Aufsätze

Gute Corporate Governance aus Sicht der katholischen Kirche

Theologischer Ausgangs- und Zielpunkt einer guten Führung und Steuerung kirchlicher Einrichtungen beziehungsweise Organisationen ist das katholische Kirchenrecht. Im fünften Buch des Codex Iuris Canonici über das "Kirchenvermögen" findet sich folgendes Leitmotiv, das kirchliches Handeln prägt: "Alle Verwalter sind gehalten, ihr Amt mit der Sorgfalt eines guten Hausvaters zu erfüllen" (Can. 1284 §1). Kirchliche Verantwortungsträger sollen demnach im wahrsten Sinne des Wortes Ökonomen sein - sie sollen mit anderen Worten ihr Haus derart bestellen, dass die Kirche ihrem ureigensten Sendungsauftrag dauerhaft nachkommen kann. Damit ist prägnant das beschrieben, was heute in der Welt börsennotierter Unternehmen unter dem Stichwort Corporate Governance verhandelt wird: eine verantwortungsvolle und wertorientierte Unternehmensführung.

Vertrauen und Kontrolle

Die katholische Kirche bringt ihre Sorgfaltspflicht dadurch zum Ausdruck, dass sie ihre Einrichtungen transparent und nachhaltig sowie mit einem hohen Maß an Vertrauen und Kontrolle führt. Dabei bedient sie sich moderner Managementsysteme, die aus der Wirtschaft allgemein bekannt sind und zu denen unter anderem der Cor-porate-Governance-Ansatz zählt.

Da die Kirche mit ihren Einrichtungen in vielerlei Hinsicht ähnlich wie Wirtschaftsunternehmen handelt, keinesfalls jedoch gleich, ergeben sich andere Zugänge zu den Managementkonzepten der Wirtschaft, die die Eigenheiten des kirchlichen Dienstes zum Tragen kommen lassen. Was es heißt, den Governance-Gedanken auf die Spezifika des kirchlichen Bereichs zuzuschneiden, wird zunächst ausgeführt. Nachfolgend wird dargelegt, dass Corporate Governance ebenso bei der Anlage kirchlichen Kapitals eine zentrale Rolle spielt. Schließlich ist die Kirche im Sinne des guten Hausvaters dazu verpflichtet, ihr Kapital nur in solche Emittenten zu investieren, die durch eine gute Governance-Politik relevante Risiken minimieren und mögliches Innovationspotenzial freisetzen.

Governance-Politik in der Kirche

Corporate Governance ist in der Kirche längst kein Fremdwort mehr. Die Eigenheiten des kirchlichen Dienstes ergeben allerdings eine spezielle Sichtweise auf Führungs- und Steuerungsfragen, sodass diese nicht eins zu eins von börsennotierten Unternehmen übernommen werden können.

Die katholische Kirche in Deutschland hat 2005 in ihren 27 Diözesen zirka vier Milliarden Euro Kirchensteuern eingenommen. In fast 25 000 rechtlich überwiegend selbstständigen Einrichtungen und Diensten arbeiten derzeit mehr als eine halbe Million Bedienstete, die einen Umsatz von über 20 Milliarden Euro erwirtschaften. Hinzu kommen noch viele zigtausend Ehrenamtliche, die wesentlich zum Erfolg der Einrichtungen beitragen. Den Schwerpunkt nach Umsatzzahlen bilden sozialwirtschaftliche Einrichtungen wie Krankenhäuser und Pflegeheime.

Bei dieser gesamtwirtschaftlichen Bedeutung stellt sich die Frage, welche Relevanz der Corporate-Governance-Gedanke in der Kirche hat. Corporate Governance kann aus kirchlicher Sicht nicht einfach auf staatliche Aufsichtsbehörden abgewälzt werden, da diese lediglich Rahmenbedingungen zu schaffen beziehungsweise Ergebnisse zu prüfen haben. Aufgabe der Kirchenaufsicht ist es insbesondere, den gesetzlich garantierten Freiraum des kirchlichen Selbstverwaltungsrechts im Blick zu behalten und strategisch angemessene sowie zukunftsfähige Strukturen im Sinne einer guten Corporate-Governance-Politik zu implementieren.

Einrichtungen nicht von Kapitalmarktinteressen bestimmt

Zwei Gedanken sind hierbei von besonderer Bedeutung: Kirchliche sozialwirtschaftliche Einrichtungen sind per se "gemeinnützig", das heißt, es gibt keine Kapitalgeber im aktienrechtlichen Sinn und es besteht deshalb auch kein Anreiz für "Externe", Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Der klassische Prinzipal-Agent-Konflikt eines börsennotierten Unternehmens ist der Kirche damit von vornherein fremd. Ihre Einrichtungen werden vom kirchlichen Sendungsauftrag bestimmt, nicht von Kapitalmarktinteressen. "Caritas" als Wesenselement von Kirche nimmt somit in spezifischer Weise Not, Elend und Ungerechtigkeit der Menschen wahr und bekämpft sie. Ihrer Treuhandfunktion gegenüber der Gesellschaft kommt sie nach, indem sie ihr anvertraute Steuergelder beziehungsweise Sozialabgaben im Allgemeininteresse effizient einsetzt.

Transparenz gewährleisten

Kirchliche Einrichtungen sind in der Regel in der Rechtsform der g GmbH, eines eingetragenen Vereins, einer Stiftung oder Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert. Die Größe der Einrichtungen variiert allerdings erheblich: Sie reicht von einer Handvoll Bediensteten bis zu einigen Tausend, einem Umsatz von wenigen Tausend Euro bis zu mehreren hundert Millionen. Viele, gerade kleinere caritative Einrichtungen können die Kosten, die mit der Einführung bestimmter Corporate-Gover-nance-Instrumente wie beispielsweise dem Risikomanagement verbunden sind, kaum bewältigen.

Sie erachten vor diesem Hintergrund etwa die Einführung des Deutschen Corporate Governance Kodexes (DCGK) nur für notwendig in der anonymen Welt des globalen Kapitalverkehrs, in der lediglich börsennotierte Unternehmen agieren, nicht aber in kirchlichen Einrichtungen, die sich in der Regel durch eine hohe Identifikation und somit "Kontrolle vor Ort" auszeichnen.

Mag einem letztgenannter Aspekt auf den ersten Blick einleuchten, bleibt die Frage, wie auch kleine gemeinnützige Einrichtungen die durch eine Corporate-Governance-Politik geforderte Transparenz gewährleisten können - dies auch vor dem Hintergrund, dass sie aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit steuerliche Privilegien in Anspruch nehmen; sie sammeln Spenden, und als Idealverein sind sie sogar im Rahmen des sogenannten Nebenerwerbsprinzips als Wirtschaftsunternehmen tätig.

Handreichung der Deutschen Bischofskonferenz

Diesem Regelungsbedarf ist das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz Anfang 2004 mit seiner Handreichung "Soziale Einrichtungen in katholischer Trägerschaft und wirtschaftliche Aufsicht" entgegengetreten. Katholische Träger mit mehr als 50 Bediensteten verpflichten sich darin - unbeschadet der Rechtsform-, die aktien- und handelsrechtlichen Bestimmungen, wie sie im Kon TraG, Trans PuG und DCGK zusammengefasst sind, anzuwenden. In einigen Punkten berücksichtigt das Regelwerk überdies kirchliche Besonderheiten, etwa die ehrenamtliche Mitarbeit in Aufsichtsgremien und das Verbot von Bediensteten im eigenen Aufsichtsgremium.

Ähnlich wie beim DCGK haben bislang noch nicht alle Einrichtungen diese Selbstverpflichtung unterschrieben. Dies liegt zum einen daran, dass die Handreichung noch zu wenig bekannt ist und dass zum anderen die rechtlichen Rahmenbedingungen in den jeweiligen Einrichtungen zum Teil erst in langwierigen Prozessen geschaffen werden können.

Ziel muss es in den nächsten Jahren sein, die Handreichung der Deutschen Bischofskonferenz auch auf den untersten Ebenen kirchlichen Handelns bekannt zu machen. Dort, wo es sinnvoll ist, sollte die kirchliche Aufsicht möglichst viele Corporate-Gover-nance-Elemente in den Einrichtungssatzungen verankern. Bisher legt die Handreichung ihren Schwerpunkt auf die Gestaltung wirtschaftlicher Aufsicht.

Baustein einer ganzheitlichen Emittentenbewertung

Um zukunftsfähig zu sein, sind wichtige Weiterentwicklungen notwendig. So ist zum Beispiel zu überlegen, ob die Arbeit zeitlich stark beanspruchter Aufsichtsratsmitglieder in immer größer werdenden Einheiten nicht doch zu vergüten ist. Auch wird man auf Dauer nicht umhin kommen, sich im Sinne eines Multi-Stakeholder-Ansatzes qualitative Kriterien guter Einrichtungsführung im Umgang mit den Anspruchsgruppen wie etwa Aufsicht, Bedienstete, Kunden, Patienten, Mitbewerber, Kooperationspartner und Gesellschaft zu entwickeln. Nur wenn Corporate Governance in der Kirche in einem umfassenden Sinn begriffen wird, kann solch eine Handreichung zu einem wichtigen Baustein für eine dauerhaft nachhaltige Entwicklung werden.

Neben dem Verfolgen einer eigenen Go-vernance-Politik zur Führung und Steuerung ihrer Einrichtungen muss sich die Kirche mit dem Corporate-Governance-Ansatz in der Wirtschaft auseinander setzen, da sie dazu verpflichtet ist, mit den ihr anvertrauten Geldern als guter Hausvater ein optimales Risiko-Ertragsverhältnis zu erwirtschaften. Solche Gelder, die im Wesentlichen Pensionsverpflichtungen für ihre Bediensteten darstellen, hat die Kirche langfristig, über Jahrzehnte hinweg wertschöpfend anzulegen. Dabei sind mögliche Ausfallrisiken von vornherein auf ein Minimum zu reduzieren.

Nicht nur ökonomische Risiken

In Frage kommen damit nur solche Emittenten, die ihre Risiken weitestgehend absichern und ein möglichst hohes Maß an Transparenz hinsichtlich ihrer Unternehmensführung im Umgang mit allen finanziellen und nichtfinanziellen Leistungsindikatoren gewährleisten. Der Cor-porate-Governance-Ansatz steht für diese Erfordernisse und erweist sich daher für die langfristigen Kapitalanlagen der Kirche als ein wichtiges Bewertungskriterium.

Der Corporate-Governance-Ansatz greift aus kirchlicher Sicht in seiner jetzigen Form jedoch zu kurz, fokussiert sich einseitig auf ökonomische Risiken. Die mit der Geschäftstätigkeit verbundenen Risiken sind heute eben nicht nur rein ökonomischer Art, sondern wesentlich auch sozialer und ökologischer - wohlwissend, dass letztgenannte früher oder später immer auch ökonomische Konsequenzen nach sich ziehen werden. So wichtig die ökonomischen Rahmendaten einer Unternehmung sind, die Kirche nimmt Emittenten, in die sie investiert, stets ganzheitlich wahr. Das heißt, sie bewertet einen Emittenten nicht nur anhand seiner ökonomischen Risiken und Chancen, sondern bezieht zugleich seine sozialen und ökologischen Leistungsindikatoren ein.

Nachhaltigkeit

Solch eine umfassende Emittentenbewertung wird unter dem Stichwort Nachhaltigkeit vorgenommen. Nachhaltigkeit bedeutet das gleichzeitige Achten auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ökologische Verträglichkeit und soziale Balance unter der Zielperspektive Zukunftsfähigkeit. Wie nachhaltig nun ein Emittent ist, zeigt sich daran, wie er mit den für seine Geschäftstätigkeit notwendigen ökonomischen, sozialen und ökologischen Ressourcen umgeht und welche Risiken sich daraus für ihn ergeben.

Nachhaltigkeit generiert somit einen Risikoansatz. Je nachhaltiger ein Emittent aufgestellt ist, desto weniger Risiken birgt er langfristig und desto attraktiver wird er für kirchliche Anleger. Der Risikogedanke ist folglich die entscheidende Schnittstelle zwischen Nachhaltigkeit und Corporate Governance. Aufgrund der langfristigen Kapitalbindung für ihre Pensionsleistungen ist die Kirche dazu verpflichtet, alle relevanten Risiken bei Abschätzung der Werthaltigkeit eines Emittenten nachhaltig zu bewerten.

In einer ganzheitlichen Perspektive befragt eine qualitativ hochwertige Nachhaltigkeitsanalyse Emittenten gezielt daraufhin, welche konkreten Risiken und Chancen sie bei ihrer Geschäftstätigkeit sehen, wie diese im Unternehmen an den entscheidungsrelevanten Schaltstellen strategisch verankert sind und mit welchen Standards und Leistungsindikatoren sie aktiv gemanagt werden sollen. Ein nichtfinanzieller Indikator, der inzwischen alle Branchen betrifft, ist der globale Klimawandel. Er wird jedoch von den meisten Unternehmen bislang nur als Randnotiz abgetan und ist vom Finanzmarkt als Risikofaktor noch gar nicht eingepreist.

Kompetente Kooperationspartner gesucht

Andere Faktoren werden aufgrund ihres unterschiedlichen Risikopotenzials für die einzelne Branche verschieden bewertet. In der Automobilindustrie ist einer der Nachhaltigkeitsindikatoren mit großer Hebelwirkung beispielsweise der Flottenverbrauch, im Einzelhandel die Lieferantenkette, bei den Versorgern die Treibhausgasintensität und im Bankwesen die Kreditanalyse und das Asset Management.

Da die Kirche keine eigenen Risiko- und Chancenanalysen durchführen kann, ist sie auf kompetente Kooperationspartner angewiesen. Banken, und hier insbesondere die genossenschaftlichen Kirchenbanken, erweisen sich dabei als wichtige Partner der Kirche. Die Kirchenbanken haben sich auf die besonderen Anforderungen der Kirche eingelassen und konkrete nachhaltige Finanzprodukte kreiert. Erste von ihnen gehen inzwischen sogar so weit, dass sie die ihnen anvertrauten Kundengelder nachhaltig auf dem Kapitalmarkt anlegen und ihren Kunden insofern ein umfassendes Nachhaltigkeitsangebot machen können. Sie haben für ihre Eigenanlagen spezielle Nachhaltigkeitsfilter entwickelt, die zum einen den kirchlichen Wertvorstellungen Rechnung tragen und zum anderen versuchen, bestimmte Risiken mit Blick auf eine gute Corporate Governance sowie eine nachhaltige Entwicklung auf lange Sicht zu minimieren. Dabei spielt die Einhaltung des DCGK eine zunehmend wichtigere Rolle. Dies bedeutet, dass viele kirchliche Investoren Finanzanlagen in Unternehmungen, die keine gute Corporate Governance praktizieren, nicht tätigen werden.

Kirche als Akteurin in der Diskussion über Good-Corporate-Governance

Der weiteren Diskussion über Good-Corpo-rate-Goverance wird sich die Kirche nicht entziehen können. Sie wird sich den gewachsenen Führungs- und Steuerungsansprüchen in ihren eigenen Einrichtungen durch eine ständige Weiterentwicklung ihrer Governance-Politik stellen und hier mit zeitgemäßen Verantwortungskonzepten als guter Hausvater agieren müssen, um sich dauerhaft wettbewerbsfähig, etwa auf dem Markt sozialer Dienstleistungen, positionieren zu können. Die Corporate-Governance-Debatte in profitorientierten Wirtschaftsunternehmen wird sie überdies weiterhin kritisch beobachten und wo es geht bereichern, etwa durch das Einbringen ihrer Wertvorstellungen.

Um möglichst viele relevante Risiken für die Unternehmensführung aufzudecken, wird sie darauf insistieren, dass möglichst viele Stakeholder mit ihren berechtigten Ansprüchen zu Wort kommen. Unternehmen mit Weitblick werden hieran ein unbedingtes Interesse haben, denn sie wissen darum, dass soziale und ökologische Risiken über kurz oder lang auch finanzielle sein werden.

Für die Kirche präsentiert sich somit eine Unternehmensführung nur dann als zukunftsfähig, wenn sie Nachhaltigkeitsaspekte und Stakeholder-Ansprüche mittels eines vorausschauenden Risikomanagements strategisch in ihre Politik einbindet. Good-Corporate-Governance ist darum in einem ganzheitlichen Verständnis nichts anderes als Sustainable Corporate Governance.

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