Change can happen - Organisationsentwicklung mit strategisch angelegter Vereinbarkeit

Oliver Schmitz, Geschäftsführer, berufundfamilie Service GmbH, Frankfurt am Main

Quelle: berufundfamilie Service GmbH

Oliver Schmitz, Geschäftsführer, berufundfamilie Service GmbH, Frankfurt am Main - Die Anpassung von Unternehmensstrategien und -strukturen an veränderte Rahmenbedingungen, das sogenannte Change-Management, verlangt den Mitarbeitern in Banken viel ab. Der Autor betont die Wichtigkeit, in unruhigen Zeiten für eine höhere Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten zu sorgen. Ein Grundpfeiler dafür sei die Erleichterung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zusätzlich nennt er weitere positive betriebswirtschaftliche Effekte der erleichterten Vereinbarkeit, wie beispielsweise eine geringere Fehlzeiten- und Krankheitsquote oder eine gesteigerte Produktivität in der Belegschaft. (Red.)

Wenn die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgewogen sind, profitieren beide Seiten. Eine aktiv betriebene, familienbewusste Personalpolitik in Form von flexiblen Arbeitszeitkonzepten, Vermittlung von Betreuungsangeboten oder temporären Auszeiten zur Pflege von Angehörigen ist auf Dauer preiswerter als Neubesetzungen, Fehlzeiten oder Personalfluktuation. So äußerte sich der Leiter des Bereiches Personal und Organisationsentwicklung der Kreissparkasse Heilbronn, mit Blick auf das in diesem Jahr zum ersten Mal erhaltene Zertifikat zum Audit Beruf und Familie.

Positive betriebswirtschaftliche Effekte

Damit bestätigt der Personalchef aus der Praxis heraus, was eine Untersuchung des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik (FFP) aufzeigt: Eine gelingende Vereinbarkeit bringt positive betriebswirtschaftliche Effekte wie eine geringere Fehlzeiten- und Krankheitsquote, eine höhere Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten, eine gesteigerte Produktivität in der Belegschaft und eine bessere Bewerberqualität. Das wird - gerade auch in Zeiten des Change-Managements - immer wichtiger. Die Investition in eine gelingende Vereinbarkeit amortisiert sich in der Regel nicht nur bereits mittelfristig, sie fällt deutlich geringer aus als die Kosten, die durch Fehlzeiten, Krankschreibungen und auch langfristige Knowhow-Verluste und anstrengende Recruitingprozesse entstehen.

So bezifferte das FFP zum Beispiel für eine mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Pflege bereits im Jahr 2011 - als die Zahl der Pflegebedürftigen bei 2,5 Millionen (gegenüber 2015 2,9 Millionen) lag - jährliche Kosten von 19 Milliarden Euro für Unternehmen. Pro Beschäftigten, der seine beruflichen Aufgaben mit denen der Pflege nicht vereinbaren könne, entstünden demnach durchschnittlich 14 000 Euro Kosten im Jahr.

Die Kreissparkasse Heilbronn zählt mit ihren 107 Filialen/SB-Standorten zu insgesamt 98 Arbeitgebern im Bankenwesen, die derzeit das Zertifikat zum Audit Beruf und Familie tragen. Sie alle nutzen dieses als strategisches Managementinstrument. Ihr Ziel: Ihre familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik nachhaltig gestalten und damit die Arbeitgeberattraktivität stärken - um Talente zu gewinnen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden.

Frauen sind traditionell dem Spagat zwischen Beruf und Familie beziehungsweise Privatleben ausgesetzt. Aber auch männliche Mitarbeiter leisten verstärkt ihren Beitrag zur Kinderbetreuung oder in der Pflege von Angehörigen. Der personalpolitische Faktor "Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben" hat über die Jahre nicht nur alle Beschäftigtengruppen von Unternehmen erschlossen, er ist auch thematisch vielfältiger geworden. Arbeitgeber befassen sich unter dem Dach der Vereinbarkeit inzwischen auch mit dem flexiblen Übergang von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand - ein Thema, das angesichts der alternden Belegschaft bei Banken und Sparkassen hoch im Kurs steht. "Arbeit und Alter" heißt das bei der Beruf und Familie Service GmbH, die das Untersuchungsverfahren bundesweit anbietet und europaweit die Lizenz trägt.

Vereinbarkeit und Veränderungen

Für Arbeitgeber ist es wichtig, Beschäftigten passgenaue und zeitgemäße Angebote zur Vereinbarkeit zu bieten, die mit gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt halten können und sich in die betriebliche Entwicklung einbetten. Mit dem Audit Beruf und Familie, kann das Familienbewusstsein systematisch und nachhaltig implementiert werden. Zunächst wird der Status quo erhoben: Wie viele Beschäftigte hat die Organisation? Wie sieht die Beschäftigtenstruktur aus? Welche familien- und lebensphasenbewussten Angebote gibt es bereits? Im zweiten Schritt erarbeitet die Beruf und Familie Service GmbH zusammen mit dem Arbeitgeber die strategische Zielsetzung sowie den Anpassungsbedarf: Welche unternehmensspezifischen Ziele sollen mit einer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik erreicht werden? Welche betrieblichen Rahmenbedingungen sind zu beachten? Welche Angebote benötigen die Beschäftigten, um Beruf, Familie und Privatleben vereinbaren zu können? Die Zielsetzung und der Bedarf werden in verschiedenen Workshops mit der Oberen Leitung und den Beschäftigten der Organisation ermittelt.

Auf der Grundlage der strategischen Ziele und des Bedarfs werden konkrete Handlungsziele und Maßnahmen erarbeitet, durch die die familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik geschaffen beziehungsweise verbessert wird - und das betriebsindividuell. Mit verbindlichen Zielvereinbarungen sorgt es schließlich dafür, dass Familienbewusstsein in der Unternehmenskultur verankert wird. Nach erfolgreichem Abschluss dieses Prozesses entscheidet ein unabhängiges, prominent mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbänden besetztes Kuratorium über die Erteilung des Zertifi kats zum Audit Beruf und Familie (Abbildung 1).

Das Audit treibt einen kontinuierlichen Prozess der Vereinbarkeit voran und zielt auf deren zunehmende Selbststeuerung durch die Arbeitgeber. Genau deshalb ist es mehrstufi g angelegt. Nach der ersten Auditierung folgen im dreijährigen Turnus zwei Re-Auditierungen. Daran - also nach frühestens neun Jahren - schließt sich das Dialogverfahren an, in dem das Unternehmen die eigenverantwortliche Steuerung und Gestaltung seiner familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik überlassen wird. Entscheidend ist: Die praktische Umsetzung wird von der Beruf und Familie Service GmbH jährlich überprüft. Im Verlauf der einzelnen Verfahren werden neue Lösungen passgenau entwickelt, bestehende angepasst und, falls sie gar nicht mehr zutreffen, auch abgeschafft. Kurz gesagt: Die Organisation wächst mit dem Audit und das Audit passt sich der Organisation an. Es ist damit ein agiles Instrument, das Antworten auf aktuelle Bedarfe gibt.

Diese bestehen bei der Kreissparkasse Heilbronn derzeit unter anderem in einer Betriebskooperation mit einer Kita, einer umfassenden Sozialberatung, Familienphasengesprächen, einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung, der Möglichkeit, Führung in Teilzeit in Anspruch zu nehmen oder mit einem betrieblichen Gesundheitsmanagement. Als besonders attraktiv werden bei der Kreissparkasse Augsburg unter anderem die flexiblen und individuellen Möglichkeiten der Teilzeitarbeit wahrgenommen. Bei der Sparkasse Bremen, die 2007 erstmals zertifiziert wurde, wird das Teilzeitangebot von 550 der insgesamt 1400 Beschäftigten genutzt. Dazu gehören auch Führungskräfte. Die Bremer praktizieren Jobsharing in Führungspositionen, um hauptsächlich qualifizierten Frauen mit familiären Betreuungsaufgaben die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern. Aktuell profitieren davon sechs Mitarbeiterinnen, die mit Führungsaufgaben betreut sind.

Aktive Kommunikation

Führungskräfte sind die Sprachrohre der betrieblichen Vereinbarkeit. Eine aktive Kommunikation durch sie ist für den Erfolg unerlässlich. Das Audit setzt nicht nur darauf, Führungskräfte für das Thema zu sensibilisieren und Angebote aktiv an die Beschäftigten heranzutragen, es hält auch die Führungskräfte selbst dazu an, Maßnahmen zu nutzen. Beim Ostdeutschen Sparkassenverband (OSV) etwa hat das Thema "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" einen festen Platz in Führungskreisrunden und Mitarbeitergesprächen.

Führung wird im Audit im Rahmen eines eigenen Handlungsfeldes bedacht. Das Audit Beruf und Familie setzt sich aus acht Handlungsfeldern zusammen, die die Kernbereiche einer strategischen Personalpolitik widerspiegeln und entlang derer die betriebsindividuelle Vereinbarkeitspolitik entwickelt wird. Im Auditierungsprozess wird in allen Handlungsfeldern der Status quo analysiert und der Bedarf ermittelt. Daraus lassen sich zwei bis drei Handlungsfelder ableiten, auf die im Rahmen der Auditierung der Schwerpunkt gelegt wird (Abbildung 2).

Zertifikate zum Audit Beruf und Familie wurden erstmals 1999 vergeben. Das Audit familiengerechte Hochschule wird seit 2002 angeboten. Seit 1998 wurden über 1600 Arbeitgeber mit dem Zertifi -kat zum Audit ausgezeichnet. Die Beruf und Familie Service GmbH besitzt die europaweite Lizenz für das Untersuchungsverfahren, das von den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft - BDA, BDI, DIHK und ZDH - empfohlen wird. Bundesfamilienministerin Katarina Barley und Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries tragen gemeinsam die Schirmherrschaft für das Audit.

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