Anmerkungen zur Bedeutung der Auslandsbanken für den Finanzplatz Frankfurt

Tarek Al-Wazir, Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Wiesbaden

Foto: Miriam Lindthaler

 

Tarek Al-Wazir, Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Wiesbaden - Dass die Zahl der Auslandsbanken am Standort Frankfurt rund vier Mal so hoch ist wie die der inländischen Häuser wertet der Autor als deutliches Indiz für die große und immer noch wachsende Bedeutung des Standortes. Die räumliche Nähe für einen kon struktiven Austausch der Kreditwirtschaft und der Börse mit der EZB, den Institutionen der Aufseher und Regulatoren sowie mit vielen hochspezialisierten Dienstleistern vor Ort sieht er ebenso als Asset und Quelle weiterer Wechselwirkungen wie die Bedeutung der ganzen Region als globaler IT-Knotenpunkt und eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. Mit Blick auf die Auswirkungen des Brexit-Votums drückt er klar sein Bedauern über die Entscheidung für das weitere Zusammenwachsen Europas aus. Die sich daraus ergebenden Herausforderungen begreift er aber durchaus als Chance, den Finanzplatz Frankfurt weiterzuentwickeln und in Zeiten der Digitalisierung als ein wichtiges Zentrum der internationalen Fintech-Szene zu etablieren. (Red.)

In Deutschland finden sich heute über 200 ausländische Banken, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Finanzdienstleistungsinstitute. Die betreffenden Unternehmen sind mit Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen, Repräsentanzen oder auch im Rahmen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs tätig. Zusammen beschäftigen sie rund 30 000 Männer und Frauen. Ihre Interessen vertritt der Verband der Auslandsbanken e. V. (VAB), der seit nunmehr 35 Jahren besteht - ein guter Anlass für ein paar Anmerkungen zur Bedeutung der Auslandsbanken, insbesondere für den Finanzplatz Frankfurt.

Wichtigstes Aufsichts- und Regulierungszentrum in Europa

Aufschlussreich ist dabei schon die rein quantitative Betrachtung: Frankfurt beheimatet heute rund viermal so viele Auslandsbanken wie inländische Institute. Den derzeit 39 deutschen Bankhäusern stehen 159 ausländische Institute sowie zusätzlich 33 Repräsentanzen gegenüber. Das sind nur geringfügig weniger als vor dem Ausbruch der internationalen Finanzkrise in den Jahren 2007/2008.

Ein Grund für die hohe Zahl der am Finanzplatz Frankfurt ansässigen Auslandsbanken ist zweifellos die sehr stabile Volkswirtschaft in Deutschland, die eine solide Grundlage für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit ist. Zudem hat der Finanzplatz Frankfurt in den vergangenen Jahren national und international immer weiter an Bedeutung gewonnen. Die Europäische Zentralbank (EZB), der dort angesiedelte European System Risk Board (ESRB) und der Single Supervisory Mechanism (SSM), die European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA), die Deutsche Bundesbank sowie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) machen Frankfurt zum wichtigsten Aufsichts- und Regulierungszentrum in Europa.

Attraktives internationales Umfeld für die gesamte Region

Die Nähe zu den Aufsehern und Regulatoren ist aus der Sicht deutscher und internationaler Banken ein weiterer Standortfaktor. Es sind aber auch die Nähe zu den vielen anderen Banken mit ihren je unterschiedlichen Ausrichtungen und Spezialisierungen und das Umfeld internationaler Wirtschaftskanzleien, Beratungsunternehmen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die ausländische Banken anziehen. Und der Finanzplatz Frankfurt profitiert ganz enorm von ihnen. Der Aufstieg der Eurex Deutschland zur international bedeutenden Derivatebörse sowie die höchst erfolgreiche Tätigkeit der Frankfurter Wertpapierbörse wäre ohne das starke Geschäft der Auslandsbanken in Frankfurt nicht vorstellbar. Die starke Präsenz der ausländischen Banken und Finanzdienstleistungsinstitute schafft für die gesamte Region ein attraktives internationales Umfeld.

Die Begleiteffekte werden an unterschiedlichsten Stellen sichtbar: Seien es die vielen internationalen Schulen und Kindergärten im Rhein-Main-Raum oder die zahlreichen internationalen Communities, die sich hier "zu Hause" fühlen. Alles in allem kann man von einer sehr fruchtbaren Wechselwirkung sprechen: Der Finanzplatz Frankfurt profitiert von der Internationalität der schon ansässigen und hinzukommenden ausländischen Finanzunternehmen, diese Unternehmen wiederum profitieren ihrerseits von der weiter fortschreitenden Internationalisierung des Finanzplatzes Frankfurt.

Erhebliche Bewegung unter den Banken

Derzeit löst der eingeleitete Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union erhebliche Bewegung unter den Banken aus. Ausländische Banken und Finanzdienstleister sind aufgrund des drohenden Verlustes ihres bisherigen Zugangs zum europäischen Binnenmarkt im Wege des sogenannten Passportings gezwungen, neue Lokationen für ihre Geschäftstätigkeiten innerhalb der EU zu finden. Dabei zeichnet sich ab, dass zahlreiche ausländische Institute beabsichtigen, ihren Zugang zum europäischen Markt am Finanzplatz Frankfurt einzurichten - sei es durch die Begründung eines jeweiligen Europasitzes, sei es durch eine Zweigniederlassung. Die Anzahl ausländischer Institute in Frankfurt wird also weiter steigen.

Rückschritt für das weitere Zusammenwachsen Europas

Selbstverständlich gibt das Anlass zur Freude. Aber es ist auch unmissverständlich zu sagen, dass die Hessische Landesregierung die Austrittsentscheidung des Vereinigten Königreichs außerordentlich bedauert, stellt sie doch einen erheblichen Rückschritt für das weitere Zusammenwachsen Europas dar. Da sie aber nun einmal getroffen wurde, muss die Hessische Landesregierung mit den sich daraus ergebenden Herausforderungen umgehen und sie als Chancen begreifen. Entsprechend lautet seit vielen Monaten das eindeutige Signal am Finanzplatz: Welcome to Frankfurt! Der Finanzplatz Frankfurt ist bereit für den weiteren Zuzug ausländischer Banken, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Finanzdienstleistungsinstitute.

Frankfurt hat bisher im Wettbewerb mit anderen Standorten in der EU die Nase deutlich vorn, ganz ohne laute Versprechungen von welchen gesetzlichen oder sonstigen Veränderungen auch immer, sondern mit ruhiger und selbstbewusster Kommunikation über die Stärken des Standorts. Das nährt die Überzeugung, dass Frankfurt auch der natürliche Standort für die Europäische Bankenaufsicht EBA ist, wenn diese ihr Domizil in London räumen muss. Die Bundesregierung hat die Bewerbung in Brüssel eingereicht und alle hoffen, dass die EU-Kommission sich für Frankfurt entscheidet.

Ein anderes Thema, das die Finanzbranche derzeit bewegt, ist die Digitalisierung. Die Herausforderung durch junge, innovative Unternehmen der Finanztechnologie wird den Bankensektor zweifellos tief greifend verändern. Der Hessischen Landesregierung ist sehr daran gelegen, dass Frankfurt ein internationales Zentrum dieser Fintechs wird und dass diese sich nicht gegen, sondern mit den bestehenden Banken entwickeln. Deshalb ist auf Initiative des hessischen Wirtschaftsministeriums sowie des von Frankfurt Main Finance e. V. initiierten Fintech-Dialogforums in Frankfurt das Tech-Quartier entstanden. Es soll nicht nur Gründerzentrum sein, sondern auch Treffpunkt für Investoren und Anbieter sowie Plattform für die Fintech-Aktivitäten des Finanzplatzes. Eine große Unterstützung ist, dass Frankfurt als einer der fünf deutschen Digital Hubs nun auch von der Bundesregierung beworben wird, um international Gründerinnen und Gründer, Investoren und Fachleute anzuziehen.

Partner und Berater bei der Fortentwicklung des Finanzplatzes

Der Erfolg der Auslandsbanken am Finanzplatz Frankfurt wird durch einen höchst leistungsstarken Interessenvertreter gestützt. Die Landesregierung schätzt den VAB als Stimme der Auslandsbanken, aber auch als Partner und Berater bei der Fortentwicklung des Finanzplatzes Frankfurt. Gerade im Kontext des Brexits ist der VAB eine besonders gefragte Institution, denn er agiert als Berater und Vermittler zwischen den Beteiligten partnerschaftlich und erfolgreich. So initiierte und organisierte der VAB in enger Zusammenarbeit mit der BaFin zuletzt professionelle Workshops, in denen ausländischen Instituten mit Ansiedlungsinteresse am Finanzplatz Frankfurt vor allem die regulatorischen Anforderungen zur Zulassung im europäischen Markt aufgezeigt wurden. Das Interesse der ausländischen Institute an diesen Workshops war groß, was auf eine hohe Akzeptanz des Angebots schließen lässt. Daneben leistet der VAB auch durch die Erstellung und Bereitstellung von Informationsmaterial wertvolle Unterstützung für die Finanzplatzakteure.

Die Hessische Landesregierung hat im Zuge des Brexits verschiedene Delegationsreisen unternommen, um relevanten ausländischen Akteuren Rat und Hilfestellung für eine mögliche Ansiedlung am Finanzplatz Frankfurt anzubieten und zugleich für den Standort zu werben. Traditionell begleitet der VAB diese Delegationsreisen und stellt Kontakte sowie wertvolles Know-how zur Verfügung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die meisten ausländischen Banken bereits Büros in Frankfurt unterhalten. In der Sache geht es also um die Verlagerung weiterer zulassungsrelevanter Geschäftstätigkeiten dieser ausländischen Unternehmen. Dieses Engagement macht deutlich, welche große Bedeutung die Auslandsbanken für den Finanzplatz Frankfurt besitzen.

Die Präsenz ausländischer Banken und Finanzdienstleister am Finanzplatz Frankfurt ist von höchster Bedeutung für den Erfolg des Finanzplatzes Frankfurt als internationales Finanzzentrum und auch für die deutsche Volkswirtschaft, die einen starken Finanzplatz braucht. Die aktuelle Entwicklung des Zuzugs von weiteren Auslandsbanken spricht für die Attraktivität des Standorts. Es ist der Anspruch der Hessischen Landesregierung, den Finanzplatz Frankfurt erfolgreich weiterzuentwickeln. Deshalb gratuliert sie dem VAB sehr herzlich zu seinem 35-jährigen Bestehen und wünscht ihm sowie allen anderen Akteuren weiterhin viel Erfolg.

Tarek Al-Wazir , Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
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