Gespräch des Tages

Finanzmarktregulierung - MiFID II: neue Chancen für die Verbünde?

Die Finanzmarktrichtlinie MiFID II nimmt konkrete Formen an. Am 15. April dieses Jahres hat das EU-Parlament der Neufassung der EU-Marktrichtlinie zugestimmt. Voraussichtlich wird der im Februar dieses Jahres veröffentlichte - rund 700 Seiten starke - Kompromisstext dazu in einem der beiden kommenden Monate im Amtsblatt veröffentlicht, danach von der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde Esma konkretisiert werden und bis ins Jahr 2016 von den Marktteilnehmern umzusetzen sein. Wie so oft in den komplexen europäischen Verfahren zur Verabschiedung von Richtlinien und Verordnungen sind die Konturen der Neuerungen klar geworden. Deren endgültige praktische Umsetzung und Anwendung hierzulande wird aber noch eine Weile ungewiss bleiben.

In den Grundzügen unterscheidet sich MiFID II - so die Analyse von Markus Lange, Partner bei der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft - von MiFID I besonders darin, dass es sich nicht nur auf wenige Bereiche des Vertriebs von Wertpapieren bezieht, sondern auf nahezu alle Teile der Wertschöpfungskette. Das heißt, während MiFID I stark die Organisation des Vertriebs, insbesondere Personalfragen, Incentivierung und behördliche Eingriffsbefugnisse betraf, setzt MiFID II schon weiter vorne im Prozess an - bei der Produktherstellung. Artikel 16 der Richtlinie gibt beispielsweise vor, dass Kundeninteressen bereits bei der Konzeption von Fonds berücksichtigt werden sollen. Welche Vorgaben für die Umsetzung der (typisierten) Kundeninteressen in Prozesse der Produktion und Auswahl von Produkten für den Vertrieb gelten werden, ist bisher unklar. Hier tut sich eine Stelle auf, an der die Vorgaben aus Europa sowohl forsch als auch vorsichtig angewendet werden könnten. Ein Gedanke drängt sich dabei aber auf: Sowohl die Genossenschaftsorganisation mit ihrem Fondsanbieter Union Investment als auch die S-Finanzgruppe mit der Deka könnten diese neuen Rahmenbedingungen nutzen. Die bislang oftmals eher misstrauisch beäugte "geschlossene Architektur" ihres Wertpapiervertriebes lässt sich hier positiv wenden: indem die Verbundpartner demonstrieren, dass sie stärker als andere Anbieter und Vertriebspartner aufeinander und auf die gemeinsame Kundengruppe ausgerichtet sind.

Als Beispiel dafür, dass sich Vorgaben der EU mehr oder weniger streng in der nationalen Praxis ausgestalten lassen, mag im Rückblick MiFID I gelten. Hierbei wäre in gewissen Punkten eine strengere praktische Anwendung durch die Aufsichtsbehörden durchaus möglich. An einem der Punkte, der sowohl bei der Ausgestaltung von MiFID I als auch MiFID II am heftigsten diskutiert wurde, bei den Provisionen, kristallisiert sich das heraus. Ein durch MiFID I vorgegebenes und in § 31 d des Wertpapierhandelsgesetzes umgesetztes Provisionsverbot gilt zwar grundsätzlich, doch es werden zwei Ausnahmen formuliert. Erstens muss die Zuwendung darauf ausgelegt sein, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern, und zweitens muss ihr Umfang (oder aber die Art und Weise ihrer Berechnung) offengelegt werden.

Während das zweite Kriterium als Formalie leicht zu erfüllen sein sollte, lässt das erste durchaus aufhorchen. Aus einem Rundschreiben der BaFin aus dem Juni 2010 zur MAComp geht hervor, dass Banken genau ausweisen müssen, in welche Maßnahmen vereinnahmte Zuwendungen fließen. Das können die Bereiche Infrastruktur sein (Standortausstattung, Aufrechterhaltung eines Filialsystems), Personalressourcen (beispielsweise die Beschäftigung und Vergütung qualifizierter Mitarbeiter im Bereich der Anlageberatung) oder die Qualifizierung und Information der Mitarbeiter. Ausdrücklich akzeptieren die Aufseher es aber auch als qualitätsverbessernd, wenn die Mittel in Bereiche gehen, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen aufgrund anderer gesetzlicher Vorgaben ohnehin vorhalten muss, beispielsweise die Compliance-Funktion. Dass sich das Kriterium "Qualitätsverbesserung" deutlich strenger auslegen ließe, liegt auf der Hand. Wie MiFID II im Hinblick darauf konkret ausgestaltet wird, bleibt noch abzuwarten. Ein ausnahmsloses Verbot von Provisionen im Vertrieb ist zwar vom Tisch, das Thema bleibt aber weiter in der Diskussion.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X