Aufsätze

Workout im Spannungsfeld zwischen ökonomischer Notwendigkeit und rechtlichen Anforderungen

Die ökonomischen Beweggründe der Finanzinstitute, notleidende Kredite (Nonperforming Loans - NPL) zu veräußern, liegen auf der Hand; namentlich zu nennen sind Refinanzierung, Risikoallokation sowie Eigenkapitalentlassung. Ebenso eine Rolle spielt die Kurspflege bei börsennotierten Instituten und auf der Basis von Opportunitätskostenberechnungen die Erkenntnis, dass eine Veräußerung von NPL trotz signifikanter Buchwertabschläge häufig wirtschaftlich attraktiver ist als zeitintensive, ressourcenbindende Inhouse-Abwicklungen.

Für die öffentlichen Kreditinstitute, Sparkassen und Landesbanken ist die Herausforderung mit Blick auf die zwischenzeitlich entfallene Anstaltslast und Gewährträgerhaftung besonders hoch.

Wenngleich NPL mittlerweile in Deutschland für 60 bis 70 Prozent des Nennwerts erworben werden,1) motiviert auf Seiten der Erwerber die Aussicht auf hohe Renditen. Diese sind indes nur bei einem raschen Workout der in der Regel durch Grundpfandrechte besicherten Kreditportfolien realisierbar.

Enormer Verwertungsdruck

Trotz dieses enormen Verwertungsdrucks sind die sich stellenden zivil-, haftungs-, datenschutz- und jüngst auch strafrechtlichen Implikationen bei der Veräußerung von NPL zu beachten, die mindestens ebenso mannigfaltig sind wie die ökonomischen Beweggründe. In dem Kontext dieses prekären Spannungsfeldes zwischen ökonomischer Notwendigkeit und rechtlichen Anforderungen sind die Schlagzeilen hervorrufenden Strafanzeigen gegen diverse Sparkassenvorstände in den letzten Monaten zu sehen, denen laut Presseberichten weitere Strafanzeigen, unter anderem gegen Bayern-LB, Nord-LB, West LB und Landesbank Berlin, folgen sollen.2)

Dieser Beitrag beleuchtet die letzte Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen durch ein jüngst ergangenes BGH-Urteil und geht der Frage nach, ob die vorerwähnten Strafanzeigen in § 203 St GB eine rechtliche Grundlage finden.

In der Vergangenheit war bei Verkäufen von notleidenden Kreditforderungen ein latenter Unsicherheitsfaktor, dass die Veräußerung solcher Forderungen unter Umständen gegen das Bankgeheimnis oder gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoßen könnte.

Bankgeheimnis und Datenschutz neue BGH-Rechtsprechung

Der XI. Zivilsenat des BGH hat mit seinem Urteil vom 27. Februar 20073) klargestellt, dass grundsätzlich weder das Bankgeheimnis noch das Bundesdatenschutzgesetz einer Abtretung von NPL entgegenstehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH besteht das Bankgeheimnis in der schuldrechtlichen Pflicht des Kreditinstituts zur Verschwiegenheit über kundenbezogene Tatsachen und Wertungen, die ihm aufgrund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind und die der Kunde geheim zu halten wünscht. Da es sich beim Bankgeheimnis allerdings nur um eine schuldrechtliche Verpflichtung handelt, folgt aus ihr kein dingliches Abtretungsverbot oder -hindernis.

Aus Sicht des BGH kann aus dem Bundesdatenschutzgesetz ebenfalls kein Abtretungsverbot hergeleitet werden, weil dies ansonsten dazu führte, dass die Abtretung von Kreditforderungen gegen juristische Personen möglich, die gegen natürliche Personen aber verboten wäre. Für eine solche Unterscheidung bestehe aber keine sachliche Rechtfertigung.

Für die Praxis bietet das Urteil mehr Rechtssicherheit, da nun zumindest geklärt ist, dass private Banken beziehungsweise Genossenschaftsbanken NPL abtreten können und eine Unwirksamkeit der Abtretung als Rechtsfolge ausscheidet. In der Vergangenheit war - insbesondere von Kreditnehmern - immer wieder geltend gemacht worden, dass die Erwerber von Kreditforderungen gar nicht zur Geltendmachung befugt seien. Sowohl für Käufer als auch für Verkäufer von NPL bestand daher ein massiver Unsicherheitsfaktor, der nunmehr beseitigt ist.

Abtretungsverbot für Zedenten mit öffentlich-rechtlichem Status

Offen gelassen4) hat der BGH allerdings die (in dem streitgegenständlichen Fall auch nicht zu entscheidende) Frage eines aus einem Verstoß gegen das Verbotsgesetz (§ 134 St GB) resultierenden Abtretungsverbots für Zedenten mit öffentlich-rechtlichem Status. Denn das Gericht hat lediglich ausgeführt, dass eine unbefugte Offenbarung eines Geheimnisses keinen Verstoß gegen § 134 BGB i. V.m. § 203 St GB begründet, weil eine analoge Anwendung des § 203 St GB auf Vorstandsmitglieder oder Angestellte eines privaten Kreditinstituts wegen Art. 103 Abs. 2 GG ausscheidet.5)

Diese Norm würde indes öffentlichen Finanzinstituten nicht helfen, weil diese nach den bislang überwiegenden Stimmen in der Literatur6) und Rechtsprechung7) öffentliche Verwaltungstätigkeit gemäß § 11 Nr. 2 St GB ausüben, sodass die Mitarbeiter eine Amtsträgerstellung im Sinne von § 203 Abs. 2 Nr. 1 St GB i. V.m. §§ 11 Nr. 2c, 4a St GB einnehmen sollen.8)

Diese Einordnung stößt auf Bedenken. Nach dem Wegfall der Gewährträgerhaftung ist kein sachlich gerechtfertigter Grund mehr erkennbar, das Offenbaren von dem Bankgeheimnis unterfallenden Informationen durch Mitarbeiter privater Banken straflos zu stellen, selbige Tätigkeit durch Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher Banken aber mit Verweis auf deren Amtsträgerstellung strafrechtlich zu sanktionieren. Kreditentscheidungen - auch die Entscheidung zur Auslagerung von NPL richten sich bei öffentlich-rechtlichen Banken nunmehr nach denselben (ökonomischen) Beweggründen, die auch für private Institute gelten. Ebenso wenig findet außerhalb der Förderbanken (noch) eine staatliche Förderung des Kreditnehmers oder des Finanzierungsvorhabens statt, die für eine Einordnung der Tätigkeit als öffentliche Verwaltung sprechen würde.

Auch unter dem verfassungsrechtlich verankerten Gleichbehandlungsgebot ist eine solche Differenzierung mehr als fragwürdig. Sie würde gegen das Willkürverbot des Art. 3 GG verstoßen, weil sie wesentlich Gleiches, nämlich inhaltlich weitgehend identische Darlehensverträge und Interessenslage der involvierten Parteien, ohne jeden sachlichen Grund ungleich behandelt.9) Im Übrigen müssten die öffentlichrechtlichen Banken einen ungerechtfertigten Wettbewerbsnachteil hinnehmen, wenn ihnen trotz der vorstehend erörterten ökonomischen Erfordernisse der Zugang zu dem NPL-Markt verwehrt bliebe.

Die Rechtsnatur des Kreditinstituts ist daher kein sachgerechter Anknüpfungspunkt für eine unterschiedliche strafrechtliche Behandlung. § 203 St GB ist folglich im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion dahingehend auszulegen, dass die im kommerziellen Bankbetrieb öffentlicher Banken beschäftigten Mitarbeiter wegen der Art der verrichteten Tätigkeit und der Natur des Geschäftsbetriebs keine Amtsträger im Sinne von § 203 St GB sind.10)

Verletzung des Privatgeheimnisses?

Selbst bei Bejahung der Amtsträgerstellung wäre eine tatbestandliche Verletzung des Privatgeheimnisses i. S.v. § 203 Abs. 2 St GB nur gegeben, wenn die öffentlich-rechtliche Bank persönliche oder geschäftliche Geheimnisse, die seinen Mitarbeitern in deren Eigenschaft als Amtsträger anvertraut wurden, vorsätzlich offenbart, ohne dazu befugt zu sein. Wenn das Vertrauen in die Verschwiegenheit von Amtsträgern notwendige Voraussetzung für die Bereitschaft des Darlehensnehmers, der öffentlichen Verwaltung vertrauliche Informationen zugänglich zu machen1) ist, so liegt schon kein Anvertrauen im Tatbestandssinne vor, weil der Darlehensnehmer sich öffentlich-rechtlichen Finanzinstituten nicht weitergehend anvertrauen muss, und es auch nicht tut, als privaten Kreditinstituten.12)

Schließlich ist auch von einer Befugnis zur Geheimnisoffenbarung im Rahmen der Veräußerung der NPL auszugehen, jedenfalls bei außerordentlich gekündigten Krediten. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass dem Darlehensnehmer, der durch seine Vertragsverletzung eine Verwertungssituation herbeiführt, sich trotz seiner fehlenden Einwilligung zur Datenweitergabe nicht unter Berufung auf das Bankgeheimnis dagegen wehren kann, dass die Bank den Kredit im Wege eines Forderungsverkaufs verwertet. Hier fällt das Ergebnis der Abwägung der berechtigten Interessen der zedierenden Bank an der Weitergabe der geheimen Daten und der schutzwürdigen Belange des Kreditnehmers an deren Nichtweitergabe eindeutig zugunsten ersterer aus.

Ein Fall für den BGH

Auch gilt es hierbei zu berücksichtigen, dass es aus Sicht des Darlehensnehmers wirtschaftlich keinen Unterschied macht, ob die zur Verwertung berechtigte Bank selbst verwertet oder durch einen Dritten. Im letztgenannten Fall gewinnt der Darlehensschuldner sogar noch Zeit, weil nach einer Forderungsabtretung in der Regel mindestens sechs Monate einzukalkulieren sind, bis in Person des Zessionars die Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen vorliegen.

Es bleibt daher festzuhalten, dass das Bankgeheimnis bei öffentlich-rechtlichen Institutionen grundsätzlich nicht anders zu behandeln ist als bei privaten Banken. Dessen ungeachtet ist angesichts der Brisanz und wirtschaftlichen Bedeutung der Thematik damit zu rechnen, dass der Bundesgerichtshof sich mit der Fragestellung noch auseinanderzusetzen hat.

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