Datenbasierte Kundenkommunikation im Forderungsmanagement

Alexander Clarus, Foto: FICO

Auf mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen die Summe, die seine mehr als 500 Mitgliedsunternehmen allein in Deutschland dem Wirtschaftskreislauf wieder zuführen. Als Erfolg von deren Arbeit reklamiert er nicht zuletzt eine Entlastung der Justiz. Und doch hat die Branche immer wieder mit Imageproblemen zu kämpfen. In der Digitalisierung mit all ihren technischen Möglichkeiten der Kommunikation und Datenauswertung sieht der Autor für die Branche ganz neue Ansätze der Kundenansprache, angefangen von Online-Portalen, mobile Apps, E-Mails, SMS über automatisierte Sprachausgaben bis hin zu Anrufen per Sprachroboter. Vom Einsatz eines datenbasierten Forderungsmanagements verspricht er sich nicht nur Aufschluss über den von den jeweiligen Kunden bevorzugten Weg der Kontaktaufnahme, sondern auch Hinweise, welche Debitoren die höchste Wahrscheinlichkeit für kurz- oder mittelfristige Rückzahlungen aufweisen beziehungsweise wie hoch das Risiko eines Ausfalls ist. (Red.)

Wenn man von Digitalisierung spricht, ist Forderungsmanagement oft das Letzte, woran gedacht wird. Dabei bietet sich dieses für Digitalisierung geradezu an. Denn Kunden verlangen zunehmend nach Self-Service-Möglichkeiten und Anonymität, wodurch sich auch die Rolle und der Fokus vieler Inkasso-Abteilungen in den letzten Jahren stark verändert haben. Wirtschaftliche Bedingungen und technologische Fortschritte zwingen viele Unternehmen zu einem Balanceakt: Die zügige und effektive Beitreibung offener Forderungen, bei gleichzeitiger positiver Gestaltung der Kundenbeziehung - selbst innerhalb des Forderungsprozesses. Parallel dazu haben eine Reihe von Markt- und Verbrauchsdynamiken neue Herausforderungen für die Betriebslandschaft des Inkassos mit sich gebracht.

Fokus auf den Kunden und die moderne Kommunikation

So haben im Laufe der letzten Jahre der technologische, soziale und wirtschaftliche Wandel einen großen Einfluss auf die Möglichkeiten der Kundenansprache genommen. Die meisten deutschen Unternehmen haben zwar eine digitale Strategie, diese ist aber zu wenig auf das Forderungsmanagement und dessen Kommunikation ausgerichtet. Es wird nicht ausreichend berücksichtigt, dass im digitalen Zeitalter der Kunde immer mehr in den Fokus rückt. Und damit auch, wie er vorzugsweise zu erreichen ist. Vorbei sind die Zeiten des Mahnschreibens im Briefkasten.

Diese Veränderungen stellen zwar Herausforderungen dar, schaffen aber auch Möglichkeiten, neue und vor allem digitalisierte Ansätze in die Beitreibungsstrategien zu übernehmen, die letztlich kostengünstiger und effektiver sind.

Allein schon die explosionsartige Vermehrung von mobilen Endgeräten macht es einfach wie noch nie, Kunden effizient und kostensparend zu kontaktieren. So schauen gemäß einer Studie von Deloitte 41 Prozent der Deutschen kurz nach dem Aufstehen bereits auf ihr Smartphone, ein Drittel sogar nachts.

Digitalisierung der Kundenansprache

Warum also nicht die modernen, technologischen Kanäle und Möglichkeiten zur Kundenansprache nutzen? Digitalisierung im Sinne von Prozessoptimierung heißt nämlich nicht nur, interne Abläufe effizienter zu machen. Sondern es geht auch darum, sich den Bedürfnissen des Kunden anzunehmen und ihm alle Optionen zu bieten, die der technologische Fortschritt ermöglicht.

In vielen Bereichen der Kundenkommunikation ist dieses Konzept bereits angekommen. Innovative Unternehmen verfolgen intelligente, agile Ansätze unter Einsatz von Tools wie Echtzeit-Datenanalyse, die zu höheren Kontaktzahlen und einer verbesserten Antwortfrequenz führen.

Doch beim Forderungsmanagement werden die Möglichkeiten der Digitalisierung noch zu selten berücksichtigt. Und das, obwohl der Mahnungsprozess wohl einen der kritischsten Momente bei der Kundeninteraktion darstellt und gerade hier Unternehmen von Data Analytics profitieren könnten.

Im Forderungsmanagement ist nicht allein die Botschaft das Entscheidende, sondern auch der Kanal, über den sie kommuniziert wird. Zu diesem Ergebnis kam eine Verbraucherumfrage des Analysesoftware-Unternehmens Fico aus dem Jahr 2017, deren Trend sich fortzusetzen scheint. Die Studie zeigte außerdem, dass ein großer Teil der Verbraucher weltweit Zahlungserinnerungen über digitale Kanäle, wie automatisierte Anrufe, gegenüber einer persönlichen Kontaktaufnahme bevorzugen.

Maßgeschneidertes Angebot durch Omni-Channel-Kommunikation

Die Vorteile liegen auf der Hand: Zum einen sinken für den Dienstleister die operativen Kosten. Zum anderen ermöglicht die digitale Kommunikation eine ständige Erreichbarkeit - denn für digitale Sprachroboter sind die üblichen Bürozeiten irrelevant. Und für die Kunden in Zahlungsverzug ist die unpersönliche Art der Kontaktaufnahme sogar angenehmer - handelt es sich doch um ein heikles Thema, das dem einen oder anderen im direkten Gespräch mit einem Angestellten peinlich sein könnte. Außerdem erhält der Debitor so die Möglichkeit, in Ruhe und mit Bedenkzeit zu reagieren.

Allerdings gibt es noch eine weitere wichtige Erkenntnis aus der Studie: Keine zwei Kunden sind gleich - auch nicht, wenn es um deren präferierten Kommunikationsweg geht. Das Zauberwort in diesem Zusammenhang ist Omni-Channel-Kommunikation. Sie bedeutet: Die Kontaktaufnahme mit dem Kunden ist nicht auf eine oder zwei Möglichkeiten beschränkt., sondern alle Wege digitaler Kommunikation werden ermöglicht: Online-Portale, mobile Apps, E-Mail, SMS oder sogar automatisierte Sprachausgaben und Anrufe per Sprachroboter.

Analyse der Kundendaten zur Ermittlung des richtigen Kanals

Um zu wissen, welcher Kommunikationskanal am meisten Erfolg verspricht - also Erreichbarkeit und infolgedessen eine möglichst schnelle Rückzahlung - muss man seine Kunden und deren Präferenzen kennen. Auch die Zahlen der bereits erwähnten Deloitte-Studie zur Smartphone-Nutzung in Deutschland stützen diese Erkenntnis. So nutzen über zwei Drittel das Handy vorwiegend für Messenger oder E-Mails, die verbleibenden gut 30 Prozent für Telefonate. Hier gilt es, herauszufinden, welcher Kommunikationsweg für welche Person, wann und in welcher Situation am sinnvollsten ist. Und hier kommt Data Analytics ins Spiel.

Neben den Informationen über die Kontaktpräferenzen des Kunden hilft ein datenbasiertes Forderungsmanagement noch in einer weiteren Angelegenheit: Die Analyse identifiziert und priorisiert auch, welche Debitoren die höchste Wahrscheinlichkeit für kurz- oder mittelfristige Rückzahlungen aufweisen, beziehungsweise wie hoch das Risiko eines Ausfalls ist.

Auch diese Einblicke sind entscheidend: Geht es nur um eine Zahlungserinnerung, sollten sich die Tonalität und der Weg der Kontaktaufnahme schließlich anders gestalten als im Falle eines hohen Ausfallrisikos. Die Datenanalyse liefert eine Fülle wertvoller Informationen über die Kundenprofile und die ermöglichen es den Mitarbeitern im Debitorenmanagement, durch gezielte Segmentierung des Portfolios vorhandene Kapazitäten intelligenter einzusetzen.

Zusammengefasst heißt das: Zu versuchen, alle Kunden über den gleichen Kanal anzusprechen, ist der falsche Weg. Vielmehr sollte ein breites Spektrum von Kontaktmöglichkeiten geboten werden, das je nach Kunde und Situation angepasst wird. Auch hat es sich als äußerst effizient herausgestellt, dass Interaktionsmöglichkeiten und Lösungsansätze schon im Erstkontakt zur Verfügung gestellt werden.

Fico nutzte die Ergebnisse seiner Verbraucherumfrage, um durch eine Vielzahl von Verhaltensmerkmalen - und demografischen Daten den US-Verbrauchermarkt in fünf verschiedene Verhaltenssegmente aufzuteilen. Diese Gruppen bieten einen interessanten, generationenübergreifenden Einblick in die heutigen Finanzdienstleistungskunden und lassen sich auch ohne Weiteres auf den deutschen Markt übertragen.

Kundensegmente und die Erkenntnisse für die Kommunikation

Dabei wird zwischen folgenden Gruppierungen unterschieden:

- Erfolgsorientierte Sparer: Dazu gehören Planer, die sich ihrer Vorgehensweise sicher sind. Sie verwalten ihre Finanzen aktiv und versuchen so gut wie möglich, Schulden und Überziehungen zu vermeiden. In der Regel sind sie einer älteren Generation zuzuordnen und weniger technikbegabt.

- Die Passiven: Sie bilden das größte Segment. Die Passiven gehen dem Thema Finanzen lieber aus dem weg und setzen sich nicht intensiv mit den Themen Sparen und Finanzplanung auseinander.

- Ambitionierte Erstanwender: Hierzu zählen viele wohlhabende Millennials. Sie sind technikaffin und nutzen aktiv Apps - auch für Finanzangelegenheiten.

- Träumer: Träumer haben klare Vorstellungen von ihren Sparzielen wie Urlaub oder Haus, sind zielstrebig, aber gleichzeitig budgetbewusst und zögern, sich zu verschulden.

- Finanzfuturisten: Dabei handelt es sich um das kleinste Segment. Finanzfuturisten sind jung, aber zuversichtlich, dass sie ihren Weg zum finanziellen Erfolg steuern und planen können. Trotz Zufriedenheit mit ihrem Finanzdienstleister können sie schon Kleinigkeiten zu einem Wechsel bewegen.

Die Zuteilung eines Kunden in ein Segment liefert bereits grundlegende Einblicke, welche Art von Kommunikation vorzuziehen ist. So gilt das Alter bereits als wichtiger Faktor. Beispielhaft zeigt sich das erneut bei der Smartphone-Nutzung: Während Konsumenten zwischen 18 und 24 Jahren rund 56-mal am Tag einen Blick auf ihr Handy werfen und dieses auf neue Nachrichten überprüfen, liegt diese Zahl bei Befragten ab 65 Jahren nur noch bei neun Mal pro Tag. Zu welchem Schluss führt dieses Ergebnis in Bezug auf die richtige Kundenkommunikation? Junge Leute scheinen auf ihren mobilen Endgeräten über Messenger, E-Mail oder Push-Nachrichten gut erreichbar zu sein, wohingegen bei älteren Generationen andere Wege der Kontaktaufnahme sinnvoller sind.

Individualisierung durch umfassende Analyse aller Daten

Diese Gruppierungen sind natürlich nicht als statisches Konstrukt zu verstehen. Vielmehr gibt es innerhalb der Gruppen weitere Unterschiede der einzelnen Kunden, die berücksichtigt werden müssen. Sie ergeben sich aus den persönlichen Erfahrungswerten mit der jeweiligen Person, die durch Mechanismen aus dem Bereich künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen ausgewertet und auf die weiterführende Kommunikation übertragen werden.

Zeigen zum Beispiel standortbezogene Daten einen Auslandsaufenthalt an, sollte die Kontaktaufnahme daran angepasst werden. Gibt es Erfahrungswerte, an welchem Wochentag oder zu welcher Uhrzeit der Kunde am wahrscheinlichsten reagiert? Das sind alles Aspekte, die in eine datengetriebene Omni-Channel-Kommunikation einfließen müssen. Genauso ist eine zeitnahe Aktualisierung der Daten wichtig. Hier wird zum Beispiel auch festgehalten und angepasst, über welchen Kommunikationskanal eine Kontaktaufnahme bisher erfolgreich oder erfolglos war. Es ist wichtig, dass Unternehmen auf die spezifische Kommunikation reagieren, damit der Kunde das Gefühl einer individuellen Betreuung vermittelt bekommt.

Der zukünftige Erfolg des Forderungsmanagements wird zunehmend davon abhängen, wie es seine Daten verwaltet, verarbeitet und analysiert. Unternehmen und ihre Partner müssen ihre Kommunikationsstrategien im Inkasso überdenken, wenn sie in einem sich verändernden Verbraucher- und Kommunikationsumfeld effektiv bleiben wollen. Das Eingehen auf die persönliche Situation des Kunden und ein durch Datenanalyse ermöglichtes, auf den einzelnen Kunden zugeschnittener Beitreibungsprozess sind Schlüsselstrategien zur Optimierung der Kommunikation und Kundenbindung, die das Forderungsmanagement in seinen Kernaufgaben unterstützen und zunehmend unerlässlich werden.

Alexander Clarus Senior Associate Partner, FICO, Bensheim
Alexander Clarus , Senior Associate Partner, FICO, Bensheim
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