Geschäftsentwicklung der 915 Kreditgenossenschaften im Berichtsjahr 2017

Abbildung 1: Ergebnisentwicklung der Kreditgenossenschaften Quelle: 2017 BVR, 2016 Deutsche Bundesbank

Rückläufige Zahl von Instituten - deutlich weniger Bankstellen - Herausforderung Digitalisierung - Einbußen beim Zinsüberschuss durch Wachstum des Provisionsüberschusses überkompensiert - leichter Rückgang der Verwaltungsaufwendungen - Bewertungsergebnis im Kreditgeschäft weiterhin untypisch niedrig - Jahresüberschuss leicht gestiegen - verbesserte Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung - Kernkapitalquote bei 14,9% - aggregierte Bilanzsumme um 4,7% erhöht - wachsende Marktanteile im Kredit- und Einlagengeschäft

Ob und wie das sogenannte Dreisäulenmodell der deutschen Kreditwirtschaft einst in einem europäischen Bankenmarkt seinen Platz finden wird, liefert einstweilen immer wieder lebhaften Diskussionsstoff und Raum für öffentliche Debatten in der Wissenschaft und der europäischen Politik. Aber bislang ist das dreigliedrige Bankensystem hierzulande politisch gewollt und prägt maßgeblich die hiesige Bankenstruktur mit vergleichsweise vielen kleinen und mittleren Instituten. Dass sowohl die europäischen Entwicklungen als auch die aktuellen Rahmenbedingungen, angefangen von der Niedrigzinsphase bis hin zu den Herausforderungen der Digitalisierung, einen erheblich Einfluss auf die Zahl der Institute haben, hat dieser Tage die Genossenschaftsorganisation noch einmal in einer langfristigen Entwicklung aufgezeigt. Wurden für das Jahr 1970 noch 7 096 Volks- und Raiffeisenbanken registriert hatte sich die Zahl der Institute bis 1987 schon auf 3 479 mehr als halbiert. Und dieser Trend wurde auch durch die neu hinzukommenden Institute aus den neuen Bundesländern nur für zwei Jahre unterbrochen. Schon im Jahre 2000 zeigt sich mit 1 794 Instituten annähernd eine weitere Halbierung. Und wenn der Rückgang der jüngsten Vergangenheit anhält, wird man schon Ende des laufenden Jahres die nächste Halbierung melden dürfen.

Zum Ende des Jahres 2017 sank die Zahl der Kreditgenossenschaften auf 915. Das sind fusionsbedingt 57 Banken weniger als im Vorjahr. Und für das laufende Jahr sind 47 weitere Fusionen angemeldet beziehungsweise im Diskussions-, Verhandlungs- oder Sondierungsstadium der zuständigen Gremien. Konkret erfasst sind in dieser Zusammenstellung Volks- und Raiffeisenbanken, PSD-Banken, Sparda- Banken sowie genossenschaftliche Spezialinstitute. Weit weniger stark zurückgegangen ist die Zahl der Bankstellen (Hauptstellen und Zweigstellen). Diese ist von 18 339 im Jahre 1970 zunächst bis Ende der achtziger Jahre sogar leicht angestiegen, erhielt dann noch einen kleinen Schub durch die Kreditgenossenschaften in den neuen Bundesländern bis auf 20 822 im Jahre 1991 und geht seither deutlich zurück, über 16 707 im Jahre 2001 und 13 350 im Jahre 2011 auf zuletzt 11 108 per Ende des Berichtsjahres 2017. Die Zahl der Geldautomaten, mit denen Volks- und Raiffeisenbanken ihre flächendeckende Präsenz abdecken wollen, wird auf 18 362 beziffert, das sind rund ein Drittel aller Geldautomaten in Deutschland.

Den persönlichen Kontakt zu den Kunden in der Region auch in einer zunehmend digitalen Welt erhalten und dabei auf das Umfeld globaler Datendienste und neuer Fintechs mit ihren jeweiligen Geschäftsmodellen angemessen zu reagieren, bleibt auch unter der neuen BVR-Präsidentin Marija Kolak das erklärte Ziel. Das Kundenerlebnis, nicht nur beim Besuch der Filiale, sondern auch in der digitalen Welt herauszustellen und dementsprechend die Strategieentwicklung zum Thema Digitalisierung und die damit verbundenen Investitionen in die IT weiter voranzutreiben bleibt die Herausforderung. Gelingen soll dies unter dem Stichwort Omnikanalbank über die Nutzung von Standardisierungs- und Einsparpotenzialen über eine stärkere Integration aller Zugangswege zur Ortsbank - also Filiale, Servicecenter, Onlinebanking und nicht zuletzt der VR-Banking-App. Bei der Umsetzung vertraut die Organisation dabei wie bisher auf die Marktkenntnis und Willensbildung vor Ort.

Mit Blick auf die Ertragsentwicklung der Kreditgenossenschaften hat sich die Gruppe mit dieser Ausrichtung auf die Selbstverantwortung der Institute auch 2017 vergleichsweise gut behauptet. Vonseiten des BVR wird das operative Ergebnis als durchaus zufriedenstellend eingestuft. Zwar sind die Zinserträge den BVR-Zahlen nach um rund 1,2 Mrd. Euro gesunken. Doch gingen zugleich auch die Zinsaufwendungen um rund 1 Mrd. Euro zurück und konnten damit das Abschmelzen der Zinserträge teilweise kompensieren. Der Zinsüberschuss sank um 1,6% auf 16,315 (16,581) Mrd. Euro.

Wie die Sparkassen konnten auch die Genossenschaftsbanken den Provisionsüberschuss deutlich steigern, und zwar um 8,1% auf rund 4,947 (4,578) Mrd. Euro. Zu verdanken ist dieser Zuwachs nicht zuletzt den höheren Vermittlungserträgen im Wertpapier- und Fondsgeschäft, die ihrerseits aus der Bereitschaft der Kunden resultieren, stärker in Anlageprodukte mit höherer Renditeerwartung zu investieren. Weitere positive Einflüsse werden dem Versicherungsgeschäft, dem sonstigen Vermittlungsgeschäft und nach wie vor den Erlösen aus Kontoführungs- und Zahlungsverkehrsentgelten zugeschrieben. In Summe werden die Bestände im Verbundgeschäft der Kreditgenossenschaften im Jahr 2017 auf 436 Mrd. Euro veranschlagt, ein Plus von 7,3%.

Betrachtet man den Rohertrag aus Zins- und Provisionsüberschuss errechnet sich für die Kreditgenossenschaften 2017 ein Wert von 21,262 (21,159) Mrd. Euro. Anders als in vielen Jahren zuvor ist es der Gruppe damit gelungen, die Rückgänge von 266 Mill. Euro beim Zinsüberschuss durch Zuwächse von 369 Mill. Euro beim Provisionsüberschuss zu kompensieren. Stand Mitte März 2018 dürfte es im laufenden Jahr angesichts der Verfassung der Aktienmärkte und der Wertentwicklung im Fondsgeschäft allerdings schwierig werden, mögliche Einbußen im Zinsgeschäft wiederum durch das Provisionsgeschäft auszugleichen.

Einen positiven Effekt auf die Ertragsentwicklung hatte zudem die Kostenseite: So konnten die Kreditgenossenschaften ihre allgemeinen Verwaltungsaufwendungen 2017 um 0,7% auf 14,32 (14,423) Mrd. Euro reduzieren. Die Personalaufwendungen betrugen dabei 8,592 (8,651) Mrd. Euro, was - bedingt durch die geringere Beschäftigtenzahl - einem Rückgang zum Vorjahr von 0,7% entspricht. Auch für die Entwicklung der Mitarbeiterzahlen verweist der BVR auf eine langjährige Betrachtung: Demnach hat sich die Zahl der Beschäftigten im Bankgeschäft von 151 400 im Jahre 1990 auf 175 850 im Jahre 1995 erhöht, um dann ziemlich kontinuierlich zurückzugehen. Allein in den Jahren 2016 und 2017 waren es 4 250 beziehungsweise 4 550 Mitarbeiter weniger. Per Ende 2017 werden den vorläufigen Zahlen nach 146 500 Mitarbeiter beschäftigt. Der Mitarbeiterabbau, so wird betont, beruht nahezu ausschließlich aus der Nutzung der Altersfluktuation. Dass gleichwohl Nachwuchskräfte gefördert werden sieht der BVR durch Ausbildungsverträge mit rund 10 150 jungen Menschen belegt. Die Ausbildungsquote wird auf 7,0% beziffert.

Die Sachkosten konnten 2017 um 0,8% auf 5,728 (5,772) Mrd. Euro gesenkt werden. Dass ein deutlicherer Abbau nicht möglich war, wird nicht zuletzt den vielen regulatorischen Anforderungen und Abgaben zugeschrieben, die tendenziell zu höheren Kosten bei den Banken führ ten. Allein die europäische Bankenabgabe schlägt nach Angaben des BVR bei den Kreditgenossenschaften mit 76 Mill. Euro zu Buche. Die Cost Income Ratio verbesserte sich im Berichtsjahr auf 67,4(68,2)%.

Das Teilbetriebsergebnis als Ergebnis der operativen Geschäftstätigkeit stieg 2017 um 3,1% auf voraussichtlich 6,942 (6,736) Mrd. Euro. Beim Betriebsergebnis vor Bewertung verzeichneten die Kreditgenossenschaften eine Steigerung um 2,3% auf 7,41 (7,244) Mrd. Euro. Das voraussichtliche Bewertungsergebnis betrug insgesamt minus 94 (plus 91) Mill. Euro. Vom BVR wird dieser Wert als erneut untypisch niedrig bewertet. Im Einzelnen gab es im Kreditgeschäft moderate Zuschreibungen in Höhe von 131 Mill. Euro durch die Auflösung von in den Vorjahren gebildeten Einzelwertberichtigungen. 2016 lagen die Zuschreibungen bei 17 Mill. Euro. Angesichts der bundesweit weiterhin rückläufigen Insolvenzzahlen bei Unternehmen und Verbrauchern sowie der anhaltend guten Konjunktur erwartet der BVR auch in näherer Zukunft kein nennenswert steigendes Bewertungsergebnis bei den Forderungen.

Im Wertpapierbereich fiel das Bewertungsergebnis mit minus 156 Mill. Euro ebenfalls niedrig aus, 2016 hatte es in diesem Bereich marginale Zuschreibungen gegeben. Da nur wenige Kreditgenossenschaften Handelsgeschäfte mit Wertpapieren betreiben, so die Erläuterung des BVR, resultieren Marktrisiken in erster Linie aus dem Depot-A-Geschäft, also dem Nichthandelsbuch, wobei die Institute hier zu über 50 Prozent in Bank- und Unternehmensanleihen akzeptabler Bonitäten investiert sind.

Ihr Betriebsergebnis nach Bewertung konnten die Kreditgenossenschaften 2017 mit insgesamt 7,316 (7,335) Mrd. Euro nahezu auf dem Vorjahresniveau halten. Dem Saldo der anderen und der außerordentlichen Erträge und Aufwendungen wird nach Sondereffekten im Vorjahr im Jahr 2017 mit minus 126 Mill. Euro wieder ein normales Bild bescheinigt.

Der voraussichtliche Jahresüberschuss vor Steuern lag 2017 bei 7,19 (7,696) Mrd. Euro und damit um 6,6% niedriger als 2016, wobei Letzterer nach Finalisierung aller Bewertungs- und außerordentlichen Effekte noch etwas positiver ausgefallen war als bei der Jahrespressekonferenz für das Berichtsjahr 2016 prognostiziert. Die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag werden für 2017 auf 2,039 (2,093) Mrd. Euro beziffert und blieben damit leicht unter dem Wert aus 2016. Mit rund 28% liegt auch die Steuerquote auf Vorjahresniveau. Dem Fonds für allgemeine Bankrisiken haben die Kreditgenossenschaften 2017 voraussichtlich 3,558 Mrd. Euro zugeführt, im Vorjahr waren es 4,079 Mrd. Euro. Insgesamt, so betont der BVR, haben die Mitgliedsinstitute diese Reserven in den vergangenen fünf Jahren aus eigener Kraft um über 17 Mrd. Euro aufgestockt. Nach Steuern verbleibt im Jahr 2017 ein Jahresüberschuss der Kreditgenossenschaften von voraussichtlich 1,593 (1,524) Mrd. Euro - gegenüber dem Vorjahr bedeutet das eine leichte Steigerung.

Die Ausstattung der Volks- und Raiffeisenbanken mit Eigenkapital und Liquidität wird vom BVR als ein strategischer Erfolgsfaktor gewertet. Derzeit haben die Institute rund 104 Mrd. Euro mehr Kundeneinlagen als -kredite im Bestand. Die Liquidity Coverage Ratio der genossenschaftlichen Primärinstitute wird mit 205% (bei einem Mindestwert von 100 Prozent ab 2018) als hoch eingestuft und das Liquiditätsrisiko für jedes einzelne Institut aufgrund der starken Kohäsion im Verbund als niedrig. Das bilanzielle Eigenkapital der Volksbanken und Raiffeisenbanken wuchs im gleichen Zeitraum um 4,2% auf 50,4 Mrd. Euro. Dabei wurden die Rücklagen um 4,6% auf 38,4 Mrd. Euro erhöht und die Geschäftsguthaben wuchsen um 3,1% auf 12 Mrd. Euro. Die Eigenmittel gemäß der Capital Requirements Regulation (CRR) erhöhten sich um 5,3% auf 86,5 Mrd. Euro. Die Kernkapitalquote stieg um 0,4 Prozentpunkte auf 14,9%. Das entspricht einer Aufstockung des Kernkapitals von 5,6 Mrd. Euro. Die Gesamtkennziffer nach CRR beträgt wie im Vorjahr 17,7% und übertrifft damit den Mindeststandard von 8% deutlich.

Der Blick auf die Bilanz zeigt für die Kreditgenossenschaften im Berichtsjahr deutliche Zuwächse. So erhöhte sich die aggregierte Bilanzsumme aller Genossenschaftsbanken um 4,7% auf 891,27 (851,211) Mrd. Euro. Auf der Aktivseite der Bilanz erreichten die Kreditbestände mit 558,33 (527,81) Mrd. Euro einen Zuwachs von 5,8%. Als ausschlaggebend für diese Entwicklung nennt der BVR vor allem die rege Nachfrage der Kunden nach privaten Wohnungsbaukrediten. Allein die Immobilienkredite an Privatkunden legten um 5,2% auf rund 233 Mrd. Euro zu. Damit, so der BVR, stammt fast jeder vierte Euro bei Wohnungsbaufinanzierungen in Deutschland von einer Genossenschaftsbank.

Der Marktanteil im gesamten Kreditgeschäft mit Privatkunden erhöhte sich laut den BVR-Zahlen um 0,2 Prozentpunkte auf 24,1%. Auch im Firmenkundenbereich (inländische Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen und Selbstständige) steigerten die Kreditgenossenschaften ihren Marktanteil um 0,5 Prozentpunkte auf 19,6%, was einem Bestand in Höhe von 246 Mrd. Euro entspricht. Als maßgeblich für diese Entwicklung sieht der Verband die Kreditvergabe an das Dienstleistungs- und Baugewerbe. Die Marktanteile in beiden Segmenten stiegen auf 19,8% beziehungsweise 25,1%. Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sehen sich die Kreditgenossenschaften mit einem Markanteil von 48% als Marktführer.

Auf der Passivseite der Bilanz erreichte die Höhe der Kundeneinlagen im Berichtsjahr 662,45 Mrd. Euro - ein Anstieg um 4 Prozent. Der Einlagenüberschuss über die Kreditbestände lag damit wie in den Vorjahren bei rund 104 Milliarden Euro. Vor allem die Sichteinlagen legten dabei deutlich zu. Die täglich fälligen Verbindlichkeiten stiegen 2017 um 7,3% auf 424,47 Mrd. Euro und machen 64% der gesamten Kundeneinlagen aus. Der Marktanteil blieb hier 2017 mit 18,1 (18,0)% nahezu unverändert. Weniger liquide Bankprodukte wie Termineinlagen und Sparbriefe waren dagegen kaum gefragt.

Mit Blick auf das laufende Jahr wird vonseiten des BVR keine grundsätzliche Änderung des Niedrigzinsumfelds erwartet. Die Erträge im zinsabhängigen Geschäft bleiben damit unter Druck. Die kurzfristigen Auswirkungen der handelsprotektionistischen Maßnahmen der USA und des anstehenden Brexits auf die deutsche Exportwirtschaft und das Firmenkundengeschäft der Genossenschaftsbanken werden als schwer kalkulierbar eingestuft.

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