Gespräch des Tages

Zertifikate - Das PIB-Glossar

Kaum ein anderer Begriff ist in Deutschland so sehr mit dem Beginn der Finanzmarktkrise verbunden wie "Lehman-Zertifikate". Selbst Ende 2012 kommen diese strukturierten Finanzprodukte aufgrund der jüngsten richterlichen Entscheidungen nicht aus den Schlagzeilen. Von diesem immensen Imageschaden hat sich die Zertifikatebranche bis heute noch nicht vollständig erholen können. Während vor einigen Jahren zweistellige Wachstumsraten und ein Marktvolumen von über 130 Milliarden Euro zu verzeichnen waren, hat sich das Zertifikatevolumen in Deutschland inzwischen bei zirka 100 Milliarden Euro stabilisiert. Gleichzeitig sehen sich die Zertifikateemittenten mit verschärftem Wettbewerb, enormem Kostendruck und erheblichen regulatorischen Anforderungen konfrontiert.

Das Sprachrohr der Zertifikatebranche, der Deutsche Derivate Verband (DDV), ist gleich in mehr facher Hinsicht bemüht, die aktuelle Situation der Zertifikateemittenten zu verbessern. So setzt er sich beispielsweise für Branchenstandards ein und hat hierzu den Derivate Kodex entwickelt, dessen Leitlinien für die Strukturierung, die Emission und den Handel derivativer Wertpapiere entsprechende staatliche Regulierungsvorhaben überflüssig machen soll. Zusehends erweitert sich dabei das Aktionsfeld des DDV, und zwar sowohl hinsichtlich der politischen Themen als auch der politischen Zielgruppen auf nationaler und europäischer Ebene. Auf dem Brüsseler Parkett setzt sich die European Structures Investment Products Association (EUSIPA) für einen attraktiven und fairen regulatorischen Rahmen dieser Finanzprodukte ein. Dieser Dachverband begleitet Parlamentsinitiativen und Regulierungsvorhaben der Kommission und nimmt Stellung zu allen Themen, die für die europäische Zertifikatebranche von Bedeutung sind.

Dabei fängt die Lobbyarbeit mitunter ganz früh im aufsichtsrechtlichen Prozess an. So hatte beispielsweise Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner im März dieses Jahres eine Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Verständlichkeit der Produktinformationsblätter (PIBs) ins Leben gerufen. Gemeinsam mit der Deutschen Kreditwirtschaft, den Bundesministerien der Finanzen und für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der BaFin sowie der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz und des Bundesverbands der Verbraucherzentralen will man mit Hilfe eines Glossars und Textbausteinen die sprachliche Verständlichkeit von PIBs verbessern und auf diese Weise bereits in einem sehr frühen Stadium die aufsichtsrechtlichen Vorhaben entscheidend beeinflussen. Auch auf europäischer Ebene fühlen sich der deutsche und der Brüsseler Dachverband gut positioniert. So konnte man bereits beizeiten die für den heimischen Markt erarbeiteten Muster-Informationsblätter platzieren und damit die deutschen Interessen wahren.

Die Zertifikatebranche in Deutschland hat somit gute Chancen, anders als andere Assetklassen von Anfang an den aufsichtsrechtlichen Beratungsprozess begleiten zu können. Das schützt sicherlich nicht in jedem Fall vor aufsichtsrechtlichen Überraschungen, kann aber auf der anderen Seite sogar dazu führen, dass die deutschen Vorstellungen in Teilbereichen wegweisend für Europa werden.

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