Gespräch des Tages

Verbundbilanz I - Gemeinsame Abrechnung

Wie ist die aktuelle Lage der deutschen Kreditwirtschaft? So nahe
liegend diese Frage in diesen Tagen der Halbjahresberichte auch sein
mag, bleibt sie in ihrer allgemeinen Formulierung zunächst unpräzise.
Denn es fehlt ihr an den notwendigen Beurteilungsmaßstäben. Gängiger
Auffassung nach sollte man eine solche Situationsanalyse der
Kreditwirtschaft nicht nur an Ertrags- und Kosten-, sondern auch an
Risikoaspekten ausrichten. Aber selbst wenn man sich auf diese
Kriterien einigen könnte, würde sich für die deutsche Kreditwirtschaft
als Ganzes keinesfalls zu jeder Zeit eine verlässliche Antwort finden
lassen. Denn während die Großbanken, die Landesbanken, die
genossenschaftlichen Zentralbanken und auch einige der Primärbanken
aus den Verbünden dieser Tage ihre Geschäftsentwicklung der ersten
sechs Monate 2006 offen legen, berichtet der überwiegende Teil der
Primärinstitute aus den Verbünden unterjährig überhaupt nicht.
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Zum Halbjahr bleibt der Zustand beider Bankengruppen damit für den
außen stehenden Betrachter weitgehend im Dunkeln. Aufgrund der
Berichterstattung der Zentralinstitute, einiger Verbundunternehmen und
der Tendenzaussagen der Bundes- beziehungsweise einzelner
Regionalverbände kann er sich zwar ein sehr grobes Bild von der
aktuellen Ertrags- und Kostenentwicklung machen. Und mit Blick auf die
Risikolage darf er immerhin auf die gleichermaßen stete wie
aufmerksame Betrachtung durch die Prüfungsverbände beziehungsweise die
kritische Beobachtung durch die Bankenaufsicht vertrauen. Doch eine
Gesamtanalyse zur Hälfte des Berichtsjahres gab und gibt es nicht.
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Nun mag man die Sinnhaftigkeit von Quartalsberichten von
börsennotierten Unternehmen und damit auch von Banken generell in
Frage stellen. Man mag zusammen mit vereinzelten Kritikern eine zu
starke Kurzfristorientierung monieren. Man mag die Befürchtung hegen,
eine Ausrichtung an einer langfristig sinnvollen Strategie werde allzu
oft den unmittelbaren Effekten auf die Kursentwicklung geopfert. Aber
man wird sicher nicht in Abrede stellen können, dass es zumindest in
der Jahresbetrachtung eines verlässlichen Bildes jeder Bank bedarf.
Und wenn sie als Einheit wahrgenommen werden will, gilt das
selbstverständlich auch für jede Bankengruppe. Genau das haben die
Verantwortlichen des Sparkassen- und Genossenschaftssektors längst
registriert und versuchen es behutsam umzusetzen. Einigermaßen
verlässliche Daten, die auch Externen zugänglich sind, liegen freilich
aus dem Genossenschaftssektor wie auch aus der Sparkassenorganisation
nur zum Jahresende vor. Aber selbst dann bleibt es der
kontinuierlichen Beobachtung, der eigenen Intuition und dem Gespür für
Momentaufnahmen vorbehalten, die Lage der Verbünde zu einem
Gesamteindruck zu verdichten. Hilfreich sind dabei aber zweifellos die
aggregierten Zahlen der Bundes- und Regionalverbände sowie später im
Jahr den gruppenspezifischen Analysen der Bundesbank.
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In Zeiten zunehmender Kapitalmarktorientierung haben der Sparkassen-
wie auch der Genossenschaftssektor und ihre großen Verbundunternehmen
an dieser Stelle freilich Handlungsbedarf erkannt. Wenn die beiden
großen Verbünde mehr sein wollen als ein loser zusammengehörender
Haufen, wenn sie sich als Haftungsgemeinschaft begreifen wollen, wenn
sie für ihre Einzelunternehmen verstärkt den Kapitalmarkt in Anspruch
nehmen und dort als Gesamtorganisation wahrgenommen werden wollen,
dann müssen sie einen nachvollziehbaren Nachweis ihrer gemeinsamen
Leistungsfähigkeit erbringen.
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In der Sparkassenorganisation ist diese neue Denkweise besonders
deutlich zum Ausdruck gekommen, als der DSGV Ende 2004 für die Gruppe
als Ganzes das so genannte Rating-Floor durch die Agentur Moody´s
verkünden durfte. Ansonsten spielt sich die Wahrnehmung als Einheit in
den Regionen ab. Besonders stark ausgeprägt ist das bei der
Sachsen-Finanzgruppe, die einen konsolidierten Konzernabschluss
vorlegt. Ebenfalls deutlich zeigt sich diese Tendenz bei der
Sparkassen-Finanzgruppe Hessen-Thüringen, die für das Berichtsjahr
2005 zum dritten Mal ihren Verbundabschluss veröffentlicht hat. Und
ebenfalls im dritten Jahr hat im genossenschaftlichen Finanzverbund
der BVR den konsolidierten Jahresabschluss der Gruppe präsentiert.
Nicht den einzelnen Regionen, sondern ganz klar dem Gesamtverband
obliegt im genossenschaftlichen Verbund die Erstellung dieser Bilanz.
Insofern ist er wesentlich deutlicher als Einheit wahrnehmbar als der
Sparkassensektor.

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