Schwerpunkt G20-Gipfel

Anregungen und Erwartungen der deutschen Kreditwirtschaft zum G20-Treffen

Gerhard P. Hofmann, als Federführer des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Berlin / Offene, liberale Finanzmärkte erhalten, erst die Wirkungen der eingeleiteten Konjunkturpakete abwarten, an der prinzipienorientierten Regulierung festhalten, Aufsichtsstrukturen für systemische Risiken überprüfen und anpassen sowie wettbewerbsverzerrende Effekte durch staatliche Eingriffe vermeiden - diese fünf Forderungen formuliert der Autor als Federführer des ZKA als Botschaften des deutschen Kreditgewerbes in Richtung G20-Gipfel. Ansatzpunkte für die Vermeidung prozyklischer Tendenzen des Finanzsystems sieht er in der genauen Analyse der Geldpolitik, der Rechnungslegungsstandards, der Kapitalanforderungen sowie der Vergütungsstrukturen. Verbesserungsbedarf macht er ferner im Informationsfluss zwischen IWF, BIZ und Financial Stability Forum aus und plädiert für eine bessere Kommunikation und Abstimmung zwischen den drei Institutionen. Für den Vorschlag einer sogenannten Risk-Map lässt er Sympathie erkennen. (Red.)Die deutsche Kreditwirtschaft hat hohe Erwartungen an das Anfang April 2009 in London stattfindende Gipfeltreffen der G20-Staaten. Es bietet die Chance, wichtige Impulse für eine bessere weltweite Regulierung von Finanzintermediären und -märkten auszusenden. Die eigentlichen Detailregelungen werden in einem mehrjährigen Regulierungsprozess zu erarbeiten sein. Für die weitere Ausgestaltung anzupassender Finanzmarktregeln bietet die Kreditwirtschaft ihre Unterstützung an. Das Treffen gibt darüber hinaus die Möglichkeit zur Neuordnung der globalen Finanzarchitektur. Eine Kooperation und Koordination bei der Absprache des Krisenmanagements, das Wettbewerbsverzerrungen vermeidet, kann angegangen werden. Leitprinzipien für die Verhandlungen Aus Sicht der im Zentralen Kreditausschuss (ZKA) vertretenen Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft sollten die Gipfelverhandlungen von folgenden Zielvorstellungen geleitet sein: Offene, liberale Finanzmärkte bleiben förderlich für effiziente Ressourcenallokation, höheres Wachstum und eine engere Integration von Staaten und Volkswirtschaften. Liberale Märkte brauchen einen angemessenen, leistungsfähigen Regulierungsrahmen, der dem Niveau der Marktintegration angemessen ist. Dies erfordert Maßnahmen, die das globale Finanzsystem weniger anfällig gegen Schocks und Regulierungsarbitrage machen. Regulierung hat die größte Wirkung, wenn sie die Marktkräfte stärkt, indem sie marktbasierte Anreize setzt. Den bereits heute gegebenen umfangreichen Regulierungsbestand berücksichtigend, wird eine Verbesserung des regulatorischen Rahmens durch gezielte, klar abgegrenzte Eingriffe oft besser zu erreichen sein als durch eine umfassende Veränderung des Regulierungsrahmens. - Wesentliche Verhandlungslinie für den G20-Gipfel muss zudem bleiben, jetzt keine weiteren konjunkturellen Maßnahmen zu fordern. Mit dem Europäischen Wiederaufbauplan hat jeder einzelne Mitgliedstaat der EU starke fiskalpolitische Impulse gesetzt, die ihre Wirkungen noch entfalten werden. Forderungen, diese Maßnahmen weiter zu verstärken, untergraben zum einen die Glaubwürdigkeit und damit die Wirkungsstärke der beschlossenen Maßnahmen. Zum anderen dürfen beim internationalen Vergleich von Konjunkturimpulsen die sogenannten eingebauten Stabilisatoren, die gerade in den (kon-tinental-)europäischen Volkswirtschaften stark nachfragestützende Wirkungen entfalten, nicht außer Acht gelassen werden. Fiskal- und Geldpolitik sind bereits sehr expansiv. Sorgsame Abwägung weiterer Schritte Weitere Schritte müssen mit Blick auf die Solidität der Finanzen und möglicher negativer Wirkungen auf Inflation und Beschäftigung sorgsam abgewogen werden. Wenn sich allerdings der scharfe globale Nachfrageeinbruch ungebremst fortsetzt, sind weitere Stützungsmaßnahmen in der Tat anzustreben. Um positive Erwartungseffekte auszulösen, müssen diese im Rahmen einer international koordinierten (G20-)Aktion ins Werk gesetzt werden. Logisch verknüpft, mit dem Ziel offener, integrierter, aber angemessen regulierter Märkte ist die Zielsetzung, dass der Regulierungsrahmen unter Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten harmonisiert sein sollte, um potenzielle Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. - Angesichts der Erkenntnis, dass eine zu stark regelbasierte Regulierung zur Überwachung sich rasch wandelnder internationaler Finanzmärkte ungeeignet ist, hat es bei der Finanzmarktregulierung eine starke Tendenz hin zu einer mehr prinzipienbasierten Regulierung gegeben. Das gilt es zu bewahren. - Die makroprudenzielle Analyse der Finanzstabilität ist eine wichtige und eigenständige Ergänzung der mikroprudenziellen Aufsicht über einzelne Institute. Sie bedarf geeigneter institutioneller Strukturen, die sicherstellen, dass alle Institutionen, deren Mitwirkung bei der Sicherung der Finanzstabilität erforderlich ist, angemessen eingebunden sind. Ein systematischer, strukturierter Dialog zwischen Marktteilnehmern und staatlichen Autoritäten über Fragen der Finanzstabilität kann dabei helfen, potenzielle Risiken frühzeitig zu identifizieren und angemessene Schritte zu ergreifen. Eine Überprüfung und Optimierung des bisherigen aufsichtlichen Analyseinstrumentariums ist notwendig. Ziel muss es sein, durch die noch engere Verknüpfung beider aufsichtlicher Perspektiven eine bessere Ableitung von Aufsichtsstrategien für systemrelevante Unternehmen zu erreichen. - Ein staatliches Eingreifen zur Stabilisierung des Finanzsystems war zwingend geboten. Dennoch ist zu betonen, dass unterstützende Maßnahmen der Regierungen nur akzeptabel sind, wenn wettbewerbsverzerrende Effekte minimiert und das öffentliche Engagement zeitlich begrenzt werden. Prozyklische Tendenzen des Finanzsystems beachten Finanzsysteme können zyklische Entwicklungen auslösen. Während eines wirtschaftlichen Aufschwungs neigen die ökonomischen Akteure zu optimistischen Einschätzungen der wirtschaftlichen Aussichten; eine Ausweitung der Kreditvolumina und bessere Aussichten für das Wachstum führen zu steigenden Preisen für Vermögensgegenstände, die ihrerseits zu einer weiteren Ausweitung der Kreditvolumina führen können. In Abschwungphasen, insbesondere in krisenhaften Zuspitzungen, entfaltet sich eine entgegengesetzte Dynamik. Vieles scheint darauf hinzudeuten, dass dieses zyklische Verhalten des Finanzsystems durch bestimmte Entwicklungen noch verstärkt wird, zum Beispiel durch die Einführung von zeitwertorientierten Rechnungslegungssystemen und, allgemeiner, den Übergang zu einem stärker marktbasierten Finanzsystem. Die Aufgabe ist nicht, Prozyklizität aus dem System zu beseitigen, sondern sie, wenn nötig, zu dämpfen. Dies erfordert einen umfassenden Ansatz, der an verschiedenen Stellen ansetzt: Geldpolitik: Die Geldpolitik muss dem Aufbau von finanziellen Blasen und exzessiven Bewegungen in Vermögenspreisen ausreichend Rechnung tragen. Der ZKA erkennt ausdrücklich an, dass das Eurosystem im Rahmen der zweiten Säule seiner geldpolitischen Strategien Vermögenspreisentwicklungen schon immer in der Formulierung seiner Geldpolitik berücksichtigt hat. Rechnungslegungsstandards: Rechnungslegungsstandards, die stärker zeitwertbasiert sind (Fair Value Accounting), sind eine logische Reaktion auf den Übergang zu einem stärker marktbasierten Finanzsystem und schaffen mehr Transparenz. Doch können solche Rechnungslegungsstandards dazu beitragen, die Auswirkungen der kurzfristigen Preisentwicklung von langfristig gehaltenen Finanzinstrumenten auf die Erfolgslage des Unternehmens zu überzeichnen und damit eine prozyklische Wirkung entfalten. Die Forderungen der G20, die Rechnungslegungsstandards auch mit Blick auf ihre Wirkung auf die Finanzstabilität zu überprüfen und zu verbessern, sind daher angemessen. Bei der zukünftigen Formulierung neuer Standards müssen Aspekte der Finanzmarktstabilität stärkere Berücksichtigung finden. Die Erfassung und die Zuordnung eines Finanzinstruments zum Fair Value sollte davon abhängig sein, welche nachhaltige Geschäftsintention und Haltestrategie bei Geschäftsabschluss und im Zeitablauf mit dem jeweiligen Instrument verbunden sind. Kapitalanforderungen: In ihrer Abschlusserklärung zum Gipfel vom 15. November 2008 weisen die G20 zu Recht auf möglicherweise zyklusverstärkende Wirkungen risikosensitiver Kapitalanforderungen hin. Da die neuen Eigenkapitalvorschriften vielerorts aber erst 2008 in Kraft traten und die Erfahrungen mit der tatsächlichen Wirkungsweise mithin noch sehr überschaubar sind, sollte der Baseler Ausschuss vor einer eventuellen Revision der Eigenkapitalvereinbarung eine umfassende Analyse der Wirkungszusammenhänge zwischen der zyklischen gesamtwirtschaftlichen und Finanzmarktentwicklung, den entsprechenden aufsichtsrechtlichen Regeln zur Kapitalunterlegung und der tatsächlichen Kapitalhaltung der Marktteilnehmer vornehmen. Erst danach sollte überlegt werden, inwieweit die Baseler Rahmenvereinbarung um Mechanismen ergänzt werden sollte, die prozyklische Wirkungen dämpfen. Vergütungsstrukturen: Vergütungsstrukturen können eine prozyklische Wirkung haben, wenn sie eine Verzerrung zugunsten kurzfristiger Gewinnmaximierung aufweisen. Kreditinstitute sollten daher interne Strukturen entwickeln, die eine an nachhaltiger Profitabilität ausgerichtete Anreizstruktur schaffen. Vergütungsanreize sind nicht nur eine Frage der Vergütung der Leitungsorgane, sondern sie sind auch bei Anreizstrukturen auf anderen Hierarchieebenen und in anderen Funktionen relevant. Diese sind im Übrigen bereits heute in Regelwerken wie den deutschen Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) sowie institutsspezifischen Interessenkonfliktgrundsätzen berücksichtigt. Institutionen der globalen Finanzarchitektur Die künftige internationale Finanzmarktarchitektur muss dafür Sorge tragen, dass die bestehenden Institutionen dort tätig und politisch legitimiert sind, wo dies jeweils von besonderem Wert für das Ganze ist. Zentraler Bestandteil einer so verstandenen Finanzmarktarchitektur ist ein kontinuierlicher Informationsfluss zwischen Internationalem Währungsfonds (IWF), Financial Stability Forum (FSF), Aufsichtsbehörden, Zentralbanken, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Regulierungsbehörden und Standardsetzern. Im Lichte der Erfahrungen mit der Finanzmarktkrise lassen sich die folgenden wesentlichen Herausforderungen feststellen, für die Lösungen zur Stärkung der internationalen Finanzarchitektur gefunden werden müssen: - Die Fähigkeit von Aufsichtsbehörden, Zentralbanken und Marktteilnehmern zur Früherkennung von Risiken durch ein globales Frühwarnsystem ist zu verbessern. - Die Transparenz der Finanzmärkte muss auf Basis einer verbesserten Datenlage erhöht werden, beispielsweise im Hinblick auf die Erfassung des expliziten und impliziten Leverage relevanter Marktteilnehmer und der Konsistenz zwischen nationalen und internationalen Statistiken. - Die Kommunikationswege und -regeln bei einer Gefährdung der Finanzmarktstabilität müssen dichter vernetzt werden. Zwingend erforderlich sind angesichts des globalen Charakters der Finanzmärkte eine Aufsichtsstruktur ohne Regelungs- und Kompetenzlücken und eine weitgehend gleiche Umsetzung von Regeln. Intensivierte Kooperation zwischen IWF und FSF Die Kooperation zwischen IWF und FSF sollte vor diesem Hintergrund - ohne Über- und Unterordnung, sondern rein sachlich bezogen - intensiviert werden. Das gemeinsame Statement von IWF und FSF vom 13. November 2008, in dem entsprechende Grundsätze dargestellt werden, ist hierfür eine gute Grundlage. Der IWF sollte dabei entsprechend seinem Mandat das Funktionieren der weltweiten Wirtschaftsordnung durch die Schaffung stabiler monetärer Rahmenbedingungen als Grundlage für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, durch (konditionierte) Kredite an vorübergehend in Zahlungsbilanzschwierigkeiten geratene Länder sowie - im Rahmen seiner Überwachungsfunktion - durch die Überprüfung der Einhaltung international gültiger Standards und Kodizes unterstützen. Dabei hat sich insbesondere die Standardsetzung durch das FSF bewährt. Insofern ist zu begrüßen, dass die G20-Finanzminister und Notenbankgouverneure am 14. März 2009 den Staats- und Regierungschefs für den G20-Gipfel empfohlen haben, die Standards des FSF auf die G20-Staaten auszuweiten. Diese Arbeitsteilung zwischen IWF und FSF ist daher sachgerecht. Eine Ausweitung der Kompetenzen des IWF in Richtung einer mikroprudenziellen Aufsichtsbehörde ist nicht erstrebenswert; dem IWF fehlen hierzu sowohl die notwendige Erfahrung und Expertise als auch die rechtliche und politische Legitimität. Gerade mit Blick auf die "Surveillance"-Funktion des IWF ist zu bedenken, dass die künftigen Aufgaben des IWF und seine Position im Zusammenhang mit der Sicherung stabiler Finanzmärkte wesentlich durch die Kompetenzen bestimmt werden, welche die Mitgliedstaaten ihm zugestehen wollen. Wenn der IWF im Zuge der skizzierten verbesserten Kooperation mit weiteren Behörden und Gremien eine größere Rolle bei der Krisenprävention spielen soll, wie dies in den Erklärungen der G20 anklingt, muss er die hierfür erforderliche Entscheidungsfreiheit haben, und die Mitgliedsländer müssen bereit sein, seinen Empfehlungen zu folgen. Das FSF hat seit Gründung kontinuierlich an Reputation und Einfluss auf die internationalen Diskussionen über Fragen der Finanzmarktregulierung gewonnen - seine Empfehlungen werden allgemein akzeptiert und entfalten so auch ohne Rechtsverbindlichkeit ihre Wirkung. Das FSF hat nach dem Ausbruch der aktuellen Finanzmarktkrise innerhalb kurzer Zeit eine umfassende Analyse der Schwachstellen und ein umfangreiches Programm zur Beseitigung dieser Problemfälle erstellt, die von den Regierungen angenommen wurden und derzeit abgearbeitet werden. Schnell und effizient Das Gremium hat sich trotz seiner relativ großen Zahl von Mitgliedern als reaktionsschnell und effizient erwiesen. Die Mitglieder des Forums sind überwiegend mit Aufsichtspraxis, der Regelsetzung und der Überwachung der nationalen Kreditinstitute beziehungsweise Finanzmärkte befasst und haben auf diesen Gebieten ihre Kernkompetenzen. Insofern ergänzen sich FSF und IWF in ihrer jeweiligen Aufgabenstellung hervorragend. Bei einer Unterstellung des FSF unter den IWF wäre zu befürchten, dass Gremien, wie etwa die OECD oder Standardsetzer, die mit dem IWF keine unmittelbaren Beziehungen haben, am FSF nicht mehr mitwirken, wenn sie dem Fonds gegenüber untergeordnet werden sollten. Außerdem besteht die Gefahr, dass eine Unterordnung des FSF für die teilnehmenden, unabhängigen Notenbanken zu einer gewissen zusätzlichen Abhängigkeit vom IWF führen kann. Dies wäre nicht akzeptabel. Gleichwohl scheinen Verbesserungen denkbar. So könnte der Akzeptanz des FSF und seiner Empfehlungen durch eine behutsame Erweiterung Rechnung getragen werden. Entscheidend für die Auswahl sollte sein, dass die Leistungsfähigkeit und der Charakter des FSF als regulatorische Bench-mark-Institution beibehalten werden. Marktinfrastrukturen - OTC Central Counterparty Clearing als erster Schritt Die Verwerfungen der Finanzmarktkrise haben sich auch im Over-the-Counter-(OTC)-Markt für bestimmte Formen von Credit Default Swaps gezeigt. Es wurde deutlich, dass das Entstehen neuer Produkte und Marktsegmente mit der Entwicklung effizienter, belastbarer und verlässlicher Marktinfrastrukturen einhergehen muss. Nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Ausfallrisiken haben stabile Verrechnungs- und Risikomanagementsysteme weiter an Bedeutung gewonnen. Central Counterparty Clearing (CCP) kann für standardisierte Produkte ein Mittel sein, um das Kontrahenten- beziehungsweise Gegenparteienrisiko zu verringern und die Markttransparenz zu erhöhen, indem den Aufsichtsbehörden und den Marktteilnehmern aggregierte Informationen zu den offenen Risikopositionen zur Verfügung gestellt werden. Die Minderung von Gegenparteienrisiken und die Erhöhung von Markttransparenz vermindern zugleich die Wahrscheinlichkeit negativer spillover-Effekte im Falle des Ausfalls eines Marktteilnehmers. Vor diesem Hintergrund begrüßt der ZKA die Pläne zur Einführung eines oder mehrerer zentraler Kontrahenten für Kreditderivate in Europa. Der Aufbau einer effizienten Finanzmarktinfrastruktur ist ein Bestandteil zur Verbesserung der Transparenz und Kontrolle von Risiken in einem modernen Finanzmarkt. Es muss dabei jedoch klar gesehen werden, dass sich bei Weitem nicht alle OTC-Produkte, da nicht standardisiert, für ein solches Clearing eignen. Auf globaler Ebene darf zugleich der Informationsaustausch zur Gewährleistung der technischen Interoperabilität verschiedener OTC-Clearingsysteme nicht aus dem Auge verloren werden. Es ist auf Produktebene jeweils zu prüfen, ob ein Clearing über einen CCP sachgerecht ist. Dieser auch für die Finanzierung der Wirtschaft insgesamt wichtige Markt sollte nicht durch strengere Anforderungen an die Kapitalunterlegung weiterhin OTC-gehandelter Derivate ausgetrocknet werden. Neuregelung der Kapitalunterlegung Der Beschluss der G20, bis Ende März 2009 Vorschläge zur Verbesserung der Kapitalausstattung der Banken zu unterbreiten, ist grundsätzlich zu begrüßen. Der ZKA empfiehlt jedoch, zunächst die internationale Umsetzung des Basel-II-Regelwerkes zu beschleunigen und dessen Wirksamkeit in der Praxis zu prüfen; nationale Alleingänge sind dabei abzulehnen. Es bleibt fraglich, ob pauschale, höhere Mindestkapitalanforderungen die aktuelle Finanzmarktkrise verhindert hätten. Besser geeignet sind risikoadäquate Anpassungen der Kapitalanforderungen in bestimmten Bereichen. In ihrer Abschlusserklärung zum Gipfel vom 15. November 2008 wiesen die G20 auf die Möglichkeit prozyklischer Wirkungen von risikosensitiven Kapitalanforderungen hin. Da die neuen Eigenkapitalvorschriften in der EU flächendeckend erst 2008 in Kraft getreten sind und in anderen Ländern noch gar nicht umgesetzt wurden, sind Erfahrungen mit deren tatsächlichen Wirkungsweise kaum vorhanden. Daher sollte, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit prozyklischer Wirkungen eingehender untersucht werden. Dämpfung prozyklischer Wirkungen Zur Dämpfung prozyklischer Wirkungen wird zurzeit eine ganze Reihe von Vorschlägen diskutiert. Besonderes Interesse ist dabei dem Konzept des "dynamic provisioning" entgegengebracht worden. Bei der weiteren Prüfung dieses und weiterer Konzepte - zum Beispiel durch den Baseler Ausschuss, das FSF oder den IWF - muss sowohl der tatsächlichen Wirksamkeit als auch den praktischen Auswirkungen, insbesondere mit Blick auf die Heterogenität der Kreditinstitute und deren Eigenkapitalformen in den Mitgliedstaaten, Beachtung geschenkt werden. Dies gilt sowohl für die jeweils isolierte Betrachtung als auch hinsichtlich der Gesamteffekte der neuen Eigenkapitalregeln. Auch sollte hierbei das Zusammenwirken der drei Säulen von Basel II berücksichtigt werden. Unabdingbar ist zudem die Klärung, in welcher Weise internationale, aber auch nationale Rechnungslegungsstandards angepasst werden müssten. So lassen zum Beispiel beim Konzept des "dynamic provisioning" die internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS in ihrer gegenwärtigen Formulierung eine Reservenbildung im Rahmen der Gewinnermittlung nicht zu. Risikoadäquate Kapitalunterlegungen, insbesondere für Handelsbuch-Positionen, sind sinnvoll. Allerdings bedarf die konkrete Ausgestaltung einer intensiven Diskussion mit der Kreditwirtschaft. Eine pauschale Erhöhung der aufsichtlichen Kapitalanforderungen ohne eine vorhergehende Wirkungsanalyse würde lediglich zu unverhältnismäßig hohen Kapitalbelastungen der Institute führen. Ein ausgewogenes, risikogerechtes Anreizsystem zwischen Positionen des Anlage- und des Handelsbuches kann auf diesem Weg nicht erreicht werden. Im Rahmen des G20-Gipfels sollte daher diskutiert werden, wie Kapitalanforderungen an das Handelsbuch so ausgestaltet werden können, dass sie im Einklang mit den übernommenen Risiken der Institute stehen. Gleichzeitig sollte ein größtmöglicher Gleichlauf der aufsichtlichen Kapitalanforderungen mit den internen Risikosteuerungsmethoden der Institute angestrebt werden. Dieser würde, insbesondere im Bereich der Produktinnovationen, eine kontinuierliche Weiterentwicklung des internen Risikomanagements unterstützen und gleichzeitig eine auf die individuelle Portfoliostruktur des Institutes abgestimmte aufsichtliche Risikobegrenzung sicherstellen. Darüber hinaus sollte aufgrund der formal heterogenen Ausgestaltung von Eigenkapitalinstrumenten in den Mitgliedstaaten beim Bemühen um eine harmonisierte Definition die materielle Wirkung des Eigenkapitalcharakters im Vordergrund stehen. Liquiditätsunterlegung Der ZKA ist angesichts der derzeit noch erheblichen Unterschiede in den nationalen Liquiditätsvorschriften der Auffassung, dass dem Liquiditätsrisikomanagement auf internationaler Ebene mehr Beachtung geschenkt werden muss. Bei grenzüberschreitenden Bankengruppen sollte auf eine Konvergenz der Regeln sowie der Aufsichtspraxis der unterschiedlichen Behörden hingewirkt werden. Darüber hinaus sollte eine konsistente Liquiditätspolitik der Zentralbanken angestrebt werden auf jeden Fall unter den EU-Staaten, aber auch im Hinblick auf bedeutende Nicht-EU-Staaten. Grenzüberschreitend tätige Bankengruppen steuern ihr Liquiditätsrisiko überwiegend auf Gruppenebene. Bei der Überarbeitung der Liquiditätsvorschriften sollten daher auch Gruppensysteme aufsichtlich anerkannt werden und entsprechende Rückschlüsse für die Zusammenarbeit der Heimat- und der Gast-land-Aufsichtsbehörden gezogen werden. Die diesbezüglichen, im Rahmen von CEBS koordinierten Aktivitäten auf EU-Ebene sollten eng mit den Arbeiten auf Ebene des Baseler Ausschusses verzahnt werden, um Inkonsistenzen in den jeweiligen Regelwerken zu vermeiden. Prinzipienbasierte Regulierung Anzustreben ist ein Gleichklang zwischen intern verwendeten Verfahren des Liquiditätsrisikomanagements und den aufsichtlichen Anforderungen. Dies erfordert eine weitgehend prinzipienbasierte Regulierung und eine Abkehr von umfassenden Detailvorschriften. Der Schwerpunkt der aufsichtlichen Regelungen sollte daher nicht quantitativer Natur sein, sondern auf qualitativen Elementen liegen und insofern die Prozesse und die bankinternen Systeme des Risikomanagements in das Zentrum der aufsichtlichen Betrachtung rücken. Die konkrete Ausgestaltung des Liquiditätsrisikomanagements muss zum einen der Größe und Art der betriebenen Geschäfte und dem Risikoprofil des Instituts entsprechen; zum anderen muss die aufsichtliche Überwachung den institutsspezifischen Gegebenheiten entsprechen. Insoweit ist das Prinzip der doppelten Proportionalität strikt zu beachten. Wie die aktuellen Turbulenzen gezeigt haben, ist eine Eigenkapitalunterlegung von Liquiditätsrisiken nicht einmal ansatzweise geeignet, größere Liquiditätsprobleme zu beheben. Einer hohen Zusatzbelastung für die Institute stehen keine nennenswerten positiven Effekte gegenüber. Ein Kreditinstitut ist dann risikotragfähig, wenn die potenziellen Liquiditätslücken durch jederzeit liquidierbare Aktiva oder Kreditlinien gedeckt sind und das Eigenkapital des Instituts die übrigen eingegangen Risiken abdeckt. Weltweite Risk-Map Ausgehend von einem Vorschlag der Expertengruppe "Neue Finanzarchitektur" der Bundesregierung unter Leitung von Professor Otmar Issing hat sich der Vorschlag einer weltweiten Risk-Map und ergänzend eines globalen Registers für systemisch relevante Kreditaufnahmen in der aktuellen Diskussion etabliert. Dieser Vorschlag erscheint dem ZKA zum einen besonders bedenkenswert mit Blick auf die als notwendig erkannte Mikro-Makro-Verknüpfung, also die Zusammenschau der Beaufsichtigung vor allem systemrelevanter Kreditinstitute mit den Marktentwicklungen in bestimmten Regionen und Assetklassen. Zum anderen wäre eine Evidenzzentrale ein deutlich milderes und marktkonformeres Instrument als ebenfalls aktuell diskutierte risikounabhängige Leverage-Ratios. Eine zentrale Evidenzstelle könnte wertvolle Beiträge dazu leisten, Lücken im heutigen System der weltweiten Finanzaufsicht zu schließen und Fehlentwicklungen im Interesse aller Beteiligten früher erkennbar werden zu lassen. Dabei sind der erwartete Nutzen und die entstehenden administrativen Kosten gegeneinander abzuwägen, sodass sich die Evidenzmeldungen in der Tat auf systemisch relevante Kreditaufnahmen beschränken sollten. Unter dieser Nebenbedingung muss die Frage im Mittelpunkt stehen, wie sichergestellt werden kann, dass der Überblick über relevante Risikolagen aufseiten der Aufsicht wirklich entsteht. Durch eine Evidenzzentrale würden auch Aktivitäten in Off-Shore-Finanzzentren transparenter. Auch bislang wenig regulierte Vehikel wie Hedgefonds oder SIVs (Structured Investment Vehicles) und SPVs (Special Purpose Vehicles) kämen, gegebenenfalls mit ihrem Leverage, in den Gesichtskreis ihrer jeweiligen Aufsicht. Eine solche Lösung im Wege der Steigerung der Transparenz für alle Beteiligten wäre weitaus systemkonformer und sachgerechter als eine Begrenzung des Leverage und wäre eine wichtige Ergänzung makroökonomischer Analysen, etwa des IWF. Ratingagenturen Anders als bei Unternehmensanleihen, bei denen Investoren über umfassende Informationen zum betreffenden Emittenten verfügen, sind sie bei strukturierten Finanzprodukten stärker auf eine Einschätzung der Qualität der Forderungs-Portfolios und der einzelnen Tranchen seitens neutraler Dritter mit entsprechender Reputation angewiesen. Die Ratingagenturen haben diese Funktion übernommen, dabei jedoch gravierende Schwächen gezeigt. Das verlorene Vertrauen in die Verlässlichkeit und Aussagekraft von Ratings muss rasch wieder hergestellt werden. Eine Regulierung der Ratingagenturen, mit dem Ziel, ein hohes Niveau der Ratings zu garantieren, kann hierbei hilfreich sein. Entsprechende Forderungen der G20 vom November 2008 treffen daher auf die Zustimmung des ZKA. Begrüßenswert ist zudem, dass als Basis hierfür der international anerkannte Verhaltenskodex der "International Organization of Securities Commissions (IOSCO)" für das Verhalten von Ratingagenturen genutzt werden soll. Er dürfte alleine aber nicht zur Qualitätsssicherung der Ratings genügen. Während in den USA die Börsenaufsichtsbehörde bereits über gesetzliche Möglichkeiten verfügt, Einfluss auf das Verhalten der Ratingagenturen auszuüben, fehlen diese in der Europäischen Union bislang weitgehend. Die EU-Kommission hat mit Verordnungsentwurf über Ratingagenturen vom 12. November 2008 daher folgerichtig entschieden, auch in der EuropäischenUnion eine entsprechende Regulierung vorzunehmen. Da unterschiedliche regulatorische Rahmenbedingungen für Ratingagenturen Zweifel an der Objektivität und vor allem an der internationalen Vergleichbarkeit von Ratings auslösen können, sollten die Regulierungsansätze diesseits und jenseits des Atlantiks zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Diese Voraussetzungen hat der Verordnungsentwurf in seiner ursprünglichen Form leider noch nicht erfüllt. Verantwortung der Kreditwirtschaft Der G20-Gipfel kann wichtige Impulse setzen. Zugleich steht fest, dass danach die Arbeit fortgesetzt werden muss. Es ist mit einer Fülle von wohl mehr als 50 Projekten zu rechnen, die vom Gipfel aufgesetzt werden. Fragen nach der Konsistenz des Regulierungsprozesses und nach ihrer Qualität können bei so vielen Projekten entstehen. Die Kreditwirtschaft bietet ihre Mitwirkung an, eine hohe Qualität der Bankenregulierung sicherzustellen. Sie sieht den G20-Aktionsplan als Ergänzung zu den eigenen Anstrengungen der Kreditwirtschaft an, die die Widerstandsfähigkeit des Weltfinanzsystems stärken. Kreditinstitute haben individuell und kollektiv eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, mit denen die durch die Krise identifizierten Schwächen beseitigt werden sollen. Die Kreditinstitute verstehen dies auch als Ausdruck ihrer eigenen Verantwortung.

Gerhard Hofmann , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
Noch keine Bewertungen vorhanden


X