EXPO REAL-SPECIAL

"DER IMMOBILIENZYKLUS IST ZU WEIT FORTGESCHRITTEN FÜR EINE EUPHORISCHE STIMMUNG"

Thomas Köntgen Quelle: pbb

Mit besonders viel Augenmaß ist die pbb derzeit angesichts der oftmals weit fortgeschrittenen Immobilienmarktzyklen im Neugeschäft unterwegs. Keine Kompromisse bei der Qualität, so der von Vorstand Thomas Köntgen an mehreren Stellen zu vernehmende Tenor im Interview mit der I & F-Redaktion. Davon abgesehen diskutiert er die potenziellen Auswirkungen einer Zinswende auf die gewerblichen Immobilienmärkte, die Vorzüge des unlängst von der pbb wieder aufgenommenen USA-Geschäfts sowie die Anforderungen an die Finanzierung von Spezialimmobilien. Red.

Herr Köntgen, welche Bedeutung hat die Expo Real für die Deutsche Pfandbriefbank?

Die Expo Real zählt für uns zu den wichtigsten Branchentreffs. Sie ist für uns eine sehr gute Gelegenheit, unsere Immobilienfinanzierungskunden aus der ganzen Welt zu treffen. Das gilt selbstverständlich auch für Meetings mit unseren Bankpartnern. Und schließlich sind auch unsere Kollegen aus dem Geschäftsbereich öffentliche Investitionsfinanzierung dort präsent und treffen Kunden aus dem öffentlichen Sektor.

Rechnen Sie mit einer guten - möglicherweise sogar euphorischen - Stimmung der Messeteilnehmer?

Der Immobilienzyklus ist zu weit fortgeschritten für eine euphorische Stimmung. Außerdem war die Expo schon immer eher eine Arbeitsmesse - im besten Wortsinn. Aus unserer Sicht ist das gut so, denn Euphorie ist nicht unbedingt die beste Grundstimmung für unsere Branche.

Das Neugeschäft der pbb ist im ersten Halbjahr 2018 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum recht stark zurückgegangen. Schwingt hier bereits die Sorge vor einer Kehrtwende an den Immobilienmärkten mit?

Ja und nein. Auf der einen Seite sank das Neugeschäftsvolumen im ersten Halbjahr erwartungsgemäß gegenüber dem Vorjahreszeitraum, weil wir in weiter von starkem Wettbewerb geprägten und im Zyklus weit fortgeschrittenen Finanzierungsmärkten selektiv vorgehen. Auf der anderen Seite zeichnet sich die pbb seit jeher durch eine konservative Risikostrategie aus. Wir stellen Quantität nicht über Qualität und tätigen eher weniger Neugeschäft als Transaktionen auf die Bücher zu nehmen, die unseren Anforderungen an Qualität und Profitabilität nicht entsprechen. Das gilt insbesondere in dem aktuellen Marktumfeld.

Trotz Neugeschäftsrückgang hat sich das Ergebnis aber verbessert, im Juli wurde sogar die Guidance für das Gesamtjahr 2018 erhöht: Wie geht das?

Wir haben im ersten Halbjahr in der Tat beim Vorsteuerergebnis den gleichen Zeitraum des Vorjahres um 18 Prozent übertroffen. Diese positive Entwicklung wurde insbesondere gestützt durch ein gesteigertes Zinsergebnis als Folge eines reduzierten Aufwands für die Refinanzierung. Hinzu kamen ein leicht gesunkener Verwaltungsaufwand und eine Nettoauflösung von Risikovorsorge sowie ein Sonderertrag aus der Verwertung eines sogenannten Besserungsanspruchs im Zusammenhang mit Heta-Schuldtiteln aus dem Jahr 2016.

Muss man das anhaltende Niedrigzinsumfeld also nicht auch mit einem lachenden Auge sehen? Immerhin profitieren Sie auf der Refinanzierungsseite doch von stark gesunkenen Zinsaufwendungen ...

Das Niedrigzinsumfeld gilt für die Passivseite wie die Aktivseite unseres Geschäfts, wir leben ja von der Zinsmarge. Richtig ist, dass die pbb die Nettomarge gesteigert hat, weil wir die Refinanzierungskosten überproportional gesenkt haben. Wir leiden aber - so wie die der gesamte Sektor - unter dem aktuellen niedrigen Zinsumfeld, weil die Zinserträge aus Eigenkapital und vorzuhaltender Liquidität gering sind.

Eine potenzielle Gefahr für die Immobilienmärkte könnte von (zu) stark steigenden Zinsen ausgehen. Ist ein solches Szenario für die pbb derzeit relevant? Und falls ja, wie bereiten Sie sich darauf vor?

Hier gilt es verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Die pbb selbst ist nicht sehr zinssensitiv, weil wir uns weitestgehend fristenkongruent refinanzieren. Darlehen sind entweder mit einem festen Zinssatz versehen, oder Zinsänderungen sind über Derivate abgesichert. Insofern wirken sich steigende Zinsen eher in Form veränderter Finanzierungsparameter auf Anschlussfinanzierungen aus sowie selbstverständlich grundsätzlich auf das Neugeschäft.

In der Vergangenheit haben gewerbliche Immobilienmärkte moderate, abgestufte Zinserhöhungen relativ gut verkraftet. Renditeerhöhungen der Objekte haben einerseits mit einem gewissen Zeitverzug eingesetzt, über Indexierungen haben Zinserhöhungen andererseits auch positiv auf gewerbliche Mieten gewirkt. Ob diese Erfahrungen auch in einem extrem niedrigen Zinsumfeld wie dem derzeitigen gelten, bleibt aber abzuwarten. Hier spielen generell Renditeerwartungen von Investoren, auch relativ zu anderen Assetklassen wie Fixed Income, eine wichtige Rolle.

Sie haben sich gerade in Großbritannien zuletzt merklich zurückgehalten. Erwarten Sie einen harten Brexit mit möglicherweise unkalkulierbaren Auswirkungen?

Unser Basisszenario für den Austritt von Großbritannien aus der EU bleibt der geordnete Übergang. Wir bleiben dennoch mit Blick auf den Brexit und die möglichen Folgen vorsichtig - nicht zuletzt weil auch ein harter Brexit unverändert möglich ist. Auch mit dieser vorsichtigen Grundhaltung sehen wir Großbritannien unverändert als einen der Kernmärkte der pbb. Nebenbei bemerkt ist London der größte unserer fünf Auslandsstandorte. Aktuell entwickelt sich der UK-Immobilienmarkt bemerkenswert stabil - abgesehen von Canary Wharf, wo kaum Transaktionen stattfinden.

Als wie bedrohlich erachten Sie die neu aufkeimenden politischen Sorgen in Südeuropa für die Immobilienmärkte?

Hier muss man sicherlich die mikro- und die makroökonomische Perspektive unterscheiden: Unser Italien-Exposure in der gewerblichen Immobilienfinanzierung ist sehr gering. Neugeschäft in Italien tätigen wir fast gar nicht und wenn, in der Regel im Kontext von Portfoliotransaktionen. Nichts desto trotz ist jede Form von Unsicherheit abträglich für die Immobilienmärkte.

Im Gegenzug gewinnt das in der zweiten Jahreshälfte 2016 wieder aufgenommene USA-Geschäft der pbb aktuell stark an Bedeutung. Was reizt Sie an dem Markt?

Der gewerbliche Immobilienmarkt in den USA ist volumenstark, transparent und liquide und erfüllt damit wichtige Voraussetzungen. Für die pbb bedeutet der Einstieg in den US-Markt eine breitere Basis, um das für uns passende Geschäft zu selektieren.

Außerdem sind die Margen leicht höher als in vergleichbaren europäischen Märkten. Wir sind darüber hinaus aufgrund unserer stabilen Refinanzierungsbasis mit dem deutschen Pfandbrief ein akzeptierter Partner vor Ort. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Der Wunsch unserer internationalen Kunden, mit denen wir in Europa Geschäfte tätigen, sie auch bei Transaktionen in den USA zu begleiten.

Die gewerblichen Immobilienfinanzierer werden nun bekanntlich seit geraumer Zeit von dem wenig reizvollen Dreiklang aus steigender Regulierung, niedrigen Zinsen und hohem Wettbewerbsdruck begleitet. Wie gehen Sie mit diesen Faktoren grundsätzlich um?

Wir können uns aufgrund unserer kapitalmarktbasierten Refinanzierung nicht allein über den Preis von unseren Mitbewerbern differenzieren. Wir müssen deshalb im Wettbewerb mit anderen Faktoren punkten, insbesondere unsere Expertise bei größeren, komplexeren Transaktionen. Das ist uns bisher gelungen. Zinsumfeld und Regulierung müssen wir als gegeben hinnehmen. Zumindest auf den absehbaren Anstieg der Risikoaktiva im Zuge der fortschreitenden Regulierung sind wir vorbereitet, wir halten einen entsprechenden Kapitalpuffer vor.

Welche Wettbewerber nehmen Sie derzeit am aktivsten wahr und welche Rolle spielen relativ neue Player wie Versicherungen oder Pensionskassen?

Wir nehmen alle Wettbewerber sehr aktiv wahr, dazu gehören seit wenigen Jahren auch Versicherungen und Pensionskassen. Selbstverständlich beobachten wir den Wettbewerb sehr genau, aber in erster Linie müssen wir unser Angebot an die Kunden definieren sowie den Nutzen, den wir unseren Kunden stiften. Außerdem stehen die unterschiedlichen Finanzierer untereinander nicht immer nur im Wettbewerb, sondern treten zum Teil auch gemeinsam auf - dabei bringen die einzelnen Partner ihre jeweiligen Stärken ein.

Wie stehen Sie zu aufstrebenden Spezialimmobilien wie Pflegeheimen, Serviced Apartments oder Rechenzentren?

Unser Schwerpunkt liegt auf den Immobilienarten Büro, Wohnen, Einzelhandel, Logistik und Hotel. Das schließt andere Immobilienarten nicht aus. So haben wir unser Hotelportfolio über die letzten Jahre aufgebaut - nachdem wir das entsprechende Know-how in der Bank entwickelt hatten. Für uns ist ein tiefes Verständnis der Immobilienarten zwingende Voraussetzung für eine Finanzierung. Darüber hinaus muss die Immobilie drittverwendungsfähig sein. Letzteres lässt uns vor allem bei Pflegeheimen und Rechenzentren zurückhaltend sein.

Davon abgesehen ist vor wenigen Monaten ihr Projekt "Capveriant", eine digitale Finanzierungsplattform für öffentliche Finanzierungen, an den Start gegangen. Was erhoffen Sie sich davon?

Capveriant ist technisch gestartet, Kommunen und Investoren befinden sich aktuell im Anbindungsprozess. Wir sehen hier die Chance, einen Markt, den wir als pbb nicht bedient haben, auf einer effizienten elektronischen Plattform abzubilden. Insofern ist Capveriant mit Blick auf die unterschiedlichen Stufen der Digitalisierung weit fortgeschritten, weil es ein zusätzliches, neues Geschäftsmodell für die pbb darstellt.

Welchen Stellenwert hat das Kommunalfinanzierungsgeschäft für die pbb selbst noch?

Die öffentliche Investitionsfinanzierung ist das deutlich kleinere unserer beiden Geschäftsfelder. Wir schätzen dieses zweite Standbein. Das gilt umso mehr, als die öffentliche Investitionsfinanzierung bei der pbb mit der Immobilienfinanzierung verzahnt ist, wir also auch Synergien haben. Das klassische Plain-Vanilla-Kommunalgeschäft spielt kaum noch eine Rolle.

Halten Sie eine Erweiterung des digitalen Plattformgedankens auf die gewerbliche Immobilienfinanzierung für realistisch?

Diese Frage können wir heute noch nicht beantworten. Verschiedene Aspekte, die unser Geschäft in der gewerblichen Immobilienfinanzierung charakterisieren, sprechen eher dagegen, etwa die fehlende Standardisierung der Transaktionen und deren Anzahl. Nichtsdestotrotz wollen wir sicherstellen, dass wir die Antwort auf die Frage nach einer solchen Plattform wissen, bevor sie jemand anders für uns beantwortet.

ZUR PERSON THOMAS KÖNTGEN, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands, Deutsche Pfandbriefbank AG, Unterschleißheim
Noch keine Bewertungen vorhanden


X