Interview

Redaktionsgespräch mit Daniel Günnewig - "Im zweiten Halbjahr 2008 dürften wir einen Steuerschlussverkauf erleben"

Was haben Sie getan, um die genossenschaftlichen Banken auf die Einführung der Abgeltungssteuer zum 1. Januar 2009 vorzubereiten?

Wir haben bereits während des Gesetzgebungsverfahrens im Jahr 2007 die Volks- und Raiffeisenbanken regelmäßig über die neue Steuer informiert. Im vergangenen Herbst haben wir dann in Planungsworkshops konkrete Maßnahmen für das Jahr 2008 mit den Banken erarbeitet. Parallel dazu wurden rund 16 000 Berater im VR-Verbund intensiv zum Thema Abgeltungssteuer im Rahmen von Workshops, E-Learning, Informationsveranstaltungen oder Expertenhotlines geschult. Sollten noch Fragen offen sein, können alle Fakten und Neuerungen jederzeit in unserem Extranet nachgelesen werden. Darüber hinaus haben wir in unserem Internetauftritt einen speziellen Bereich zur Abgeltungssteuer eingerichtet, um auch Anlegern Informationen bereitzustellen.

Wo sehen Sie die für Ihr Haus und die Fondsindustrie insgesamt die größten Herausforderungen bei der technischen Umsetzung der Abgeltungssteuer?

Für die Finanzindustrie ist die Einführung der Abgeltungssteuer die umfassendste Änderung des Steuerrechts in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die größten technischen Herausforderungen liegen beispielsweise in der neuen Systematik zur Verlustverrechnung, in der Übertragung der Anschaffungsdaten im Rahmen von Depotüberträgen und in den geänderten Meldeprozessen gegenüber den Finanzbehörden.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Gesetzgeber die IT-Vorlaufzeiten nicht berücksichtigt hat und erst vergleichsweise spät den Referentenentwurf für das Jahressteuergesetz 2009 vorgelegt hat. Hier sind weitere Änderungen der Fondsbesteuerung vorgesehen, die zusätzlichen Programmierungsaufwand mit sich bringen. Eine frühzeitige Konkretisierung des Gesetzgebers wäre deshalb sehr hilfreich gewesen.

Wie unterstützen Sie die Banken bei der Kundenansprache und Kundenselektion?

Aktuelle Marktforschungsuntersuchungen haben gezeigt, dass die Abgeltungssteuer bei den meisten Anlegern noch unbekannt ist. Daher haben wir uns zum Ziel gesetzt, breite Bevölkerungsschichten darüber zu informieren und zu beraten.

Union Investment hat den genossenschaftlichen Banken Leitfäden zur gezielten Kundenansprache zur Verfügung gestellt. Zuerst müssen vor allem die Anleger erreicht werden, die von der Abgeltungssteuer besonders betroffen sind und die vom Bestandsschutz, der für Geldanlagen bis zum 30. Dezember 2008 gewährt wird, überdurchschnittlich profitieren. Dazu zählen zum Beispiel Kunden, die direkt in Aktien oder Anleihen investieren, deren Zinserträge über dem Freistellungsbetrag liegen oder deren Geldanlagen in der nächsten Zeit fällig werden. Diese Anleger werden gezielt zu Beratungsgesprächen eingeladen oder im Rahmen von Kundenveranstaltungen angesprochen.

Welche Investmentfonds sind unter dem Aspekt der Abgeltungssteuer besonders geeignet?

Anleger sollten ihre Vermögensanlage in 2008 zusammen mit ihrem Berater überprüfen und nach individueller Risikoneigung auf eine langfristige Vermögensstrukturierung ausrichten. Einzelfonds sollten eine eher untergeordnete Rolle spielen. Wichtiger ist ein gut diversifiziertes Portfolio mit unterschiedlichen Fonds oder Strukturierungslösungen. Bei der Ausrichtung des Portfolios sollte der Fokus jedoch nicht alleine auf dem steuerlichen Aspekt liegen. Um den Anlegern für die Diversifizierung ihres Depots entsprechende Anlagemöglichkeiten zu bieten, hat Union Investment zum einen seine bestehenden Fonds auf die neuen Gegebenheiten angepasst, als auch neue Lösungskonzepte entwickelt.

Welche Veränderungen haben Sie bei Ihren Fonds vorgenommen, um diese an die neuen Regeln anzupassen?

Bei allen Fonds werden grundsätzlich nur noch ordentliche Erträge ausgeschüttet, da die Ausschüttungen von Veräußerungsgewinnen, die aus Wertpapieren, die der Fonds nach dem 31. Dezember 2008 angeschafft hat, nicht mehr steuerfrei sind. Damit wollen wir insbesondere den Anlegern Rechnung tragen, die vor dem 1. Januar 2009 ihre Fondsanteile aus dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes erworben haben. Eine weitere Änderung betrifft die thesaurierenden Fonds, die in Luxemburg aufgelegt wurden. Die Investmentfonds wurden von thesaurierend auf ausschüttend umgestellt. Dies gilt auch für alle Garantiefonds, die neu auf den Markt kommen.

Mit der Umstellung ersparen wir den Anlegern eine Veranlagung zur Einkommenssteuer, die bei einem Luxemburger thesaurierenden Fonds notwendig wäre. Denn mit der Einführung der Abgeltungssteuer soll eine Aufführung der Kapitalerträge in der Einkommenssteuererklärung für deutsche Anleger nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme darstellen, da die Steuerschuld mit der neuen Quellensteuer bereits abgegolten ist.

Warum ist eine ausgeglichene Vermögensstruktur so wichtig?

Deutsche Privatanleger und institutionelle Investoren haben eine Gemeinsamkeit: sie scheuen das Risiko. Dies zeigt vor allem das letzte Jahr, wo viele Privatanleger - trotz steigender Kurse - Aktienfonds den Rücken kehrten und ihr Geld stattdessen in Geldmarktfonds oder wertgesicherte Produkte investierten. Auch 2008 hält dieser Trend weiter an. Viele Bürger präferieren noch immer risikoarme Anlagemöglichkeiten und opfern dafür Renditechancen. Die Erkenntnisse der Portfoliotheorie werden von ihnen komplett vernachlässigt.

Seit den Arbeiten von Nobelpreisträger Harry M. Markowitz gilt als gesichert, dass die Aufteilung des Vermögens auf unterschiedliche Assetklassen, Branchen und Anlagestile die Risiko-Rendite-Struktur des Portfolios entscheidend verbessert. Gleichwohl wird dieses Credo von vielen Anlegern nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei bietet gerade das gegenwärtige Umfeld ein breites Spektrum an neuen und innovativen Anlagemöglichkeiten, die sich in vielfältiger Weise für die Diversifikation nutzen lassen.

Wird der Absatz von Investmentfonds im nächsten Jahr einbrechen?

Wie wir schön häufig bei Steueränderungen beobachtet haben, reagieren die Bürger erst im letzten Moment auf die anstehenden Veränderungen. Somit dürften wir im zweiten Halbjahr 2008 voraussichtlich einen Steuerschlussverkauf erleben. Nach Einführung der neuen Rahmenbedingungen - dies zeigen die Erfahrungen aus der Versicherungsbranche in der Vergangenheit - besteht in der Tat die Gefahr einer zwischenzeitlichen Vertriebsmüdigkeit.

Damit dies nicht geschieht, wird Union Investment auch 2009 mit gleicher Kraft die Vertriebsaktivitäten fortsetzen und die Banken über die Vorteile von Investmentfonds informieren. Denn diese Anlageform bleibt auch nach Einführung der Abgeltungssteuer ein attraktives Finanzinstrument.

Dies sehen aber nicht alle Experten so ...

Warum manche Experten Investmentfonds als Verlierer der neuen Steuer darstellen, ist vollkommen unverständlich. Denn durch die Einführung der Abgeltungssteuer werden verschiedene Ertragsarten nun einheitlich besteuert, und es fallen zahlreiche Sonderregelungen weg. Damit rückt die reine Bruttorendite in den Vordergrund. Aktiv gemanagte Fonds haben dabei langfristig ganz klare Renditevorteile gegenüber anderen Anlageprodukten.

Welche Herausforderungen ergeben sich für einen Asset Manager vor dem Hintergrund der neuen Steuer?

Nach dem vorliegenden Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2009 soll die steuerliche Behandlung von Zertifikaten innerhalb von Investmentfonds neu gestaltet werden. Dies kann dazu führen, dass das Fondsmanagement zukünftig noch stärker bei dem Erwerb von Wertpapieren die steuerlichen Auswirkungen zu beachten und zu prüfen hat. Denn schon heute investieren viele Fonds im Interesse der Anleger in Zertifikate. So werden Zertifikate beispielsweise zu Absicherungszwecken, zur breiten Risikodiversifizierung, zum Sparen von Transaktionskosten und zur Nutzung von zusätzlichen Performancechancen eingesetzt.

Aber auch der Zugang zu den Schwellenländern wird erschwert. Da hier oft ein direkter Erwerb von Aktien nicht möglich ist, werden diese über Zertifikate abgebildet. Mit der steuerlichen Neubehandlung von Zertifikaten auf Fondsebene müssen die derzeit bestehenden Möglichkeiten gesondert geprüft werden. Das stellt die Investmentgesellschaften in der täglichen Arbeit vor große Herausforderungen.

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