CoCo-Anleihen: längst ein erwachsener Markt

Daniel Björk Foto: Swisscanto

Seit zehn Jahren ist die Bewältigung der Finanzkrise von einer ständigen Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften der Banken begleitet. Bei den betroffenen Instituten rücken damit Instrumente zur Stärkung und Stabilisierung der Kapitalbasis in den Fokus. Von dieser Entwicklung profitiert haben nicht zuletzt die sogenannten CoCo-Anleihen, die beim Eintreten vorher festgelegter Ereignisse, etwa dem Unterschreiten gewisser Eigenkapitalquoten, in Eigenkapital umgewandelt werden können. Gerade in den vergangenen vier Jahren registrieren die Autoren in ihrem aktuellen Marktüberblick einen rasanten Anstieg der Volumina, der dieser Anlageklasse im heutigen Niedrigzinsumfeld dank der vergleichsweise guten Renditen bei aller Volatilität weiterhin eine hohe Aufnahmebereitschaft der Investoren bescheren dürfte. (Red.)

CoCo-Anleihen (Contingent Convertible Bonds, zu Deutsch: bedingte Pflichtwandelanleihen) gibt es erst seit diesem Jahrzehnt und so richtig in Fahrt kam der Markt für diese speziellen Bonds in den Jahren 2013/14. Zu diesem Jahreswechsel waren CoCo-Papiere im Gesamtvolumen von knapp über 30 Milliarden Euro bei Anlegern platziert. Bis zum Stichtag 31. Dezember 2017 stieg der Marktumfang bereits auf rund 153 Milliarden Euro.

Allein im vergangenen Jahr wurden etwa 20,5 Milliarden Euro emittiert. Damit ist der CoCo-Anleihen-Markt den Kinderschuhen entwachsen und darf als erwachsen bezeichnet werden. Aufgrund ihrer hohen Kupons stellen CoCos eine interessante Alternative im gesamten Anleiheuniversum dar.

Um den Eigenmittelvorschriften zu genügen, sind viele Banken gezwungen, ihre Kapitalausstattung zu stärken. Eine Möglichkeit, neben einer klassischen Kapitalerhöhung oder dem Abbau der RWA, ist die Emission von CoCo-Anleihen. Sie werden von den Regulatoren als hybrides Kapital angesehen, das beim Erreichen eines vorgängig definierten Ereignisses (zum Beispiel das Unterschreiten einer minimalen Eigenkapitalquote) bei Bedarf in Eigenkapital gewandelt wird oder abgeschrieben werden kann.

Nicht nur Anleger, sondern auch Emittenten von CoCos haben entsprechend Interesse daran, dass es nicht zu einer Zwangswandlung, Kuponausfall oder Abschreibung kommt, da dadurch einerseits die zukünftige Erfüllung der regulatorischen Vorschriften fast unmöglich würde und andererseits die Beschaffung von Eigenkapital über Kapitalerhöhungen deutlich teurer für den Emittenten wird - wenn es dann überhaupt noch möglich ist. Für diese Risiken werden die Investoren mit attraktiven Kupons entschädigt. Dies ermöglicht Renditen, die im Vergleich zu anderen festverzinslichen Anlagen sehr attraktiv sind.

In Konkurrenz zu Nachranganleihen

Bei Investoren stehen CoCos in Konkurrenz zu üblichen Nachranganleihen, strukturierten Produkten mit ähnlichen Risikoeigenschaften und Corporate-High- Yield-Anleihen, aber auch in Konkurrenz zu Bankaktien. Das Risiko-Rendite-Verhältnis ist bei CoCo-Bonds überdurchschnittlich gut.

Ob und in welchem Umfang solche Titel in ein individuelles Portfolio passen, hängt stets von der Risikofähigkeit des Anlegers ab. Die bisher von Banken und Versicherungen ausgegebenen CoCo-Anleihen sind, auf den Zeitraum seit Einführung dieser Anleihegattung betrachtet, mit hohen Kupons zwischen sechs bis 15 Prozent ausgestattet (Stand Mitte Mai beträgt der durchschnittliche Kupon 6,6 Prozent).

Der gesamte Kupon setzt sich zusammen aus dem risikolosen Zinssatz, einer Entschädigung für das Kreditrisiko sowie der Entschädigung für das Risiko, dass die Anleihe in Aktien der Bank gewandelt oder abgeschrieben werden könnte - je nach Konstruktion. Die letztgenannte Komponente macht den weitaus größten Teil des Kupons aus. Die Spreadentwicklung für CoCos in den letzten Jahren zeigt, dass das Risiko eines CoCo-Defaults von den Markteilnehmern als deutlich niedriger eingeschätzt wird als noch zu Beginn der Einführung.

Unterstützende Signale für CoCos

Positiv waren für den Markt in jüngerer Vergangenheit die gegen Ende November veröffentlichten Resultate des Stresstests 2017 der Bank of England. Der Stresstest war strenger als jener des Vorjahres, wobei Letzterer die Messlatte mit Szenarien, die mit der globalen Finanzkrise von 2007/2008 vergleichbar waren, bereits hoch angesetzt hatte. Wichtig ist, dass die sieben größten britischen Banken das anspruchsvolle Stresstest-Szenario ausnahmslos bestanden haben, ohne dass eine Umwandlung von AT1-Co-Co-Anleihen (AT1 = Additional Tier 1, zusätzliches Kernkapital) notwendig geworden wäre. Das ist zweifellos ein gutes Signal für den gesamten CoCo-Markt.

Das 4. Quartal 2017 brachte auch mehr Klarheit in Bezug auf die neuen Basel-IV-Regeln - mit einer Einigung auf einen Output Floor von 72,5 Prozent (dies bedeutet, dass die anhand von bankinternen Modellen berechneten risikogewichteten Aktiva 72,5 Prozent der mit dem standardisierten Verfahren ermittelten RWAs nicht unterschreiten dürfen). Während auf Hypotheken fokussierte Banken in den Benelux-Staaten, in Skandinavien und Großbritannien stärker betroffen sein dürften, geht die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) davon aus, dass die neue Regelung bei den 88 größten europäischen Banken zu einem CET1- Rückgang (CET1 = hartes Kernkapital) von insgesamt lediglich 60 Basispunkten führen wird.

Die lange Umsetzungsfrist (neun Jahre) ist bankenfreundlich. Und da die neue Regelung längerfristig zu höheren Eigenkapitalanforderungen und einer besseren Kapitalqualität führen wird, darf man sie als positiv für Bankanleihen erachten. Basel IV wird letztlich nicht der Game Changer, den manche Banken (beziehungsweise Investoren) befürchtet hatten.

Ein weiteres interessantes aktuelles Thema ist die Einführung der neuen Rechnungslegungsnorm IFRS 9 per 1. Januar 2018. IFRS 9 ist (im Vergleich zur Vorgängernorm IAS 39) stärker auf die Zukunft gerichtet, indem sie den Fokus auf die erwarteten Kreditverluste über den gesamten Kreditlebenszyklus hinweg legt (gegenüber den tatsächlichen Wertminderungen bei IAS 39). Dies wird zu einer höheren Volatilität bei den Rücklagen für Kreditausfälle und damit zu mehr Volatilität beim Gewinn und beim Eigenkapital der Banken führen. Gemäß EBA beschränken sich die Auswirkungen auf das CET1-Kapital bei europäischen Banken im Durchschnitt auf einen bescheidenen Rückgang von 45 Basispunkten.

Wie jede Anlageklasse erfuhr auch schon der CoCo-Markt einen Rückschlag. Es war Anfang 2016, als globale Wachstumsängste in Kombination mit teilweise panikartigen Verkäufen an den chinesischen Aktienmärkten und der zu verdauenden Zinserhöhung der US-Zentralbank im Dezember 2015 dazu führten, dass Investoren ihren Risikoappetit schnell reduzierten. Bankaktien korrigierten um 30 bis 40 Prozent und CoCos wurden in Mitleidenschaft gezogen. Es wurde sogar die Frage aufgeworfen, ob CoCos die nächste Bankenkrise auslösen würden.

Was war passiert? CoCos waren im Zuge der Ergebnisvorlage einer europäischen Großbank in den medialen Fokus geraten, weil plötzlich Sorgen die Runde machten, die stattlichen Kupons der Co-Co-Anleihen könnten nicht mehr bedient werden. Zusätzlich drückte auch das insgesamt schlechte Umfeld für Banken auf das Marktsegment. Das Risiko von Banken und das Aktienwandlungsrisiko von CoCos wurden also plötzlich deutlich höher eingeschätzt. Im Vergleich war der Kursrückgang bei CoCos von rund zehn Prozent noch einigermaßen überschaubar, vor allem im Verhältnis zu den sehr guten Renditen der drei Jahre zuvor.

Feuertaufe bestanden

Mit diesen Marktverwerfungen erlebten CoCos ihre Feuertaufe. Diese Korrektur ist allerdings bezüglich des Ausmaßes gut mit der Korrektur der nachrangigen Bankschulden in der zweiten Jahreshälfte von 2011 vergleichbar. Investoren bekamen das Risiko, das für CoCos gilt, deutlich vor Augen geführt. Zuvor war der Blick eher auf die Renditen fixiert, zumal sich die Assetklasse in den vergangenen vier Jahren durch eine fast inexistente Volatilität ausgezeichnet hat. Tatsächlich ist der Wert von CoCos eng an die Eigenkapitalausstattung der emittierenden Banken geknüpft und dies wird sich auch in der Zukunft nicht verändern.

Rückblickend lohnte sich die Investition in CoCos seit 2011, als auch die ersten Fondslösungen mit Fokus auf diese Anlageklasse auf den Markt kamen. Insbesondere das vergangene Jahr war erfolgreich und CoCos stellten alle anderen Anleihensegmente in den Schatten. Der CoCo-Markt erzielte 2017 mit einer Gesamtrendite von 12,9 Prozent (abgesichert in Euro) seine beste Performance seit der Einführung des ICE BofAML COCO Index im Jahr 2014. Trotz dieser Performance des CoCo-Markts im vergangenen Jahr sind die aktuellen Risikoprämien insgesamt weiterhin als gut unterstützt zu erachten.

Die Bewertungen sind nicht überteuert, sondern haben vielmehr mit dem positiven gesamtwirtschaftlichen Umfeld und der deutlichen Verbesserung der Kreditprofile des europäischen Bankensektors gleichgezogen. Die großen europäischen Banken sind derzeit stärker als je zuvor, wobei die notleidenden Kredite in den meisten europäischen Ländern einen Rekordtiefstand erreicht haben (und sich die Lage in Spanien und Italien rasch verbessert).

Aufgrund der Verfügbarkeit von Eigenkapital (im Jahr 2017 wurden 32 Milliarden Euro an frischem Kapital aufgenommen) und der Entwicklung der Kapitalanforderungen (Basel IV) sind die Führungsteams von Banken bei der Ausschüttung von Kapitalerträgen an die Aktionäre weiterhin zurückhaltend. Die Profitabilität der europäischen Banken hat sich auf einem angemessenen Niveau stabilisiert - mit einer Eigenkapitalrendite im Bereich von acht bis neun Prozent. Darüber hinaus würden sowohl ein anhaltendes Kreditwachstum als auch höhere Zinsen (beides als Ergebnis des positiven gesamtwirtschaftlichen Umfelds) zur weiteren Steigerung der Erträge beitragen.

Rückenwind im weiteren Jahresverlauf

In diesem Jahr erwies sich trotz eines starken Jahresauftakts das 1. Quartal 2018 für den Markt der CoCos als herausfordernd. Die Unsicherheit wurde indes weniger vom CoCo-Markt selbst, als vielmehr durch Zinssorgen und eine hohe Aktienmarktvolatilität erzeugt. Die Folge ist eine Performance des Referenzindex ICE BofAML COCO Index für das erste Quartal von minus 1,1 Prozent (abgesichert in Euro). Dennoch dürften AT1-CoCo-Anleihen im Jahresverlauf Rückenwind erhalten - entweder weil die EZB ihr QE-Programm beendet, was zu höheren Zinsen und steigenden Erträgen und damit zu einer weiteren Spreadverengung bei diesen An leihen führen würde, oder weil die EZB ihre lockere Geldpolitik fortführt und damit die "Jagd nach Rendite" weiter befeuern würde, sodass AT1-CoCo-Anleihen als Mittel zur Renditeoptimierung in einem Tiefzinsumfeld bei vielen Anlegern weiterhin begehrt bleiben dürften.

Daniel Björk, Senior Portfolio Manager, Swisscanto Invest, Zürich, seit Oktober 2012 Manager des Swisscanto (LU) Bond Fund COCO
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Holger Krohn, Leiter Vertrieb Institutionelle Deutschland, Swisscanto Asset Management International S.A., Frankfurt am Main
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