Aufsätze

Veränderungen an der Spitze zur Neuordnung der genossenschaftlichen Bankenverbünde Österreichs

Je nach Art ihrer Tätigkeit lassen sich Banken in Österreich einteilen in Universalbanken, wie die Aktienbanken und Bankiers (zum Beispiel Bankhaus Carl Spängler & Co. AG, Bawag P. S. K., Oberbank AG oder Unicredit Bank Austria AG), aber auch die Institute des Sparkassensektors, der Lan-des-Hypothekenbanken, des Raiffeisen- und Volksbankensektors, sowie in Spezialbanken, wie die Bausparkassen und Sonderbanken (zum Beispiel Betriebliche Vorsorgekassen, Kapitalanlagegesellschaften oder die Oesterreichische Kontrollbank AG). Gemessen an der Gesamtbilanzsumme hielten Ende 2009 die Aktienbanken und Bankiers mit 26,9 Prozent Marktanteil knapp den ersten Platz vor dem Raiffeisensektor mit 26,3 Prozent. Dahinter folgten die Sparkassen mit 16,2 Prozent. Die Sonderbanken erzielten einen Marktanteil von 10,3 Prozent, die Landes-Hypothekenbanken 9,2 Prozent, die Volksbanken 7,8 Prozent und die Bausparkassen 2,2 Prozent.

Unterscheidung nach der Anzahl der Stufen

Charakteristisch für Österreich ist die noch immer klare Unterscheidung der Bankengruppen nach der Anzahl der Stufen. Es gibt die einstufigen Sektoren, wie die Ak-tien-, Landes-Hypotheken- und Sonderbanken sowie die Bausparkassen, weiters zweistufige Sektoren, in denen an der Spitze ein Zentralinstitut steht, welches für die angeschlossenen Institute Koordinierungs- und Ausgleichsfunktionen wahrnimmt, wie den Sparkassen- und den Volksbankensektor - Letzteren mit 63 Primärbanken, die im Eigentum von 0,525 Millionen Mitgliedern stehen, und ihrem Spitzeninstitut, der Österreichischen Volksbanken-AG (ÖVAG). Schließlich gibt es einen dreistufigen Sektor, der noch eine Länderebene beinhaltet, den Raiffeisensektor, der von 1,7 Millionen Mitgliedern getragen wird, mit 535 lokalen Raiffeisenbanken, acht Raiffeisenlandesbanken und der Zveza Bank sowie der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB).

Auffallend für den österreichischen Bankenmarkt ist die hohe Bankstellendichte mit 1655 Einwohnern pro Bankstelle (Ende 2009). Das dichteste Bankstellennetz weist der Raiffeisensektor mit einem Anteil von 44,3 Prozent am Gesamtbestand der Bankstellen in Österreich auf, gefolgt von den Sparkassen und den Aktienbanken mit einem Anteil von 21 Prozent beziehungsweise 16,8 Prozent und den Volksbanken mit 10,7 Prozent.

Der österreichische Bankenmarkt ist ein gesättigter Markt, das heißt, jede Art von inländischer Expansion ist nur durch die Übernahme von Konkurrenten möglich. Diesen Weg hat die ÖVAG 2005 durch die Übernahme der Investkreditgruppe mit ihren Geschäftsfeldern Kommerzkunden, Kommunalfinanzierung (Kommunalkredit Austria AG) und Immobilien (Europolis Real Estate Asset Management GmbH) beschritten.

Engagement in Zentral-, Ost- und Südosteuropa

Weiters gibt es ein auffallendes, auf Dauer angelegtes Engagement der österreichischen Banken in Zentral-, Ost- und Südosteuropa (im ersten Quartal 2010: 210 Milliarden Euro, rund 74 Prozent in seiner Relation zum österreichischen BIP), welches sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten zu einem zentralen Pfeiler ihrer Geschäftstätigkeit entwickelt hat. Dieses Engagement sorgte nicht nur in der Finanz- und Wirtschaftskrise international für eine kritische Aufmerksamkeit, die allerdings durch Maßnahmenpakete von Notenbanken, Regierungen, IWF, EU-Kommission und der Weltbank bald wieder gedämpft werden konnte, sondern war mit ein Grund für ein sogenanntes Bankenpaket bereits im Frühjahr 2009 seitens der Regierung (Finanzmarktstabilisierungsgesetz) zur Stärkung des Eigenkapitals der Banken, insbesondere des Kernkapitals, in der Größenordnung bis 15 Milliarden Euro in Form von Beteiligungskapital und einem staatlichen Garantierahmen für Ausleihungen der Banken in Höhe von 65 Milliarden Euro.

Neben der Bawag P. S. K., der Erste Group Bank und der Hypo Alpe Adria Group haben die RZB 1,75 Milliarden Euro und die ÖVAG eine Milliarde Euro Partizipationskapital vom Staat erhalten. Zuvor hatten die Eigentümer der RZB noch eine Kapitalerhöhung ihres Spitzeninstitutes mitgetragen, während die Volksbanken, mit rund 58,2 Prozent Mehrheitseigentümer, und auch die DZ Bank (25 Prozent plus eine Aktie) nicht bereit waren, eine Kapitalerhöhung der ÖVAG mitzutragen. Dies ist auch ein Grund dafür, weshalb sich die ÖVAG auf die Suche nach einem "strategischen Partner" begeben musste.

Stärkung der Zentralinstitute

Mit der RZB hatte Ende Juli 2010 auch eines der beiden genossenschaftlichen Spitzeninstitute am Bankenstresstest teilgenommen und diesen erfolgreich bestanden. Nicht einbezogen worden war die ÖVAG, die, belastet zusätzlich durch die Abgabe der Kommunalkredit Austria an den Staat und das Geschäft der Investkredit Bank AG, für 2009 einen hohen Jahresverlust ausweisen musste.

Ein besonderes Merkmal der mehrstufigen Sektoren des österreichischen Bankenmarktes in den letzten Jahren war eine Stärkung ihrer Zentralinstitute - bei den Volksbanken durch den Zukauf von inländischen Banken und beim Raiffeisensektor durch die starke Osteuropaexpansion. Die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 war eine Zäsur in diesen Expansionsbestrebungen. Sowohl die ÖVAG als auch die RZB haben Strukturentscheidungen getroffen, mit denen sich die Institute stärker auf ihr Zentralbankgeschäft konzentrieren und ihre geschäftliche Basis verbessern wollen.

Während die ÖVAG bereits 2009 die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet und inzwischen weitestgehend abgeschlossen hat, trat die RZB Anfang 2010 mit Details an die Öffentlichkeit. Beide - sehr unterschiedliche - Wege sollen im Folgenden kurz beschrieben werden.

Teilgeschäftsübertragung von der RZB

Die Hauptversammlungen von RZB und ihrer börsennotierten, für das Bankgeschäft in den Ländern Zentral- und Osteuropas (CEE: Central and Eastern Europe) zuständigen Tochtergesellschaft, der Raiffeisen International Bank-Holding AG (RI), haben am 7. und 8. Juli 2010 Verschmelzungsverträge beschlossen. Danach werden der Teilbetrieb "Kommerzkundengeschäft" der RZB sowie die damit zusammenhängenden Beteiligungen (zum Beispiel Raiffeisen Centrobank AG, Kathrein & Co Privatbank AG und RZB Finance LLC) in einem Zwischenschritt abgespalten und von der Cembra Beteiligungs AG (Cembra) aufgenommen (vergleiche Abbildung 1, 1.). Die Cembra hält die Kapitalbeteiligung der RZB an der RI, und ihr Eigentümer ist die Raiffeisen International Beteiligungs GmbH (RI Beteiligung), eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der RZB. Die Cembra Beteiligungs AG wird dann mit der RI rückwirkend zum Jahresende 2009 verschmolzen (vergleiche Abbildung 1, 2.).

Die Raiffeisen International Beteiligungs GmbH übernimmt die bisher von der Cembra gehaltenen Aktien der RI und erhält als zusätzlichen Wertausgleich für das in die RI als Sacheinlage eingebrachte Vermögen der Cembra Aktien aus einer Kapitalerhöhung der RI. Dadurch verringert sich der Anteil des Streubesitzes an der RI, der zuletzt mit rund 27,2 Prozent angegeben wurde, auf etwa 21,5 Prozent. Die RI wird nach der Verschmelzung in Raiffeisen Bank International AG (RBI) umbenannt (2.).

Diese gesamte Maßnahme soll das Spannungsverhältnis ausgleichen, in das die RZB geraten ist: Einerseits soll sie als Spitzeninstitut der Raiffeisen Bankengruppe dienen und andererseits als ein internationaler Bank-Konzern tätig sein. Außerdem soll die Tatsache korrigiert werden, dass die RI bislang über keine Banklizenz beziehungsweise die RZB über keinen Kapitalmarktzugang verfügt, um Eigenkapital aufzunehmen. Die Zusammenführung der Kundengeschäftsbereiche des operativen Bankgeschäfts der RZB mit denen der RI soll "in Verbindung mit der Börsennotiz der Raiffeisen International breitere Zugangsmöglichkeiten zu den Kapital-, Geld- und Anleihemärkten schaffen, die Nutzung langfristiger Wachstumschancen unterstützen und gleichzeitig bessere Voraussetzungen für die Erfüllung möglicher künftig erhöhter Kapital-Anforderungen bieten."1)

Außerdem werden bislang bestehende Parallelstrukturen abgebaut. In der neuen Raiffeisen Bank International wird nicht nur das österreichische Kommerzkundengeschäft, sondern auch das bisher von der RZB selektiv betriebene Emerging-Mar-kets-Geschäft an asiatischen Standorten (unter anderem Filialen in China und Singapur sowie Repräsentanzen in China, Indien, Südkorea und Vietnam) mit jenem der RI in Zentral- und Osteuropa gebündelt.

Der geschäftliche Schwerpunkt der RZB soll den Kunden- und Servicebedarf der Raiffeisenlandesbanken noch besser erfüllen. Die RZB schärft ihr Profil als Spitzen- und Zentralinstitut der dezentralen Raiffeisen Bankengruppe Österreich, ist Schnittstelle in der Liquiditätsreservehaltung der ihr angeschlossenen Institute der Bankengruppe und hält weiterhin die für die Bankengruppe wichtigen Beteiligungen zum Beispiel an Raiffeisen Capital Management (RCM), an der Uniqua Versicherungen AG, Raiffeisen Invest-Ges.m.b. H., Leipnik-Lundenburger Invest Beteiligungs AG und an der Notartreuhandbank AG.

Auch die RBI soll sich dem gemeinsamen Liquiditätsausgleich anschließen und diesem System angehören. Mit einem starken und auf Dauer angelegten Mehrheitsanteil an der RBI soll die RZB weiterhin - unterstützt durch Servicebereiche der RBI - als oberstes Institut der Kreditinstitutsgruppe zentrale Konzernaufgaben in der Risikopositionierung und-steuerung wahrnehmen.3)

ÖVAG: Tochtergesellschaften verkauft Als einen Beitrag zur Kapitalstärkung der ÖVAG haben die Volksbanken einem Kauf von vier Retail- beziehungsweise Spezial-bank-Tochtergesellschaften der ÖVAG zugestimmt (Projekt Region)4). Dabei handelt es sich um die Retailbanken Volksbank Wien AG, Bank für Ärzte und Freie Berufe AG (Ärztebank), Wien, und Volksbank Linz-Mühlviertel reg. Gen. m. b. H. sowie die Spezialbank Immo-Bank AG, Wien, die unterschiedlich in die Volksbanken Gruppe neu eingebunden worden sind.

Kunden wieder als Mitglieder

Die Volksbank Linz-Mühlviertel fusioniert 2010 mit der benachbarten Volksbank Wels reg. Gen. m. b. H. Bereits 2009 wurden die drei anderen Banken aus der ÖVAG ausgegliedert: Die Bausparkasse der Volksbanken, die Allgemeine Bausparkasse reg. Gen. m. b. H. (ABV), erhielt von den Volksbanken zusätzliches Eigenkapital, das dazu verwendet wurde, zum Jahresende 2009 Anteile von 74,26 Prozent am Grundkapital der Immo-Bank zu erwerben, die dadurch mit der ABV eine Kreditinstitutsgruppe bildet.

Weiterer Eigentümer ist die Verwaltungsgenossenschaft der Immo-Bank, an der die ÖVAG mit 85 Prozent beteiligt bleibt. Die Immo-Bank ist auf die Finanzierung von Wohnimmobilien für Private sowie für gemeinnützige und kommerzielle Immobilienunternehmen spezialisiert und refinanziert sich unter anderem durch die Emission der steuerbegünstigten Wohnbau(wandel)schuldverschreibungen.5)

Von einem breiteren Kreis der Volksbanken wurden die beiden Wiener Banken zum Jahresende 2009 übernommen. Dabei tritt je Institut eine Holdinggenossenschaft als wesentlicher Eigentümer auf (vergleiche Abbildung 2): Bei der Volksbank Wien AG hält die Verwaltungsgenossenschaft der Volksbank in Wien und Klosterneuburg reg. Gen. m. b. H. einen wesentlichen Anteil (43,633 Prozent) und bei der Ärztebank die Schulze-Delitzsch Ärzte und Freie Berufe e. Gen. (mehr als 50 Prozent). Ziel ist es, diese beiden Banken zunächst über die Holdings wieder als genossenschaftliche, von einem größeren Eigentümerkreis getragene Banken zu etablieren, indem sie "längerfristig durch Genossenschaftsbeteiligungen der Gründer übernommen werden"6), mit der Folge, dass "die Kunden wieder Mitglieder werden"7). Die Ärztebank wirbt bereits mit diesem Angebot und bezieht neben den Kunden ausdrücklich ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ein.8)

Abkehr vom Kundengeschäft aber unterschiedlich

Die beiden genossenschaftlichen Bankenverbünde in Österreich haben mit Veränderungen an der Verbundspitze auf die Belastungen aus der Finanzkrise reagiert. Auffallend ist, dass sich in beiden Gruppen die Spitzeninstitute, RZB und ÖVAG, stärker auf ihre Rolle als genossenschaftliche Zentralbanken reduzierten.

Während sich jedoch die RZB vollständig vom österreichischen und internationalen (Kommerz-)Kundengeschäft abkehrt und ihre Position als Mehrheitseigentümer der börsennotierten RBI stärkt, gibt die ÖVAG allein das inländische Primär- und Spezialkundengeschäft zurück in die Gruppe, behält aber das Kommerz- und internationale Kundengeschäft.10)Die an die Volksbanken verkauften Tochtergesellschaften sind auch für eine Beteiligung der Mitglieder der Primärbanken offen und stellen damit wieder eine Beziehung zur genossenschaftlichen Basis her.

Fußnoten

1)Cembra Beteiligungs AG/Raiffeisen International Bank-Holding AG: Gemeinsamer Verschmelzungsbericht der Vorstände der Cembra Beteiligungs AG und der Raiffeisen International Bank-Holding AG über die Verschmelzung der Cembra Beteiligungs AG mit der Raiffeisen International Bank-Holding AG, (29.05.2010), Wien, Seite 17 (www.ri.co.at/index. php?id=239&L=1%20orDer%20by%20999%23, abgefragt am 14. September 10).

2)Zusammengefasst nach Anlage 1 zum Entwurf des Spaltungs- und Übernahmsvertrags zwischen RZB und Cembra vom 29. Mai 2010, Wien.

3)Vgl. insgesamt Blisse, Holger; Zeitlberger, Reinhard (2010): Weiterentwicklung des Konzerns der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG. In: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, 60. Jg., Seite 241f.

4)Vgl. Österreichischer Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch): Jahresbericht 2009, Wien, Seite 16f.

5)Vgl. Klement, Eva-Maria (2010): Neues Wohnbau-Imperium. In: Cooperativ - Die gewerbliche Genossenschaft, 138. Jg., H. 4, Seite 24f.

6)Weiß, Peter (2009): Steuerung und Struktur genossenschaftlicher Sektoren. In: Cooperativ - Die gewerbliche Genossenschaft, 137. Jg., H. 4, Seite 26.

7)Hans Hofinger in Karner, Andrea (2009): Staatshilfe so rasch wie möglich zurückzahlen. In: Die gewerbliche Genossenschaft, 137. Jg., H.4, Seite 24.

8)Vgl. im Internet: www.aerztebank.at/m101/volksbank/m093_18130/de/news/details/aktuelles/beteiligung.jsp?locincl=/m093_18130&rahmen=true, abgefragt am 14. September 2010.

9)Zusammengestellt mit Hilfe von Informationen der Institute im Internet (www.volksbankwien.at/m101/volksbank/m044_43000/de/individuelle_seite/bankprofil/ueber_uns.jsp?menu1=1&locincl=/m044_43000&loclink=/m101/volksban..., ww.aerztebank.at (wie Fn. 8), abgefragt am 14. September 2010).

10)Das Geschäft in den Ländern Zentral- und Osteuropas ist in der Volksbank International AG, einer Tochtergesellschaft der ÖVAG (51 Prozent), gebündelt, beteiligt sind außerdem DZ Bank und WGZ Bank mit zusammen 24,5 Prozent und die französische Banque Populaire Caisse d'Epargne mit ebenfalls 24,5 Prozent.

Dr. Holger Blisse , Wirtschafts- und Sozialanalytiker, Wien
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