Finanzstabilitätsbericht 2019

Das deutsche Finanzsystem bleibt verwundbar gegenüber schlechten wirtschaftlichen Entwicklungen. Zukünftige Kreditrisiken könnten unterschätzt und die Werthaltigkeit von Kreditsicherheiten wie Immobilien überschätzt werden. Ein unerwarteter Konjunktureinbruch und abrupt steigende Risikoprämien könnten das deutsche Finanzsystem empfindlich treffen. Ein stabiles Finanzsystem sollte solche Schocks abfedern können und sie nicht verstärken. Das ist der Tenor des Ende November 2019 veröffentlichten Finanzstabilitätsberichtes der Deutschen Bundesbank.

Noch im vergangenen Jahr war ein langsam steigendes Zinsniveau erwartet worden. Diese Erwartungen haben sich aus Sicht der Notenbank nicht erfüllt. Die exportorientierte Industrie in Deutschland befindet sich ihrer Analyse nach in einem Abschwung, in der Binnenwirtschaft überwiegen aber die Auftriebskräfte.

Das Zinsniveau ist im Zuge der konjunkturellen Eintrübung weiter gefallen und es werden weiterhin niedrige risikofreie Zinsen erwartet. Gerade bei niedrigen Zinsen bauen sich zyklische Risiken im deutschen Finanzsystem weiter auf, so die Befürchtung der Deutschen Bundesbank. Die niedrigen Zinsen setzen die Zinsmarge der Institute zunehmend unter Druck, belasten deren Profitabilität und stellen so auch ein Risiko für die Finanzstabilität dar.

Die schwache Konjunktur zeigt sich laut dem Bericht nicht unmittelbar an den Finanzmärkten: Banken vergeben weiter dynamisch Kredite, die Bewertungen an den Märkten sind zum Teil hoch. Niedrige Zinsen und die robuste Binnenkonjunktur stützen diese Entwicklung. Geringe Kreditrisiken spiegeln niedrige Insolvenzen im Unternehmenssektor und eine geringe Arbeitslosigkeit. Entsprechend niedrig ist die seit vielen Jahren rückläufige Risikovorsorge der Banken. Die zukünftige Entwicklung von Kreditrisiken könnte damit aus Sicht der Bundesbank aber unterschätzt werden.

Die bestehenden Verwundbarkeiten könnten bei einem unerwarteten Konjunktureinbruch offengelegt werden. Insgesamt hat sich die Bonität der deutschen Unternehmen zwar verbessert, in den Kreditportfolios der deutschen Banken hat der Anteil der relativ riskanteren Kreditnehmer aber zugenommen. Wertberichtigungen und Kreditausfälle könnten daher bei einem unerwarteten Konjunktureinbruch schneller und stärker steigen als bei einer gleichmäßigen Verteilung der Kreditrisiken. Diese Allokationsrisiken sind in den vergangenen Jahren gestiegen und tragen zu den zyklischen Verwundbarkeiten im deutschen Finanzsystem bei.

Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland entwickeln sich laut dem Bericht nach wie vor recht dynamisch. Umfragen zufolge erwarten die privaten Haushalte und Banken weiter steigende Preise. Damit sieht die Bundesbank die Gefahr, dass Marktteilnehmer die vergangene Entwicklung zu optimistisch in die Zukunft fortschreiben und dabei die Werthaltigkeit von Sicherheiten überschätzen könnten.

Weitere Erkenntnis: Im deutschen Finanzsystem bestehen zudem Risiken gegenüber abrupt steigenden Zinsen fort. Die Banken haben die Fristentransformation ausgeweitet, um ihre Erträge im Zinsgeschäft zu stabilisieren. So hat mittlerweile jeder zweite neu vergebene Wohnungsbaukredit eine Zinsbindungsfrist von über zehn Jahren. Vor diesem Hintergrund müssen Banken aus Sicht der Bundesbank die eingegangenen Risiken adäquat bepreisen und mit auskömmlichen Margen kalkulieren.

Als Reaktion auf die zyklischen Systemrisiken hat der Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Mai 2019 empfohlen, den antizyklischen Kapitalpuffer zu aktivieren und diesen auf 0,25 Prozent der risikogewichteten inländischen Forderungen anzuheben. Die BaFin ist der Empfehlung im dritten Quartal 2019 gefolgt. Banken haben zwölf Monate Zeit, die Anforderung zu erfüllen, und dürften dazu überwiegend ihr Überschusskapital nutzen. Der antizyklische Kapitalpuffer stärkt die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems und stabilisiert die Kreditvergabe in Stressphasen, so die Notenbank. Mit dem Puffer soll eine übermäßige Einschränkung der Kreditvergabe in Stressphasen weniger wahrscheinlich und eine mögliche prozyklische Wirkung des Bankensystems auf die Realwirtschaft verringert werden.

Ein funktionierendes Finanzsystem ist die Voraussetzung dafür, dass Strukturwandel gelingen kann, ohne Innovationen zu behindern und die Stabilität zu gefährden. Zu den großen Herausforderungen zählt der Klimawandel. Daher widmet sich der diesjährige Bericht dem Einfluss klimabezogener Risiken auf die Finanzstabilität. Aus Sicht der makroprudenziellen Aufsicht wird es als entscheidend angesehen, dass das Finanzsystem hinreichend widerstandsfähig gegenüber Unsicherheiten und Risiken des Klimawandels ist und sich keine systemischen Risiken aufbauen.

Ergebnisse einer Sonderumfrage von der Aufsichtsbehörde BaFin und der Deutschen Bundesbank deuten darauf hin, dass die meisten Finanzinstitute klimabezogene Risiken noch nicht in ihre Risikobetrachtung integriert haben. Aktuell plant nur ein geringer Anteil der Institute, ihr Risikomanagement um Klimarisiken zu erweitern. Hier besteht aus Sicht der Bundesbank Nachholbedarf.

Strukturwandel macht auch vor dem Finanzsektor nicht halt. Ein funktionierendes Abwicklungs- und Restrukturierungsregime für Banken trägt dazu bei, dass Marktmechanismen wirken können. Daher wird gerade im Rahmen einer Evaluierung des Financial Stability Board untersucht, welche Effekte die Too-big-to-fail-Reformen auf G20-Ebene hatten.

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