Aufsätze

Hat der Wettbewerb als Ordnungsprinzip auf den Finanzmärkten ausgedient?

Das Thema Wettbewerb im Finanzsektor ist durch das jüngste Hauptgutachten der Monopolkommission wieder in den Vordergrund der Debatte gerückt. Die Experten der Monopolkommission gehen explizit auf die Wettbewerbsverzerrungen durch implizite Staatsgarantien ein (Monopolkommission, Hauptgutachten 20, Kapitel 6, Wettbewerb auf den Finanzmärkten).

Ausgangspunkt Adam Smith

Der Ausgangspunkt für alle Überlegungen zu Wettbewerb und Marktwirtschaft ist Adam Smith: "To restrain private people, it may be said, from receiving in payment the promissory notes of a banker for any sum, whether great or small, when they themselves are willing to receive them; or, to restrain a banker from issuing such notes, when all his neighbors are willing to accept of them, is a manifest violation of that natural liberty, which it is the proper business of law not to infringe, but to support.

Such regulations may, no doubt, be considered as in some respect a violation of natural liberty. But those exertions of the natural liberty of a few individuals, which might endanger the security of the whole society, are, and ought to be, restrained by the laws of all governments; of the most free, as well as of the most despotical. The obligation of building party walls, in order to prevent the communication of fire, is a violation of natural liberty, exactly of the same kind with the regulations of the banking trade which are here proposed." (Adam Smith, The Wealth of Nations, 1776, zitiert nach Acharya et al., Regulating Wall Street, New York, Wiley 2011, S. 28/29). Smith sagt also, dass zwar grundsätzlich Wettbewerbskräfte den Finanzmarkt steuern sollen. Wenn jedoch das Allgemeinwohl insgesamt gefährdet ist, sind regulatorische Eingriffe notwendig. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus dieser Passage des Wealth of Nations von Adam Smith für die heutige Diskussion?

Die Notwendigkeit für eine Regulierung von Finanzmärkten und Banken ist unbestritten, nicht nur bei Ökonomen, Aufsehern und Politikern, sondern auch bei Bankern selbst. Regulierung ist kein Selbstzweck. Sie dient dem Schutz der Allgemeinheit, nämlich vor Chaos und wirtschaftlichem Niedergang. Es gilt negative externe Effekte zu verhindern. Regulierung bedeutet immer einen Eingriff in die Freiheit des Individuums. Mit anderen Worten: Es bedarf einer expliziten Güterabwägung.

Das Rechtssystem muss aber auch die Freiheit des Individuums schützen. Doch gerade dieser Gedanke scheint an manchen Stellen aus dem Blick geraten zu sein.

Marktversagen kann erstens durch Informationsasymmetrien zwischen Marktteilnehmern, insbesondere zwischen Banken und Privatein- und anlegern entstehen. Zweitens führt die inhärente Fragilität von Banken - langfristige illiquide Kredite refinanziert durch kurzfristig verfügbare Einlagen - zur Gefahr von "Bank-Runs" und Finanzkrisen. Und schließlich besteht die Gefahr einer marktmissbräuchlichen Ausnutzung von Oligopol- und Monopolstellungen. Dieses Problem betrifft aber nicht nur die Finanzmärkte und Banken, sondern alle Industriezweige. Des Weiteren können Regulierung und Aufsicht zur Verhinderung von Marktversagen oligopolistische und monopolistische Strukturen befördern, denn sie führen faktisch zu einer Erhöhung von Markteintrittsbarrieren.

Schaffung von Sicherheitsnetzen

Um der inhärenten Fragilität des Bankensystems entgegenzuwirken, wurden Sicherheitsnetze geschaffen. Diese greifen ein, wenn falsche Regulierung und/oder unzureichende Aufsicht ein Marktversagen nicht verhindern können, also Marktversagen und Staatsversagen zusammenkommen. Ein erstes Sicherheitsnetz wird durch Einlagensicherungssysteme aufgespannt, die allerdings zu schwach beziehungsweise ihre Sicherungsversprechen zu hoch für die Mitgliedsinstitute waren, um die Krise von 2007 und 2008 einzudämmen und die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten. Zentralbanken mussten zusätzlich als "Lender of Last Resort" solventen Banken Liquidität zur Verfügung stellen. Als Ultima Ratio mussten schließlich auch staatliche Rettungsmaßnahmen ergriffen werden, um den Systemkollaps abzuwenden.

Falsche Anreize durch Aussicht auf eine staatliche Rettung

Jedoch sind staatliche Rettungsmaßnahmen langfristig kontraproduktiv, denn sie setzen das zentrale marktwirtschaftliche Haftungsprinzip außer Kraft. Die implizite Staatshaftung wird damit explizit, und es gibt somit keine Unterscheidung mehr zwischen privaten und öffentlichrechtlichen Banken. Letztlich wird so das "too big to fail" verstärkt. Staatliche Rettungsmaßnahmen setzen die falschen Anreize, kosten den Staat und damit den Steuerzahler viel Geld und sind unsozial beziehungsweise unfair.

Die Aussicht auf eine staatliche Rettung setzt falsche Anreize, denn sie verleitet zu mehr Risikobereitschaft und Nachlässigkeit der Banken. Institutionelle Anleger leihen Banken billiger Geld im Vertrauen auf eine staatliche Rettung im Falle einer Schieflage. Die OECD beziffert den Kostenvorteil für die Banken in Deutschland aus der impliziten Staatsgarantie für 2012 alleine auf 20 Milliarden Euro. Und Banken wiederum vergeben möglicherweise zu sorglos Kredite und gehen dabei höhere Risiken ein. Nicht zuletzt kommt es aufgrund unterschiedlicher Bonität der Mitgliedsstaaten dabei zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU.

Die Kosten für eine staatliche Bankenrettung in Deutschland trägt schlussendlich der Steuerzahler. Eine staatliche Bankenrettung kann damit im schlimmsten Fall zu einer Haushaltskrise führen, zumal sich auch Deutschland eine weitere Finanzkrise gar nicht mehr leisten kann. Gleichzeitig werden institutionelle Investoren, insbesondere Banken, Versicherungen und Pensionskassen entlastet. Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren ist in höchstem Maße unsozial und unfair. Diese Ungerechtigkeit kann die Demokratie in ihren Grundfesten erschüttern und gefährden. Deshalb ist es erforderlich, ein Verbot staatlicher Bankenrettungen in den westlichen Verfassungen zu verankern, in Analogie zur Schuldenbremse und mit entsprechendem marktschonendem zeitlichem Vorlauf, beispielsweise ab 2020. Es geht darum, mit maximaler demokratischer Glaubwürdigkeit ex ante der unausweichlichen Erpressbarkeit der Politik im Krisenfall einen Riegel vorzuschieben. Ein starker Staat weiß, was zu seinen Aufgaben gehört und was nicht. Den Marktteilnehmern muss glaubhaft vermittelt werden, dass es in der nächsten Krise keine staatlichen Rettungsmaßnahmen mehr gibt. Haftung und Anlageentscheidung müssen wieder in einer Hand zusammengeführt werden. Das geht in einer Demokratie nur über ein verfassungsmäßiges Verbot staatlicher Bankenrettung. Konkludent bedeutet aber auch, dass der Staat nicht mehr Eigentümer von Banken sein sollte.

BRRD als Schritt in die richtige Richtung

Die jüngste EU Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD) ist ein Schritt in die richtige Richtung, sie lässt aber immer noch zu viele Ausnahmen von Abwicklungsmaßnahmen wie dem Bail-In sowie Schlupflöcher für staatliche Rettungsmaßnahmen. Konsequenter wäre ein verfassungsmäßiges Verbot staatlicher Bankenrettungen in den EU-Mitgliedsstaaten. Nur so lässt sich der Nexus von Banken und Staatsfinanzen wirklich dauerhaft durchtrennen. Eine Reihe von offensichtlichen Lücken in der Regulierung ist immer noch nicht geschlossen. Es stellt sich die Frage, ist das Marktversagen oder Staatsversagen? Zinsänderungsrisiken werden zwar im ICAAP und SREP adressiert. Es gibt aber in Säule 1 keine Kapitalunterlegungspflicht für Zinsänderungsrisiken, obwohl das Risiko bei rekordniedrigen, ja negativen Zinsen so hoch ist wie noch nie.

Ebenfalls nicht mit regelgebundenen Kapitalzuschlägen beziehungsweise Kapitalabzügen belegt werden Konzentrationsrisiken, obwohl sie der häufigste Auslöser von Verschuldungskrisen sind. Zwar kann es im derzeitigen Regelwerk nach CRR zusätzliche Eigenmittelanforderungen für Großkredit im Handelsbuch geben. Sonst sind Risikokonzentrationen im Risikodeckungspotenzial abzudecken (ICAAP). Soweit Konzentrationsrisiken nicht durch Regeln der CRR erfasst sind, kann die BaFin gemäß § 10 Abs. 3 KWG allerdings Kapitalzuschläge anordnen. Die Null-Gewichtung von Staatsanleihen setzt noch immer die falschen Anreize, obwohl ein Interessenkonflikt der Regulierer offensichtlich ist und eindeutig zulasten der (zukünftigen) Steuerzahler geht.

Die Net Stable Funding Ratio (NSFR) ist immer noch nicht etabliert, trotz des Wholesale- und Repo-Markt-Runs in der jüngsten Krise.

Paradigmenwechsel erforderlich

Es gibt auch nach wie vor keine spezifischen Genehmigungsverfahren der Aufsicht bei Auslandsakquisitionen durch Finanzinstitute. Innerhalb der EU wären allerdings Investitionshindernisse dieser Art nicht ohne Weiteres mit dem Binnenmarkt vereinbar. Gleichwohl sind inzwischen auch implizite Beschränkungen durch die Einführung der Sanierungs- und Abwicklungspläne für Banken gegeben: Bei jeder Akquisition ist im Zielbild nach Eingliederung in die Gruppe die Abwicklungsfähigkeit sicherzustellen. Dies setzt die Einpassung des zu akquirierenden Unternehmens in den laufend vom Institut anzupassenden Sanierungsplan voraus.

Schließlich muss die Entwicklung hin zu einer funktionalen Regulierung beschleunigt vorangetrieben werden, das heißt einer Regulierung, die mehr auf die zugrunde liegenden Geschäfte als auf den institutionellen Charakter schaut. Dann wird auch die Unterscheidung zwischen Banken und Schattenbanken hinfällig.

Die Wirksamkeit der Aufsicht könnte erheblich gesteigert werden, wenn man mehr und auch ad hoc Transparenz in der Kommunikation zwischen den Instituten und der Aufsicht zumindest bei relevanten Informationen schafft. Mehr Transparenz in dieser Hinsicht bedeutet höhere Glaubwürdigkeit und damit mehr Marktkontrolle.

Es bedarf eines Paradigmenwechsels, wenn man die nächste Finanzkrise verhindern will, nämlich die Abschaffung der impliziten Staatshaftung durch ein verfassungsmäßiges Verbot staatlicher Rettungsmaßnahmen, die konsequente Schließung der relevanten Regulierungslücken und eine markttransparentere Aufsicht.

Der Beitrag basiert auf den Ausführungen des Autors bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der 4. Göttinger Kartellgespräche.

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