Kreditwesen aktuell zur gescheiterten Börsenfusion

" Die Deutsche Börse bleibt neben Konkurrenten aus den USA und China einer der größten Börsenhandelsplätze weltweit"

Dr. Thomas Schäfer

Wie geht es nach dem Aus der Börsenfusion mit dem Finanzplatz Frankfurt und der Deutschen Börse weiter? Diese Frage hat die Redaktion nach dem Votum der EU-Kommission dem hessischen Finanzminister, dem Vorsitzenden des Börsenrates der Frankfurter Börse sowie dem Vorstand einer Regionalbörse gestellt. Ihre im Folgenden abgedruckte Sicht der Dinge rückt unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund. Der Minister betont insbesondere den hohen Stellenwert der Weiterentwicklung der Marktinfrastruktur. Für den Börsenrat und die hiesigen Banken ist es wichtig, die Kapitalmarktteilnehmer besser als Sparringspartner einzubinden. Und der Vertreter der Regionalbörsen lenkt den Blick auf den Wettbewerb um die Gunst der Privatanleger. (Red.)

Ich bin der Überzeugung, dass die untersagte Börsenfusion zu keiner Schwächung des Finanzplatzes führen wird. Für den Börsenstandort Frankfurt und den Finanzplatz allgemein bedeutet die Entscheidung der Europäischen Kommission: Die Deutsche Börse muss sich nun zügig auf ihre Stärken besinnen und diese in einem sich stetig verändernden globalen Marktumfeld konsequent ausbauen. Der Finanzplatz Frankfurt hat beim Handel mit Finanzinstrumenten EU-weit und auch international durchaus eine komfortable Wettbewerbsposition inne. Die Deutsche Börse kann - und dies über die Frankfurter Wertpapierbörse und die European Exchange (Eurex) hinaus - eine bestens funktionierende und weltweit geachtete Marktinfrastruktur vorweisen, die für die führende Position Frankfurts unter den internationalen Handelsplätzen mit ausschlaggebend ist. Vor diesem Hintergrund bin ich mir sicher, dass die Deutsche Börse neben den Konkurrenten aus den USA und China einer der größten Börsenhandelsplätze weltweit bleibt.

Weiterentwicklung der Infrastruktur als Priorität

Es ist unbestritten: Die Deutsche Börse sichert zahlreiche Arbeitsplätze am Finanzplatz Frankfurt. Insofern halte ich es für wichtig, dass auch in dieser neuen Situation die Weiterentwicklung der Marktinfrastruktur oberste Priorität hat. Denn Veränderungen, seien sie marktbedingt oder regulatorisch bedingt, werden nur durch eine angemessene Fortentwicklung dieser Infrastruktur zu bewältigen sein.

Dabei stehen die Börsen - auch aufgrund veränderter regulatorischer Rahmenbedingungen - in zunehmendem Wettbewerb mit anderen Handelsplattformen. Eine Börse ist für mich jedoch immer noch der transparenteste Handelsplatz für Finanzinstrumente, der sowohl im Interesse der kapitalsuchenden Unternehmen als auch der Anleger und Investoren wettbewerbsfähig bleiben muss. Der Finanzplatz im Allgemeinen und die Marktinfrastruktur der Deutschen Börse im Besonderen fungieren meiner Meinung nach insofern als die ideale Plattform für den Austausch zwischen den Marktteilnehmern.

Diese Austausch- und Verbindungsfunktion gilt es auch im Interesse stabiler und widerstandsfähiger Finanzmärkte zu erhalten und auszubauen. Erst kürzlich haben sich die G20 Finanzminister in Baden-Baden gemeinsam dazu bekannt, dass stabile und widerstandsfähige Finanzmärkte auch weiterhin große Bedeutung haben. Dies ist für mich besonders bemerkenswert. Denn noch vor wenigen Wochen kündigten vor allem Großbritannien und die USA in den Medien mit deutlichen Worten Deregulierungspläne an. Dass die Suppe nun offenbar nicht so heiß gegessen wird wie gekocht, ist eine höchst erfreuliche Entwicklung.

Der Finanzplatz Frankfurt und ebenso die nationale Realwirtschaft profitieren von einem stabilen regulatorischen Umfeld, in dem ein sicherer Geschäftsbetrieb möglich ist. International einheitliche Rahmenbedingungen (Level-Playing-Field) vermeiden dabei Wettbewerbsverzerrungen und sorgen zugleich dafür, dass die Akteure auf den internationalen Märkten zu verlässlichen und stabilen Handelspartnern werden.

Indes gilt es, der heimischen Finanzbranche keine Steine in Form unnötiger Überregulierungen in den Weg zu legen. Sonst steht die internationale Wettbewerbsfähigkeit auf dem Spiel. Die Finanzmarktregulierung ist und bleibt ein Akt der Balance und darf nicht in unverhältnismäßige Bürokratie ausarten. Hier gilt es, besonders wachsam zu sein.

Neue Stabilitätsrisiken in Anbetracht des Brexit

In Anbetracht des Brexit entstehen nun aber leider auch neue Stabilitätsrisiken: So würde etwa der weltweit führende Standort für das Euro-Clearing in London und damit außerhalb der Europäischen Union liegen. Fällt etwa im Rahmen einer Transaktion ein Clearingmitglied krisenbedingt aus, kann die Clearingstelle auf unmittelbaren Zugang zu liquiden Mitteln angewiesen sein. Doch dieser sofortige Zugriff auf liquide Mittel könnte für Clearingstellen aus Drittstaaten durchaus zum Problem werden. Das erzeugt zwangsläufig neue Risiken für die Finanzmarktstabilität und letztendlich für die beteiligten Unternehmen.

Ich halte es deshalb für unverzichtbar, dass die Politik frühzeitig an Lösungen arbeitet, mit denen sie den neuen Stabilitätsrisiken für die Europäische Union entgegenwirkt. Denn Stabilität sorgt in einer globalen Finanzwelt für Vertrauen. Mit einer zudem weiterhin stark aufgestellten Deutschen Börse ist es mir um den Finanzplatz Frankfurt alles andere als bange.

Der Autor Dr. Thomas Schäfer, MdL, Hessischer Minister der Finanzen, Wiesbaden
Dr. Thomas Schäfer , Hessischer Minister der Finanzen, Wiesbaden
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