Aufsätze

Die neuen Regularien - Implikationen für das strategische Beteiligungsportfolio von Banken

Im Dezember 2010 hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) die zentralen Bestandteile der sogenannten Basel-III-Regelungen in zwei Rahmenvereinbarungen veröffentlicht.1) Die konkreten Inhalte dieser Rahmenvereinbarungen werden in der EU auch unter dem Label CRD IV (Capital Requirement Directive) kodifiziert. Kern der CRD IV sind dabei insbesondere auch die Veränderungen bei den Anforderungen an das haftende Eigenkapital von Banken mit den folgenden Schwerpunkten:

- Aufteilung des vorhandenen Kernkapitals in ein sogenanntes Core Capital (Core Tier 1) und zusätzliches beziehungsweise hybrides Kernkapital (Additional Tier I); beide Kapitalarten bilden das Gesamt-Kernkapital.

- Anstieg der Core Capital Ratio von heute 2,0 Prozent auf mindestens 4,5 Prozent bis 2015.

- Anstieg der Gesamt-Kernkapitalquote von 4,0 Prozent auf 6,0 Prozent bis 2015.

- Aufbau eines zusätzlichen Kapitalerhaltungspolsters aus Core Capital in Höhe von 2,5 Prozent, sodass die Mindestquote für Core Capital im Zielbild 2019 auf 7,0 Prozent und für das Gesamt-Kernkapital stufenweise auf 8,5 Prozent steigt.

Keine ernsthaften Zweifel an der Umsetzung

Rechtsverbindlichkeit erhalten die Standards der BCBS erst mit der Transformation in nationales Recht, wobei in Europa zuerst eine entsprechende EU-Richtlinie vorzulegen ist. Beides ist noch nicht geschehen. Dennoch: Kaum jemand kann heute ernsthafte Zweifel daran haben, dass in Europa die oben genannten Verschärfungen in der von Banken geforderten Eigenkapitalqualität und Eigenkapitalquote umgesetzt werden.2)

In der öffentlichen Diskussion fokussieren sich die Befürchtungen bei der Umsetzung der Basel-III-Richtlinien derzeit auf mögliche Risiken für die Kreditversorgung der Realwirtschaft. Schließlich gilt das unter Basel III besonders reglementierte Kernkapital als zentrale Größe, um eine Ausweitung des risikobehafteten operativen Geschäfts von Banken zu begrenzen.3) Bisher noch weitestgehend unbeachtet ist dagegen ein anderes Thema: Die möglichen Auswirkungen der neuen Eigenkapitalvorschriften auf das in strategischen Bankbeteiligungen vorhandene Vermögen von Banken.

Methodische Begründung einer Wertrelevanz für Beteiligungsportfolios

Nach der signifikanten Entflechtung der Deutschland AG bestehen die Beteiligungsportfolios von Banken zum weit überwiegenden Teil aus Beteiligungen an Banken oder banknahen Unternehmen, deren Bündelung im Folgenden als strategisches Beteiligungsportfolio bezeichnet wird. Oft haben Banken in ihren strategischen Beteiligungsportfolios erhebliche Vermögenswerte. Die Frage, ob dieses Vermögen durch Basel III einem Risiko im Sinne von Wertveränderung ausgesetzt ist, kann durch eine Analyse der gängigen Methodik zur Wert- und somit zur Vermögensfeststellung beantwortet werden.

Der Wert einer Beteiligung ist letztlich identisch mit dem Vermögen, das die Beteiligung für den Eigentümer repräsentiert. Weitestgehend hat sich als Methode zur Wertermittlung von Beteiligungen das sogenannte Discounted-Cash-Flow-Verfahen (DCF) durchgesetzt, welches bei Banken aufgrund der Untrennbarkeit von Leistungs- und Finanzierungsbereich ausschließlich in der Nettomethodik anwendbar ist.4) Dieses, auch durch den Standard IDW S 1 von Wirtschaftsprüfern anerkannte Bewertungsverfahren5) ermittelt den Unternehmenswert aus dem Barwert einer Zahlungsreihe, den sogenannten Free Cash-Flows an die Anteilseigner.

Die Free Cash-Flows einer Periode werden bei Banken bestimmt durch den geplanten Jahresüberschuss abzüglich notwendiger Thesaurierungen zur Aufrechterhaltung oder Herstellung von Ziel-Kapitalquoten. Hieraus ergibt sich ein direkter Zusammenhang zwischen dem objektivierten Ertragswert einer Bank und den geltenden aufsichtsrechtlichen Bestimmungen zur Kapitalausstattung,6) sodass auch die neuen Basel-III-Vorschriften bei der Wert- und somit Vermögensermittlung Einfluss haben werden.

Die tatsächliche Ausprägung dieses Einflusses ist pauschal nicht quantifizierbar, sondern vielmehr davon abhängig, wie stark eine bestimmte Beteiligung von den neuen Basel-III-Regeln betroffen ist, also welche Qualität und Quantität des Kapitals die Beteiligung bereits heute aufweist, und andererseits bestimmt durch die Bewertungsparameter, die von der Investor-Bank in der Vergangenheit angewendet wurden.7)

Modellrechnung zur Approximation der Vermögenseffekte von Basel III Zur formal-analytischen Abschätzung der möglichen Wert- und Vermögenseffekte von Basel III wird die Bewertung einer Mo-dell-Bank unter drei Szenarien durchgeführt8):

Szenario 1: Bewertung auf Basis aktueller Mindestquoten für das Kernkapital.

Szenario 2: Bewertung auf Basis der Ba-sel-III-Mindestquoten für Core Capital und Gesamt-Kernkapital, wobei unterstellt wird, dass das vorhandene additional Tier I auch über 2019 hinaus anrechnungsfähig bleibt.

Szenario 3: Bewertung auf Basis wie Szenario 2, wobei aber unterstellt wird, dass das vorhandene additional Kernkapital ab 2019 nicht mehr anrechnungsfähig ist und bereits 2018 durch Core Capital ersetzt werden muss.

Die aktuellen Kapitalquoten für Szenario 1 werden mit zwei Prozent für das Core Capital und vier Prozent für die Gesamt-Kernkapitalquote modelliert. Der stufenweise Aufbau der Basel-III-Kernkapitalquoten in den Szenarien 2 und 3 ist laut Abbildung 1 in das Bewertungsmodell integriert.

Die Kapitalquoten für Core Capital und Gesamt-Kernkapital werden nach dem Engpassfaktor-Prinzip entwickelt, das heißt, es wird für eine Periode solange Kapital zugeführt, bis die schwächere der beiden relevanten Kapitalquoten das geforderte Minimum erreicht hat. Bei einer Anfangsausstattung mit Core Capital von 200 GE9) und mit additional Tier I in Höhe von 200 GE stellt sich die modelltheoretische Entwicklung der Risikoaktiva laut Abbildung 2 dar:

Bei der Transformation der geplanten Jahresüberschüsse auf Basis der jeweiligen Ziel-Kapitalquoten ergeben sich die in Abbildung 3 aufgezeigten Free Cash-Flows (vor Diskontierung).

Aus Abbildung 3 wird ersichtlich: Im Vergleich zu Szenario 1 ohne Basel-III-Effekte müssen im Rahmen der Szenarien 2 und 3 höhere Thesaurierungen/Kapitalzuführungen erfolgen, um das geplante RWA-Wachstum finanzieren zu können. Dies ist den unter Basel III höheren Mindest-Kapitalquoten geschuldet und führt in bestimmten Perioden sogar zu negativen Free Cash-Flows, wodurch Kapitalerhöhungen notwendig werden.

Insbesondere das letzte Planjahr 2018, in dem das Zielbild der Basel-III-Quoten herzustellen ist, weist deutlich negative Free Cash-Flows auf, wobei in Szenario 3 das gesamte additional Tier I aufgrund des Herausfallens aus der Anrechnung durch Core Capital ersetzt werden muss. Im nachhaltigen Ergebnis haben Szenario 2 und Szenario 3 niedrigere Free Cash-Flows, weil die "nachhaltige Thesaurierung" aufgrund des Basiseffektes höher ausfällt.10)

Werteverzehr absehbar

Im DCF-Modell führen steigende Thesaurierungen und/oder notwendige Kapitalerhöhungen, die nicht zu einer Erhöhung der Gewinne oder zu einer signifikanten Reduzierung des Geschäftsrisikos beitragen, sondern ausschließlich zur Aufrechterhaltung der Fortführungshypothese getätigt werden, stets zu einem Rückgang des Ertragswertes.11)

Im Modell beträgt der Rückgang zu Szenario 1 (Basel II) im Basel-III-Szenario-2 ohne Kapitalersatz 46 Prozent und im Ba-sel-III-Szenario-3 mit Kapitalersatz 55 Prozent (Abbildung 4).

Wie sehr das Basel-III-Regelwerk in das Vermögen der Eigentümer von Banken oder Anteilen an Banken eingreifen wird, ist pauschal nicht festzulegen. Die durchgeführte Modellrechnung führte zu einer Wert-, das heißt Vermögensvernichtung gegenüber der Basel-II-Welt zwischen 46 Prozent und 55 Prozent. Die Modellrechnung ist dabei in mancher Hinsicht ein Worst Case Szenario. So wurde das Vermögen in Bankbeteiligungen in der Vergangenheit nur selten auf Basis von Mindestkapitalquoten taxiert und auch die Annahme, dass bestehendes Hybridkapital vollständig aus der Anrechnung fällt, ist pessimistisch.

Dennoch ist anzunehmen, dass in sehr vielen (Erst-)Bewertungen unter Basel III ein Wertverzehr eintreten wird, zumal auch der aus dem CAPM abgeleitete Risikozuschlag aktuell keine gegensteuernde Entwicklung zeigt. Somit werden wohl viele Banken mit strategischen Beteiligungsportfolios neben einem gestiegenen Impairmentrisiko auch einen realen Vermögensverlust durch Basel III erleiden, der durch die bereits beschlossene Bankenabgabe noch einmal verstärkt wird. Die Underperformance des Bankensektors der letzten Monate verdeutlicht auf anderer Ebene die Wertrelevanz des sich verändernden regulatorischen Umfeldes: So entwickelte sich im abgelaufenen Jahr 2010 beispielsweise der Euro Stoxx Banks Index deutlich schlechter als der Gesamtindex Euro Stoxx.

Geschäftspolitische und strategische Maßnahmen als Gegenpol zu den regulatorisch begründbaren Werteffekten liegen in der Entscheidungssphäre des einzelnen Institutes.

Fußnoten

1)Vgl. Basel III: A global regulatory framework for more resilient banks and banking systems, Dezember 2010, abrufbar unter: http://www.bis.org/publ/bcbs189.pdf, und: Basel III: International framework for liquidity risk measurement, standards and monitoring, Dezember 2010, abrufbar unter: http://www. bis.org/publ/bcbs188.pdf.

2)So zum Beispiel haben die großen deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nach eigenen Angaben bereits für die Jahresabschlüsse zum 31. Dezember 2010 grundsätzlich auf eine Bewertung von Bankbeteiligungen auf Basis der Basel-III-Vorschriften bestanden. Begründet wird dies mit dem Wurzelprinzip des IDW S 1, dem Standard der Wirtschaftsprüfer bei der Durchführung von Unternehmensbewertung, die auch über die Spezialvorschrift IDW RS HFA 10 für handelsrechtliche Bewertungen Geltung hat. Nach der Wurzeltheorie sind bereits hinreichend konkretisierte Maßnahmen in der Wertableitung zwingend zu berücksichtigen (vgl. IDW S 1, Tz. 32).

3)Vgl. Brunner, Fabian: Wertstiftende Strategien im Bankgeschäft, Heidelberg 2009, Seiten 20f.

4)Vgl. Geltinger, Andreas: Ertragswertorientierte Bewertung von Banken, in: Bank-Praktiker, 05/2009, Seiten 249f.

5)Zur Anwendung von Ertrags- oder DCF-Verfahren vgl. IDW S 1; i.d. F. 2008, Tz. 101 ff.

6)Vgl. dazu Geltinger, Andreas, a.a. O., Seiten 250ff.

7)Regelmäßig wurden Banken aufgrund Anforderungen des Kapitalmarktes bereits vor Basel III mit Ziel-Kernkapitalquoten über den gesetzlichen Mindestquoten bewertet. Je höher dabei eine Eigentü-mer-Bank gegangen ist, desto geringer werden die Basel-III-Effekte auf bestehende und bilanzierte Ertragswerte sein.

8)Die Versuchsanordnung setzt folgende Parameter: Planung 2011 bis 2018, danach nachhaltiges Ergebnis 2019 ff., Jahresüberschuss über alle Perioden der Detailplanung 100 GE, Kapitalisierungszinssatz zehn Prozent, Gordon Growth im Terminal Value zwei Prozent. Bewertungsstichtag ist der 31. Dezember 2010. Für eine bewusst isolierte Darstellung der negativen Bruttoeffekte wurde auf die Berücksichtigung des Anlagenutzens aus den notwendigen Kapitalmaßnahmen verzichtet, sodass der im gewählten Modell festgestellte Wertverlust in der Realität geringer ausfallen dürfte.

9)GE = Abkürzung für "Geldeinheiten".

10)Vgl. zur nachhaltigen Thesaurierung Geltinger, Andreas, a.a. O., Seite 252 (dort: Tabelle 3).

11)Unter Umständen könnte durch einen verringerten Risikozuschlag ein gegensteuernder Effekt auf den Wertverlust eintreten. In der Praxis kann man auf Basis der CAPM-Systematik allerdings noch nicht erkennen, dass die Beta-Faktoren von Banken positiv auf die Basel-III-Verlautbarungen reagieren. Offenbar sieht der Markt das Geschäftsrisiko von Banken auch durch eine erhöhte Kapitalausstattung nicht entscheidend verringert. Dies wird auch durch die aktuell schlechte (relative) Performance des Euro Stoxx Banks bestätigt.

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