Aufsätze

Auswirkungen der Finanzmarkt-Richtlinie auf die Institutsaufsicht

Am 15. November 2006 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente beschlossen.1) In erster Linie sind Wertpapierhandels-, Börsen- und Kreditwesengesetz zu novellieren, um den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Beaufsichtigung von Intermediären und Handelsplätzen Rechnung zu tragen. Die Finanzmarkt-Richtlinie vom 21. April 2004 (MiFID)2) ist der gewichtigste Baustein des Financial Services Action Plan (FSAP) der EU-Kommission vom Mai 1999. Diesem Programm mit dem Ziel, Hindernisse für den grenzüberschreitenden Dienstleistungs- und Kapitalverkehr abzubauen und einen integrierten europäischen Finanzmarkt zu errichten, entstammen unter anderem bereits die Marktmissbrauchs-, die Prospekt- und die Transparenzrichtlinie.

Engere Kooperation in der EU

Durch europaweit harmonisierte Zulassungsanforderungen, Organisations- und Wohlverhaltenspflichten, die gegenüber der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993 präzisiert und ergänzt wurden, sollen der Anlegerschutz erhöht und die Chancengleichheit der Institute auf dem europäischen Binnenmarkt gefördert werden. Parallel dazu werden durch eine hohe Handelstransparenz, die explizite Pflicht zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen und den Wegfall von Börsenprivilegien wichtige Voraussetzungen für einen gemeinschaftsweiten Wettbewerb zwischen organisierten Märkten und anderen Handelsplätzen geschaffen.

Eine intensivere Kooperation der Aufsichtsbehörden und eine stärkere Berücksichtigung des Herkunftsstaatsprinzips bei der Überwachung grenzüberschreitender Finanzdienstleistungen tun ein Übriges, um das Ziel eines ebenso effizienten wie vertrauenswürdigen Marktes für den Austausch von Kapital und Finanzdienstleistungen zwischen Unternehmen und Privatkunden näher rücken zu lassen.

Nicht nur die beaufsichtigten Unternehmen müssen sich mit zum Teil großem Aufwand auf das In-Kraft-Treten der Neuerungen am 1. November 2007 vorbereiten. Auch die BaFin steht vor bedeutenden Herausforderungen, wenn es darum geht, die Regelungen im Dialog mit den Marktteilnehmern mit Leben zu erfüllen und an einer sachgerechten praktischen Umsetzung mitzuwirken. Dabei ist sie eingebunden in ein Netzwerk europäischer Aufsichtsbehörden und muss noch stärker als zuvor auf die Kooperation mit ihren Partnern in den anderen Mitgliedstaaten bauen. Die MiFID schreibt ein straffes grenzüberschreitendes Zusammenwirken vor, um die Überwachung des Binnenmarkts für Finanzinstrumente sicherzustellen. Die unverzügliche gegenseitige Unterstützung bei der Sachverhaltsaufklärung und Verfolgung von Verstößen darf nur in wenigen Ausnahmefällen verweigert werden.

Auslegungsfragen bei den Intermediärs-Pflichten

In verschiedenen Arbeitsgruppen des Ausschusses der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) wirkt die BaFin daran mit, auf Stufe 3 des sogenannten Lamfalussy-Verfahrens gemeinsame Grundsätze für die Auslegung der neuen Vorschriften zu entwickeln und die Verwaltungspraxis zu harmonisieren, um so wettbewerbsverzerrende Unterschiede bei der Institutsaufsicht in den Mitgliedstaaten zurückzudrängen. In allen Phasen dieser Prozesse werden die Marktteilnehmer eingebunden. Ein ambitionierter Arbeitsplan sorgt dafür, dass zumindest die Fragen rechtzeitig geklärt werden, die für die Funktionsfähigkeit des neuen Regimes essenziell sind. Hierzu gehört beispielsweise eine Abstimmung über die Behandlung bestehender europäischer Pässe für den Dienstleistungsverkehr und die Aufteilung der Aufsichtstätigkeit zwischen Heimat- und Aufnahmestaatsbehörde bei grenzüberschreitend tätigen Instituten, mit der in Zukunft Überschneidungen bei der Prüfung von Instituten besser verhindert werden sollen.

Erstmals sind zukünftig die Anlageberatung sowie Dienstleistungen rund um exotische Derivate als zulassungspflichtige Wertpapierdienstleistungen zu beaufsichtigen. Die Finanzanalyse wird Nebendienstleistung mit der Folge, dass die Wohlverhaltens- und Organisationspflichten sich bei beaufsichtigten Instituten hierauf erstrecken. Auch wenn hierfür die Aufsichtsprozesse anzupassen sind, werden doch die meisten betroffenen Unternehmen aufgrund ihrer sonstigen Geschäftstätigkeit bereits heute zum Kreis der Erlaubnispflichtigen gehören, sodass sich die Zahl der Neuzugänge in der BaFin-Kartei in Grenzen halten wird. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch machen will, neben den Fonds-Vermittlern auch die reinen Fonds-Berater nur der Gewerbeaufsicht zu überlassen.

Für die gemeinschaftsrechtlich mit zum Teil großem Detailgrad vorgegebenen Wohlverhaltens- und Organisationspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen Auslegungsfragen beantwortet und Vorstellungen darüber entwickelt werden, wie deren Einhaltung effizient und risikoorientiert überwacht werden kann. Dies gilt insbesondere für die Pflicht, Kundenaufträge bestmöglich auszuführen, für das Interessenkonfliktmanagement mit besonderen Regelungen zu Mitarbeitergeschäften und Finanzanalysen sowie für das Verbot von solchen geldwerten Zuwendungen an oder von Dritten, die nicht die Qualität der Dienstleistung verbessern.

Transparenz des Handels

Neu ist auch die Einstufung in Privatkunden, professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen an die Informations- und Berichtspflichten der Institute und die Bewertung geeigneter Produkte. Damit alle Wertpapierdienstleistungen durch die BaFin überwacht werden können, werden die Institute zu aufschlussreichen Aufzeichnungen verpflichtet, anhand derer insbesondere die Einhaltung der Wohlverhaltensregeln nachvollziehbar belegt werden kann. Hierfür sind Maßgaben zu entwickeln, die sowohl dem Bedürfnis der Prüfer nach verlässlichen Unterlagen, wie dem berechtigten Interesse der Institute daran, kostenträchtige Archivierungen zu begrenzen, Rechnung tragen.

Wertpapierfirmen werden künftig verpflichtet sein, ihre außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems getätigten Geschäfte in börsenzugelassenen Aktien unverzüglich zu veröffentlichen. Das Nähere hierzu wird in der EU-Durchführungsverordnung geregelt. Die Einhaltung dieser Pflicht zur Nachhandelstransparenz wird von der BaFin zusammen mit den übrigen Organisations- und Wohlverhaltensregeln der §§ 31 ff. WpHG regelmäßig überprüft werden.

Die BaFin wird nach Umsetzung der MiFID auch die Einhaltung der für systematische Internalisierer im Sinne des neuen § 2 Abs. 10 WpHG geltenden Vorschriften überwachen, sofern diese Aufträge in börsenzugelassenen Aktien unterhalb der standardmäßigen Marktgröße ausführen. Die in das Wertpapierhandelsgesetz neu eingefügten Vorschriften geben zusammen mit der EU-Durchführungsverordnung umfangreiche Pflichten vor, etwa laufend Quotes für den Ankauf und Verkauf zu stellen und zu veröffentlichen. Es bleibt abzuwarten, ob die hier selbst für MiFID-Verhältnisse hohe Regulierungsdichte dazu führt, dass es auch in Zukunft bei der derzeit eher geringen Bedeutung der systematischen Internalisierung bei der Ausführung von Kundenaufträgen bleibt. Dies wird auch davon abhängen, wie die auslegungsfähigen Voraussetzungen für die Einstufung als systematischer Internalisierer in der Praxis gehandhabt werden.

Als Finanzdienstleistung gilt nach der MiFID auch das Betreiben eines multilateralen Handelssystems. Diese Handelsplattformen sind mit den bisherigen börsenähnlichen Einrichtungen nach dem Börsengesetz vergleichbar, die als Ausführungsplätze bisher nur eine untergeordnete Bedeutung hatten. Dies dürfte sich in Zukunft ändern, wenn der im November 2006 bekannt gewordene Plan sieben großer Investmentbanken verwirklicht wird, ein eigenes multilaterales Handelssystem in Konkurrenz zu den etablierten Börsen zu errichten.

Umstellung des Meldewesens

Die Umsetzung der MiFID wird weiterhin sowohl für die BaFin als auch für die Institute erhebliche Veränderungen bei dem Meldewesen nach § 9 WpHG bringen. Wertpapierdienstleistungsunternehmen werden ihre Transaktionen künftig nur noch an die zuständige Behörde des Heimatlandes melden. Diese wiederum leitet die Informationen an die Behörde des liquidesten Marktes für das betreffende Finanzinstrument weiter. Dies führt insbesondere bei der Überwachung der Börsen mit vielen remote members (Frankfurter Xetra-Handel, Eurex) dazu, dass der BaFin ein erheblicher Anteil der Transaktionen nicht mehr auf direktem Wege, sondern über andere Aufsichtsbehörden mitgeteilt wird.

Hier sind auf europäischer wie auf nationaler Ebene große Anstrengungen erforderlich, damit dieser Datenaustausch möglichst schnell und ohne Qualitätsverluste funktionsfähig wird. Denn die Meldungen über getätigte Geschäfte sind für die Aufsicht die unverzichtbare Grundlage für eine wirksame Überwachung von Insiderhandel und Marktpreismanipulation.

Auch die Institute werden ihre Meldesysteme im Jahr 2007 an die veränderten rechtlichen Vorgaben, insbesondere aufgrund der EU-Durchführungsverordnung, anzupassen haben. Aus Zeit- und Kostengründen dürfte es dabei bei der näheren nationalen Ausgestaltung sinnvoll sein, soweit möglich auf der bisherigen Grundstruktur des Meldesatzes aufzubauen.

Bei allem mit der Umsetzung der MiFID verbundenen Aufwand sollte nicht vergessen werden, dass der verbesserte Anlegerschutz das Vertrauen in den Kapitalmarkt stärken und ein weiter harmonisierter Binnenmarkt leistungsfähigen, gut organisierten und transparenten Instituten und Börsenbetreibern neue Chancen bieten kann. Die BaFin wie auch die meisten deutschen Unternehmen werden diese Herausforderungen meistern, wenn sie das neue Jahr 2007 gemeinsam nutzen. Als Belohnung winkt danach erst einmal eine Regulierungspause, denn zumindest hinsichtlich der Aufsicht über den Wertpapierhandel stehen in nächster Zeit keine vergleichbaren Richtlinienvorhaben an.

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