Frage an ... ... Georg Baur

Ist die Abgeltungsteuer gerecht und sollte sie bleiben?

Georg Baur, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des Geschäftsbereichs Kapitalmarkt, Recht und Banktechnologie, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, e. V., Berlin

Quelle: VÖB

Im Wahlkampf sind Steuerfragen traditionell ein klassisches Thema. Diskutiert wird dieses Jahr vor den anstehenden Bundestagswahlen die Abschaffung der Abgeltungsteuer. Kritiker behaupten, diese leide unter einem Gerechtigkeitsdefizit und sei mit dem internationalen Informationsaustausch überholt. Aber ist die Abgeltungsteuer wirklich ungerecht und eine Rückkehr zur individuellen Besteuerung besser?

Transparent und handhabbar

Die Antwort der öffentlichen Banken Deutschlands und der gesamten Kreditwirtschaft fällt eindeutig aus: Wir plädieren für den Erhalt der Besteuerungsform - trotz des Aufwands und der Kosten, die mit der Abgeltungsteuer für unsere Mitgliedsinstitute verbunden sind. Uns geht es darum, die Attraktivität der Geldanlage in Sparprodukte und Wertpapiere aufrechtzuerhalten, die wegen des Niedrigzinsniveaus mit alternativen Anlageformen von Immobilien über Versicherungen bis Kunst konkurrieren muss.

Damit sie sich weiterhin als wichtige Komponente im Anlagespektrum behaupten kann, muss sie transparent besteuert werden und für die Beteiligten, das heißt für Steuerzahler, Fiskus und Banken, handhabbar gestaltet sein. Das gelingt nur mit der Abgeltungsteuer in ihrer jetzigen Form.

Zur Erinnerung: Seit dem Jahr 2009 werden sämtliche Kapitalerträge wie Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne mit einem einheitlichen Satz von 25 Prozent belegt und durch die Banken an den Fiskus abgeführt. Zuvor galt der persönliche Einkommenssteuersatz. Zusätzlich werden automatisch der Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls die Kirchensteuer einbehalten. Verluste werden auf Bankebene mit Gewinnen verrechnet. Individuelle Werbungskosten sind nicht zugelassen. Die Kreditinstitute verwalten nur einen Sparer-Pauschbetrag. In der Regel hat der Steuerzahler damit seine Pflicht erfüllt, eine weitere Deklaration erübrigt sich.

Begünstigung der Bezieher von Kapitaleinkommen?

Es wird nun kritisiert, die Abgeltungsteuer begünstige den Bezieher von Kapitalerträgen gegenüber dem Arbeitnehmer, der in der Spitze einen Steuersatz von bis zu 42 Prozent leisten muss. Doch trifft diese Behauptung für die Besteuerung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen rechnerisch überhaupt nicht zu.

Bereits heute werden Unternehmensgewinne auf Unternehmensseite kumuliert durch Körperschaft- und Gewerbesteuer mit etwa 30 Prozent und auf Anlegerseite mit 25 Prozent besteuert. Die Gesamtbelastung von Unternehmensgewinnen liegt damit bei 48,5 Prozent. Von einem Besteuerungsdefizit im Vergleich zum Einkommenssteuersatz kann daher nicht die Rede sein.

Problematisch ist auch, dass der Fiskus nur auf einen realen Vermögenszuwachs zugreifen sollte. Blickt man jedoch auf das anhaltende Niedrigzinsniveau und die allmählich anziehende Inflation, kann ein Anleger einen Vermögenszuwachs allein aus Zinsen überhaupt nicht erreichen. Nicht Vermögensmehrung, sondern Vermögensminderung wäre der Effekt, würde man als Anleger allein auf verzinsliche Instrumente setzen. Die Behauptung, die Abgeltungsteuer sei ungerecht, weil sie den Arbeitnehmer gegenüber dem Anleger benachteilige, kann entsprechend verneint werden.

Eine erklärungsbedürftige Sonderbesteuerung

Richtig bleibt der Gedanke, dass von der Steuersystematik her die Abgeltungsteuer eine erklärungsbedürftige Sonderbesteuerung darstellt. Als solche muss sie sich stets rechtfertigen lassen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund des "Automatischen Informationsaustausches in Steuersachen" (AIA), den rund 100 Staaten vereinbart haben und der nun im September 2017 in einigen Ländern erstmals zum Einsatz kommen soll. Der internationale Informationsaustausch soll dafür Sorge tragen, dass die teilnehmenden Länder bei Steuerfragen transparent und zeitnah miteinander kommunizieren.

Ein jährlicher automatischer Abgleich rund um Finanzkonten von Bürgern, welche in einem Land zwar ein Konto unterhalten, dort aber nicht steuerpflichtig sind, wird dann zur Regel. Entsprechend wird der am AIA teilnehmende Staat über im Ausland erzielte Kapitalerträge informiert. Steuerhinterzieher haben es erheblich schwerer, Einkommensquellen vor dem Fiskus zu verbergen. Die Kritiker der Abgeltungsteuer argumentieren nun, diese habe ursprünglich nur einen Anreiz für international orientierte Kapitalanleger darstellen sollen, in der Heimat anzulegen. Die Anlage im Ausland verliere aber nun ihren Reiz, damit sei auch die Abgeltungsteuer nicht länger notwendig. Dabei wird aber übersehen, dass wir von einem verlässlich arbeitenden und reibungsfrei funktionierenden Datenaustausch noch weit entfernt sind. Entscheidend ist nicht nur die im September beginnende, flächendeckende Datenlieferung, sondern auch eine zielgerichtete Auswertung durch die Finanzbehörden. Hier bleiben erste Erfahrungen abzuwarten.

Fiskalische Interessen umfänglich befriedigt

Darüber hinaus stellen Abgeltungsteuer und Informationsaustausch keine Gegensätze dar: Ein Meldesystem über Kapitalerträge und Kontostände sagt nichts über die beste Art der Besteuerung beim Anleger aus. Unumstritten gelingt mit der Abgeltungsteuer auf Bankebene bereits der Einbehalt der entsprechenden Kapitalertragsteuer und die Kontrollen der Betriebsprüfungen der Banken stellen sicher, dass diese richtig ermittelt und abgeführt wird.

Auch die fiskalischen Interessen werden der bisherigen Besteuerung umfänglich befriedigt. Eine Berechnung der Bundesregierung für vergangene Veranlagungsjahre bis zum Jahr 2014 belegt, dass mit der Abgeltungsteuer mehr Steuereinnahmen erzielt wurden als nach dem vorherigen Steuerregime mit progressiver Besteuerung. Dies liegt vor allem an der Dividendenbesteuerung, die etwa drei Viertel des Steuerertrages aus der Abgeltungsteuer ausmacht.

Würde der Staat die Abgeltungsteuer abschaffen, zöge das zudem einen erheblichen Verwaltungsaufwand bei den Steuerbehörden nach sich. Es müssten Kapitalverluste wieder über alle Einkunftsarten hinweg verrechnet werden und der Staat vermehrt Steuerbeamte einstellen, um den wieder zuzulassenden Abzug von Werbungskosten bewältigen zu können. Letztlich wäre der Bürokratieabbau, der mit der Abgeltungsteuer erreicht werden konnte, dahin. Die enormen Vorleistungen der Kreditwirtschaft in Mitarbeiter und Systeme zur Abwicklung der Steuer gingen verloren. Darüber hinaus müsste die Dividendenbesteuerung in Richtung eines Halb- oder Teileinkünfteverfahrens reformiert werden, um die Belastung zu reduzieren, und damit müsste die gesamte Besteuerung von Unternehmen neu überdacht werden.

Steuergestaltung wieder möglich

Kehrt man zum individuellen Steuersatz zurück, wird zudem wieder die Thematik des grundsätzlich steuerfreien Wertzuwachses auf der Vermögensebene und dem steuerlich relevanten laufenden Zufluss auf Ertragsebene virulent. Vor Geltung der Abgeltungsteuer war auch die steuerliche Behandlung von sogenannten Finanzinnovationen sehr unbefriedigend. Durch diese konnte man Kapitalerträge in Vermögenszuwächse umwandeln, die man nach bestimmten Fristen steuerfrei vereinnahmen konnte. Eine solche Steuergestaltung wäre mit einer individuellen Besteuerung wieder möglich.

Was ist schließlich von dem Vorschlag zu halten, die Abgeltungsteuer nur auf Dividenden und Veräußerungsgewinne beizubehalten und allein für die Besteuerung von Zinsen zum individuellen progressiven Steuersatz zurückzukehren? Solche Reformierungsversuche der Abgeltungsteuer sorgen erkennbar nicht für eine Verbesserung des Systems. Vielmehr würde die Steuer nicht mehr zu administrieren sein. Die Zuordnung von Werbungskosten, die dann nur bei den Zinsen isoliert abzugsfähig würden, wäre fragwürdig.

Besteuerung von Kapitalerträgen wesentlich vereinfacht

Es lohnt sich also, die Abgeltungsteuer in der bisherigen Form fortzuführen. Der Staat sollte daher dringend an der transparenten Abgeltungsteuer festhalten, die sich in den vergangen Jahren bewährt hat: Denn sie hat die Besteuerung von Kapitalerträgen für Bürger und Staat wesentlich vereinfacht, ihr Aufkommen ist für das Allgemeinwesen ergiebig und es besteht auch keine Gerechtigkeitslücke. Die Rückkehr zum individuellen Besteuerungsverfahren ist hingegen aufwendig und bringt keinen Mehrwert. Deutschlands Steuerzahler wären dem Fiskus zudem sicherlich dankbar, wenn sie ihre Zeit sinnvoller verbringen könnten als mit dem Ausfüllen von Steuerformularen für Kapitalerträge.

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