Aufsätze

Integrated Reporting: Lohnt sich der zusätzliche Aufwand für Kreditinstitute?

Infolge von steigenden regulatorischen und gesetzlichen Anforderungen haben in den vergangenen Jahren die Berichtspflichten für Kreditinstitute massiv zugenommen. Und es ist zu erwarten, dass die Vorgaben zu Umfang, Detaillierungsgrad und Geschwindigkeit zur Erstellung und Veröffentlichung der Berichte weiter verschärft werden. Denn mit umfangreicheren Berichtspflichten hoffen die Regulatoren einzelne Ursachen konsequent zu beseitigen, die die Finanzkrise ausgelöst haben. Die Kritikpunkte an der Berichterstattung sind offensichtlich: In den meisten Kreditinstituten ist die Berichterstattung gegenwärtig noch wenig aufeinander abgestimmt, neue Anforderungen werden bisher meist isoliert durch die zuständigen Fachabteilungen in jeweils eigenständigen Berichtsinstrumenten umgesetzt, etwa im Jahres- und Konzernabschluss, im Nachhaltigkeitsbericht oder im aufsichtsrechtlichen Offenlegungsbericht. Zudem umfassen die veröffentlichten Berichte bei Kreditinstituten mittlerweile häufig mehrere hundert Seiten, die kaum noch mit einem angemessenen Arbeitsund Zeitaufwand erstellt, qualitätsgesichert und nicht zuletzt geprüft werden können.

IIRC: Weniger ist mehr

Dieser Entwicklung zu immer mehr und immer umfangreicheren isolierten Berichten tritt das International Integrated Reporting Council (IIRC) entgegen. Das IIRC ist ein Zusammenschluss von namhaften internationalen Unternehmen, Standardsettern, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Wirtschaftsprüfungsgesell schaf ten. Das Gremium will Standards für ein weltweit einheitliches "Integrated Reporting" formulieren. Ziel ist dabei nicht ein "mehr" an Berichterstattung, sondern eine "andere", ganzheitliche Berichterstattung. Unternehmensberichte sollen künftig darstellen, wie ein Unternehmen kurz-, mittel- und langfristig Wert schafft und auch erhält.

Nach den Vorstellungen des IIRC legen Unternehmen künftig im Idealfall einen einzigen, knappen und auf wesentliche Informationen beschränkten Bericht vor, der - wo notwendig - auf Detailberichte für einzelne Stakeholder-Gruppen verweist. Als primäre Stakeholder-Gruppe sind hier die Kapitalgeber (Providers of Financial Capital) zu nennen. Mit Hilfe der integrierten Berichterstattung soll Unternehmen insbesondere ein besserer Zugang zu knappem Kapital (im Wesentlichen Finanzkapital) ermöglicht werden. Im April 2013 hat das IIRC seinen Entwurf eines Frameworks (Consultation Draft) für eine Kommentierungsfrist von drei Monaten zur Diskussion gestellt. Das endgültige Rahmenwerk für ein "Integrated Reporting" soll Ende des Jahres 2013 veröffentlicht werden.

Die stringente Umsetzung eines "Integrated Reporting" führt zu einer besser organisierten Berichtserstellung und speist im Idealfall die externe Berichterstattung aus nur einem einzigen konsistenten Datenhaushalt, der die Darstellung von Strategie, Steuerungskennzahlen und Management Reporting unterstützt. Das IIRC betont, dass sich das Framework nicht auf "Prüfung" bezieht, allerdings könnte die Glaubwürdigkeit durch eine externe Prüfung gesteigert werden. Das Rahmenkonzept des IIRC ist an global agierende Konzerne gerichtet und nicht auf Kreditinstitute beschränkt.

Integrated Reporting als Ziel eines Umstellungsprozesses

Das Konzept des Integrated Reporting, wie es im IIRC Consultation Draft beschrieben wird, erfordert ein Umdenken in allen Unternehmensbereichen (Integrated Thinking) und führt zu Handlungsbedarf nicht nur in der Berichterstattung, sondern auch im Hinblick auf Strategie, Steuerung und Überwachung.

Denn die neue Form der Berichterstattung soll darstellen, wie ein Unternehmen kurz-, mittel- und langfristig Wert schafft und erhält. Aussagen zur Strategie des Unternehmens, seiner Corporate Governance und weiterer Informationen sollen miteinander verknüpft werden, um den Adressaten des integrierten Berichts ein ganzheitliches und zukunftsgerichtetes Bild des Unternehmens zu vermitteln.

Ein integrierter Bericht soll zeigen, wie Strategien, Führungs- und Kontrollfunktionen miteinander verknüpft sind und zu der bereits erbrachten sowie zur kurz-, mittel- und langfristigen künftigen Wertschaffung beziehungsweiseerhaltung des Unternehmens beitragen. In der Umsetzung eines "Integrated Reporting" sind hierbei eine Vielzahl an Unternehmensprozessen betroffen. Die Beschreibung des Wertschöpfungsprozesses, der die Grundlage der Unternehmensleistung darstellt, wird im Rahmen des "Integrated Reporting" weiter gefasst; sie soll sämtliche Produktionsfaktoren und Kapitalarten berücksichtigen. Denn, so die zentrale These des IIRC, Wert lässt sich nachhaltig nicht alleine durch die Maximierung des finanziellen Kapitals schaffen; Wert wird erschaffen und erhalten durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Kapitalarten (Financial, Social and Relationship, Human, Intellectual, Natural and Manufactured Capital). Alle Kapitalstöcke werden als Wertspeicher betrachtet, die einerseits als Input in das Geschäftsmodell beziehungsweise die Geschäftstätigkeit des Unternehmens einfließen, andererseits durch die Aktivitäten und den Output des Unternehmens beeinflusst werden und in Wechselbeziehungen zueinander stehen.

Berichtsinhalte und Berichtsprinzipien eines Integrated Reporting

Das Rahmenkonzept des IIRC beschreibt sieben Teilbereiche eines integrierten Berichts: Die Darstellung von Organisation, Geschäftsmodell und externem Umfeld soll den Adressaten grundlegende Informationen und einen allgemeinen Überblick über das Unternehmen und dessen Umfeld, in dem es agiert, vermitteln. Daneben soll die Governance des Unternehmens sowie Chancen und Risiken für das Unternehmen dargestellt werden. Außerdem sind die strategischen Ziele eines Unternehmens sowie die Ressourcenallokation zu beschreiben, sowie Maßnahmen zur Zielerreichung. Die Wertschaffung und -erhaltung, also die Leistung eines Unternehmens, soll durch Key Performance Indicators (KPI) gemessen und durch qualitative Erläuterungen ergänzt dargestellt werden.

Ausführungen zur zukünftigen Entwicklung (Ausblick und Prognose) des Unternehmens runden das Bild des Unternehmens in der integrierten Berichterstattung ab. Besonders der starke Zukunftsbezug stellt eine wesentliche Komponente des Konzepts dar, die auch durch das Prinzip der Zukunftsorientierung verdeutlicht wird.

Den Berichtsinhalten übergeordnet, nennt das IIRC sogenannte Guiding Principles: Strategische Ausrichtung, Verknüpfung von Informationen, Zukunftsausrichtung, Stakeholderbezug, Wesentlichkeit/Prägnanz sowie Verlässlichkeit und Vollständigkeit. Sie gelten für alle Berichtsinhalte und sollen sicherstellen, dass Abhängigkeiten des Unternehmens von seinem Umfeld und die resultierenden Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit berücksichtigt werden. Der integrierte Bericht soll dabei nicht mit Detailinformationen überfrachtet werden, sondern sich auf die wesentlichen Informationen über die strategischen Ziele und Aktivitäten zur Wertschaffung und Erhaltung eines Unternehmens konzentrieren.

IIRC im Kontext künftiger gesetzlicher Anforderungen

Neben den beschriebenen Vorschlägen des IIRC stehen in naher oder ferner Zukunft weitere gesetzliche Änderungen der Berichterstattung an: Zum einen sind Konzerne verpflichtet, die komplett überarbeiteten Vorschriften zum Konzernlagebericht (DRS 20) anzuwenden; zum anderen hat die EU einen Vorschlag zur Überarbeitung der Rechnungslegungsrichtlinien (4. und 7. EU-Richtlinie) vorgelegt. Hierbei geht es um die Erweiterung der Unternehmenstransparenz beispielsweise in Sozial- und Umweltbelangen als auch zu Menschenrechten, Korruption und Diversity sowie zur europaweiten Ausdehnung der Prüfungspflicht der Angaben im Lagebericht (Umsetzung frühestens in 2016).

Darüber hinaus sind für Kreditinstitute die neuen regulatorischen Anforderungen der Capital Requirements Directive (CRD) und der Capital Requirements Regulations (CRR), kurz CRD-IV-Paket, umzusetzen. Sie beziehen sich im Wesentlichen auf die Regelungen in den Basel-III-Papieren unter anderem zu den Offenlegungspflichten (Säule III). Und schließlich legen die Aufsichtsbehörden mit der Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) einen Fokus auf die Verknüpfung von Vergütung und Strategie bei Kreditinstituten. Deshalb stellt sich die Frage, wie diese regulatorischen Änderungen in eine noch freiwillige integrierte Berichterstattung eingebettet werden können.

Insgesamt sind diese nationalen und internationalen Bestrebungen so unterschiedlich formuliert, dass sie zunächst ungenügend aufeinander abgestimmt wirken. Allerdings zeigt eine nähere Analyse eine hohe Übereinstimmung mit den grundlegenden Berichtsprinzipien des IIRC. Gemeinsam ist den Bestrebungen das Ziel einer besseren Verknüpfung aller Elemente der Berichterstattung unter Einbeziehung von Strategie, Wertschöpfung, wesentlichen Ergebnissen und genutzten Ressourcen sowie eine kompakte und verständliche Berichterstattung. Hinzu kommt das Ansinnen, durch externe Prüfungen die Glaubwürdigkeit der Berichte zu erhöhen.

Deutsche Unternehmen sind durch die bereits seit Langem bestehenden Regelungen zur Konzernlageberichtserstattung für eine integrierte Berichterstattung im globalen Vergleich bereits gut aufgestellt. Kreditinstitute berichten außerdem ohnehin umfangreich über ihre Risiken und, seit sich Beobachter aufgrund der Finanzkrise intensiv mit ihren Geschäftsmodellen beschäftigen, auch über ihre Strategie. Damit sind bereits einige inhaltliche Kernforderungen des IIRC teilweise aufgrund der nationalen Gesetzgebung umgesetzt. Glaubwürdigkeit verleiht den Aussagen die bereits seit vielen Jahren bestehende Pflicht zur externen Prüfung der Lageberichte. Handlungsbedarf besteht hingegen noch, um Strategie, Ergebnisse und voraussichtliche Entwicklung sowie den Prognosehorizont stringent miteinander verknüpft darzustellen.

Die größte Aufgabe dürfte es allerdings sein, dass "Silodenken" in den Instituten in der Geschäftstätigkeit abzuschaffen, um Informationen verknüpft in einem gesamthaften Kontext darstellen zu können und somit auch einen Roten Faden in der Berichterstattung als auch in der Berichtserstellung zu erreichen.

In die Entwicklung einer integrierten Berichterstattung muss deshalb zwingend das Management einbezogen werden, um erfolgreich gesamthaft umgesetzt werden zu können (Tone from the Top). Die Anpassungen des Geschäftsmodells und der strategischen Maßnahmen an die (Mega-) Trends, die für Shareholder relevant sind, müssen auf Vorstandsebene beschlossen werden. Denn sie bedingen eine strategische Entscheidung für ein Integrated Thinking. Das Integrated Reporting ist letztlich nur das Resultat des Umstellungsprozesses, in dessen Verlauf auch die interne und externe Berichterstattung konsistent zu harmonisieren sind.

Leistungsindikatoren identifizieren und regelmäßig entwickeln

Für eine integrierte Berichterstattung werden die meisten Unternehmen zudem neue Leistungsindikatoren identifizieren und regelmäßig ermitteln müssen. Anhand finanzieller wie nichtfinanzieller Indikatoren wird zu berichten sein, ob und wie gut das Unternehmen strategische Ziele in Bezug auf das Geschäftsmodell und die Chancen und Risiken aus dem Geschäftsumfeld erreicht. Wesentliche nichtfinanzielle Informationen müssen dabei genauso schnell und in der gleichen Qualität zur Verfügung stehen wie finanzielle Informationen.

Die identifizierten Leistungsindikatoren müssen die Verbindung schaffen zwischen der Unternehmensperformance und dem Vergütungssystem. Heutige Vergütungsberichte zeigen oft deutlich, dass das Management nur nach finanziellen Indikatoren vergütet wird (EVA, RoRAC, Börsenentwicklung). Nichtfinanzielle Indikatoren, wie Kundenzufriedenheit, Strategie und Diversity werden zwar ausführlich in den Berichten als strategische Ziele dargestellt, allerdings nicht, wie auch in der Institutsvergütungsverordnung (Instituts-VergV) gefordert, zu Vergütungszwecken herangezogen.

Die (neuen) steuerungsrelevanten Leistungsindikatoren sind selbstverständlich auch in die Gesamtbanksteuerung einzubeziehen. Dazu müssen die bestehenden Unternehmensprozesse zur Ermittlung und Aufbereitung der KPIs analysiert und möglicherweise angepasst oder neu definiert werden. Es ist sicherzustellen, dass die Prozesse sowohl der Messbarkeit und Bereitstellung relevanter KPIs als auch den erforderlichen Kontrollen und Reportingstrukturen gerecht werden. Zukünftig würde eine externe Prüfung zu der von Investoren geforderten Glaubwürdigkeit der Informationen beitragen.

Die Regelungen sind derzeit nicht gesetzlich zwingend anzuwenden und werden dies vermutlich auch auf absehbare Zeit nicht werden. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich das zukünftige "Draft Framework" des Integrated Reporting Council zu einem globalen und führenden Reportingstandard entwickeln wird, unter anderem deshalb, weil das Thema bei institutionellen Investoren in Bezug auf die Qualität des externen Reportings eine hohe Aufmerksamkeit genießt.

Die Umstellung der Unternehmensberichterstattung auf ein umfassendes, aber dennoch überschaubares Berichtswerk, eine Art "Management Summary", als Kernbericht mit Verweisen auf tiefergehende Detailauswertungen, aber auch die Erstellung eines einzigen integrierten Berichts, könnte sich langfristig als effiziente Berichtsstrategie erweisen, der der Stetigkeit und Transparenz des externen Reportings dient und Vertrauen in die Unternehmensberichterstattung zurückgewinnt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die - weiterhin einer hohen Änderungsdynamik unterliegenden - Compliance Anforderungen.

Ganzheitliche Unternehmensführung im Blick

Die Neuerungen, die das IIRC vorschlägt und in kurzer Zeit verabschieden will, überschneiden sich mit einigen neu anstehenden gesetzlichen Anforderungen. Es erscheint daher ratsam, sich über einen möglichen Umstellungsprozess frühzeitig Gedanken zu machen und erste Schritte mit Blick sowohl auf die Entwicklung der Gesetzeslage als auch auf die Vorschläge des IIRC einzuleiten.

Der Mehraufwand, der sich hinter dem beschriebenen Umstellungsprozess verbirgt, führt mittel- bis langfristig gesehen allerdings aufgrund einer ganzheitlichen Unternehmensführung zu einer Verminderung interner Risiken. Daneben verringert eine höhere Transparenz den Risikoaufschlag der Kapitalgeber und vereinfacht so Zugang zu Kapital.

Schlussendlich verschieben sich auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen immer weiter in Richtung Integrated Reporting. Zusammenfassend lohnt es sich daher auch und gerade für Kreditinstitute, sich mit dem Thema Integrated Reporting zu beschäftigen.

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