Schwerpunkt Personal

Die Corporate University als Wettbewerbsfaktor

"Eine Corporate University ist eine von einem Unternehmen betriebene Fortbildungseinrichtung, die der Aus- und Fortbildung von Mitarbeitern dient. Lehr- und Ausbildungspläne richten sich an der strategischen Ausrichtung des jeweiligen Unternehmens aus. Es handelt sich entgegen der Bezeichnung nicht um eine Hochschule. Die verliehenen Abschlüsse werden in der Regel nicht staatlich anerkannt."1) So beschreibt die freie Enzyklopädie Wikipedia den Begriff der Corporate University.

Eine Bandbreite wesensverschiedener Modelle

Zur Zielsetzung solcher Einrichtungen führt sie weiter aus:2) "Da es an einem einheitlichen Verständnis von Corporate Universities mangelt und ein konzeptioneller Rahmen zur Systematisierung fehlt, versteckt sich hinter dem Begriff eine Bandbreite wesensverschiedener Modelle. Einige dienen nur der unternehmensinternen Weiterbildung, andere agieren auf dem freien Markt oder sind in beiden Sektoren tätig. Manche dienen als elitäre Kaderschmiede, andere als innovationsstimulierende Kontaktbörse. Viele betreiben nur Managemententwicklung, andere umfassende Personalentwicklung. Wieder andere steigen gleich bei der ganzheitlichen Unternehmensentwicklung ein." Als idealtypisch wird sie mit folgenden Merkmalen dort charakterisiert:

1. Orientierung an der strategischen Ausrichtung des Unternehmens (Plattform für kernstrategische Initiativen und Aktivitäten).

2. "Studium" auf der Basis eines begleitenden Projekts.

3. Unterstützung der Internationalisierung des Unternehmens.

4. Virtuelles Lernen mit Hilfe moderner IT- und Kommunikationstechniken, zum Beispiel Tele-Learning, Business-TV, Multimedia, Internet oder Intranet.

5. "Studium" zum Großteil auf der Basis von Selbstorganisation. Das Unternehmen stellt den Rahmen, der von Mitarbeitern oder Arbeitsgruppen ausgefüllt wird, zur Verfügung.

6. Entwicklung der Unternehmenskultur.

7. Netzwerk von Experten inklusive Business School.

8. Verknüpfung von individuellem und organisationalem Lernen.

Nach Wimmer und anderen (2002) "besteht in der Literatur über die grundlegenden Elemente des Konzeptes weitgehende Einigkeit: Im Kern stellt die Corporate University eine innovative Lernarchitektur dar, die Personal- und Unternehmensentwicklung miteinander verzahnt und Lernprozesse in den Strategieprozess des Unternehmens integriert."3)

Ganz ähnlich definiert Andresen (2003) Corporate Universities als "firmeneigene Lerninstitutionen, welche das strategische Management in Unternehmen stützen. Die Personalentwicklungsprogramme sind in verbindliche strategische Entwicklungskonzepte eingebunden. Lernen und strategisches Handeln werden als integraler Prozess verstanden."4)

Keine einheitliche Abgrenzung

Hovestadt/Beckmann kommen in ihrer Arbeit vom Februar 2010 mit dem Titel "Corporate Universities: Ein Überblick" zu der Feststellung: "Damit wären Corporate Universities deutlich von klassischen innerbetrieblichen Weiterbildungseinrichtungen, die auf das individuelle Lernen zielen, zu unterscheiden, und zwar durch ihre Funktion für die Umsetzung oder die Entwicklung der Unternehmensstrategie."5)

Einen anderen Weg der Definition wählen Klumpp/Helmstädter (2005): Eine "klassische Personal- und Weiterbildungsstelle" in einem Unternehmen wird demnach dann zu einer Corporate Academy, wenn sie über eigene Lehrplanung und Lehrkapazität verfügt; betreibt sie außerdem Forschung, handelt es sich um eine Corporate University. Unerheblich ist dabei, ob die University strategische Aufgaben hat.6)

So ist es nicht verwunderlich, dass Hanft/ Knust (2007) feststellen, " dass in den Definitionen die Aussagekraft wesentlicher Merkmale offen bleibt, sodass sowohl bei Vertretern der Praxis als auch der Wissenschaft weitgehende Unklarheit dahingehend herrscht, was sich konkret hinter der Organisationseinheit CU verbirgt."7)

Mögliche Gestaltungsformen einer CU

Die Gestaltungsformen von CUs sind unterschiedlich und vielfältig. Roland Deiser hat den Versuch unternommen, aus den in den verschiedenen Definitionen genannten Kernfunktionen von Lernarchitekturen vier idealtypische Modelle von Corporate Universities zu entwickeln (Roland Deiser, Corporate Universities - Modeerscheinung oder Strategischer Erfolgsfaktor? [1998] in: Organisationsentwicklung Nr. 1).

Er schreibt dazu: "Auch wenn diese Typen in der Realität kaum in Reinkultur vorkommen, liefern sie doch einen gewissen Orientierungsrahmen zur Kategorisierung vorhandener Praxisbeispiele.8) Die einzelnen Modelle sollen dabei keine Wertigkeit ausdrücken, die Wahl eines Typus hängt vom spezifischen Unternehmenskontext und den strategischen Absichten der Unternehmensführung ab. Man sollte sich nur im Klaren sein, dass die Entscheidung für ein bestimmtes Modell Folgen für das Gesamtdesign der Lernorganisation hat, und dass diese Entscheidung auf die Gesamtstrategie des Unternehmens 'rückkoppelt'. Ein 'Standardisierungsmotor' verlangt einen anderen Bauplan und hat andere wettbewerbsrelevante Effekte als ein 'Qualifikationszentrum', und eine 'Drehscheibe strategischen Wandels' kann kein unabhängiges Profit-Center sein. Probleme entstehen dann, wenn man versucht, alle genannten Funktionen zugleich abzudecken" (Übersicht 1).

Rolle von CUs in der Bildungslandschaft?

Glaubt man dem renommierten Magazin "The New Yorker", so sind Corporate Universities - unternehmensinterne Bildungsakademien - das am raschesten wachsende Segment im Bereich höherer Bildung in den USA (Roland Deiser, a.a.O.) Das war im Jahr 1998.10) Deiser kommt in einer Betrachtung aus dem Jahr 2009 in der Zeitschrift "Developing Leaders" (Issue 9: 2012) zu der Feststellung, dass die Zahl der CUs in den letzten 15 Jahren von weltweit 400 auf mehr als 4 000 angewachsen ist.11) Die Gründe dafür seien ziemlich klar erkennbar. In Zeiten eklatanten Wandels der Märkte und ihrer Volatilität, tektonischer Veränderungen in der Demografie, des radikalen Wechsels im Paradigma des Führens von Unternehmen, der Explosion im Bereich der Wissensökonomie und des beginnenden "war for talent". Lernen sei eben nicht nur eine Option. Sondern ein strategischer Imperativ. CUs sind die Antwort auf diese Herausforderung, Lernarchitekturen in Unternehmen in Form von "DNA of learning" in Geschäftsprozesse zu implementieren.12)

Zur quantitativen Ausbreitung der Corporate Universities in Deutschland liegen zwei Erhebungen aus den Jahren 2001 und 2005 vor. Die erste Erhebung von Wimmer und anderen kam zu dem Ergebnis, dass der Gesamtbestand bei den 1 000 größten Unternehmen auf zirka 80 geschätzt wird.13) Eine zweite Untersuchung von Klumpp/Helmstädter aus dem Jahr 2005 stellt fest, dass ihren Erhebungen zufolge ihr Anzahl stabil geblieben ist.14) Neuere Zahlen liegen nicht vor. Aus der Liste der Corporate Universities in Deutschland sind in der Finanzbranche sieben Unternehmen vertreten: Das Universum der verschiedenen Geschäftsmodelle von CUs fokussiert Deiser in drei großen Blöcken: der Bildung, der Integration und der Transformation.

Fokus auf Bildung:

- Zentrum für Führungskräfte-Entwicklung,

- Professionelles Trainings-Zentrum,

- Hochschul-Substitute.

Fokus auf Integration:

- Zentrum für Wissensmanagement,

- Lernen von wichtigen Elementen der Standardisierung in Praxis-Prozessen,

- Werkzeug zur kulturellen Integration.

Fokus auf Transformation:

- Vehikel für die Transformation der Strategie,

- Dialog-Plattform für den Stakeholder-Dialog,

- Plattform zur Verbesserung der Wertschöpfungskette.

Richtig komponiert kann eine CU eine Schlüsselinstitution sein, die im Wettbewerb nachhaltig wirkt. Sie kann den Anstoß dazu geben, das Unternehmen dauerhaft mit Wettbewerbsvorteilen auszustatten. Ihre eigentliche Rolle geht also darauf hinaus, einen entscheidenden Unterschied im Wettbewerb auszumachen. (Deiser a.a.O.)15) "Corporate Universities sind keine Wettbewerber klassischer Hochschulen, wenn es um den Leistungstypus geht. Und dieser Anspruch wird von ihnen auch nicht erhoben. Bezeichnend ist, dass nur wenige der anderen deutschen Einrichtungen, die ihren amerikanischen Vorbildern entsprechend als Corporate Universities bezeichnet werden, von den Unternehmen auch University genannt werden. Lediglich ein Drittel verwenden den Begriff University, während zwei Drittel andere Namen wie zum Beispiel Akademie, Academy, School oder Ähnliches wählten." (Hovestadt/Beckmann a.a.O.)16)

Kein Ersatz für Hochschulen

Wimmer und andere beschrieben 2002 das Verhältnis von Corporate University und Universität folgendermaßen: "Nicht Substitution, sondern Subsidiarität, nicht Wettbewerb, sondern Komplementarität - dies sind wohl die Merkmale, die das Verhältnis von Hochschulen und Corporate Universities auch in Zukunft prägen werden. Dieses Fazit kann gezogen werden: Weder in der Forschung noch in der Nachwuchsqualifizierung bieten Corporate Universities Ersatz für das, was an Hochschulen geleistet wird. - und sie wollen es auch gar nicht."17)

Im Unterschied zu den Universitäten gehört Forschung nicht zu den Aufgaben der meisten Corporate Universities, und sie beabsichtigen auch keine Wissenschaftlichkeit insofern, als sie nicht unabhängig sein wollen. Im Gegenteil, sie sind den Interessen ihrer Unternehmen verpflichtet. Die Hochschulen ihrerseits können individuell qualifizieren, aber keine strategische Entwicklung des Unternehmens bewirken oder umsetzen. (Hanft/Knust 2007).18) Corporate Universities wollen also weder die besseren noch eine Nachbildung der Hochschulen sein. Allerdings scheinen die Hochschulen ihrerseits durchaus um die Teilnehmer und um die finanziellen Mittel zu konkurrieren. Privathochschulen und Corporate Universities haben dieselbe Zielgruppe (Hovestadt/Beckmann a.a.O).19)

Stellenwert in der Gesellschaft

Die Gesellschaft ist auf funktionierende Unternehmen und Organisationen angewiesen. Es geht darum, dass diese sich so aufstellen, dass die Überlebensfähigkeit als Ganzes gesichert und gesteigert werden kann. Fredmund Malik hat dies in seinen Büchern überzeugend dargelegt (zum Beispiel: Die richtige Corporate Governance, 2008 Campus Verlag).20) Er sagt dazu: "Es kann gar nicht genug Wissen auf all diesen Gebieten geben, und es kann nicht genug fachlich ausgebildete Leute geben ... Man muss ihnen allerdings sagen, dass die fachliche Ausbildung nicht genügt und dass sie zusätzlich noch lernen müssen, wie man sein Wissen in Nutzen transformiert und, vor allem, wie man dies in einer Organisation tut."21) (a.a.O. Seite 115).

Konkret bedeutet das, dass der Stellenwert der Unternehmen und Organisationen durch eine derart ausgerichtete Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter gefestigt werden kann. Dies zeigt sich in stabilen und wettbewerbsfähigen Marktpositionen, in vergleichbar guter Produktivität, in stets ausreichender Liquidität, in permanenter Innovation bei Produkten und Verfahren, in sicheren Arbeitsplätzen für die Mitarbeiter, in vertretbaren Ergebnissen und - bei Sparkassen - in signifikanten Beiträgen für das Gemeinwohl.

Corporate Universities sind eine Chance für die Transformation von Wissen in Nutzen in Unternehmen und Organisationen. Wenn sie auf diese Weise aufgestellt sind, ist ihr Stellenwert in der Gesellschaft hoch einzuschätzen.

Fußnoten

1) Vgl. Wikipedia. Corporate University. http://de.wikipedia.org/wiki/Corporate_University [Stand: 12. August 2013].

2) Vgl. Wikipedia. ebd.

3) Vgl. Wimmers, R. & Nicolai, A.T. (2002). Strategische Lernarchitekturen in der deutschen Unternehmenslandschaft. http://www.osb-i.com//sites/default/files/user_upload/Publikationen/Wimmer_Nicolai_Strateg._Lernarchitekturen_in_der_dt.Unternehmenslandschaft.pdf [Stand: 8. August 2013].

4) Vgl. Andresen, M. (2003). Corporate Universities als Instrument des Strategischen Managements von Person, Gruppe und Organisation. In der Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jahrgang Heft 4, S. 391 bis 539.

5) Vgl. Hovestadt, G. & Beckmann T. (2010). Corporate Universities: Ein Überblick. http://www.boeckler.de/pdf/mbf_netzwerke_corporate_unis.pdf [Stand: 8. August 2013].

6) Vgl. Klumpp, M., Helmstädter, H. G. (2005). Corporate University: Definition und Konzepte. 3. Aufl., Campus Sapiens, S. 4.

7) Vgl. Hanft A., Knust M. (2007) Internationale Vergleichsstudie zur Struktur und Organisation der Weiterbildung an Hochschulen. http://www.bmbf.de/pubRD/internat_vergleichsstudie_struktur_und_ organisation_hochschulweiterbildung.pdf [Stand: 8. August 2013].

8) Vgl. Deiser R. (1998). Corporate Universities - Modeerscheinung oder strategischer Erfolgsfaktor? In der Zeitschrift Organisationsentwicklung; 17. Jahrgang Heft 1, S. 36 bis 49.

9) Vgl. Deiser R. (1998). ebd.

10) Vgl. Deiser R. (1998). ebd.

11) Vgl. Deiser R. (2012). Business Models Galore, Developing Leaders, Issue 9; http://www.rolanddeiser.com/source/11-6-12/Business%20Models%20Galore%20-%20The%20Colorful%20World%20of%20 Corporate%20Universities.pdf [Stand: 8. August 2013].

12) Vgl. Deiser R. (2012). ebd.

13) Vgl. Wimmer, R & Nicolai, A.T. (2002). Strategische Lernarchitekturen in der deutsche Unternehmenslandschaft; siehe FN 3.

14) Vgl. Klumpp, M., Helmstädter, H.G. (2005). Corporate University: Definition und Konzepte. 3. Auflage, Campus Sapiens, S. 4.

15) Vgl. Deiser R. (2012), Business Models Galore, Developing Leaders, Issue 9; siehe FN 11.

16) Vgl. Hovestadt, A. & Beckmann, T. (2010), Corporate Universities - Ein Überblick; siehe FN 5.

17) Vgl. Wimmer, R. & Nicolai, A.T. (2002). Strategische Lernarchitekturen in der deutschen Unternehmenslandschaft; siehe FN 3.

18) Vgl. Hanft A., Knust M. (2007). Internationale Vergleichsstudie zur Struktur und Organisation der Weiterbildung an Hochschulen; siehe FN 7.

19) Vgl. Hovestadt, A. & Beckmann, T. (2010), Corporate Universities - Ein Überblick; siehe FN 5.

20) Vgl. Malik, F. (2008), Die richtige Corporate Governance; Mit wirksamer Unternehmensaufsicht Komplexität meistern, 1. Aufl., Campus Verlag.

21) Vgl. Malik, F. (2008). ebd. Seite 115.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X