Aufsätze

Stiftungen als Finanzinvestoren

In Deutschland nutzen immer mehr Menschen das positive Stiftungsklima und die verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen zur Gründung einer Stiftung, um sich für die Bürgergesellschaft zu engagieren. Daraus erwächst ein regelrechter Gründungsboom. Ministerin Ursula von der Leyen, in der Bundesregierung verantwortlich für bürgerschaftliches Engagement, spricht gar von einer neuen "Volksbewegung". Gleichzeitig sind die Gestaltungsmöglichkeiten so zahlreich, dass sich die Stiftungslandschaft sehr vielfältig darstellt. Bis Ende 2007 konnte der Bundesverband Deutscher Stiftungen in seiner jährlichen Erhebung insgesamt 15 449 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland zählen. Diese Rechtsform prägt das Leitbild für alle übrigen Stiftungsformen sowohl in praktischer wie auch in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Von den Stiftungen bürgerlichen Rechts sind knapp die Hälfte (6 833) erst in den letzten acht Jahren errichtet worden. Im Jahr 2007 wurden erstmals mehr als 1 000 Stiftungen neu gegründet.

Finanzkräftige Investoren mit Pflichten

Stiftungsorgane und -mitarbeiter betrachten häufig vor allem die Zweckverfolgung als das entscheidende Tätigkeitsfeld der Stiftungsarbeit. Die zweite tragende Säule für den Erfolg und die Beständigkeit der Stiftung besteht allerdings in der Vermögensbewirtschaftung. Deshalb sollte ihr die gleiche Aufmerksamkeit seitens der operativen und aufsichtführenden Organe gewidmet werden. Mit der Vernachlässigung der Vermögensbewirtschaftung korrespondiert die fehlende Kenntnis über die Finanzlage von Stiftungen. Hierauf sollte sich der gute Anlageberater einstellen. Eine regelmäßige Berichterstattung über die Anlageentwicklung ist unerlässlich, um Stiftungsorgane vermehrt dafür zu gewinnen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Allerdings: Im Grunde deuten alle einschlägigen Untersuchungen der jüngeren Zeit darauf hin, dass es Stiftungen häufig an klaren Kennzahlen zur Messung des Anlageerfolgs und der Beraterqualität fehlt.

Rechtliche Rahmenbedingungen: Welcher Gestaltungsspielraum steht den deutschen Stiftungen und ihren Beratern zur Verfügung? Die Zeiten, als deutschen Stiftungen in den Landesstiftungsgesetzen die Pflicht zur "mündelsicheren" Anlage auferlegt war, sind seit mehr als zehn Jahren vorbei. Aus § 80 Abs. 2 BGB lässt sich nur ableiten, dass der Vorstand das Vermögen im Gründungszeitpunkt und im laufenden Betrieb der Stiftungen zu erhalten hat. Weitere Pflichten lassen sich aus dem BGB nicht ableiten.1) Die einzelnen Landesstiftungsgesetze der 16 deutschen Bundesländer sind nach der BGB-Reform von 2001 sukzessiv neu gefasst worden und enthalten unterschiedliche Regelungen zur Vermögensfrage oder schweigen an dieser Stelle. Gemeinsam ist diesen Gesetzen nur, dass sie kaum einen Anhaltspunkt für den interessierten Stiftungsvorstand oder den Vermögensberater enthalten. In Einzelfällen ist die Behörde zur Entgegennahme von Erklärungen und zur Erteilung von Genehmigungen berechtigt.

Das steuerliche Recht der Gemeinnützigkeit in §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung (AO) lässt den Stiftungen in ähnlichem Umfang wie das allgemeine Stiftungsrecht ihre Freiheit bei der Vermögensanlage. Die Stiftung muss sich zwar in ihrer tatsächlichen Geschäftsführung an ihren gemeinnützigen Satzungszweck halten, wenn sie die Gemeinnützigkeit bewahren will, jedoch regelt das Steuerrecht nicht das "Wie" der Vermögensanlage. Ausgehend vom Stifterwillen, wie er sich in der Satzung oder begleitenden Quellen manifestiert, kann der Stiftungsvorstand für seine Anlageentscheidungen einen Ermessensspielraum ausnutzen.

Ein Verlust in der Vermögensanlage gefährdet keineswegs die Gemeinnützigkeit. Nur wenn der Vorstand den Vermögensverlust mit Mitteln aus dem ideellen Bereich der Stiftung, also aus dem Stiftungsvermögen oder aus Spenden, ausgleicht, könnte und müsste die Finanzverwaltung einschreiten. Daher kann einer Anlage in Nachhaltigkeitsprodukten nicht entgegen gehalten werden, dass sie mit Verlustrisiken (wie bei allen anderen Anlageformen und -klassen) behaftet sei.

Bildung von Rücklagen

Die Möglichkeit zur Bildung von Rücklagen ist für gemeinnützige Organisationen streng geregelt. Ebenso wie der Stiftungsvorstand sollte auch der Berater darauf hinwirken, dass die Stiftung insbesondere die freie Rücklage gemäß § 58 Nr. 7 a AO dotiert. Demnach kann bis zu einem Drittel der Überschüsse aus der Vermögensanlage (nach Kosten der Vermögensanlage) zuzüglich bis zu zehn Prozent der sonstigen zeitnah zu verwendenden Mittel in die freie Rücklage überführt werden. Dies hat den Vorteil, dass diese Mittel nicht dem Gebot der zeitnahen Verwendung unterliegen; vielmehr können sie das Stiftungsvermögen zum einen vor einem inflationsbedingten Auszehrung bewahren, zum Zweiten können diese Mittel auch zum Ausgleich von Vermögensverlusten eingesetzt werden.

Vermögen im Stiftungssektor: Rund 59

Prozent der Stiftungen weist ein Vermögen von bis zu 500 000 Euro auf, 14,4 Prozent sogar nur bis zu 50 000 Euro2) (siehe Abbildung 1). Insoweit bleibt abzuwarten, ob die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts mit den deutlich größeren steuerlichen Anreizen für Stiftungserrichtungen und Zustiftungen zu einer Verschiebung in Richtung der größeren Stiftungsvermögen führen wird, wie es die am Gesetzeswerk Beteiligten erhoffen. Eine Hochrechnung auf das Vermögen aller gut 15 500 rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts ergibt einen Gesamtbetrag von 70 Milliarden Euro. Die 15 größten Stiftungen bürgerlichen Rechts vereinen zirka 13 Milliarden Euro auf sich.

Zufriedene, aber kritische Kunden

Die richtige Bewirtschaftung des Vermögens stellt Stiftungen immer wieder vor große Herausforderungen. In der Vergangenheit stießen Unternehmen, die das Anlageverhalten von Stiftungen untersuchen wollen, häufig auf eine mehr oder weniger hohe Mauer des Schweigens. Die auf solchen Untersuchungen basierenden Stiftungsausgaben waren zwar teilweise sehr plakativ, aber dafür wenig repräsentativ. Zudem wurde aus einleuchtenden Gründen gerne nur die Gruppe der größeren Stiftungen befragt.

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat im März 2008 eine Umfrage für seine Reihe Stiftungs-Report durchgeführt, bei Stiftungen jeder Größenordnung die Dienstleistungen ihrer Banken hinsichtlich der Vermögensverwaltung beurteilen konnten. Es ist die größte Befragung ihrer Art. Von den befragten Stiftungen (ausgeschlossen waren Stiftungen, die von Finanzinstituten errichtet und Treuhandstiftungen, die von diesen verwaltet werden) antworteten 800. Auch wenn die Rücklaufquote von unter zehn Prozent immer noch keine wissenschaftlich-repräsentativen Aussagen zulässt, konnten einige überraschende Tendenzen ermittelt werden. Ausführlich sind die Ergebnisse im Stiftungs-Report 2008/09 beschrieben.3) An dieser Stelle kann zusammenfassend berichtet werden:

- Das Urteil der Stiftungen fällt insgesamt positiv aus, im Mittel benoteten die Stiftungen die Note 2,2 auf einer sechsstufigen Skala.

- Obwohl über die Hälfte der befragten Stiftungen in punkto Vermögensanlage nach eigener Einschätzung über gute Kenntnisse verfügt, ist der durchschnittliche Ertrag insgesamt nicht besonders hoch. Das kann an der aktuellen Situation auf dem Finanzmarkt liegen, an der mangelnden Kompetenz der Bank oder an der Stiftung selbst. Der durchschnittliche Vermögensertrag der letzten beiden Jahre des (nach Kosten) bei der Bank angelegten Geldes lag bei 4,4 Prozent. Diese Rendite ist zu gering, um angesichts der gesetzlichen Rücklagendeckelung von einem Drittel der Erträge eine Inflation von mehr als 1,4 Prozent zu schlagen.

- Bei einer Steigerung des Anlageerfolgs um nur 0,2 Prozentpunkte dürften es deutlich über 200 Millionen Euro sein, die dem Gemeinwohlsektor dann zusätzlich zufließen könnten.

- Die Vergabe des Verwaltungsmandats spielt offenbar für die Gesamtzufriedenheit und Rendite keine Rolle, denn Stiftungen mit eigener Vermögensverwaltung sind nicht signifikant zufriedener oder unzufriedener als diejenigen, die ihr Kapital bei der Bank verwalten lassen.

- Für Stiftungen lohnt sich eine Investition in die Köpfe: Zufriedenheit und Ertrag steigen mit dem eigenen Know-how. Stiftungen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich nicht ausreichend fortbilden (konnten), haben geringere Erträge und sind tendenziell unzufriedener. Es lohnt sich also für Stiftungen, in die Weiterbildung der Mitarbeiter und Vorstände zu Fragen der Vermögensanlage zu investieren.

- Die Stiftungen wurden außerdem gefragt, wie wichtig ihnen bei der Vermögensanlage ein erfolgsorientiertes Gebührenmodell ist. Für insgesamt sechzig Prozent der 671 Stiftungen, die sich dazu geäußert haben, ist ein solches Modell sehr wichtig oder wichtig. Lediglich 3,3 Prozent nutzen ein solches Modell bereits.

- Stiftungen fragen nachhaltige Investments häufiger nach und haben diese häufiger im Portfolio, als frühere Untersuchungen dies ermittelt hatten, wie die Umfrage zum Stiftungs-Report 2008/09 zeigt. Insoweit zeigt sich ein deutlicher Trend zu SRI-Produkten. Allerdings werden diese von Banken noch zu selten aktiv angeboten.

- Über 60 Prozent der Stiftungen, die bereits in ethische, soziale und ökologische Anlagen investieren, wünschen sich diese auch weiterhin.

Anliegen des Stiftungssektors an die Banken

Was können die Finanzinstitute gut - und was könnten Sie besser machen? Banken stellen sich zunehmend auf den Stiftungssektor ein. Diese These findet nicht nur ihre Bestätigung, wenn man sich den Veranstaltungsreigen der großen und kleinen Häuser zum Thema Stiften und Vererben anschaut. Auch die Stiftungen selber äußern sich entsprechend.

Keine Regel ohne Ausnahme: Im Stiftungs-Report 2008/09 kritisiert eine Reihe der befragten Stiftungen die mangelnde Eigeninitiative der Bank sowie die Qualität der persönlichen Betreuung. Über die Enttäuschung von Stiftungen im Hinblick auf die Beratung der Banken zu ethisch-ökolo-gisch-sozialen Anlagenthemen wurde schon hingewiesen. Obwohl die Banken vermehrt stiftungsspezifische Angebote entwickeln, sieht immerhin ein Drittel der befragten Stiftungen bei der Beratung die Bankinteressen im Vordergrund. Bei denjenigen, die ihre Kenntnisse zur Vermögensanlage als "mittel" einschätzen, ist die Skepsis sogar noch etwas größer (Abbildung 2).

Für Banken lohnt sich die regelmäßige Bereitstellung von Informationen: Gut informierte Kunden sind zufriedener. Dreißig Prozent der Stiftungen, die ihre eigenen Kenntnisse über die Vermögensanlage als gut einschätzen, geben an, mehr als sechs Mal im Jahr von ihrer Bank über Portfolioentwicklungen und -anpassung informiert zu werden.

Freiraum bei der Kapitalbewirtschaftung nutzen

Stiftungen sind in ihrer Vermögensanlage weit weniger rechtlichen Grenzen unterworfen als landläufig angenommen. Daher besteht grundsätzlich keine Beschränkung, die sie an einer Investition abseits der klassischen Trias von festverzinslichen Wertpapieren, Aktien und Immobilien hindern würde. Auch die Aufsichtsbehörden lassen den Stiftungen in der Regel den gesetzlich eingeräumten Freiraum bei der Kapitalbewirtschaftung.

Höhere Vermögenserträge als drei bis vier Prozent per annum können nur durch eine breite Diversifikation der Anlagen erwirtschaftet werden. Zu der insoweit gebotenen Diversifikation gehört ein von vielen Stiftungen auch aktiv nachgefragtes Nachhaltigkeitsinvestment schon allein aufgrund der dadurch möglichen Risikoreduzierung.

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