Aufsätze

Electronic cash oder internationales Karten-System - nur eine kaufmännische Entscheidung?

In elf Monaten ist es soweit: die "Single Euro Payment Area" (Sepa), der einheitliche europäische Zahlungsverkehrsraum tritt in Kraft. Damit verändert sich der bargeldlose Zahlungsverkehr in den Ländern Europas, die den Euro eingeführt haben, fundamental: Im Ergebnis wird es den Bankkunden möglich sein, Zahlungen innerhalb des gesamten EU 12-Euroraumes mit 310 Millionen Bürgern (beziehungsweise im erweiterten Raum mit zirka 470 Millionen Menschen) ebenso effizient und sicher vorzunehmen wie heute auf nationaler Ebene, und zwar von einem einzigen Konto. Die europäische Kreditwirtschaft unterstützt die Zielsetzung durch die Entwicklung einheitlicher Euro-weiter Verfahren für den Massenzahlungsverkehr. Für die zukünftigen Überweisungen und Lastschriften wurden verbindliche Regelwerke verabschiedet, für Zahlungen mit Debitkarten ein Rahmen (Sepa Card Framework - SCF) definiert.

Ec versus ELV

Mitte November letzten Jahres hatten die EZB und das Eurosystem, bestehend aus den nationalen Notenbanken, ihren Standpunkt zu einer "Sepa für Karten" veröffentlicht. Dabei äußerte das Eurosystem die Befürchtung, dass die Umsetzung des SCF in seiner gegenwärtigen, allgemein gehaltenen und interpretierbaren Form zur Erhöhung der Kartengebühren führen könne. Ferner zeigten sich die Regulatoren "äußerst besorgt", dass sich ein anbieterseitiges Duopol (aus den beiden internationalen Karten-Systemen maestro/Mastercard und V-Pay/Visa) bilden könne mit der Folge ungenügenden Wettbewerbs und damit steigender Preise.

In seinem Standpunkte-Papier merkt das Eurosystem auch an, dass die "Übertragung personenbezogener Daten in nicht aggregierter Form in Länder außerhalb der EU für Statistik- und Marketingzwecke zu vermeiden" ist. Bereits hieraus wird deutlich, wie essenziell es ist, ein europäisches Gegengewicht für den Debitkartenmarkt im Sepa-Raum zu schaffen.

In den einzelnen Ländern des Euro-Raumes werden seit Jahrzehnten unterschiedliche Verfahren für die überwiegend national begrenzten Kartenzahlungen eingesetzt; so sind etwa 98 Prozent der Kartenzahlungen deutscher Kunden in Deutschland initiiert, zirka zwei Prozent betreffen Zahlungen in anderen Euroländern und Nicht-Euroländer. In Deutschland werden Kartenzahlungen im eigentlichen Sinn über das "electronic cash"-Verfahren (ec) abgewickelt, das von der gesamten Kreditwirtschaft via zentralem Kreditausschuss als Dachorganisation der fünf Verbände getragen wird. Daneben existiert das vom Handel entwickelte Elektronische Lastschriftverfahren (ELV), bei dem die Karte lediglich als Datenbasis für die Generierung einer Lastschrift genutzt wird.

Während beim ec-Verfahren die kartenausgebende Bank (Issuer) durch eine Autorisierung die Zahlungsanfrage des Händlers garantiert, gibt es eine solche Garantie beim ELV nicht; hier wird lediglich eine Prüfung gegen eine Sperrdatei des Handels oder des Netzbetreibers vorgenommen. Die auch betragsgarantierende online-Autorisierung vergütet der Händler dem Issuer mit dem sogenannten Händlerentgelt, das in der Regel 0,3 Prozent des Rechnungsbetrages, bei Tankstellen bis zu einer bestimmten Betragsgrenze lediglich 0,2 Prozent ausmacht. Diese Zahlungssicherheit hat der Händler allenfalls noch bei Barzahlungen, wobei hier das Falschgeldthema, die Diebstahlgefahr und das aufwendige Handling wichtige Kostenkomponenten darstellen.

Konkurrenz durch Mastercard und Visa

Mit Einführung der Sepa werden sich die Internationalen Karten-Systeme (IKS) Mastercard und Visa in den einzelnen Euroländern auch als nationale Bezahlverfahren etablieren. So ist maestro bereits heute in Österreich das dominierende Verfahren, die belgische Kreditwirtschaft hat sich entschieden, ihr nationales Bancontact/ Mister-Cash-Verfahren zugunsten von maestro einzustellen. Die Gefahr einer solchen Entwicklung besteht sowohl für den deutschen Markt als auch für alle anderen Euroländer.

In Abbildung 1 werden das ec-Verfahren und die Methodik der IKS vergleichend dargestellt und in ihren Konsequenzen beleuchtet.

Beim ec-Verfahren sendet das Händler-Terminal eine standardisierte Autorisierungsanfrage (im ISO 8583-Protokoll) an den Netzbetreiber des Händlers. Der Netzbetreiber ermittelt anhand der übertragenen Bankleitzahl die Kopfstelle des entsprechenden kartenemittierenden Instituts (Bankverlag, Sparkassen-Verlag, DG-Verlag, VÖB-ZVD), die mit Hilfe der Bankleitzahl die Autorisierungsanfrage an den Issuer weiterleitet. Auf Basis der PIN-Verifikation, der Kartenlimit-Prüfung und der Disposition des angefragten Betrages am Konto des Käufers erfolgt die Autorisierung, die Antwort wird über denselben Nachrichtenweg an das Händlerterminal zurückgesandt. Im Falle der positiven Autorisierung bereitet der Netzbetreiber eine Lastschrift im DTA-Format vor, der Betrag wird per Lastschrift über die Bank des Händlers beim Issuer eingezogen. Im Ergebnis handelt es sich um ein überaus effizientes Verfahren mit fünf Beteiligten (Händler, Netzbetreiber, Kopfstelle, Issuer und Bank des Händlers).

Verschiedene Abwicklungsarten

Die IKS stützen sich bei der Abwicklung von Debitkarten-Zahlungen auf die für Kreditkartenzahlungen gebräuchliche Methode (siehe Abbildung 2). Das Terminal eines Händlers in Deutschland sendet die Autorisierungsanfrage ebenfalls im ISO 8583-Protokoll an den Netzbetreiber, der diese in das German ISO Credit Card-Format (GICC) umwandelt und anhand der Terminal-ID an den Acquiring Processor des Händlers weiterleitet. Der Processor konvertiert diese Nachricht in das Format für Autorisierungsanfragen und Clearinginformationen des jeweiligen IKS. Das IKS übermittelt diese Daten an den Processor des Issuers. Im Falle eines deutschen Issuers wandelt dessen Processor die Autorisierungs- und Clearingdaten in das bei uns gebräuchliche ISO 8583-Format um. Auf dieser Basis nimmt der Issuer die Autorisierung vor und sendet die Informationen auf demselben Weg zurück an das Händler-Terminal.

Der Zahlbetrag wird - unter Abzug der Interchange Fee, die der Acquirer für die Autorisierungsleistung an den Issuer zahlt - vom Issuer auf sein Konto bei der Settle-ment-Bank des IKS übertragen (siehe Abbildung 3). Das IKS übernimmt das Settlement der Zahlung mit dem Acquirer, der ebenfalls ein Konto bei dieser Settle-ment-Bank unterhält. Unter Abzug des vereinbarten Disagios überweist der Acquirer die aggregierten Zahlbeträge eines Tages beziehungsweise einer Woche oder eines Monats auf das Konto des Händlers bei der Händlerbank. Während die Händlerbank im ec-Verfahren aus jedem Umsatzposten des Händlers eine Lastschrift generiert und den Betrag vom jeweiligen Issuer einzieht, wird auf Basis einer Vereinbarung zwischen Acquirer und Händler im IKS-Fall einmal pro Tag, Woche oder Monat eine Gutschrift getätigt. Neben den Einnahmen aus der Lastschrift-Collection entgehen den Händlerbanken auch damit verbundene Float-Erträge sowie Geschäftsmöglichkeiten aus Cash-Management. Erste Verlierer stehen somit fest: die traditionellen Händlerbanken - sofern diese nicht versuchen, sich als Acquirer in einem heute schon stark umkämpften Markt zu etablieren. Ferner entfallen die Kopfstellen, es sei denn, sie wandeln sich zu Prozessoren für die Issuer.

Gewinner und Verlierer

Und wer sind die Gewinner? Zum einen gibt es zusätzliche "Player" in der IKS-Welt: neben den IKS und ihren Settlement-Banken sind dies die Acquirer, Acquiring Processor und Issuer Processor - wobei hierbei festzuhalten ist, dass diese Funktionen grundsätzlich voneinander zu unterscheiden sind, in der Praxis aber häufig durch einzelne Unternehmen erbracht werden. So sind beispielsweise First Data (mit GZS und Telecash) und die zum Genossenschaftsbereich zählende Card Process in diesen Funktionen tätig. Jeder dieser zusätzlich Beteiligten generiert Erträge für seine Leistungen.

Die IKS werden von den Issuern (Autorisie-rungs-, Clearing/Settlement-, Volumen-, Karten-Fees) und von den Acquirern (Clearing/Settlement- und Volumen-Fee) bezahlt. Es drängt sich beim Betrachten der beiden Alternativen durchaus die Frage auf, ob und wie das komplexere IKS-Modell auf Dauer kostengünstiger und effizienter als das ec-Verfahren sein kann.

Wer trifft die Entscheidung, über welchen Routing-Weg die Transaktionen abgewickelt werden? Hierbei ist zunächst maßgeblich, um welche Kartenart es sich handelt. Eine Karte mit nur einem Kartensystem-Logo kann natürlich nur über diesen Weg abgewickelt werden: also eine reine ec-Karte nur über das ec-Verfahren, eine reine IKS-Karte über den IKS-Weg. Hierbei sei am Rande angemerkt, dass die nationalen Verfahren Sepa-fähig werden müssen, um in Zukunft agieren zu können; für Details wird auf das eingangs zitierte Standpunk-te-Papier des Eurosystems verwiesen.

Co-Branding

Sollte eine Karte mit Co-Branding-Funktionalität zwei oder mehrere Verfahren unterstützen, so ist für den Routing-Weg die Voreinstellung am Händler-Terminal entscheidend. Hier wird der Routing-Weg festgelegt, hier liegt die Routing-Intelligenz - also beim Netzbetreiber, der ja oftmals in einem unternehmerischen Verbund mit Acquirern und Processoren arbeitet. Die Geschäftsbanken verlieren damit "den letzten Meter" zu ihrem Kunden, dem Händler, und werden im Tagesgeschäft auf die Rolle des Kontoführers reduziert.

Von besonderem Wert für jedes Kartensystem sind natürlich Karten, die kein Co-Branding aufweisen, also nur das eigene Verfahren unterstützen, zum Beispiel "econly", "maestro-only". Die Entscheidung, welches beziehungsweise welche Verfahren von der jeweiligen Debit-Karte unterstützt werden, liegt beim Issuer. Dieser wird sich regelmäßig von rein ökonomischen Aspekten bei der Frage leiten lassen, welche Karten seinen Kunden offeriert werden sollen. In der Vergangenheit haben die deutschen Kunden ganz überwiegend die Variante ec (für Inlandszahlungen) mit einem Co-Branding von maestro (für den Auslandseinsatz der Karte) gewählt.

Für eine gewisse Aufmerksamkeit im Markt hat die von Mastercard publizierte Entscheidung der Sparda-Banken gesorgt, ihren Kunden ab Anfang 2008 nur noch maestro-Karten anzubieten. Da die Erträge für die Sparda-Banken aus Interchange Fees unter Berücksichtigung der Kosten für den Issuing Processor und vor allem das IKS niedriger sein dürften als das Händler-Entgelt im ec-Modell, muss das ökonomische Rational woanders zu suchen sein.

Einsatz am Automaten

Neben der Transaktion am Händler-Terminal werden Debit-Karten überwiegend zur Selbstbedienung am Geldausgabeautomaten (GAA) eingesetzt. Während die Nutzung von Geldausgabeautomaten bei der kontoführenden kartenemittierenden Bank aufgrund eines BGH-Urteils gebührenfrei erfolgen muss, werden Verfügungen bei fremden Banken den Kunden in Rechnung gestellt.

Die automatenbetreibende Bank erhebt solange es sich nicht um Verfügungen von Kunden aus dem eigenen Verbund oder von Cash-Group- beziehungsweise Cash-Pool-Partnern handelt - bei der kartenemittierenden Bank für die Nutzung des GAA einen Preis. Gerade von ländlichen Instituten, die zum Teil mit ihren Automaten über monopolähnliche Standorte verfügen, sind Preise von bis zu 25 Euro pro Abhebung bekannt.

Wird allerdings eine Automaten-Verfügung mit einer "maestro-only"-Karte vorgenommen, so fällt in der Regel in Ermangelung anderer Vereinbarungen lediglich eine vergleichsweise geringe fall-back-Servicegebühr an, die bei üblichen Abhebungen von 150 bis 300 Euro bei gut einem Euro liegen. Ein weiterer Gewinner eines Wechsels von ec zu maestro ist also im Kreis jener Issuer zu suchen, deren Kunden überproportional die GAAs dritter Banken aufsuchen. Diese Automatenbetreiber gehören damit neben den Händlerbanken ebenfalls zu den Verlierern.

Weniger Bargeldtransaktionen

So weit zur kurzfristigen Sicht - langfristig ist noch ein weiterer Punkt von Relevanz. Durch den demografischen Wandel und das sich verändernde Transaktionsverhalten der Kunden ist im Ergebnis zu erwarten, das sich der Anteil der Bargeld-Transaktionen stetig reduziert, während der Teil der Kartenzahlungen (und neuer Formen wie Zahlung über Handy) kontinuierlich wächst (siehe Abbildung 4).

Damit wird sich der heutige Vorteil der Issuer aus einem Wechsel von ec zu maestro oder V-Pay reduzieren, möglicherweise sogar in einen Nachteil umkehren. Denn mit abnehmenden Bargeld-Abhebungen

an Automaten dritter Banken sinkt auch der Einspareffekt aus der niedrigen fall-back-Servicegebühr, während der Nachteil aus einer geringeren, um Kosten bereinigten Interchange Fee im Vergleich zum höheren Händler-Entgelt bei ec stärker zu Buche schlägt.

Verlieren die Issuer an Bedeutung?

Ferner ist zu berücksichtigen, dass die IKS von steigenden Transaktionszahlen, wachsendem Liquiditätsfluss und zunehmendem Wissen über den einzelnen Karteninhaber, dem heutigen Kunden des Issuers profitieren werden. Was hindert ein IKS, bei genügendem Wissen über die Bonität und das Verhalten des Kunden, die Autorisierung selbst durchzuführen? Damit würde dem Issuer im Ergebnis die Interchange Fee als Entgelt für seine bisherige Autorisierungsleistung genommen, das IKS selbst würde sie vereinnahmen.

Darüber hinaus könnte der steigende Liquiditätsfluss die wachsenden Informationen über die Kunden des Issuers vom IKS und seiner Settlement-Bank dazu genutzt werden, direkt Kredit- und Einlagengeschäft anzubieten.

Warum sollten die IKS eine solche Möglichkeit, die sich aus der Kenntnis und dem Flow aus den Kartentransaktionen unmittelbar ergibt, ungenutzt verstreichen lassen? Wäre es in einer solchen Situation, in der es möglicherweise nur noch zwei IKS gibt, eine valide Option für den Issuer, das Kartenschema zu wechseln?

Im Ergebnis könnten die Gewinner der ersten Runde, die Issuer, die großen Verlierer der zweiten Runde sein. Sie könnten die Einnahmen aus Interchange Fees verlieren, da ihre Autorisierungsleistung nicht mehr benötigt wird und sie könnten auf ihrem ureigensten Feld, dem Kredit- und Einlagengeschäft von einem neuen Wettbewerber massiv attackiert werden. "Banking is necessary, banks are not" - sollte sich diese These von Bill Gates auf diesem Weg doch noch realisieren?

Nein, es gibt keinen Grund, das bei Händlern und Kunden gleichermaßen akzeptierte ec-Verfahren der deutschen Kreditwirtschaft aufzugeben. Die technischen Voraussetzungen für Sepa-Konformität (Einsatz von EMV-Chips, Spur 2-Verarbeitung) werden geschaffen und rechtzeitig realisiert, die Änderungen des Vertragswerkes wie zum Beispiel Regelwerke werden auf die Sepa-Gegebenheiten hin angepasst und den zuständigen Kartellbehörden zur Genehmigung vorgelegt. Für Händler, Kunden und Banken spricht alles dafür, am bewährten ec-Verfahren festzuhalten, das in eine europäische Allianz eingebettet ist.

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