REGULIERUNG UND RISIKOMANAGEMENT

"IN ZEITEN EINES GLOBALEN IMMOBILIENMARKTES GIBT ES EIN HOHES INTERESSE AN GEMEINSAMEN LÖSUNGEN"

Martin J. Brühl Quelle: Union Investment

Der aktuelle Immobilienzyklus dauert inzwischen länger an als es viele Marktteilnehmer für möglich gehalten hätten. Damit steigt gleichzeitig die Versuchung an einen Aufschwung ohne Ende zu glauben. Das RICS Real Estate Investment Risk Forum (IRF) versammelt global tätige institutionelle Vermögensverwalter, die eine realistischere Einschätzung verfolgen und die Bedeutung des Risikomanagements betonen. Im Interview mit I & F gewährt Martin J. Brühl, Gründer des Forums und Chief Investment Officer der Union Investment Real Estate GmbH, Einblicke in die Arbeit des IRF. Auch erörtert er das Potenzial neuer digitaler Technologien sowie die steigende Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit für Risikomanager. Red.

Herr Brühl, was sind die entscheidenden Faktoren für ein erfolgreiches Immobilien-Risikomanagement mit Blick auf Investoren? Wie lassen sich potenzielle Risiken frühzeitig erkennen und managen?

Risikomanagement ist die Basis allen immobilienökonomischen Handelns. Der wichtigste Faktor ist die Verfügbarkeit von Daten. Darüber hinaus kommt es darauf an, dass diese Daten miteinander vergleichbar sind und von gut ausgebildeten Fachleuten sachgerecht ausgewertet werden. Mit einer sachgerechten Auswertung meine ich, dass es nicht genügt ein Investmentrisiko zu identifizieren, sondern es braucht im nächsten Schritt auch die Kompetenz, Risiken angemessen zu priorisieren und ihnen zum Teil über einen längeren Zeitraum hinweg entgegenzuwirken.

Nur wer in der Lage ist, Risikofaktoren fachlich einzuschätzen, kann auch ein aussagekräftiges Reporting erstellen. An der Qualität des Reportings wiederum lässt sich deshalb auch die Qualität des Risikomanagements insgesamt ablesen.

Wie verlässlich sind Risikoanalysen, so lange die Datengrundlage in der Immobilienwirtschaft noch vergleichsweise gering ist? Und was muss hier konkret getan werden?

Die Immobilienwirtschaft mag bisweilen ein angestaubtes Image haben, aber in den letzten zehn Jahren sind deutliche Fortschritte in Bezug auf Datentransparenz, Datenstandards und Datenharmonisierung erzielt worden. Ein nachlässiger Risikomanager kann heute nicht mehr behaupten, seine Fehlentscheidungen seien das Ergebnis einer mangelhaften Datengrundlage.

Gleichzeitig ruht sich die Branche auf dem Erreichten nicht aus, die Bemühungen gehen weiter. Die nächsten Ziele betreffen so wichtige Punkte wie die Etablierung internationaler Bewertungsstandards für Immobilien oder einen einheitlichen Standard zur Vermessung von Flächen, der unter anderem von der Weltbank gefördert und von RICS unterstützt wird. Insgesamt kommt es darauf an, die Internationalität des Immobiliengeschäfts auch in gemeinsamen Standards abzubilden.

Immobilien-Investmententscheidungen erfolgen heute noch überwiegend auf Basis deterministischer Berechnungen. Wären stochastische Simulationen wie die Monte-Carlo-Methode nicht sinnvoller? Und warum haben sich diese noch nicht nachhaltig etabliert?

Deterministische Berechnungen werden auch langfristig noch zum Einsatz kommen, wenn es darum geht, bestimmte Risikofaktoren zu modellieren. Darüber hinaus werden wahrscheinlichkeitsbasierte Methoden heute durchaus schon angewendet. Union Investment zum Beispiel nutzt Monte-Carlo-Simulationen regelmäßig zum Risikomanagement in Ankaufsprozessen. Unabhängig von der jeweiligen Methode kommt es ohnehin auf die Analysefähigkeit der Person an, die zu dieser Methode greift.

Wir sollten den Fokus nicht auf Zahlengläubigkeit legen, sondern auf das intelligente Interpretieren von Informationen und die Ableitung von Handlungsoptionen. Schließlich muss sich der Anwender der Stärken und Schwächen unterschiedlicher Modelle bewusst sein. An dieser Stelle sind wir wieder bei der Bedeutung der fachlichen Qualifikation für ein professionelles Risikomanagement.

Welche technischen Fortschritte gibt es im Bereich Risikomanagement? Könnten Technologien wie Blockchain oder künstliche Intelligenz "Game Changer" werden?

Beim Aspekt des potenziell disruptiven Charakters von Blockchain und künstlicher Intelligenz bewegen wir uns aus meiner Sicht nach wie vor im Bereich des Konjunktivs und der Spekulation. Es ist beispielsweise natürlich richtig, dass große Datenmengen nur digital effizient ausgewertet und aufbereitet werden können. Aber am Ende des Datenaufbereitungsprozesses steht immer noch der Mensch, der diese Daten auf Basis seines Fachwissens einschätzen und zueinander in Bezug setzen muss. Im Immobilienbereich kann künstliche Intelligenz einem Risikomanager die Arbeit unter Umständen erleichtern, ihn aber nicht ersetzen. Es zählt einfach die menschliche Erfahrung über mehrere Marktzyklen hinweg, um spätzyklische Verwerfungen und Frühindikatoren für den Wendepunkt rechtzeitig zu erkennen.

Blockchain wiederum ist eine Technologie, die den An- und Verkauf von Immobilien perspektivisch vereinfachen und Informationen, die für das Risikomanagement relevant sind, gegebenenfalls schneller als heute zur Verfügung stellen kann. Im Kern ist eine Immobilientransaktion aber eine zwischenmenschliche Interaktion und verhaltenspsychologische Aspekte werden immer eine große Rolle spielen, um Vertrauen zwischen Transaktionspartnern aufzubauen.

Im Rahmen des "Real Estate Investment Risk Forum (IRF)" bringt RICS unter Ihrer Führung über 40 weltweit aktive institutionelle Immobilieninvestoren zusammen, um über Risiken zu diskutieren. Welche Aspekte wurden in der letzten Sitzung in London diskutiert und welche Ziele verfolgt das Forum insgesamt?

Die Mitglieder im IRF repräsentieren zusammen ein treuhänderisch verwaltetes Immobilienvermögen von über einer Billiarde US-Dollar. Ich habe das Forum im Jahr 2015 während meiner RICS-Präsidentschaft ins Leben gerufen, weil unter den Stakeholdern der RICS - Mitglieder, Regulatoren, Nutzern von Beratungsdienstleistern und der breiten Öffentlichkeit - ein Bedarf an einer solchen Plattform geäußert wurde. In Folge der globalen Finanzkrise 2008 war der Immobilienzyklus im Jahr 2015 bereits schon weit fortgeschritten und wir wollten unter anderem sicherstellen, dass Erfahrungen, die die Immobilienbranche im Zusammenhang mit der Finanzkrise gemacht hatte auch an die nächste Generation von Asset Managern weitergegeben werden.

Darüber hinaus geht es uns natürlich darum, immer wieder für die fundamentale Bedeutung des Risikomanagements einzutreten und die Branchenstandards gemeinsam weiterzuentwickeln. Bei dieser Weiterentwicklung konzentrieren wir uns auf eine noch bessere Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit von Daten auf der Basis von internationalen Standards, die in manchen Bereichen erst noch geschaffen werden müssen. Außerdem teilen die Mitglieder des Forums auch ihre Erfahrungen mit innovativen Lösungen und berichten von wegweisenden neuen Konzepten, etwa beim Liquiditätsmanagement.

Wie darf man sich die Diskussionen in diesem Forum vorstellen? Haben etwa US-amerikanische und europäische Asset Manager nicht gänzlich andere Auffassungen hinsichtlich risikotechnischer Aspekte?

Nein, den Mitgliedern des Forums geht es ja gerade um die Etablierung internationaler Standards im Risikomanagement. Da sind aktuelle regionale Unterschiede spannende Diskussionspunkte, um Lösungen zu entwickeln, die zu einer Harmonisierung beitragen. In Zeiten eines globalen Immobilienmarkts mit grenzüberschreitenden Kapitalflüssen gibt es ein hohes Interesse an diesen gemeinsamen Lösungen, denn alle Mitglieder sitzen letztlich im selben Boot.

Unterschiede bestehen zwischen den Teilnehmer in erster Linie hinsichtlich der zum Teil unterschiedlichen Mandate, die sie von ihren Anlegern erhalten haben. Das heißt, das gesamte Anlagerisikospektrum von risikoavers bis opportunistisch ist im IRF vertreten. Auch hier ist es äußerst spannend zu beobachten, wie trotz der unterschiedlichen Mandate gemeinsame Standards erarbeitet werden können.

Wir leben in Zeiten historisch niedriger Renditen. Müssen da gerade große Kapitalsammelstellen ihre Risikostandards nicht zwangsläufig aufweichen, um die Wertsteigerung der anvertrauten Gelder sicherzustellen? Welche Lösungsansätze verfolgt dabei Union Investment?

Institutionelle Investoren sind auch im aktuellen spätzyklischen Umfeld durchaus in der Lage, an ihren Standards festzuhalten und trotzdem ein Wachstum ihres Portfolios zu verzeichnen. Das Immobiliengeschäft von Union Investment ist nur eines von mehreren Beispielen dafür. Gerade in Zeiten künstlich niedriger Zinsen und der resultierenden Kapitalflut in Sachwerte ist es uns wichtig, nicht von unseren Prinzipien abzurücken, denn hinter diesen Prinzipien stehen klare Produktversprechen an unsere Anleger und ein großer regulatorischer Apparat.

Das heißt, wir gehen beispielsweise keine Kompromisse ein bei der Qualität unserer Objekte oder der Bonität von Mietern und Transaktionspartnern, auch wenn diese Prinzipientreue unsere Handlungsspielräume zum Teil einengt. Einen "Style Drift" wird es bei Union Investment auf absehbare Zeit nicht geben. Erweiterte Handlungsoptionen haben wir uns in den letzten Jahren bereits durch die maßvolle Erschließung von Sekundärmärkten geschaffen, soweit unsere Mandate dies erlauben. Darüber hinaus nutzen wir die Möglichkeit, mit sehr genau ausgewählten Forward Fundings das Risiko-Rendite-Profil für unsere Fonds zu optimieren. Die Grundlage für alle diese Investmententscheidungen bildet aber mehr denn je ein gründliches Risikomanagement.

Das Stichwort "Nachhaltigkeit" ist derzeit in aller Munde - was kann man darunter mit Blick auf die Immobilienbranche verstehen und wie beeinflusst es das Risikomanagement?

Das Klimaabkommen von Paris wurde von 195 Staaten ratifiziert und bestimmt daher die Perspektive langfristig orientierter Immobilien-Asset-Manager. Die deutsche Bundesregierung hat daraus den Klimaschutzplan 2050 abgeleitet. Dieser sieht vor, auch die von Immobilien verursachten CO2-Emissionen bis ins Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent zu senken. Im Vergleich zum Referenzjahr bedeutet dies das Ziel eines nahezu klimaneutralen Immobilienbestands.

Obwohl, oder gerade weil das Ziel der Bundesregierung aus heutiger Sicht sehr ambitioniert erscheint, heißt dies für die Immobilienwirtschaft, dass bereits heute Strategien entwickelt werden müssen, um ein Portfolio mit Blick auf den vorgegebenen Klimapfad absichern zu können. Union Investment konzentriert sich aktuell zum Beispiel auf das Zwischenziel bis 2030. Dazu werden wir für unsere Objekte im Bestand, aber auch für Neuankäufe eine "Manageto-green"-Strategie erarbeiten, um etwa dem Risikoklima politisch motivierter Sanktionen vorzubeugen. Zusammen mit der DENEFF (Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz) haben wir vor kurzem ein erstes Risikomanagement-Tool im Bereich Nachhaltigkeit entwickelt, das den Investitionsbedarf in Bestandsimmobilien entlang des Klima pfads bis 2050 indizieren soll. Das ist eine erste Lösung, der einige weitere Lösungen folgen werden.

ZUR PERSON MARTIN J. BRÜHL Chief Investment Officer und Mitglied der Geschäftsführung, Union Investment Real Estate GmbH, Hamburg
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