davon?

Eine ganze Menge: Neben Synergieeffekten bietet eine breitere Aufstellung einen besseren Schutz gegen die zyklischen Projektentwicklerrisiken. Darüber hinaus liefert ein gut funktionierendes Bestandsgeschäft immer auch einen verlässlichen Cashflow. Und last but not least, sind wir dadurch einfach näher am Kunden und die Erfahrung zeigt, dass dies durchaus wertvoll sein kann. Etwa dann, wenn ein Kunde, der mit der ABG erfolgreich Bestandsgeschäft gemacht hat, irgendwann einmal in die Projektentwicklung einsteigen möchte: Da liegt es auf der Hand, ebenfalls zu uns zukommen.

Wie hoch soll der Anteil der ABG Capital perspektivisch denn sein?

Das ist schwer zu prognostizieren, und ehrlich gesagt mache ich mir darüber auch nicht so viele Gedanken. Als grobe Richtschnur: Wenn das Geschäft der ABG Capital in drei bis vier Jahren etwa 20 bis 30 Prozent unserer Aktivitäten ausmacht, wäre es ein Erfolg. Denn wie gesagt, die DNA der ABG ist und bleibt die Projektentwicklung.

Wie läuft die Finanzierung bei Projektentwicklungen der ABG ab, arbeiten Sie hier mit Joint-Venture-Partnern?

Nein, es handelt sich dabei immer um komplett eigenes Geld aus der Gesellschaft heraus, plus die finanzierenden Banken. Wir haben zwar eine ganze Reihe von Joint Ventures, allerdings sind das immer Partner auf der Projektentwicklerebene, d.h. keine reinen Finanzinvestoren. Was es vereinzelt gegeben hat, sind die bereits erwähnten sehr frühen Einstiege von Investoren in die Projekte im Rahmen eines Forward Deals. Aber das waren keine Finanzpartnerschaften im klassischen Sinne. Gut möglich, dass sich die ABG für solche Themen zunehmend öffnen wird.

Klingt nach viel Arbeit ...

Es ist viel, keine Frage. Gleichzeitig ist es mir wichtig zu betonen, dass die ABG ein erstklassig funktionierendes Unternehmen war und ist, das in dem Sinne nicht auf mich gewartet hat. Es gibt nichts zu restrukturieren, eher punktuell zu ergänzen und zu verstärken. Die dafür nötigen Strukturen habe ich nun gemeinsam mit meinem Partner Dr. Wübben implementiert, und jetzt müssen sie mit Leben gefüllt werden. Das Hauptaugenmerk wird dabei in den nächsten ein bis zwei Jahren sicher auf dem Aufbau der ABG Capital liegen.

Wie kam eigentlich der Kontakt zu ABG beziehungsweise Herrn Wübben zustande?

Dr. Wübben und ich kennen und schätzen uns schon seit mehreren Jahren. Dabei wurden auch die Nachfolgesituation und die Zukunftsperspektiven des immerhin schon 53 Jahre alten Unternehmens ein Thema. Nach den vielen Jahren des Aufbaus sowohl der DIC als auch zuletzt vor allem der GEG hat mich das Unternehmen mit interessanten Perspektiven als neue Herausforderung gereizt.

Zum Thema Strukturen: Was genau sind hier Ihre Präferenzen?

Ich bin ein Anhänger von glasklaren und einfachen Strukturen. Das bedeutet, dass die Außenwelt eindeutig nachvollziehen kann, wer in einem Unternehmen für die verschiedenen Themen Verantwortung und Entscheidungskompetenz trägt. Erst recht muss das natürlich intern klar sein.

Bei der ABG schien das in der jüngeren Vergangenheit ja nicht immer gegebenen zu sein, die Fluktuation bei den Führungskräften war relativ hoch.

Es gab eine Phase, in der einige Führungskräfte die ABG verlassen haben, weil sie entweder nicht in die Strukturen gepasst haben oder sich neuen Opportunitäten zugewendet haben. Das finde ich ganz normal und nicht weiter erwähnenswert. Ich bin aber überzeugt, dass nun mit Festlegung der neuen Konstellation mehr Ruhe eingekehrt ist und wir mit der aktuellen, etwas verschlankten Struktur die Führungsebene sehr gut aufgestellt haben.

Die ABG hat insgesamt rund 90 Mitarbeiter, ist das eine Größe, mit der Sie sich wohl fühlen?

Grundsätzlich geht es am Ende immer darum, ein Team zu haben, das wie eine gut geölte Maschine arbeitet. Meiner Erfahrung nach gibt es eine kritische Größe von etwa 120 Personen, um das gewährleisten zu können. Bis dahin kann man Unternehmen noch sehr mittelständisch und agil führen. Insofern sind die jetzigen Strukturen der ABG tatsächlich ausgezeichnet und bieten gleichzeitig noch Raum für Weiterentwicklung.

Wird das Bestandsgeschäft der ABG Capital hinsichtlich Lage und Volumina ähnlich aufgezogen wie die Projektentwicklung?

Ja, ganz getreu dem Motto das zu tun, was man am besten kann. Konkret werden dabei also großvolumige Projekte in der Größenordnung 50 bis 500 Millionen Euro im Fokus stehen, wobei zehn bis maximal zwölf Standorte in Betracht kommen. Schwerpunktmäßig werden das die Top 7 sein, aber wir werden sicher gute Opportunitäten in Stadtregionen mit Wachstumspotenzial nicht ignorieren.

Deutschland bleibt also der einzige Markt?

Ja, der deutsche Markt ist definitiv groß genug für uns.

Und wie verhält es sich mit den Assetklassen? In der Projektentwicklung hat die ABG mit 30 bis 35 Prozent einen recht hohen Wohnanteil. Wird das für die ABG Capital ebenfalls anvisiert?

Vorerst nicht, wir starten hier im gewerblichen Sektor, das ist letztlich auch der Kern des Unternehmens. Prinzipiell sind wir aber durchaus in der Lage, Investoren wohnwirtschaftliche Projekte beziehungsweise Produkte anzubieten. Das ist aber eher etwas für die langfristige Sicht, wenn die ABG Capital einmal eine gewisse Größenordnung erreicht hat.

Welche Rolle wird dem Fondsgeschäft bei der künftigen Ausrichtung zukommen?

Fonds werden zwangsläufig wichtig für uns werden können, schließlich geht es darum, institutionellen Investoren Produkte anzubieten, die sie verstehen und mit denen sie vertraut sind. Das können Spezialfonds aber auch Club Deals sein. Das bildet dann aber erst den zweiten Wachstumsschritt der ABG Capital.

Die Strategie impliziert gewisse Überschneidungen zu Ihren vorherigen Arbeitgebern. Man wird sich vermutlich begegnen, oder?

Das sehe ich nicht so, auch wenn das vereinzelt passieren mag. DIC mit GEG ist auch durch den Zusammenschluss ein bereits erfolgreich etabliertes, großes institutionelles Unternehmen. Somit sind wir nicht wirklich Wettbewerber.

Welche Kunden werden Sie schwerpunktmäßig adressieren?

Versorgungswerke, Stiftungen sowie Versicherungen und vereinzelt auch ausländische Investoren.

Wie bewerten Sie eigentlich den Kauf der GEG durch DIC?

Das war eine schlaue Entscheidung, dafür muss man sich nur den Aktienkurs der DIC anschauen: Der ist nach dem Kauf förmlich explodiert. Für die DIC war das ein echter Gamechanger, denn die Aktie kam trotz guter Ergebnisperformance jahrelang, auch zu meiner Zeit, nicht recht vom Fleck. Durch die Übernahme der GEG und andere strategisch wichtige Entscheidungen in der Finanzstruktur wird die DIC inzwischen vom Kapitalmarkt mit ganz anderen Augen wahrgenommen. Insofern kann ich nur sagen: Chapeau, das hat sich gelohnt.

Macht Sie das auch persönlich ein Stück weit stolz?

Ja, durchaus. Ich habe die beiden Unternehmen an vorderster Front aufgebaut, da ist es einfach schön zu sehen, wie erfolgreich sie heute dastehen.

Die Mipim steht vor der Tür, abschließend deshalb die Frage: Mit welchen Zielen und Erwartungen fahren Sie zur Messe?

Es wird jedenfalls das erste Mal sein, dass ich nicht mit einem eigenen Stand vertreten sein werde. Ich habe es bereits im Vorfeld im Rahmen der Terminvereinbarungen gemerkt, dass das ungewohnt ist.

Ist ein Stand für die ABG in den kommenden Jahren ein Thema?

Vermutlich eher nicht. Als deutscher Projektentwickler müssen wir ohnehin mehr in Regionen denken. Die ganzen internationalen Gäste auf der MIPIM sind da nicht ganz so relevant. Das ändert sich sicher, sobald die ABG Capital an Fahrt aufnimmt.

ZUR PERSON ULRICH HÖLLER Partner und geschäftsführender Gesellschafter, ABG Real Estate Group, München
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