Digital, nachhaltig, international - der Mittelstand auf der Suche nach Antworten

Torsten Murke, BNP Paribas, CEO Corporate & Institutional Banking Germany, Frankfurt am Main

Torsten Murke, BNP Paribas, CEO Corporate & Institutional Banking Germany, Frankfurt am Main - Dass das Mittelstandsgeschäft in Deutschland heftig umkämpft ist, weiß der Autor sehr wohl. Dennoch sieht er in ausgewählten Geschäftsfeldern beziehungsweise mit speziellen Produkten und Dienstleistungen noch Potenzial. Neben diversen Angeboten rund um die Digitalisierung setzt er dabei auf den weltweiten Trend der Nachhaltigkeit und auch mit einer internationalen Präsenz, insbesondere in außereuropäischen Ländern will sein Haus sich neue Firmenkundschaft erschließen. Gegenüber neuen technischen Lösungen wie der weltweit bereits intensiv erforschten Blockchain-Technologie zeigt er sich aufgeschlossen. (Red.)

Der Bankensektor in Deutschland und Europa durchläuft einen tiefgreifenden Anpassungsprozess. Nicht überall sind die Altlasten vollständig abgearbeitet, die Geschäftsmodelle neu justiert. Gleichwohl lassen sich die Konturen im Firmenkundengeschäft bereits vielerorts klar erkennen: Der deutsche Mittelstand steht dabei im Mittelpunkt der Wachstumsstrategien vieler Finanzdienstleister. Zu Recht, denn mittelständische Unternehmen bilden das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft, sie sind ein Garant für Wachstum, Beschäftigung und Innovation. Und doch gilt es auch für den erfolgreichen Mittelstand, die großen Herausforderungen der Zeit zu bewältigen. Digitalisierung, Nachhaltigkeit und die anhaltende Globalisierung sind Megatrends, auf die der deutsche Mittelstand die richtigen Antworten haben muss. Banken sind hierbei als Berater und Partner gefordert.

Internationale Reichweite gefragt

Besonders gut positioniert sind in diesem Umfeld Universalbanken mit einem breit aufgestellten Geschäftsmodell und Serviceangebot. Wichtig aus Sicht der mittelständischen Unternehmen ist dabei, dass das Corporate & Institutional Banking in die Gesamtbank integriert ist und über eine starke internationale Reich-weite verfügt. In der hierdurch ermöglichten geschäftsbereichsübergreifenden Vertiefung von Geschäftsbeziehungen, die holistisch angelegt und konkret auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet ist, liegt ein wichtiger Teil künftiger Erträge.

Genau diese Vertiefung stellt BNP Paribas durch eine klare europäische Aufstellung sicher. Unternehmenskunden erhalten durch einen einzigen lokalen Kontakt Zugang zum kompletten Dienstleistungs- und Produktangebot sowie dem internationalen Know-how der Gruppe. Hinzu kommt, dass BNP Paribas bereits früh begonnen hat, auf die Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu reagieren und diese in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Natürlich betreffen diese Trends Unternehmen aller Sektoren und Umsatzgrößen, doch hat der Mittelstand auch eigene Anforderungen.

Katalysatorfunktion der Banken

Ein wesentlicher Treiber für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft mittelständischer Unternehmen ist die Digitalisierung. Sie bietet Chancen, eigene Geschäftsprozesse effizienter und ressourcenschonender zu gestalten und neue Produkt- und Dienstleistungsangebote sowie neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Schätzungen gehen hier von einer zusätzlichen Wertschöpfung in einer Größenordnung von bis zu 126 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025 für die inländischen Unternehmen aus.

Aber gerade bei der Digitalisierung hat der deutsche Mittelstand erheblichen Nachholbedarf. Zwar haben in den zurückliegenden drei Jahren vier von fünf Unternehmen Digitalisierungsprojekte umgesetzt. Zu den digitalen Vorreitern zählt jedoch nur jedes fünfte Unternehmen.

Banken können hier eine wichtige Katalysatorfunktion einnehmen, indem sie die digitale Transformation der Geschäftsmodelle ihrer Firmenkunden aktiv begleiten. Im Schulterschluss mit Kunden und Partnern arbeitet BNP Paribas bereits intensiv an zukunftsweisenden Lösungen. Dazu gehören Lösungen auf Basis der Blockchain-Technologie in so unterschiedlichen Bereichen wie etwa dem Cash Management oder der Verarbeitung von Kapitalmaßnahmen im Asset Servicing.

So hat BNP Paribas im Dezember 2016 erstmals die Blockchain-Technologie, die als eine der wichtigsten Zukunftstechnologien der Finanzbranche gilt, für grenzüberschreitende Echtzeitzahlungen verwendet. Die Zahlungen - in diesem Fall für eine italienische Unternehmensgruppe aus der Druck- und Verlagsbranche sowie einen australischen Verpackungshersteller - erfolgten in verschiedenen Währungen über mehrere Konten der BNP Paribas Gruppe in Deutschland, Großbritannien und in den Niederlanden.

Nachhaltigkeit als Herausforderung und Chance

Ein wesentlicher Vorteil der neuen Technologie liegt darin, dass Treasury-Abteilungen relevante Zahlungen direkt und sicher austauschen können und ihnen damit eine effektive und effiziente Lösung für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr zur Verfügung steht. Zwar steht die Entwicklung der Blockchain-Technologie noch relativ am Anfang. Mittelfristig wird sich jedoch auch das Corporate Banking nachhaltig durch diese innovative Technologie verändern.

Die Bekämpfung des Klimawandels, dessen Folgen mit der globalen Erwärmung und Naturkatastrophen allgegenwärtig sind und das Engagement für die Energiewende gehören zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben der Menschheit. Der nachhaltige Umwelt- und Klimaschutz ist dabei Herausforderung und Chance zugleich. Denn einerseits steigen die Anforderungen mit dem Abschied von fossilen Energieträgern - vor allem der Kohle, die im Jahr 2015 immer noch etwa 45 Prozent des weltweiten Energiebedarfs abgedeckt hat.1) Gleichzeitig entsteht auch hier ein immer größerer Markt für innovative und umweltverträgliche Investitionen. Nach aktuellen Schätzungen wird sich das Weltmarktvolumen für Umwelt- und Effizienztechnologien bis 2025 mindestens noch einmal verdoppeln.

Klimaschutz: Banken und Kapitalmärkte in der Pflicht

Vor diesem Hintergrund stehen auch Banken und der Kapitalmarkt in der Pflicht, ihr Finanzierungsvolumen auf den Bereich der erneuerbaren Energien zu fokussieren und gemeinsam mit ihren Kunden an Lösungen zu arbeiten. Eigens definierte "Sector Policies" für Finanzierungs- und Investitionsvorhaben in besonders sensiblen, risikobehafteten Branchen dienen dabei als Leitlinien. So hat BNP Paribas zahlreiche Maßnahmen zur Förderung des Klimaschutzes beschlossen und verzichtet beispielsweise auf die Finanzierung von Unternehmen und Projekten in Verbindung mit Schieferöl, Schiefergas und Ölsand sowie von Forschungs- und Förderprojekten für Öl und Gas in der Antarktis.

Der Finanzmarkt wird somit zu einem wichtigen Hebel, um nachhaltiges Wirtschaften zu forcieren. Für die Abgrenzung nachhaltiger Geldanlagen hat die Finanzbranche den ESG-Ansatz (ESG = Environment, Social, Governance) entwickelt, der als Basis für nachhaltige Anlageprodukte gilt. Laut einer Untersuchung von BNP Paribas Securities Services beabsichtigen vier von fünf institutionellen Investoren die ESG-Kriterien, sei es bei ihrer Anlagestrategie als Asset Owner oder bei den von ihnen vermarkteten Produkten als Asset Manager zu berücksichtigen sowie ihre ESG-orientierten Anlagestrategien in den kommenden zwei Jahren zu verdoppeln.2)

Ein Ergebnis ist die steigende Nachfrage nach "Green Bonds", deren globales Emissionsvolumen sich laut Moody's von 93 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 auf 206 Milliarden. US-Dollar in diesem Jahr mehr als verdoppeln wird.3) Daneben rückt der "Green Schuldschein" immer stärker in den Fokus gerade der Mittelstandsfinanzierung. So hat der Windturbinenhersteller Nordex im März 2016 den weltweit ersten grünen Schuldschein emittiert. In diesem Jahr hat mit dem Ludwigsburger Unternehmen Mann+ Hummel erstmals ein Automobilzulieferer dieses junge Segment am Kapitalmarkt erfolgreich genutzt.

Die Transaktion zeigt: Der grüne Schuldschein gewinnt auch über die Grenzen des Sektors für erneuerbare Energien hinaus an Akzeptanz bei Unternehmen. Gerade für Mittelständler eignen sich grüne Schuldscheine, denn sie verbinden ökologische Nachhaltigkeit mit einem effizienten Finanzierungsprozess, der weder ein externes Rating, noch einen Wertpapierprospekt erfordert.

Wettbewerbsvorteile global nutzen

Neben der Anpassung der Geschäftsmodelle an die Herausforderungen der Digitalisierung und Nachhaltigkeit wird vor allem die internationale Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sein für den weiteren Geschäftserfolg des Mittelstands. Deutschland zählt seit vielen Jahren zu den führenden Exportnationen der Welt. So wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts im ersten Halbjahr 2017 Waren im Wert von 638,4 Milliarden Euro aus Deutschland ausgeführt, was ein Plus von 6,1 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr des Vorjahres bedeutet.

Dennoch ist der europäische Markt für exportorientierte Mittelständler weitgehend erschlossen. Neue Wachstumschancen werden sich künftig vor allem in den Ländern außerhalb Europas eröffnen, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gegebenheiten Bankpartner mit ausgewiesener lokaler Expertise und einer herausragenden Aufstellung notwendig machen. Zu den Ländern mit steigender Bedeutung für den Export zählen beispielsweise Brasilien, Vietnam und Indien.

Als wichtigstem Handelspartner in Lateinamerika ist Deutschland mit Brasilien seit 2008 durch eine strategische Partnerschaft zum weiteren Ausbau der Zusammenarbeit verbunden. Als drittgrößte Auslandsbank in Brasilien begleitet BNP Paribas ihre Kunden seit mehr als 60 Jahren bei ihren Aktivitäten in dem Land, das angesichts der wirtschaftlichen und politischen Risiken aktuell ein schwieriges, aber mittelfristig sehr chancenreiches Umfeld für Exportunternehmen bietet.

In Vietnam zählt BNP Paribas zu den führenden Projektfinanzierern und nimmt eine wichtige Funktion bei der Entwicklung des Landes in den Bereichen Infrastruktur und Energie ein. Hier verfügt die Bank seit 1992 über eine Vollbanklizenz. Bereits seit über 150 Jahren ist die BNP Paribas Gruppe als europäisches Finanzinstitut mit internationaler Reichweite in Indien vertreten.

Unterstützung für den Wandel

Mittelständische Unternehmen sind die Triebfeder einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und Europa. Damit sie ihrer Rolle im globalen Wettbewerb auch weiterhin gerecht werden können, sind sie auf starke Bankpartner angewiesen, die ihre Strategie an den Bedürfnissen ihrer Kunden orientieren und ihrer Verantwortung als Teil des Wirtschaftssystems nachkommen.

Diesen Anforderungen werden die Banken jedoch nur mit einem stabilen und zukunftsfähigen Geschäftsmodell gerecht werden können. Grundlage hierfür ist eine effiziente geschäftsbereichsübergreifende Zusammenarbeit, die wiederum eine Vertiefung der Kundenbeziehungen ermöglicht. Dabei gilt es vor allem, aktiv Impulse in den wichtigen Zukunftsfeldern zu setzen - allen voran bei der Digitalisierung, der ökologischen Nachhaltigkeit und bei der weiteren Internationalisierung in Regionen, in denen diese Unternehmen Unsicherheiten und Risiken bewältigen müssen.

Fußnoten

1) www.iea.org/publications/freepublications/publication/

2) Report "Great Expectations: ESG - what's next for asset owners and managers", Green Bonds

3) www.moodys.com/

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