Interview

Redaktionsgespräch mit Ralf W. Barkey und Siegfried Mehring - "Unsere Mitglieder stellen zunehmende Anforderungen an eine Individualisierung der Leistung"

Was macht Ihnen mit Blick auf die genossenschaftliche Bankengruppe die größte Freude und was die größte Sorge?

Barkey: Freude macht der Auftrieb für das Genossenschaftswesen, den wir insbesondere seit dem Internationalen Jahr der Genossenschaften spüren. Genossenschaften werden heute sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik nicht mehr als antiquierte Rechtsform wahrgenommen, sondern zunehmend als Problemlöser. Es gibt nahezu keinen Wirtschafts- und Lebensbereich mehr, in dem die genossenschaftliche Rechtsform nicht vertreten ist. Das gilt auch für gesellschaftliche Herausforderungen, wie die ländliche Entwicklung oder das Wohnen im Alter.

Mehring: Dem genossenschaftlichen Bankensektor wird dabei im Übrigen genau das Geschäftsmodell bescheinigt, das eine moderne Volkswirtschaft braucht - nahe an der Wirtschaft und nahe bei den Menschen. Man muss freilich einräumen, dass das Verständnis für die Vorzüge unserer Gruppe und des Drei-Säulen-Systems nur in Deutschland wächst.

Sorge bereitet die unzureichende Berücksichtigung der Besonderheiten unserer Verbundstruktur gerade bei regulatorischen Themen. Dabei geht es uns ausdrücklich nicht um Sonderregelungen. Auch verneinen wir nicht, dass die Finanzmarktkrise einen deutlichen Regulierungsbedarf offenbart hat. Was wir fordern, ist eine Proportionalität der Regelungen bezogen auf Größe und Risikostrukturen eines Kreditinstituts.

Es ist nicht die Erfüllung der Kapital- und/ oder Liquiditätsanforderungen, die unsere Mitglieder vor übermäßige Herausforderungen stellt. Es sind auch nicht spezielle regulatorische Vorgaben. Es ist vielmehr die Vielzahl an bürokratischen Fragestellungen, die zu einer immensen Kostenbelastung führt. Und wir sehen auch nicht, dass diese ganze Fülle unsere Gruppe betreffenden Maßnahmen auch zu einem Mehr an Finanzmarktstabilität führen würde. Dafür auf europäischer Ebene das notwendige Verständnis zu wecken, fällt nach wie vor schwer.

Welche Botschaft hat der Genossenschaftssektor für Europa?

Barkey: Genossenschaften sind generell Ausdruck bürgerlichen Freiraums und Entfaltungswillens. Überall dort, wo dieser Gestaltungswille durch Regulatorik, zu rigide Überwachung oder durch Beschränkung wirtschaftlicher Betätigung staatlich eingeschränkt wird, haben wir Sorge. Ein Staat, der auf der einen Seite mehr Engagement von seinen Bürgern einfordert, aber andererseits Rahmenbedingungen schafft, die genau das verhindern, der nutzt nicht die Möglichkeiten genossenschaftlicher Lösungen. Das muss verdeutlicht werden.

Es gilt also, nach Verbündeten in anderen europäischen Ländern zu suchen?

Barkey: Als Regionalverband müssen wir zunächst einmal auf die eigene Politik schauen und dort darlegen, welchen Anteil genossenschaftliches Leben an der wirtschaftlichen Prosperität dieses Landes und Europas hat. Wir müssen viel deutlicher klarmachen, dass diese oder jene Einschränkung ganz konkrete Auswirkungen auf die Prosperität unseres Mittelstandes und die gesellschaftliche Unterstützung des europäischen Projektes hat. Auf europäischer Ebene ist das für den BVR gerade im Bankensektor bei der Vielzahl an Staaten und den unterschiedlichen Bankstrukturen eine große Herausforderung, weil man für ein politisches Anliegen immer acht oder neun Verbündete aus anderen Ländern haben muss.

Läuft diese Überzeugungsarbeit arbeitsteilig zwischen dem BVR und den Regionalverbänden?

Barkey: Ja, wir sehen das in völliger Übereinstimmung mit dem BVR und den anderen Regionalverbänden als Gesamtaufgabe des Genossenschaftssektors. Als RWGV sind wir ganz konkret gebeten worden, in Belgien und - wer hätte das gedacht - in Großbritannien über unser Modell zu informieren und die Erfolgsfaktoren herauszuarbeiten. Solche Anfragen müssen wir im Verbund schultern. Es gilt beispielsweise, unser Modell der Mittelstandsfinanzierung als Best Practice für Europa zu präsentieren. In Griechenland sehen 40 Prozent der befragten mittelständischen Unternehmen die Finanzierung des Mittelstandes als Hauptproblem, in anderen EU-Ländern sind es über 20 Prozent, bei uns in Deutschland lediglich 6 Prozent. Das muss einen Grund haben. Können wir dies überzeugend vermitteln, wird das einen wichtigen Auftrieb für Europa und seinen Bankensektor geben. Das wird es dann auch leichter machen, die Interessen von Genossenschaftsbanken europaweit durchzusetzen.

Wer wird in Brüssel aktiv?

Barkey: Das ist klare Sache des BVR, er gibt die Inhalte und die Taktung vor, seine Interessenvertretung ist auf Berlin, Brüssel und London ausgerichtet. Aber einige Abgeordnete des Bundestages in Berlin und des Europaparlamentes in Brüssel kommen auch aus unserer Region. Im Wahlkreis aber können wir sie erreichen und versuchen, sie zusammen mit unseren Primärinstituten vor Ort mit unseren Anliegen abzuholen. Dabei muss selbstverständlich stets sichergestellt sein, dass wir die gleiche Sprache wie der BVR sprechen. Und das tun wir auch.

Mehring: Wir sehen uns an dieser Stelle als subsidiärer Dienstleister in klarer Abstimmung mit unseren Bundesverbänden. Neben dem europäischen und bundesweiten Aspekt muss man aber den föderalen Aufbau der Bundesrepublik im Auge haben, sprich, wir müssen beachten, auf welchen Feldern Landespolitik eine Rolle spielt und Landespolitik Einfluss auf Bundes- und Europapolitik nimmt.

Im Mai dieses Jahres gab es eine gemeinsame Veranstaltung des RWGV und der beiden Sparkassenverbände in NRW, in die auch die Landespolitik eingebunden war. Was wird mit solchen Formaten bezweckt?

Barkey: Wie andere Regionalverbände und der BVR haben wir schon immer einen ausgeprägten Gesprächsfaden zu den Sparkassenkollegen. Denn wir haben in bestimmten Punkten gleiche Interessenlagen, die wir gemeinsam politisch aufarbeiten wollen. Das gilt vor allen Dingen hinsichtlich der Erhaltung und Stärkung des dreigliedrigen Bankensystems sowie der Begrenzung der Belastung kleiner und mittlerer Institute durch die Regulierung. Bei der Veranstaltung im Mai hat sich der nordrhein-westfälische Finanzminister im Namen der Landesregierung NRW nachdrücklich für die Dreigliedrigkeit des Bankensystems stark gemacht. Es ist für den Genossenschafts- und Sparkassensektor nun wichtig, dass die hiesige Landesregierung dieses klare Bekenntnis auch gegenüber Berlin und Brüssel deutlich vertritt.

Mehring: Derartige Veranstaltungen festigen zudem die Mitgliederbindung unserer Genossenschaftsbanken. Mitglieder erfahren dadurch, wo die Stärken und auch die Nöte unserer Institute liegen. Das schafft ein Verständnis dafür, dass man mit unserem Geschäftsmodell nicht immer und überall der Preisführer sein kann, wenn man die Leistung vor Ort in einer bestimmten Qualität darstellen will. Auch dieses zunehmende Bewusstsein der Menschen führt zu den stetig wachsenden Mitgliederzahlen bei den Genossenschaftsbanken.

Wird durch solche Veranstaltungen nicht doch die Konkurrenz zu den Sparkassen in der Marktbearbeitung zu sehr verwischt? Bleibt das Wettbewerbsverhältnis für die normale Kundschaft deutlich?

Barkey: Die Marktbearbeitung ist bewusst nicht Thema solcher gemeinsamer Veranstaltungen, sondern es geht nur um politische und regulatorische Themen. Am Markt sind und bleiben wir Konkurrenten. Dort betreiben wir keinen Kuschelkurs. Schon vor ein paar Jahren haben die Kunden eine gemeinsame Anzeige von Sparkassen- und Genossenschaftssektor mit einem Appell zur Zinspolitik an die Bundeskanzlerin sehr positiv aufgenommen. Die Menschen verstehen sehr wohl, wenn wir gemeinsam zu ihren Gunsten auftreten.

Hat der RWGV mit Blick auf die Marktbearbeitung eine Prioritätenliste, etwa in der Rangfolge der Großprojekte des BVR?

Barkey: Eine Prioritätenbildung ist schwierig und möglicherweise kontraproduktiv insofern, als die Ortsbanken - insbesondere die kleinen - gleichzeitig von mehreren Stellen gefordert sind. Den staatlichen Maßnahmen, also insbesondere vielen regulatorischen Themen, können sie sich überhaupt nicht entziehen. Damit wird es umso schwieriger, eigene Projekte aufzusetzen, die unsere Mitglieder im Marktgeschehen voranbringen. Die Institute müssen an dieser Stelle immer wieder eine Entscheidung über den Einsatz ihrer Ressourcen treffen. Das führt oft zu der Abwägung, was als Pflicht und was als Kür eingestuft werden soll.

In der Sache sind wir uns mit dem BVR völlig einig, dass auch im Bereich der vermeintlichen Kür eigentlich vieles Pflicht sein sollte, weil die alten Systeme und Verfahren nicht mehr aktuellen Anforderungen genügen und/oder in Projekten, wie zum Beispiel Beratungsqualität mit Sicherstellung eines optimierten Beratungskonzeptes, auch gesetzgeberische Vorgaben hinterlegt sind, die ohnehin umgesetzt werden müssen.

Mehring: Führt man sich den gleichermaßen rasanten wie kurzen Produktzyklus des i-Phone seit 2007 und die Folgeentwicklung der Smartphones vor Augen, erkennt man, wie wichtig es für unsere Gruppe ist, bei neuen Marktentwicklungen mit vorne dabei zu sein. Und hinter solchen technischen Entwicklungen stehen dann auch noch häufig kulturelle und gesellschaftliche Umbrüche. Nicht zuletzt die demografische Entwicklung wird in bestimmten Teilen unseres Landes und auch unseres Geschäftsgebietes zu einer dramatischen Veränderung führen. Deshalb müssen wir unbedingt die Bereitschaft zum Wandel nicht nur erhalten, sondern weiter stärken. Der Spagat zwischen Regulatorik und Marktbearbeitung macht es für Ortsbanken enorm schwer. Die Prozessstrukturen müssen vielerorts standardisiert werden. Es bedarf einer Verfeinerung der Stellschrauben zur Steuerung der Kostenposition und zur Sicherung von Qualitäten ...

Das klingt doch verdächtig nach Projekten, wie man sie aus Konzernstrukturen kennt, auch wenn Sie das nicht einräumen werden ...

Mehring: Nein, diesen Weg wollen wir ausdrücklich nicht bestreiten. Unsere Stärken liegen gerade in der regionalen Verankerung der Ortsbanken. Das schätzen die Menschen, und das gibt uns die Möglichkeit, uns von den anderen Wettbewerbern abzusetzen.

Die Mitarbeiter begegnen ihren Kunden tagtäglich im normalen Leben wie im Bankgeschäft. Das werden wir als zentralen Ankerpunkt unseres Geschäftes keinesfalls aufgeben, wobei es allerdings keine Rolle spielt, ob der zu erhaltende Kernradius unserer Banken nun zehn oder 20 Kilometer beträgt.

Was bedeutet dieses Festhalten an den Kernstrukturen für die Entwicklung beziehungsweise die Veränderung der Regionalverbände und ihrer Dienstleistungen?

Barkey: Wir müssen die Ortsbanken im Wettbewerb unterstützen, etwa dadurch, dass wir helfen, die BVR-Projekte Kundenfokus und Beratungsqualität erfolgreich zu implementieren. Dafür sind wir der unmittelbare Ansprechpartner für unsere Mitglieder. Das fängt an mit einer Bestandsaufnahme jeder einzelnen Bank. Es geht weiter mit der Festlegung der Prozessschritte bis hin zur Ermittlung der erforderlichen Ressourcen und des zeitlichen Aufwands. Bei alledem bewegen sich unsere Banken zudem in einem immer schwierigeren rechtlichen Umfeld. Sie müssen wissen, was sie dürfen und wo sie Gefahr laufen, etwas falsch zu machen. An dieser Stelle setzt unsere Rechts- und Steuerberatung an. Darüber hinaus müssen wir die Bildungsvoraussetzungen schaffen, um präventiv den steigenden Anforderungen der Marktbearbeitung gerecht zu werden.

Mehring: Wir stellen heute als Verband nicht mehr eine Standardleistung zur Verfügung, die für alle Volks- und Raiffeisenbanken als Kernklientel sowie für Spezialinstitute wie Kirchenbanken mit anderen Geschäftsmodellen, anderen Strukturen und anderen Anforderungen an die Risikosteuerung gleichermaßen geeignet ist. Vielmehr variieren die Anforderungen extrem. Unsere Genossenschaftsbanken fragen sehr viel differenziertere Leistungen ab. So, wie die Ortsbanken das in ihrem Kundengeschäft erleben, müssen auch wir uns spezialisieren und von der reinen Wissensvermittlung und Information wegkommen. Wir müssen unsere Dienst- und Unterstützungsleistungen noch stärker hin zum spezialisierten Lösungsangebot und zur Hilfe bei der Umsetzung entwickeln. Auch das ist ein Grund für unsere Überlegungen, die Kräfte noch mehr zu bündeln.

Sie sprechen damit die Fusionsgespräche des RWGV mit dem Frankfurter Verband an: Aus welchen Beweggründen reicht ihnen eine Kooperation mit dem Bayerischen und Baden-Württembergischen Verband nicht mehr aus?

Barkey: Ende 2013 haben wir eine sehr grundsätzliche und sorgfältige Bestandsaufnahme gemacht. Wir haben nach den künftigen Strukturen unserer Mitglieder ebenso gefragt wie nach den Herausforderungen der Regionalverbände. Wohin werden sich unsere Mitglieder in den kommenden Jahren entwickeln? Wie werden nach vielen Fusionen und in etwa einer Halbierung der Mitgliederzahlen bei den Banken und im landwirtschaftlichen Bereich die Erwartungen unserer Mitglieder an die Leistungen ihres Regionalverbandes sein? Kurzum: Wie müssen wir unser Leistungsangebot zukunftsfähig aufstellen. Was heißt das für unsere Strukturen und Prozesse?

Die angesprochene Kooperation mit den Genossenschaftsverbänden in Stuttgart, München und Oldenburg hat zwar zu einer engeren Verzahnung auf der Arbeitsebene geführt. Es hat uns sicher auch in bestimmten Feldern politisch stärker werden lassen. Aber echte, andauernde und verlässliche Synergien zur Erlangung der Zukunftsfähigkeit lassen sich nur mit einem Höchstmaß an rechtlicher Verbindlichkeit gewinnen. Dies leistet zum Beispiel eine Fusion auf Verbändeebene. Deshalb haben wir die Gespräche mit dem Genossenschaftsverband in Neu-Isenburg aufgenommen, der seine Verschmelzungsbereitschaft schon lange bekundet hat. Unsere ähnlichen Mitgliederstrukturen und unsere gleichlaufende geschäftspolitische Ausrichtung bieten gute Voraussetzungen.

Wie sind der Verlauf und der inhaltliche Stand der Verhandlungen?

Mehring: Die Gespräche laufen in aller Ruhe und ohne Zeitdruck. Qualität geht vor. Denn unsere Mitgliedsinstitute müssen am Ende der Verhandlungen eine Entscheidung aus Überzeugung treffen. In einer ersten Runde haben wir alle Themenfelder beider Verbände beleuchtet und sind auf dem Weg einer inhaltlichen Konsolidierung. Wir haben festgehalten, wo starke inhaltliche Parallelen bestehen und wo wir noch ein Stück weit auseinanderliegen. Und jetzt versuchen wir, uns in einer zweiten Runde weiter anzunähern.

Ungefähre zeitliche Vorstellungen dürfte es aber geben ...

Barkey: Bis Ende des Jahres wollen wir die Basis legen, auf der eine Entscheidung getroffen werden kann. Dann folgt noch einmal eine gründliche Kommunikations- und Diskussionsphase mit unseren Mitgliedern. Im nächsten Frühjahr oder Spätfrühjahr wird dann entschieden. Bei solchen strategischen Konzepten für die Zukunft geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

Lässt sich schon etwas zu den erhofften Synergien sagen?

Barkey: Ja, wir sehen und brauchen diese Synergien, weil unsere Mitglieder zunehmende Anforderungen an eine Individualisierung der Leistung an uns stellen und beispielsweise auch differenzierte Angebote je nach Größenverhältnissen wünschen. Auch in diesem Sinne können wir unser Angebot qualitativ verbessern, wenn wir Dinge in einem größeren Verbund gemeinsam leisten. Größe allein ist zwar kein Qualitätskriterium. Sie schafft aber Voraussetzungen, um die Leistungsverbesserung zu relativ günstigeren Kosten zu erreichen.

Mehring: Selbstverständlich sind die Kosten immer ein Thema bei solchen Gesprächen. Aber sie stehen nicht im Vordergrund. Uns geht es vielmehr um eine Steigerung der Leistungsfähigkeit durch bessere Differenzierung. Bestimmte Produkte und Dienstleistungen können nur bei Spezialisierung angeboten werden; das ist in einem größeren Verband einfacher.

Zudem fällt es wesentlich leichter, die wachsende Zahl an genossenschaftlichen Entwicklungen außerhalb der Bankenszene aufzunehmen und zu begleiten. Bei all diesen Überlegungen war und ist zu berücksichtigen, dass von unseren gut 700 Mitgliedern nur etwa 180 Banken sind. Hinzu kommen 520 landwirtschaftliche und gewerbliche Genossenschaften. Auch in diesem Mitgliederkreis haben wir eine extreme Heterogenität - von Dorfläden ohne Gewinnerzielungsabsicht bis hin zu Großunternehmen. Der Konzentrationsprozess hat nicht dazu geführt, dass Unternehmen aus dem Markt verschwunden sind, sondern es sind größere Einheiten entstanden, mit ganz anderen Anforderungen an die Steuerung, etwa hinsichtlich der Absicherung ihrer Auslandsgeschäfte mit Rohstoffen mit Derivatepositionen.

In dem Umfeld der internationalen Prüfung und Beratung hilft uns beispielsweise auch das 2013 vereinbarte Joint Venture mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton, dem bereits der Genossenschaftsverband beigetreten ist. Selbstverständlich steht dieses Unternehmen auch anderen Genossenschaftsverbänden offen.

Neben der Begleitung von Unternehmen bei ihrer internationalen Geschäftstätigkeit bieten wir im Bereich Financial Services, insbesondere für Banken und Pensionskassen, eine zusätzliche Alternative im Markt. Es lag einfach nahe, unsere anerkannt große Erfahrung und Expertise - zum Beispiel bei regulatorischen Fragestellungen genauso wie bei Leistungen für die interne Revision, Compliance oder Geldwäscheverhinderung - ebenso über den genossenschaftlichen Sektor hinaus anzubieten, wie unsere in Prüfungs- und Beratungsprojekten genutzte Expertise bei Due Diligence.

Stichwort Personalmanagement: Können die Ortsbanken noch hinreichend gute Führungskräfte und Mitarbeiter gewinnen?

Barkey: Mit Blick auf den Nachwuchs beschränkt die demografische Entwicklung schon heute die Zahl der qualifizierten

jungen Bewerber. Und der Wettbewerb um die guten oder besten Kräfte wird immer intensiver. Auf der anderen Seite spüren unsere Banken auch immer stärker, dass die Ausbildung zum Bankkaufmann bei vielen Jugendlichen nicht mehr ganz vorne auf der Hitliste steht. Vielfach besteht der Wunsch nach einer Kombination von praktischer und akademischer Ausbildung. Wir bieten hier vielfältige Lösungen unter anderem auch über unsere eigene Akademie.

Finden Ihre Mitgliedsinstitute noch genügend Vorstände?

Mehring: Bisher können wir die Vorstandsposten gut besetzen, und zwar durchweg mit sehr qualifizierten Kandidaten. Das macht Mut. Damit das so bleibt, müssen wir aber auch an der Reputation der Genossenschaften und der Attraktivität der Arbeitgebermarke hart arbeiten.

Wie sieht es mit qualifizierten Aufsichtsräten aus?

Barkey: Die zusätzlichen Qualifikationsanforderungen der BaFin an Aufsichtsräte verlangen Anpassungen seitens des Verbandes als auch der Primärinstitute. Im RWGV führen sie zu deutlich zunehmenden Schulungsaktivitäten. In den vergangenen drei Jahren hat sich die Zahl der Teilnehmer an einschlägigen Seminaren verdoppelt. Die Primärbanken müssen sich ein Stück weit von der gelebten Praxis verabschieden, über die Aufsichtsräte immer ein Abbild der Mitglieder und der Bevölkerung im Geschäftsgebiet herzustellen. Im Moment stellen wir allerdings noch keine unüberwindbaren Schwierigkeiten fest. Es gibt immer noch genügend Menschen, die sich engagieren wollen. Und unsere Schulungsangebote stellen die Qualifizierung sicher.

Mehring: Betrachtet man das Thema außerhalb des Finanzsektors, stellt sich die gleiche Frage. Dort gibt es zwar keine regulatorischen Vorgaben, aber ebenfalls die Anforderung nach entsprechend qualifizierten Aufsichtsräten. Manchmal wird die Frage, welche bankspezifischen Kennnisse ein Aufsichtsrat haben muss, allerdings ein wenig überbewertet. Das hat sich übrigens schon in der Finanzmarktkrise bestätigt. Bei den Geschäftsstrukturen unserer Primärbanken kommt es wesentlich auf persönliche Qualitäten an. Vorstand und Aufsichtsräte müssen manchmal bereit sein, im entscheidenden Moment "nein" zu sagen.

Sind die Ortsbanken Ihrem Eindruck nach mit der Leistungsfähigkeit der genossenschaftlichen Verbundunternehmen zufrieden?

Barkey: Die Zusammenarbeit innerhalb des Verbundes ist sehr eng. Man weiß gegenseitig um die Vorteile. Primärstufe wie auch die Verbundunternehmen bekennen sich zu ihrer gemeinsamen Verantwortung und sind bereit, sie zu tragen. Das hat die reibungslose Kapitalerhöhung der beiden Zentralinstitute einmal mehr gezeigt.

Mehring: Die genossenschaftlichen Verbundinstitute sind in allen Bereichen gut aufgestellt und wettbewerbsfähig. Soweit es Schwierigkeiten gibt oder gab, wurden diese im Verbund gestemmt und gemeinsam behoben. Die Kohäsion macht den Verbund besonders leistungsfähig. Das wird auch von den Regulatoren anerkannt.

Wie sehen Sie das Allfinanz konzept des genossenschaftlichen Verbundes, das die DZ Bank zu einem der wenigen Allfinanzanbieter in Europa macht, mit all der damit verbundenen regulatorischen Komplexität?

Mehring: Das Allfinanzkonzept der Gruppe ist in der Tat regulatorisch nicht ganz einfach. Auf der anderen Seite ist es aber ein Alleinstellungsmerkmal. Und wichtiger noch: Das Geschäftsmodell trägt. Die genossenschaftliche Bankengruppe ist ein leistungsfähiger Allfinanzanbieter mit all seinen Vorteilen für die Kunden und die Mitglieder. Diese Position wird nicht nur in unserem Verband mehr denn je mitgetragen, sondern auch von der Mitgliedschaft der Genossenschaftsbanken.

Stichwort Niedrigzinsphase: Welche Auswirkungen befürchten Sie? Wie lange können Ihre Häuser noch vernünftiges Einlagen- und Kreditgeschäft anbieten?

Barkey: Unsere Banken haben eine unterschiedliche, oft historisch gewachsene Struktur. Ihre guten Ergebnisse verdanken sie einer Position der Stärke und dem ungebrochenen Vertrauen vieler Menschen. Auch im ersten Halbjahr 2014 haben unsere Primärbanken wieder ein Kreditwachstum von 2,4 Prozent zu verzeichnen, im Firmenkredit gar ein Plus von 2,8 Prozent. Bezüglich der Erwartung für die Betriebsergebnisse für 2015 und die folgenden Jahre korrigieren gleichwohl viele Mitgliedsbanken ihre eigenen Erwartungen bereits deutlich nach unten, obwohl sie gelernt haben, mit dieser seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase umzugehen.

Als Verband werden wir deshalb immer wieder gefragt, wie wir die mittelfristige Zinsentwicklung sehen. Wir erwarten anhaltenden Druck aus den südlichen Ländern und rechnen in der Zinspolitik der EZB nicht mit einer raschen Änderung.

Mehring: Die flachere Zinsstrukturkurve ist für unsere Institute noch eine Zeit lang aushaltbar, weil sie kaum Adressrisikoaufwand haben. Aber auf Dauer wird das Niedrigzinsniveau negative Auswirkungen auf die Ergebnisse haben. Spaß macht das derzeit relativ wenig.

Können Ihre Institute bei einem solchen Szenario weiter auf Kundeneinlagen hoffen?

Barkey: Spätestens seit 2009 fragen sich die Menschen nach einer wirklichen Alternative und finden sie nicht. Teils fängt das nicht erst mit der Finanzkrise an, sondern geht schon auf die Internetblase zurück. Allein seit der Bankenkrise haben die Genossenschaftsbanken dennoch bundesweit 1,6 Millionen zusätzliche Mitglieder gewinnen können. Das spricht für das Vertrauen der Menschen, selbst wenn es immer schwieriger wird, stets eine positive Realverzinsung zu erreichen.

Massive Probleme sehe ich in diesem Zusammenhang freilich bei dem gesellschaftspolitisch wichtigen Thema Altersversorgung. Dabei sind staatliche Rente und Lebensversicherung Generationen von Menschen in Deutschland als absolut sichere Vorsorgemaßnahmen vermittelt worden. Folglich haben die Bürger stets auf diese Instrumente gesetzt. Nun müssen sie feststellen: Staatliche Rente und Lebensversicherung allein werden für die Zukunft nicht mehr tragen. Der erforderliche Kulturwechsel, bereit zu sein, in der Altersversorgung künftig mehrere verschiedene Quellen in Anspruch zu nehmen, ist keineswegs vollzogen. Das ist eine schwierige gesellschaftliche Aufgabe. Den Menschen diese Einsicht zu vermitteln und sie dabei an die Hand zu nehmen, einen neuen Weg der Altersvorsorge zu gehen, ist eine zentrale Herausforderung - auch für unseren Verbund.

Inwieweit kann der Verband für eine Zinsabsicherung durch Derivate sorgen? Ist das Überzeugungsarbeit oder bedarf es sanften Drucks?

Mehring: Druck ausüben wollen wir weder an dieser Stelle noch an einer anderen. Wir wollen informieren, Chancen sowie Risiken darstellen und so eine bewusste geschäftspolitische Entscheidung erleichtern. Wir reden daher mit unseren Mitgliedern über ihre Handlungsmöglichkeiten. Das haben alle Häuser auch unterjährig genau im Auge, die Risiken sind ihnen bewusst. Sie sehen ihre Absicherung in Abhängigkeit von der Risikotragfähigkeit und können damit professionell und sachlich fundiert umgehen.

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