20 Jahre Euro - Perspektiven für die gemeinsame Währung

Helmut Schleweis, Präsident DSGV
Quelle: DSGV

Bei allen Widrigkeiten und allem Gerangel der europäischen Instanzen um den richtigen Weg, angefangen von der öffentlichen Verschuldung und der künftigen Haushaltsdisziplin bis hin zur Rolle der EZB klingt der Autor nach den jüngsten Beschlüssen beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Dezember 2018 mit seinem Ausblick für die gemeinsame Währung recht optimistisch. Und auch die nüchternen Zahlen zum Wachstum, zum Außenhandel, zur Arbeitslosigkeit und insbesondere bei der Inflation wertet er im internationalen Vergleich als durchaus passabel. Als wichtige Voraussetzung für den Erhalt der Stabilität und neuer Wachstumsperspektiven im Währungsraum nennt er die Anpassungsfähigkeit der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik, die er nicht zuletzt durch eine Stärkung des Grundsatzes von gelebter Subsidiarität erhalten wissen will. (Red.)

Jubiläen sind ein guter Anlass für ein Zwischenfazit und einen Ausblick. Dabei sind 20 Jahre für eine Währung sicherlich keine lange Zeit. Und dennoch ist der Euro tagtäglich zu einem festen Bestandteil des Lebens geworden - der Euro hat seinen eigenen Charakter entwickelt. Das liegt auch daran, dass er in den zwei Jahrzehnten seines Bestehens bereits große Bewährungsproben bestehen musste. Dabei hat sich gezeigt, dass die europäische Gemeinschaftswährung viele Vorteile hat. Sie ist - wie von ihren Gründern gewollt - ein starkes Band des europäischen Zusammenhalts geworden. Deswegen bleibt es auch so wichtig, die Stabilitätsgrundlagen des Euroraumes stets behutsam weiter zu entwickeln. Die Grundlagen für den Euro bieten Möglichkeiten, aber auch Notwendigkeiten zur Gestaltung. Hier wird auf die wichtigsten Aspekte aus Sicht der Sparkassen-Finanzgruppe eingegangen.

Bewertung und Ausblick aus Kundenpersektive

Die Perspektive, die die Sparkassen-Finanzgruppe dabei einnimmt, ist die Perspektive ihrer Kunden: der Menschen und der Wirtschaftsunternehmen in Deutschland. Denn der Nutzen, den sie aus dem Euro ziehen, ist letztlich ausschlaggebend für die Bewertung und den Ausblick.

Was haben die Menschen und die Wirtschaft hierzulande von der gemeinsamen Währung? Die Bilanz nach 20 Jahren Euro ist gemischt, aber überwiegend positiv. Die volkswirtschaftliche Betrachtung wichtiger Kenngrößen zeigt, dass der Euro nur selten schlechtere Ergebnisse hervorgebracht, häufig sogar Besseres geleistet hat als die D-Mark in den 20 Jahren vor Eintritt in die Europäische Währungsunion am 1. Januar 1999. Das wird deutlich, wenn man das Wachstum als immer noch dominierenden Indikator für den Wohlstand vergleicht. In Zeiten von Euro und D-Mark sind kaum unterschiedliche Wachstumszahlen festzustellen. Durchschnittlich wuchs die deutsche Wirtschaft 20 Jahre vor der Einführung des Euro um 2 Prozent und seit der Einführung des Euro um durchschnittlich 1,5 Prozent. Rechnet man das Krisenjahr 2009 heraus, lag das durchschnittliche Wachstum in der Euro-Ära bei 1,9 Prozent und damit praktisch gleich auf wie zu D-Mark-Zeiten.

Die Inflation hat sich im Vergleich zu den letzten 20 Jahren D-Mark sogar deutlich verringert, und zwar fast halbiert. Seit 1980 bis zur Einführung des Euro 1999 stiegen die Verbraucherpreise jährlich im Durchschnitt um 2,8 Prozent. Nach der Euro-Einführung lag der durchschnittliche jährliche Anstieg bei 1,5 Prozent und war weniger volatil als früher.

Ein sichtbares Symbol offener Grenzen

Diese geringere Volatilität zeigt sich auch im Vergleich 20 Jahre US-Dollar/ D-Mark und US-Dollar/Euro: Die Volatilität der US-Dollar/D-Mark-Relation ist doppelt so hoch wie die US-Dollar/Euro-Relation. Das mag dazu beigetragen haben, dass der Handel insgesamt und auch im Euroraum in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen hat. Der Handel gemessen am Außenhandelsvolumen innerhalb des Europäischen Währungsraums ist seit Euro-Start um fast 40 Prozent gestiegen und hat damit die Erfolgsgeschichte der D-Mark nach dem Zweiten Weltkrieg fortgeschrieben. Zwar sind zuletzt die Leistungsbilanzüberschüsse von Euroraum und Deutschland nach der Finanzkrise 2009 im Zuge der wirtschaftlichen Erholung deutlich angewachsen, aber durch den zunehmenden weltweiten Protektionismus und der robusten Nachfrage im Euroraum dürfte dieser Saldo - wie zuletzt für Deutschland zu beobachten - auch wieder sinken. Insgesamt gesehen wurde mit dem Euro der Austausch von Waren und Dienstleistungen von den Fesseln der Grenzkontrollen befreit.

Und für die Menschen in Europa ist mit dem Euro ein sichtbares Symbol offener Grenzen erwachsen. So zeigen die regelmäßigen Euro-Barometer-Umfragen klar an, dass der Euro von im Durchschnitt fast zwei Dritteln der Menschen im Euroraum unterstützt wird. Und dies auch in Ländern wie Italien, die zuletzt durch die hohe Zahl an geflüchteten Menschen besondere Belastungen erfahren haben.

Mit Blick auf die öffentlichen Finanzen gab und gibt es immer wieder Diskussionen über die Einhaltung der Stabilitätskriterien. Aktuell wird mit Italien über die Gestaltungsmöglichkeiten der Finanzpolitik verhandelt. Auch mit Frankreich sind 2019 Diskussionen zu erwarten, welche Maßnahmen in welchem Ausmaß mit einer stabilen Währung vereinbar sind. Solche Debatten sind nicht neu. Sie wurden auch schon mit Deutschland und während der Hochzeit der jüngsten Krise mit Griechenland, Portugal und anderen Ländern geführt. Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass es dabei immer wieder gelungen ist, schließlich doch den Pfad der Stabilität zu beschreiten. Zuletzt haben gerade mit Blick auf das Primat stabiler Staatsfinanzen insbesondere Länder wie die Niederlande und Deutschland mit ihren Haushaltspolitiken dazu beigetragen, dass die Schuldenstandquote der öffentlichen Haushalte für den Euroraum insgesamt sogar gesunken ist.

Dieses Ergebnis ist im internationalen Vergleich durchaus beachtlich: Der Euro ist der derzeit einzige führende Währungsraum in der Welt, in dem die Schuldenstandsquote der öffentlichen Haushalte abgenommen hat. Sie beträgt nach Werten von fast 100 Prozent mittlerweile deutlich unter 90 Prozent. In den USA beträgt diese Schuldenstandquote deutlich über 105 Prozent und in Japan ist mit einer Quote von über 240 Prozent der Spielraum von Fiskal- und Geldpolitik de facto kaum noch vorhanden. Dieser Vergleich ist für die Bewertung der Stabilitätsgrundlagen von Währungen erheblich und die Perspektiven im Euroraum sind nach wie vor in einigen Ländern gut. So wird in 2019 Deutschland erstmals wieder unterhalb der 60-Prozent-Grenze des Maastricht-Vertrages liegen.

Die zweitwichtigste Währungsreserve der Welt

Insofern hat der Euro im Ergebnis als stabile Währung die gute und bewährte Tradition der D-Mark übernommen. Mit rund 20 Prozent ist er die zweitwichtigste Währungsreserve der Welt nach dem US-Dollar. Zentralbanken halten Währungen als Währungsreserve nur, wenn sie über längere Zeiträume Stabilität versprechen. Und hier liegt der Euro jetzt schon rund 5 Prozent höher als es die D-Mark mit 15 Prozent Höchstwert jemals erreichen konnte.

Mit dem Wegfall des Wechselkurses nach Einführung des Euro war es klar, dass in den einzelnen Euroländern die Wirtschaftspolitik noch mehr gefordert war. Nur über die Anpassung der Wirtschaftspolitik in Richtung Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit konnten dabei Anpassungen und neues Wachstum erreicht werden. So konnte beispielsweise Deutschland mit tief greifenden Strukturreformen vom "kranken Mann" Europas zu einem der wachstumsstarken Länder werden. Und auch die Überwindung der Krisen in Ländern wie Irland, Spanien oder Portugal zeigen, dass mit dem Euro Krisen überwunden werden können. Wichtige Voraussetzung dafür ist und bleibt die Anpassungsfähigkeit der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik, mit der neue Strukturen geschaffen und die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden kann.

Im Ergebnis tragen Politikkonzepte, die auf Strukturreformen setzen, zu einer niedrigeren Arbeitslosigkeit bei. Vor der Einführung des Euro lag im Schnitt der letzten 20 Jahre vor 1999 die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in Deutschland bei 7,4 Prozent, nach 20 Jahren Euro liegt sie nun bei 6,9 Prozent - im Euroraum bei 9,4 Prozent. Dennoch muss die Wirtschafts- und Finanzpolitik im Euroraum wachsam bleiben, denn der internationale Standortwettbewerb läuft weiter. Und gerade mit Blick auf die notwendige Stärkung der Investitionen sowie von Steuervereinfachungen und -reformen für Mittelstand und Bürger bestehen gerade in 2019 Möglichkeiten, das europäische Wachstumsmodell weiter zu stärken.

Im nach der Krise von 2009 eingeführten Europäischen Semester werden daher zu Recht alle Maßnahmen geprüft, die geeignet erscheinen, die Volkswirtschaften voran zu bringen. Dabei hat das Zusammenspiel von Rat, EU-Kommission und Parlamenten, den Ländern gerade im Euroraum Vorschläge zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu unterbreiten, dem Euro geholfen ein Stück weit erwachsener zu werden.

Behutsame und glaubwürdige Zinswende geboten

Schließlich hat die Europäische Zentralbank als Hüterin eines stabilen Euros, entscheidend zum Erfolg der Gemeinschaftswährung beigetragen. Dabei hat sie allerdings Maßnahmen ergriffen, die historisch betrachtet sehr außergewöhnlich waren. Mit dem berühmten Satz "Whatever it takes" wurden bis weit in das beginnende Jahr 2019 hinein, bereits ein halbes Jahrzehnt die EZB-Leitzinsen negativ gesetzt. Zudem wurden die Märkte durch große Ankaufprogramme insbesondere auch von Staatsanleihen mit Liquidität geradezu geflutet. Im Ergebnis konnte zwar jetzt zum 1. Januar 2019 die EZB immerhin die Nettoankäufe von Staatsanleihen beenden. Wann der erste Leitzinsschritt folgt, wird aber eine spannende Frage des Jahres 2019 bleiben. Denn mit nicht mehr ansteigenden Rohstoffpreisen in 2019 ist die Perspektive für Preissteigerungsraten im Euroraum von über 2 Prozent fraglich. Gleichwohl können gerade Perspektiven steigender Zinsen wieder auch die Investitionen beleben. So sind zwar die Investitionen beispielsweise in Deutschland - sowohl private als auch staatliche - in den letzten beiden Jahren wieder leicht angestiegen, sie liegen aber immer noch rund 4 Prozentpunkte unter den Werten des Jahrzehnts vor der Euro-Einführung.

Auch diese mangelnde Nachfrage trägt historisch gesehen zu den derzeitigen Niedrigzinsen bei. Und Null- beziehungsweise Negativzinsen können - wenn sie nicht in einem überschaubaren Zeitraum überwunden werden - zu einer sich selbst verstärkenden Investitionszurückhaltung führen. Daher sollte die EZB sich nicht beirren lassen und auch über die Kommunikation zur Zinspolitik den Märkten klar den Exit aufzeigen. Steigende Zinsen führen dann zu Verhaltensanpassungen von Sparern und Investoren. Zudem wird einer verstärkten Schuldenaufnahme durch den Unternehmens- beziehungsweise Haushaltssektor vorgebeugt. Insgesamt bleibt damit mit Blick auf die Finanzmarktstabilität eine weitere behutsame und glaubwürdige Zinswende geboten.

Bankenmärkte krisenresistenter gestaltet

Unter dem Strich hat der Euro in Europa einige Entwicklungen angeschoben, aber seine Grundlagen müssen von allen handelnden politischen Akteuren immer wieder mit Glaubwürdigkeit für eine nachhaltige Stabilität aufgefrischt werden. Der Euro ist eine gute Grundlage für Wachstum und Wohlstand in den kommenden Jahren. Hinzukommen müssen aber auch die richtigen wirtschafts-, währungs- und fiskalpolitischen Rahmenbedingungen, die sowohl auf europäischer Ebene insgesamt als auch in den Mitgliedstaaten sichergestellt werden müssen. Denn die Finanzmarktkrise mit der folgenden EU-Staatsschuldenkrise haben Herausforderungen für die derzeitige Euro-Architektur offenbart.

Daraus haben die Staats- und Regierungschefs Europas inzwischen richtige Schlüsse gezogen. Beim Gipfel im Dezember 2018 wurde die Weiterentwicklungen der Europäischen Wirtschaftsund Währungsunion vereinbart. Grundlagen dafür sind die Erklärung von Meseberg zwischen Frankreich und Deutschland und die Ergebnisse des Rats der EU-Finanzminister Anfang Dezember 2018. Ziel der Maßnahmen ist es, den Euro stabiler und krisenfester zu machen. Dazu werden die Ausgleichsmechanismen in der Europäischen Währungsunion gestärkt. Wichtig war es hier, in den richtigen Politikfeldern Akzente zu setzen.

So wird erstens der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ausgebaut, um im Krisenfall die Mitgliedsstaaten effektiv und schnell unterstützen zu können. Die Ausgestaltung des ESM zu einer Art Europäischem Währungsfonds soll einen besseren Zugang der Staaten zu den Kapitalmärkten sichern, insbesondere auch durch vorsorgliche Kreditinstrumente und durch eine stärkere Rolle des ESM bei der Gestaltung und Durchführung von Hilfsprogrammen. Gut ist, dass es dabei zu einer effektiven und wirkungsvollen Zusammenarbeit zwischen ESM und der Europäischen Kommission kommen soll.

Auch der Beschluss zur Schaffung eines "Common Backstops", eine Letztsicherung für den Europäischen Bankenabwicklungsfonds durch den ESM, soll die Finanzstabilität stärken. Das ist insofern beachtlich, da über die Bankenabwicklung auch Regelungen zur Sicherung der Einlagen verbunden sind. Und darüber hinaus sind die nationalen Systeme der Einlagensicherung schon 2015 für alle Länder einheitlich ausgestaltet worden.

Insgesamt sind damit, zusammen mit dem auch im Dezember 2018 von den Europäischen Finanzministern verabschiedeten sogenannten Bankenpakets (CRR II / CRD IV / BRRD II / SRMR II), die Bankenmärkte jetzt krisenresistenter ausgestaltet. Der Risikoabbau kann damit voran gebracht werden. Weitere Maßnahmen zur Risikoteilung sind - trägt man den Regelungen insbesondere zum ESM und Backstop für den Abwicklungsfonds Rechnung - nicht mehr notwendig. Zudem wird das Bankenpaket zu zahlreichen Veränderungen in der Bankenregulierung führen - in erster Linie zu einer angemesseneren Behandlung von kleineren Instituten mit einfachen und risikoarmen Geschäftsmodellen. Insgesamt auch mit Blick auf weitere Bereiche wie beispielsweise Kapitalmarktunion sind nun zahlreiche Maßnahmen zur Gestaltung eines "erwachsenen" Euros auf den Weg gebracht worden. Jetzt gilt es, diese neuen Grundlagen wirken zu lassen und Maß und Mitte bei der Regulierung zu finden.

Gelebte Subsidiarität als Erfolgsfaktor

Mit Blick auf die Ausgleichsmechanismen zur Abfederung von realwirtschaftlichen Volatilitäten bleibt festzuhalten, dass für den neuen mehrjährigen Finanzrahmen der EU ab 2021 wichtige Weichen gestellt sind. So soll eine Fiskalkapazität für den Euroraum geschaffen werden. Wenn diese dazu verwendet würde, dauerhaft die Investitionskraft in Europa zu stärken, sind die Mitgliedstaaten bei einem nächsten Abschwung besser vorbereitet.

Solche Ausgleichsmechanismen können zwar immer helfen, Krisen zu bewältigen. Es ist aber auch darauf hinzuweisen, dass die Europäische Währungsunion sich auch bislang deshalb so robust entwickelt hat, weil letztlich immer die Eigenverantwortung maßgeblich war und die Solidarität nur dann zum Tragen kam, wenn sich kein weiterer Weg anbot. Hinter solchen Entwicklungen stand und steht stets die Verwirklichung des wirtschafts- und finanzpolitischen Grundsatzes von "gelebter Subsidiarität" - dem "heimlichen" beziehungsweise eigentlichen Erfolgsfaktor eines Europas der Vielfalt. Diesem Erfolgsfaktor wird leider jedoch in öffentlichen Debatten zum Teil zu wenig Beachtung geschenkt. Aber, und dies kann nach über 200 Jahre Sparkassengeschichte nur bestätigt werden: Subsidiarität in einer Währungsunion ist wie in der Sparkassen-Finanzgruppe immer wieder der Erfolgsfaktor für Stabilität, Nachhaltigkeit und Vertrauen. Und wenn der Euro solche Grundwerte beibehält und stetig stärkt, wird er auch in der Zukunft die Erfolgsgeschichte der D-Mark fortschreiben können.

Helmut Schleweis Präsident, Deutscher Sparkassen- und Giroverband, Berlin
Helmut Schleweis , Präsident, Deutscher Sparkassen- und Giroverband, Berlin
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