Aufsätze

Kantonalbanken - Stütze der Schweizer KMU-Wirtschaft

Wenn von den Schweizer Banken die Rede ist, denken viele sofort an Begriffe wie Steueroase, Steuerparadies oder Schwarzgeld-Hochburg. Viele Medienberichte - gerade auch in Deutschland - vermitteln den Eindruck, die Schweiz sei Schutzpatronin der Steuerhinterzieher aus der ganzen Welt, die Schweizer Banken hätten das Bankgeheimnis zum Geschäftsmodell für ausländische Steuerflüchtlinge gemacht. Solche Klischees eignen sich vielleicht, um Politik zu machen, zur Steigerung der Auflage oder für einen James-Bond-Film. Aber sie widerspiegeln mitnichten das reale Bild des Schweizer Finanzplatzes. Denn dieser besteht aus wesentlich mehr als dem grenzüberschreitenden Private Banking global tätiger Groß- und Privatbanken.

Der Finanzplatz Schweiz wird vor allem geprägt durch die vielen kleinen und mittelgroßen sowie auf das Inlandgeschäft ausgerichteten Institute. Diese haben einen Anteil von 60 Prozent1) der für das Inlandgeschäft maßgeblichen Bilanzsumme aller Banken in der Schweiz. Es sind Geldhäuser, die mit der internationalen Finanzkrise nichts zu tun hatten und kaum mit unversteuerten Fluchtgeldern aus dem Ausland in Verbindung gebracht werden. Trotzdem sind auch sie vom Imageschaden betroffen und stehen durch die weltweite Regulierungswelle unter starkem Druck.

Marktführer im Hypothekargeschäft

Zur größten Gruppe dieser Inlandbanken gehören die Kantonalbanken (KB), die hauptsächlich im Kreditgeschäft aktiv sind. Die KB-Gruppe hält laut Schweizerischer Nationalbank einen Anteil von 28,8 Prozent aller Aktiven im Inlandgeschäft der Banken. Das ist mehr als die beiden Großbanken UBS und Crédit Suisse zusammen mit 26,1 Prozent (siehe Abbildung 1).2) Marktführer sind die Kantonalbanken auch bei den Hypotheken an Privatpersonen und Unternehmen: Hier vereinigen sie 34,9 Prozent auf sich und liegen damit an der Spitze der Rangliste (siehe Abbildung 2).3)

Typisch für die Kantonalbanken ist ihr Kerngeschäft: Die effiziente Grundversorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft in ihren Kantonen mit Krediten und weiteren wichtigen Bankdienstleistungen. Sie bedienen die lokalen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit Darlehen, finanzieren Geschäfts- und Wohnliegenschaften mit Hypotheken, sorgen für einen reibungslosen Zahlungsverkehr und sind in der Anlageberatung und Vermögensverwaltung aktiv. Sie erfüllen so ihren - teilweise im kantonalen Gesetz definierten - Auftrag zur Unterstützung der regionalen Wirtschaft und funktionieren als unerlässliches "Schmiermittel" für die Schweizer Volkswirtschaft. Die schweizweit rund 22 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kantonalbanken versorgen ihre Kundinnen und Kunden flächendeckend in rund 800 modernen Geschäftsstellen, gleichzeitig wird das Online-Banking immer bedeutsamer.

Demokratische Legitimation

Die einzelnen Staatsinstitute sind nach kantonalem Recht geregelt, wobei die Kantone in der konkreten Ausgestaltung über einen großen Spielraum verfügen. Sie entscheiden über die Rechts- und Organisationsform der Kantonalbanken, über die Eigentümer- oder Trägerschaft sowie den Aufgaben- und Geschäftskreis. Das schweizerische Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen hält lediglich fest, dass eine Bank als Kantonalbank gilt, wenn sie "aufgrund eines kantonalen gesetzlichen Erlasses als Anstalt oder Aktiengesellschaft errichtet wird. Der Kanton muss an der Bank eine Beteiligung von mehr als einem Drittel des Kapitals halten und über mehr als ein Drittel der Stimmen verfügen. Er kann für deren Verbindlichkeiten die vollumfängliche oder teilweise Haftung übernehmen".4)

Die meisten Kantone kennen für ihre Banken eine Staatsgarantie, die bei den Kunden geschätzt und bei den Stimmberechtigten in den Kantonen gut abgestützt ist. Der jeweilige Kanton haftet somit für die Verbindlichkeiten seiner Kantonalbank. Allerdings stehen die Kantone auch ohne Staatsgarantie aufgrund ihres hohen Eigentümeranteils sowie negativer volkswirtschaftlicher Auswirkungen im Krisenfall in der Verantwortung, tragfähige Lösungen zu finden. Sie tun das, was man von einem Eigentümer erwartet: er steht für sein Eigentum ein.

Die Kantonalbanken gehören dem Kanton, und damit letztlich der stimmberechtigten Kantonsbevölkerung. Diese kann bei Anpassungen der rechtlichen Grundlagen in den kantonalen Bankgesetzen mitbestimmen. Es gibt wohl kaum andere Banken, die über eine solche politische und demokratische Legitimation verfügen! Die meisten Staatsbanken sind selbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts und gehören zu 100 Prozent dem Kanton. Von den 24 werden neun Kantonalbanken als Aktiengesellschaften geführt, wobei die öffentliche Hand in unterschiedlicher Ausprägung die Mehrheit der Anteile hält. Sechs weitere Staatsinstitute lassen das Publikum mittels Partizipationsscheinen am Geschäftserfolg teilhaben, womit aber kein Stimmrecht verbunden ist.

Geringes Auslandsengagement

Das traditionelle Geschäftsmodell der Kantonalbanken hat sich gerade in Krisenzeiten als überaus resistent erwiesen. Im Umfeld des sich fundamental verändernden Schweizer Finanzplatzes sind sie mit ihrer für breite Kreise nachvollziehbaren, langfristig angelegten Geschäftspolitik in ihrem jeweiligen Kanton ein stabilisierendes Element. In ihrer Kreditpolitik verfolgen sie eine hohe Kontinuität und erhalten die KMU-Finanzierung auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten aufrecht. Kantonalbanken vermeiden eine leichtfertige und primär auf raschen Profit ausgerichtete Kreditvergabe. Dieses seriöse Risikomanagement wird begünstigt durch die Nähe zu den Kunden, die für eine hohe Qualität der Kreditentscheide sorgt.

Typisch für die Kantonalbanken - und im Gegensatz zu den Großbanken - ist auch ihr geringes Auslands-Engagement (siehe Abbildung 3). Fast 90 Prozent aller Passivgelder der Kantonalbanken stammen aus dem Inland.5) Grenznahe Kantonalbanken (zum Beispiel Tessin, Basel, Waadt, Genf, St. Gallen, Schaffhausen, Graubünden) betreiben zudem ein primär passives Dienstleistungsgeschäft mit Kunden aus dem grenznahen Ausland (beispielsweise Grenzgänger).

Abbild der föderalen Strukturen

Die Kantonalbanken sind in ihren unterschiedlichen Strukturen und Organisationsformen ein Abbild des föderalistischen Aufbaus der Schweiz und der großen politischen Autonomie der Kantone. Dass die Zürcher Kantonalbank, die Staatsbank des wirtschaftlich potentesten und wichtigsten Kantons, mit einer Bilanzsumme von 150 Milliarden Franken und 5 400 Mitarbeitenden mit Abstand die größte Kantonalbank ist, verwundert daher nicht. Auf der anderen Seite der Größenskala figuriert die Banque Cantonale du Jura mit einer Bilanzsumme von 2,4 Milliarden Franken und 140 Mitarbeitenden. Die Kantonalbanken nutzen für ihre Angebote auch die Dienste von überregional, national oder international tätigen Gemeinschaftswerken, an denen alle oder einzelne Kantonalbanken beteiligt sind. Diese Netzwerkpartner sind vor allem im Fonds- und Vorsorgegeschäft, in der Vermögensverwaltung, im Kartengeschäft, in der Ausbildung und in der Informatik tätig. Die Kooperation über Gemeinschaftswerke bringt Volumenvorteile und erlaubt es, Kräfte und Kompetenzen zu bündeln, Synergien zu nutzen, Stückkosten zu senken und Know-how aufzubauen.

Gesamthaft vereinigte die KB-Gruppe per 31. Dezember 2013 eine Bilanzsumme von 513,9 Milliarden Franken. Sie nahmen 333,9 Milliarden Franken Kundengelder entgegen und verwalteten Kundenvermögen von 664 Milliarden Franken. Die Gruppe erwirtschaftete einen Jahresgewinn von 2,7 Milliarden Franken. Die tiefe Zinsmarge und das immer strengere regulatorische Umfeld sind auch für die Kantonalbanken eine Herausforderung. Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen sind sie wirtschaftlich erfolgreich. Dazu trägt ein striktes Kostenregime bei: Mit einem im Branchenvergleich niedrigen Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag (Cost Income Ratio) von durchschnittlich 52,2 Prozent wirtschaften die Kantonalbanken äußerst effizient (siehe Tabelle 1).

11,2 Prozent durchschnittliche Rendite

Tragen die Kantonalbanken zu einer starken Realwirtschaft bei, so fördert diese im Umkehrschluss auch die Ertragsstärke der Kantonalbanken. Und davon profitieren die Kantone als ihre Eigentümer, Mitarbeitende, die privaten Anleger sowie über Steuern die Eidgenossenschaft. Die KB-Gruppe erarbeitete 2013 eine direkte Wertschöpfung von 6,1 Milliarden Franken, wovon 2,8 Milliarden Franken an die Kantone gingen in Form von Gewinnausschüttungen, Abgeltungen für die Staatsgarantie, Steuern und (rechnerische) Unternehmenswertsteigerungen. An die Mitarbeiter wurden 2,7 Milliarden Franken ausbezahlt; auf die Minderheitseigner wie Aktionäre oder Besitzer von Partizipationsscheinen entfielen weitere 500 Millionen Franken. Schließlich profitierte der Bund, dem die Kantonalbanken 93 Millionen Franken Steuern ablieferten.

Angesichts dieser Zahlen sind die Staatsinstitute für die Kantone auch unter Rentabilitätsüberlegungen ein lohnendes Investment. Die Hochschule Luzern hat berechnet, dass die Banken ihren Kantonen in den letzten zehn Jahren eine durchschnittliche Rendite von 11,2 Prozent abgeworfen haben. Pro Kopf der Bevölkerung machen die Ausschüttungen jährlich durchschnittlich 189 Franken aus.6) Die Zahlen schwanken von Kanton zu Kanton stark: Beim flächenmäßig kleinsten Kanton Appenzell-Innerrhoden ist der Anteil mit 473 Franken pro Einwohnerin und Einwohner am höchsten. Abgesehen von den finanziellen Abgeltungen unterstützen die Institute soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Projekte und Initiativen im jeweiligen Kanton. Unzählige Gemeinden, Vereine, Organisationen und Privatpersonen profitieren von diesem Engagement. Dabei werden kleine Veranstaltungen ebenso unterstützt wie größere Anlässe.

Anteil an Unternehmensfinanzierung ausgebaut

Mehr als 99 Prozent der Firmen in der Schweiz sind kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die rund 70 Prozent aller erwerbstätigen Personen beschäftigen.7) Für 31 Prozent dieser Unternehmen sind die Kantonalbanken die Hauptbank und somit wichtigster Ansprechpartner für finanzielle Belange.8) Andere Banken oder Bankengruppen erreichen nicht annähernd einen so hohen Anteil. Mit gewährten Krediten von 174 Milliarden Franken9) sind die Kantonalbanken der größte Unternehmensfinanzierer in der Schweiz, wobei sie ihren Anteil vor allem seit der Finanzkrise weiter ausgebaut haben (siehe Abbildung 4).

Generell zeichnen sich Schweizer KMU durch eine im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hohe Zufriedenheit mit ihren Banken aus. Mit dem höchsten Anteil an Bankbeziehungen mit KMU tragen die Kantonalbanken wesentlich zu diesem positiven Resultat bei.10) KMU und Kantonalbanken sind langfristige Geschäftspartner, die auf Vertrauen, Verlässlichkeit und Beständigkeit bauen. Zeugnis dieser engen Beziehung sind die hohen Kundenanteile der Kantonalbanken in ihren Kantonen. Im Kanton Obwalden etwa sind 84 Prozent aller Einwohner, die über eine Bankbeziehung verfügen, Kunde der Kantonalbank. In zwei Dritteln der Kantone liegt dieser Anteil bei 50 und mehr Prozent.11)

Die Kantonalbanken unterliegen nicht nur in den Kantonen dem politischen Gestaltungswillen, der dem föderativen Aufbau der Schweiz entsprechend unterschiedliche Formen annehmen kann. Die auf dem Finanzplatz gültigen Regelwerke gelten alle auch für die Kantonalbanken. Jährlich kommen unzählige neue Regeln dazu, wobei der Regulierungsmotor stark von internationalen Entwicklungen getrieben ist.

Dutzende von Erlassen und Richtlinien sind in den letzten Jahren eingeführt worden oder werden demnächst rechtskräftig mit weitreichenden Wirkungen, wobei die spezifischen Geschäftsmodelle der Inland- und damit auch der Kantonalbanken zu wenig berücksichtigt werden (siehe Tabelle 2). Die vielen regulatorischen Auflagen treiben die Kosten gerade für die inlandorientierten Banken nach oben, da die Umsetzung mit einem großen Fixkostenanteil verbunden ist. Dies benachteiligt kleinere Banken und gefährdet die Kernaufgabe der Kantonalbanken, die Bevölkerung und die KMU-Wirtschaft mit Bankdienstleistungen zu versorgen.

Ironie der Finanzkrise

Der Verband Schweizerischer Kantonalbanken fordert von Behörden und Politik eine Finanzmarktregulierung, die nur dort eingreift, wo wirklich reguliert werden muss. Sie soll sich an klar definierten Zielen orientieren, die unterschiedlichen Geschäftsmodelle und Risikostrukturen der Finanzdienstleister berücksichtigen und die Bankenvielfalt wahren. Von diesen Problemen sind nicht nur die Schweizer Banken betroffen.

Ähnliche Forderungen sind auch vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) bekannt. Es ist die große Ironie der Finanzkrise, dass eine krisengetriebene internationale Regulierung zunehmend inlandorientierte Banken beeinträchtigt und aus dem Markt zu drängen droht, die mit der Entstehung der weltweiten Finanzkrise wenig bis nichts zu tun hatten.

Selbstverständlich muss die Finanzmarktregulierung auch in der Schweiz auf internationale Entwicklungen Rücksicht nehmen. Aber sie muss ebenso auf die bewährten Werte wie Kundennähe, Eigenverantwortung und Vertrauen achten. Die vielfältige KMU-Wirtschaft Schweiz mit ihren innovativen Unternehmen gedeiht nur in einer ebenso vielfältigen Bankenwelt Schweiz. Grundlage dazu ist eine liberale und auf Prinzipien basierte Finanzmarktregulierung. Diese Stärke darf nicht durch falsche Regulierung zerstört werden.

Ein Stabilitätsfaktor

Obwohl teilweise vor fast 200 Jahren gegründet, sind die Kantonalbanken heute eine moderne und auf die Realitäten und Bedürfnisse des Marktes ausgerichtete Bankengruppe. Sie tragen wesentlich zur Versorgungssicherheit und zur Stabilität des Finanzplatzes Schweiz bei. Solange eine Kantonalbank in einem zunehmend internationalisierten Finanzmarkt ihren primären Fokus auf das lokale Geschäft richtet und dieses gleichermaßen kundenorientiert wie effizient abwickelt, solange wird es Kantonalbanken brauchen. Dabei sind Unternehmens- und Eigentümermodell miteinander verbunden: Für eine nachhaltig lokal ausgerichtete Geschäftspolitik braucht es auch einen starken, lokal verankerten Eigentümer. Das mag unspektakulär tönen und sich auch kurzfristig nicht für das klischeehafte Bild der "Schweizer Bank" in einem James-Bond-Film eignen: für die Kantonalbanken und die Schweizer Wirtschaft ist es ein Erfolgsmodell.

Fußnoten

1) Schweizerische Nationalbank (SNB) : Die Banken in der Schweiz 2013, A68.

2) SNB: Die Banken in der Schweiz 2013, A68-A73.

3) Dito.

4) Art. 3a1, Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 (Stand am 1. Januar 2013).

5) SNB: Die Banken in der Schweiz 2013, A71.

6) Hochschule Luzern: IFZ Retail Banking-Studie 2013, S. 57 und 62.

7) McKinsey/Staatssekretariat für Wirtschaft, Bern: Studie zur Finanzierung der KMU in der Schweiz, 2013.

8) Demoscope Research & Marketing, Adligenswil Kanton Luzern: VSKB-Marktforschung Unternehmen 2013, S. 5.

9) SNB: Kreditvolumenstatistik 3Ca, Bankenstatistisches Monatsheft Juni 2014.

10) McKinsey/Swiss Finance Institute: Bankdienstleistungen für Schweizer Firmen - Ergebnisse der KMU Befragung, 2014.

11) am-Puls Market Research AG, Luzern: VSKB-Marktforschung Private 2013.

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