Aufsätze

Passgenauigkeit und Flexibilität als Anforderungen an moderne Zeitwertkontensysteme

Zeitwertkonten schauen in ihrer recht jungen Geschichte bereits auf ein abwechslungsreiches Leben zurück. Am Anfang stand das sogenannte Flexi-Gesetz (Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen). Hiermit schuf der Gesetzgeber 1998 den rechtlichen Rahmen dafür, dass Arbeitnehmer Gehaltsbestandteile in Zeitkonten einstellen können, um hierüber zu einem späteren Zeitpunkt zu verfügen. In der Folge gewannen Zeitwertkonten an Attraktivität und Verbreitung, weil sie eine flexiblere Gestaltung der Lebensarbeitszeit ermöglichten.

Zeitwertkonten kein sechster Durchführungsweg der bAV

Durch das sogenannte Flexi-II-Gesetz (Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen), das 2009 in Kraft trat, wurden die Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Zeitwertkonten dann präzisiert. Arbeitnehmer profitieren nun beispielsweise von einer verbesserten Insolvenzsicherung ihrer Ansprüche sowie der Möglichkeit der Portabilität auf einen anderen Arbeitgeber oder die Deutsche Rentenversicherung Bund. Und für Arbeitgeber sind Zeitwertkonten zu einem zentralen Instrument der strategischen Personalsteuerung im Unternehmen geworden. Zum einen stellen sie durch den zeitgleichen Wegfall der staatlichen Förderung von Altersteilzeit aus Arbeitgebersicht das einzig verfügbare Instrument dar, um die Altersstruktur der Belegschaft zu steuern. Zum anderen sind sie beim Thema Mitarbeitergewinnung und -bindung zu einem wichtigen Faktor geworden.

Vor einer Besprechung der möglichen Ausgestaltung und Einsatzmöglichkeiten von Zeitwertkonten am konkreten Beispiel ist es sinnvoll, sich die Unterschiede zwischen Zeitwertkonten und der betrieblichen Altersversorgung (bAV) zu vergegenwärtigen. In der Vergangenheit wurden Zeitwertkonten vielfach als eine Ergänzung zur betrieblichen Altersversorgung angesehen - vereinzelt wurde gar vom sechsten bAV-Durchführungsweg gesprochen.

Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit

Spätestens nach den Änderungen im Zusammenhang mit dem Flexi-II-Gesetz ist jedoch klar: Beides - Zeitwertkonten und die bAV - sollten zwar aufeinander abgestimmt und kohärent in der Unternehmensstrategie verankert sein, sie sind jedoch zwei Paar Schuhe. Die Unterschiede zur bAV werden deutlich, wenn man sich die Funktionsweise von Zeitwertkonten vor Augen führt. Zeitwertkonten ermöglichen eine Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit der Mitarbeiter dadurch, dass das Entgelt für einen Teil der geleisteten Arbeit nicht unmittelbar zur Auszahlung gelangt, sondern angespart wird. Die angesparten Guthaben werden dann zu einem späteren Zeitpunkt in Form von bezahlter Freistellung abgebaut, wobei dies eine ruhestandsnahe Freistellung oder eine zwischenzeitliche Auszeit - etwa in Form eines Sabbaticals, für Erziehungsurlaub oder zwecks Weiterbildung - sein kann.

Dabei gibt es einige wichtige Unterscheidungsmerkmale zur bAV. Zum einen sind im Gegensatz zur betrieblichen Altersversorgung Zeitwertkonten bis auf eventuelle Zuschüsse des Arbeitgebers ausschließlich arbeitnehmerfinanziert. Zum anderen besteht während der gesamten Zeit das Beschäftigungsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten fort. Eine Konsequenz hiervon ist beispielsweise, dass auch während der Freistellungsphase des Arbeitnehmers Anwartschaften zur gesetzlichen Rentenversicherung erworben werden. Dies macht deutlich: Zeitwertkonten haben eine gänzlich andere Zielsetzung als die betriebliche Altersversorgung und sind daher getrennt hiervon zu betrachten.

Zeitwertkonten in der Praxis

Die Sick AG in Waldkirch, einer der weltweit führenden Hersteller von Sensoren und Sensorlösungen für industrielle Anwendungen, hat bereits Mitte des letzten Jahrzehnts Zeitwertkonten eingeführt, die von der Allianz Treuhand GmbH treuhänderisch verwaltet werden (Abbildung 1). Daher liegen mittlerweile umfangreiche Erfahrungen über die Möglichkeiten und Grenzen dieses Instruments vor. Hinter der frühzeitigen Einführung von Zeitwertkonten standen mehrere Gründe: Zum einen hat das in der Technologiebranche tätige Unternehmen frühzeitig die Notwendigkeit erkannt, sich auf das - demografisch bedingt - mittelfristig sinkende Arbeitskräfteangebot vorzubereiten. Hinzu kam, dass dem Unternehmen die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung seit jeher ein Herzensanliegen ist. Die Bedeutung dieses Faktors wird zum langfristigen Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft weiter zunehmen. Daher war ein wichtiges Ziel der Einführung von Zeitwertkonten, dem steigenden Bedürfnis der Mitarbeiter nach einer Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit nachzukommen.

Ein dritter wesentlicher Grund war schließlich, dass das flexible Instrument des Zeitwertkontos in eine Standortsicherungsvereinbarung integriert wurde. Mittels einer Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 40 Stunden unter Einbringung der Mehrstunden in Zeitwertkonten konnte die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Sick AG gesichert und eine Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland verhindert werden.

Einbindung externer Expertise

Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Einführung von Zeitwertkonten und ihre Akzeptanz bei der Belegschaft war eine möglichst flexible Ausgestaltung der Wertguthabenkonten sowie eine Steuerung, die passgenau auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter, aber auch die Unternehmensziele zugeschnitten ist. Zusammen mit den infolge von Flexi-II gestiegenen gesetzlichen Anforderungen - Stichworte sind ausschließliches Führen in Geld, Insolvenzsicherung und Werterhaltungsgarantie - empfahl sich zwangsläufig die Einbindung eines externen Experten sowie die Auslagerung an eine überbetriebliche Treuhandlösung.

Bei der Auslagerung wurde das Konstrukt der Gruppen-Treuhand gewählt (Abbildung 2). Hierbei führt der Auftraggeber arbeitnehmerindividuelle Zeitwertkonten. Die dahintersteckenden Vermögenswerte werden dann an die Allianz Treuhand GmbH übertragen, mit der ein Treuhandvertrag geschlossen wurde und die bei der Kapitalanlage ein juristisches Depot pro Arbeitgeber führt. Die Arbeitnehmer besitzen dadurch sowohl gegenüber der Sick AG einen Leistungsanspruch aus den Zeitwertkonten als auch einen eigenständigen Anspruch gegenüber der Allianz Treuhand GmbH für den Sicherungsfall. Damit sind die Zeitwertguthaben der Angestellten auch im Falle einer Insolvenz ihres Arbeitgebers geschützt.

Auch die Anlage der von der Allianz Treuhand GmbH verwalteten Wertguthaben selbst orientiert sich voll und ganz an der Maßgabe des Auftraggebers. Hierdurch wird gewährleistet, dass das Wertkontensystem im Einklang mit der Unternehmensstrategie steht und sich naht- und friktionslos an die bestehenden Versorgungssysteme koppelt. Erfahrungsgemäß nimmt die detaillierte rechtliche und organisatorische Ausgestaltung einer Treuhand- und Zeitwertkontenkonstruktion den Löwenanteil bei der Planung einer Zeitwertkontenlösung ein.

Garantiefonds und auf Werterhalt ausgerichteter Lebenszyklusfonds

Bei der Auswahl beziehungsweise der Ausgestaltung der individuellen Kapitalanlageinstrumente schließlich sind neben den unternehmerischen Zielen vor allem auch die gesetzlichen Vorgaben von entscheidender Bedeutung. Arbeitsrechtlich ist der Arbeitgeber angehalten, den Werterhalt der Zeitwertkonten zum Zeitpunkt der planmäßigen Inanspruchnahme sicherzustellen. Diese Maßgabe, die unabhängig vom Freistellungszweck gilt, stellt hohe Ansprüche an die Anlageinstrumente und engt damit das Anlageuniversum ein. Im Falle der Sick AG wurde daher in Zusammenarbeit mit Allianz Global Investors als Kapitalanlagegesellschaft beschlossen, in Abhängigkeit von Anlagedauer und Freistellungszweck unterschiedliche Anlagekonzepte zu wählen.

Für mittlere Anlagezeiträume mit dem Ziel des Ansparens für eine temporäre Auszeit - etwa für ein Sabbatical, zwecks Fortbildung oder für eine temporär befristete Teilzeittätigkeit - wurde als Anlageform ein Garantiefonds gewählt, der überwiegend in hochgradig sichere verzinsliche Wertpapiere, Geldmarktinstrumente und Sichteinlagen investiert und eine halbjährliche Garantie auf den Anteilswert ausspricht. Das Ziel dieser Anlageform liegt in einer hohen Wertstabilität, und die Umsetzung mittels eines Garantiefonds verbindet in optimaler Weise die gesetzliche Wertsicherungsvorgabe mit der Erwartung der Angestellten einer Verzinsung ihrer Wertguthaben.

Bei längeren Anlagezeiträumen mit dem Ansparziel der ruhestandsnahen Freistellung - in der Regel bedeutet dies eine Freisetzung ab Vollendung des 60. Lebensjahres - gilt es dagegen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rendite- und Sicherheitsorientierung zu schaffen. Allianz Global Investors entwickelte daher für die Sick AG eine auf Werterhalt ausgerichtete Zeitwertkontenlösung. Dieser Ansatz beruht auf der Kombination eines CPPI-Wertsicherungskonzepts (Constant Proportion Portfolio Insurance) mit einem Lebenszykluskonzept. Ersteres stellt dabei durch regelgebundene Umschichtungen zwischen "sicheren" und "chancenreichen" Anlageklassen sicher, dass das Wertsicherungsniveau auch bei schwankenden Kapitalmärkten für jedes Einzeldepot zum Ende der vereinbarten Laufzeit eingehalten wird.

Ergänzung durch ein klassisches Lebenszykluskonzept

Die Ergänzung durch ein klassisches Lebenszykluskonzept sorgt dann dafür, dass zum einen eine attraktive Rendite erzielt werden kann und dass zum anderen mit näherkommendem Ende der Ansparperiode die zwischenzeitlich erzielten Guthaben-Wertzuwächse durch Umschichtungen in sichere Anlageklassen systematisch abgesichert werden. Beide Anlagekonzepte der Garantiefonds und der auf Werterhalt ausgerichtete Lebenszyklus-Ansatz - ermöglichen damit eine passgenaue Steuerung der Wertguthaben jedes einzelnen Arbeitnehmers entlang seiner jeweils individuellen Situation und erfüllen darüber hinaus zu jedem Zeitpunkt die Anforderungen des Flexi-II-Gesetzes.

Nach mittlerweile sechs Jahren an Erfahrung mit Zeitwertkonten bei dem Unternehmen lässt sich als Fazit ziehen: Aus unternehmensstrategischer Sicht hat sich dieses Instrument bewährt, und es wird von der Belegschaft gut angenommen. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass für 50 Prozent der im Konzern berechtigten Mitarbeiter Zeitwertkonten geführt werden. Zusammen mit den variablen Modellen der eigenfinanzierten betrieblichen Altersversorgung bei der Sick AG haben die Mitarbeiter daher die Möglichkeit, unterschiedliche persönliche Lebensplanungen mit variablen strategisch gewählten Anlageoptionen zu verbinden.

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