Bausparen und Bausparkassen 2017

"Nicht mehr als zehn Prozent aller Anfragen werden von uns negativ beschieden."

Nadine Schmidt, Leiterin Direktvertrieb Immobilienfinanzierung, ING-DiBa AG, Frankfurt am Main

Rund 10 Milliarden Euro Neugeschäftsvolumen in der Baufinanzierung hat die ING-Diba im vergangenen Geschäftsjahr geschrieben. Damit hat sich das Segment innerhalb der Branche zu einem ernstzunehmenden Spieler und innerhalb des Konzerns zu einem erfolgreichen Geschäftsfeld entwickelt. Und man will weiter wachsen, wie die beiden Verantwortlichen im Redaktionsgespräch betonen. Da lassen sie sich auch von der zunehmenden Regulatorik nicht bremsen. Im Gegenteil: Einbußen im Neugeschäft durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie verspürte die Direktbank keine, im Gegensatz zu manchem Wettbewerber. Die Risikosituation sei trotz der enormen Nachfrage und der gestiegenen Preise für Immobilien komfortabel, da Kunden einerseits mehr Eigenkapital in die Finanzierungen einbrächten und andererseits bereit seien, höher Tilgungsanteile zu akzeptieren Red.

I&F Das Umfeld für Baufinanzierungen ist derzeit ausgesprochen gut, niedrige Zinsen und mangelnde Anlagealternativen beflügeln die Immobiliennachfrage. Wie zeigt sich das bei der ING-Diba?

Thomas Hein: In der Tat ist das Umfeld aufgrund der Niedrigzinssituation nach wie vor sehr, sehr gut. Die Nachfrage nach Immobilien und nach Immobilienfinanzierungen ist ungebrochen hoch. Allerdings ist der Nachfrageüberhang gerade in den Monopolregionen und den Ballungszentren schon enorm groß. Hier fehlt einfach das Angebot an Objekten. Das wirkt sich am Ende auf die Preise aus. Die Mieten hingegen steigen inzwischen schon nicht mehr ganz so stark nach.

I&F Stetig steigende Preise gerade in den Ballungszentren, droht hier eine Blase?

Thomas Hein: Steigende Preise bergen immer ein gewisses Risiko für die Zukunft. Von einer generellen Blase sind wir in Deutschland noch weit entfernt, Überhitzungen in einzelnen Teilmärkten sind aber sicherlich vorhanden. Das Risiko ist aber immer noch überschaubar. Kunden bringen viel Eigenkapital mit und die Tilgungssätze haben sich den Zinssätzen angepasst, sind also höher geworden. Bei der ING-Diba liegen die Tilgungssätze derzeit im Durchschnitt bei über 3,5 Prozent. Eine externe Studie hat zudem gezeigt, dass der Anteil der Belastung aus den Finanzierungen am verfügbaren Einkommen zurückgeht, das heißt die Kapitaldienstfähigkeit steigt. All das sind Anzeichen für einen stabilen Markt.

Nadine Schmidt: Bemerkenswert ist das Risikobewusstsein der Kunden. Die Bereitschaft, mehr Eigenkapital in die Finanzierung einzubringen und mehr zu tilgen, ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Außerdem stellen wir in den Beratungsgesprächen fest, dass die Kunden meist genau wissen, was sie wollen, weil sie sich schon im Vorfeld intensiv mit dem Thema Immobilienfinanzierung auseinandergesetzt haben. Das Expertenwissen steigt und das ist gut so, denn Kunden wollen nicht blind ihrer Bank, sondern in erster Linie sich selbst vertrauen.

I&F Wo liegen Ihre Konditionsausläufe?

Nadine Schmidt: Sowohl im Direktvertrieb als auch im Partnervertrieb liegen wir größtenteils bei Werten zwischen 60 und 80 Prozent.

I&F Weisen Sie Ihre Mitarbeiter und die Vermittler auch explizit darauf hin, dass mehr Tilgung in die Verträge eingebaut wird?

Thomas Hein: Ja. Als wir erkennen konnten, dass die Niedrigzinsphase kein kurzfristiges Phänomen sein wird, haben wir sowohl unsere eigenen Berater als auch die Vermittler angewiesen, gezielt den Vorteil höherer Tilgungsleistungen gegenüber dem Kunden anzusprechen. Aufgrund der niedrigen Zinsbelastung kann mehr getilgt werden, um künftige Belastungen zu reduzieren. Das sehen auch die allermeisten Kunden so.

Nadine Schmidt: Es ist auch ein Stück weit deutsche Mentalität. In anderen Ländern sind Kunden viel eher bereit, große Kreditfinanzierungen für einen längeren Zeitraum einzugehen als hierzulande. In Deutschland ist das Stichwort "Schneller schuldenfrei" ein echtes Argument.

I&F Sie bieten aber trotzdem auch 100-Prozent-Finanzierungen an?

Thomas Hein: Ja, Kunden können bei uns 100 Prozent des Kaufpreises finanzieren. Allerdings nur des Kaufpreises, Nebenkosten wie beispielsweise Notarkosten oder Steuern müssen von den Kunden selber getragen werden.

I&F Haben Sie mit Blick auf den Gesamtmarkt das Gefühl, dass zu wenig getilgt wird und sich hier eine Gefahr aufbaut?

Thomas Hein: Nein, hier sehe ich keine Gefahr. Zum einen haben die Kunden selbst das Interesse, möglichst schnell schuldenfrei zu werden. Darüber hinaus sind mittlerweile bei fast allen Banken Tilgungsvorgaben fest in den Immobilienfinanzierungen verankert. Selbst bei Prolongationen wird nur in den seltensten Fällen an den Raten etwas verändert, da der Kunde sich an die Belastung gewöhnt hat. Und wenn die Zinsbelastung im Zeitablauf sinkt, geht damit automatisch die Tilgungsleistung nach oben.

I&F Wie checken Sie die Marktwerte?

Thomas Hein: Erster Indikator ist der Finanzierungswunsch des Kunden. Dieser kennt die Region, in der er kaufen oder bauen möchte und wird ungern zu viel für eine Immobilie bezahlen. Im zweiten Schritt wird der Immobilienwert sowohl im Vermittler- als auch im Direktgeschäft durch ein ausgeklügeltes Bewertungstool gegengecheckt. Hier arbeiten wir mit der Firma Sprengnetter zusammen.

I&F Und wie erfolgt generell die Risikosteuerung?

Nadine Schmidt: An erster Stelle steht die Kreditwürdigkeit des Kunden, aber natürlich muss auch die Immobilie unseren Anforderungen genügen, einen entsprechenden Marktwert aufzeigen und zum Kunden passen. Wenn alles passt,

hat der Kunde innerhalb von drei Tagen eine verbindliche Zusage.

I&F Wie sieht der typische ING-Diba-Baufinanzierungskunde aus?

Thomas Hein: Bei Neufinanzierungen im Schnitt 46 Jahre alt und deutsch. Es handelt sich bei 75 Prozent um Gemeinschaftsfinanzierungen von Partnern. Die durchschnittliche Finanzierungssumme liegt bei 150000 Euro. Diese Kunden sind in der Regel seit 90 Monaten ING-Diba-Kunden und haben 2,4 Produkte von uns. Der typische Prolongationskunde ist mit 54 Jahren etwas älter und fragt in der Regel nur 100000 Euro nach. Auch hier handelt es sich in der überwiegenden Mehrzahl um Gemeinschaftskunden, die schon seit 103 Monaten ING-Diba-Kunde sind und 2,2 Produkte haben.

I&F Mit welchen Ausfallquoten müssen Sie rechnen?

Thomas Hein: Eine konkrete Ausfallquote kann ich nicht nennen. Aber den Risikokostenanteil, den wir in den vergangenen Jahren in der Baufinanzierung jeweils eingeplant haben, haben wir nie gebraucht und konnten ihn immer wieder auflösen. Das spiegelt natürlich ein Stück weit die gute Marktlage wider, ist aber auch Zeichen für die funktionierenden Risikosysteme der Bank.

Nadine Schmidt: Ein weiterer Grund ist unser Geschäftsmodell: Wir zielen in erster Linie auf Eigennutzer ab. Hier sind die Ausfallquoten ohnehin sehr gering. Der Kapitalanlegeranteil liegt nur bei 5 bis 6 Prozent, hier ist das Risiko erfahrungsgemäß etwas höher.

I&F Sie haben die Überhitzung in einzelnen Ballungszentren angesprochen, gegenläufig gibt es ländliche Regionen, die nicht gerade prosperieren: Gibt es Gegenden, in denen Sie gar nicht finanzieren?

Thomas Hein: Nein, wir schließen nichts von vornherein aus. Entscheidend sind immer der Marktwert des Objektes und vor allem die Kapitaldienstfähigkeit des Kunden. Der Arzt in Stendal beispielsweise kann zweifelsohne ein guter Kunde sein. Unser Fokus liegt darauf, dass der Kunde die Finanzierung bedienen kann. Daher hatten wir auch keine Probleme mit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Wir haben bei unseren Finanzierungen immer schon in erster Linie auf die Kapitaldienstfähigkeit der Kunden abgestellt, das Objekt kommt erst an zweiter Stelle. Das unterscheidet uns von so manchem Wettbewerber, der nun über die Wohnimmobilienkreditrichtlinie klagt.

I&F Führten die Vorschriften zu einer Verunsicherung bei Beratern und Kunden?

Nadine Schmidt: Nein, im Gegenteil. Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie ist bei allem administrativen und bürokratischen Aufwand ein gutes Beispiel für Regulierung, die sowohl Kunden als auch Berater eine Hilfestellung und Sicherheit bietet. Durch die klaren Vorgaben und das Beratungsprotokoll läuft das Beratungsgespräch zudem viel strukturierter und nachvollziehbarer für den Kunden ab.

I&F Haben Sie Einbrüche im Neugeschäft durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie gespürt? Wie lief das abgelaufene Geschäftsjahr in der Baufinanzierung insgesamt, waren Sie zufrieden?

Thomas Hein: Wir haben durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie keinerlei Einbußen im Neugeschäft gespürt. Im Gegenteil: 2016 war mit einem Neugeschäft von knapp 10 Milliarden Euro brutto ein sehr gutes Baufinanzierungsjahr für die ING-Diba, alle Ziele wurden übererfüllt. Wir konnten auch komplett durcharbeiten, während manche Wettbewerber sich aufgrund der neuen Regularien zeitweise ein bisschen zurückgehalten haben.

I&F Für was wurden die Darlehen überwiegend nachgefragt, für Kauf oder für Neubau? Nadine Schmidt: Stand heute überwiegt der Kauf, das liegt an den Wintermonaten. Jetzt im Frühjahr steigt dagegen die Nachfrage nach Darlehen für den Neubau. Insgesamt halten sich die beiden Verwendungszecke die Waage, auch wenn das regional unterschiedlich ist. Während in Frankfurt City oder München Stadtmitte ob der Rahmenbedingungen der Kauf überwiegt, gibt es andere Gebiete mit einem höheren Neubauanteil.

I&F Wie hoch ist die durchschnittlich nachgefragte Darlehenshöhe?

Nadine Schmidt: Etwa 190000 Euro.

I&F Wie ist das Verhältnis von Prolongationen zu "echtem" Neugeschäft?

Thomas Hein: Das klassische Neugeschäft überwiegt. Wir gewinnen deutlich mehr Neukunden im Vergleich zu Prolongationen von Kunden anderer Banken. Und diese Kunden halten wir auch, unsere eigene Prolongationsquote ist sehr hoch.

I&F Die Baufinanzierung als Massengeschäft muss stark standardisiert sein, trotz allem müssen Sie dem Kunden das Gefühl der Individualität vermitteln, was ja auch gelingt: Zinssätze sind wählbar, Laufzeiten auch. Ist das eine Herausforderung für die Berater?

Nadine Schmidt: Nein, denn hinter allem liegt unser bankeigenes Baufinanzierungs-Berechnungssystem. Der Berater gibt die vom Kunden gewünschten Parameter ein und erhält so direkt ein Angebot. Entscheidend ist eine sehr gute elektronische Verarbeitung. Dieses System entwickeln wir permanent weiter. Inzwischen kann der Kunde auch mit dem Smartphone seine Unterlagen fotografieren und uns per App zukommen lassen. Außerdem bieten wir sehr erfolgreich die Live-Beratung per Screen-Sharing an. Hierbei sieht der Kunde den Bildschirm des Beraters und kann so alle Schritte auch visuell verfolgen und besser nachvollziehen. Das ist absolute Transparenz.

Thomas Hein: Ein weiteres Beispiel für Individualität und Selbstbestimmtheit: Kunden können innerhalb der Zinsbindung kostenfrei zweimal den Tilgungssatz selbstständig anpassen. Dafür braucht es keine Rücksprache mehr mit der Bank.

Nadine Schmidt: Überhaupt nimmt der Wunsch der Kunden zu, Dinge selbst erledigen zu können. Mehr und mehr Kunden wollen im Grunde genommen rund um die Uhr und von überall her Finanzangelegenheiten erledigen können. Das wird in den kommenden Jahren erheblich zunehmen. Unsere Aufgabe als Bank ist es, dies den Kunden besonders einfach und intuitiv möglich zu machen, und zwar mit größtmöglicher Sicherheit und größtmöglicher Transparenz.

I&F Das ist gut für den Direktvertrieb, macht es aber das Vermittlergeschäft nicht schwerer, oder gar überflüssig?

Thomas Hein: In der Tat sind diese Entwicklungen eine Herausforderung für das Vermittlergeschäft. Aber Vermittler können durch neue technische Möglichkeiten ebenfalls an der eigenen Effizienz arbeiten. Nach wie vor gilt: Wer die richtigen Lösungen anbietet, kann den Kunden auch an sich binden.

I&F Wie verteilt sich das Neugeschäft in Ihrem Haus auf Vermittler und den Direktvertrieb?

Nadine Schmidt: 80 Prozent kommt über Vermittler, 20 Prozent über den eigenen Direktvertrieb. Diese Verteilung ist stabil. Auffällig dabei ist, dass sich die Kunden des Direktvertriebs schon sehr gut in Finanzangelegenheiten auskennen.

I&F Was sind klassische Partnervertriebe?

Thomas Hein: Das kann man so pauschal gar nicht eingrenzen. Ich würde sagen, jeder Vertrieb, der Immobilienfinanzierung im Angebot und die erforderliche Erlaubnis nach § 34 i Gewerbeordnung hat. Das können Immobilienmakler oder Versicherungsmakler sein, ebenso wie Plattformen oder klassische Finanzvertriebe. Selbst andere Banken bieten ING-Diba-Finanzierungen an.

Es ist ein genereller Trend in der Finanzdienstleistungsbranche, dem Kunden Alternativen anzubieten, wenn das eigene Produkt mal nicht passen sollte. Hauptsache ist eine Lösung, um den Kunden nicht zu verlieren und ihn zufriedenzustellen. Da greifen wir auf unsere Vertriebspartner, vor allem Interhyp, zurück, ebenso wie andere Anbieter auf unsere Produkte zurückgreifen.

I&F Funktioniert der Kreditabschluss ohne Medienbruch, oder muss doch noch irgendwo die physische Unterschrift geleistet und Papier hin- und hergeschickt werden?

Nadine Schmidt: Heute klappt es noch nicht ganz ohne Medienbruch. Ein Kunde erhält online Finanzierungsangebote und legitimiert sich online. Allerdings erhält er gemäß den gesetzlichen Vorgaben noch den Vertrag per Post, den er unterschrieben zurückschicken muss. Wir wünschten uns, das wäre anders und würden gerne komplett papierlos arbeiten, aber dafür brauchen wir noch die Unterstützung der ganzen Branche und des Gesetzgebers.

I&F Lehnen Sie auch Finanzierungswünsche ab?

Thomas Hein: Nicht jeder Kunde bekommt eine Finanzierung der ING-Diba. Aber sehr viele: Im Partnervertrieb liegt die Zusagequote bei rund 92 Prozent. Über alles gerechnet dürften nicht mehr als 10 Prozent der Finanzierungsanfragen von uns negativ beschieden werden. Aber auch in diesen wenigen Fällen bemühen wir uns, diese Anfragen an andere Anbieter zu vermitteln, die besser zu diesem Kunden passen.

I&F Blick nach vorne, was sind Ihre Ziele, wie viel Neugeschäft ist möglich und auch beherrschbar?

Thomas Hein: Unser Ziel ist es auf jeden Fall, weiter zu wachsen. 10 Milliarden Euro im Jahr 2016 waren ein guter Wert, aber darauf wollen wir uns nicht ausruhen, da geht noch mehr. Allerdings hängt das immer von den Zielen der Gesamtbank ab. Die ING-Diba steuert nicht nach Neugeschäftsvolumen, sondern nach der Höhe des Bilanzwachstums. Entsprechend höher oder niedriger sind auch die Vorgaben für das Neugeschäftswachstum in der Baufinanzierung.

I&F Lehnen Sie dann Geschäft ab, oder steuern Sie über Konditionen?

Nadine Schmidt: Natürlich spielt der Ertrag in der Banksteuerung immer auch eine Rolle. Daher steuert auch die ING-Diba über Konditionen. Klar ist aber auch: Wer unsere Anforderungen an die Kapitaldienstfähigkeit erfüllt, erhält ein Angebot.

I&F Rechnen Sie mit steigenden Zinsen?

Thomas Hein: Ja, wir bereiten uns auf moderat steigende Zinsen vor. Dieser Anstieg wird aber sehr vorsichtig und langsam kommen.

Zu den Personen Nadine Schmidt, Leiterin Direktvertrieb Immobilienfinanzierung,Thomas Hein, Leiter Partnervertrieb Immobilienfinanzierung, beide ING-DiBa AG, Frankfurt am Main

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