Wie erfüllen Banken die neue Anzeigepflicht für Steuergestaltungen?

Thomas Ihering, Foto: VÖB

Die EU hat im Jahr 2018 umfassende Anzeigepflichten für Steuergestaltungen für Intermediäre und Steuerpflichtige eingeführt, die vor der staatlichen Umsetzung stehen. Auch die Transparenzanforderungen an Kreditinstitute steigen und beeinflussen aufgrund ihrer hohen Komplexität stark die Prozesse in den Banken. Der Autor setzt sich kritisch mit den Grundlagen der Meldepflicht auseinander und zeigt die Auswirkungen auf die Kreditinstitute auf. Seine Analyse der Richtlinie über den verpflichtenden automatischen Informationsaustausch über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen lässt vermuten, dass es bei der anstehenden Umsetzung der Richtlinien in deutsches Recht in der präzisen Auslegung der aus den "Sphären der OECD, der EU und des nationalen Rechts" stammenden Begriffe erhebliche Unsicherheiten geben und damit die Meldepflichten für die Kreditwirtschaft sicherlich nicht einfacher werden dürften. (Red.)

Am 5. Juni 2018 hat die Europäische Union die Richtlinie (EU) 2018/822 vom 25. Mai 2018 bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen veröffentlicht, mit der die Richtlinie 2011/16 EU geändert wird. Die sechste Änderung der Directive on Administrative Cooperation (in Kurzform DAC 6) geht zurück auf eine Initiative der OECD, um künftig sicherzustellen, dass Informationen zu potenziell aggressiven Steuerplanungsgestaltungen verpflichtend offengelegt werden müssen. Die Richtlinie ist am 25. Juni 2018 in Kraft getreten und muss von den Mitgliedsstaaten spätestens mit Wirkung zum 1. Juli 2020 angewandt werden.

Umsetzung in deutsches Recht

Besondere praktische Bedeutung kommt einer Rückwirkung zu: Die Anzeigepflicht muss von den Mitgliedsstaaten bereits auf solche Gestaltungen erstreckt werden, deren erster Schritt im Zeitraum zwischen dem 25. Juni 2018 und dem 1. Juli 2020 umgesetzt worden ist. Bis zum 31. August 2020 müssen diese Gestaltungen gemeldet werden. Zum 31. Oktober 2020 soll der erste automatische Austausch unter den europäischen Steuerbehörden stattfinden.

Die Bundesrepublik Deutschland hat nun bis zum 31. Dezember 2019 Zeit, die Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Dieses Gesetz wird dann für den deutschen Rechtsanwender letztlich entscheidend und verbindlich sein. Mit einem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren könnte Anfang 2019 zu rechnen sein. Der deutsche Gesetzgeber wird sich dabei vermutlich eng an der DAC 6 orientieren. Zwar ist er in der Wahl der Form und Mittel frei, aber das zu erreichende Ziel ist verbindlich und er wird nicht das Risiko eines Vertragsverletzungsverfahrens eingehen, weil er die DAC 6 unzureichend umgesetzt hat. Daher kann bereits heute der Blick auf die DAC 6 den Banken helfen, ihre künftigen Verpflichtungen zu klären und sich auf die Meldepflichten vorzubereiten.

Die DAC 6 definiert dabei aber nur einen Mindeststandard. Die Bundesrepublik kann zusätzlich auch nationale Anzeigepflichten statuieren. Gegenstand der politischen Debatte ist aktuell, inwieweit eine über europäisches Recht hinausgehende Meldepflicht für rein nationale Gestaltungen sinnvoll sein kann.

Ziele der DAC 6

Um die Anzeigepflicht zu verstehen, muss man sich die mit der DAC 6 verbundenen Ziele des Richtliniengebers ansehen. Diese sind vielfältig und passen zum Teil nicht zueinander. Zum einen ist die Anzeigepflicht rechtspolitisch ausgerichtet, indem der Gesetzgeber durch die frühzeitige Information in die Lage versetzt werden soll, durch den Erlass von Rechtsvorschriften gegen schädliche Steuerpraktiken vorzugehen und Schlupflöcher zu schließen (vergleiche 2. Erwägungsgrund).

Zum anderen hat sie eine veranlagungsunterstützende Funktion, um mittels Steuerprüfungen die betreffenden Steuerpflichtigen heranzuziehen. Dies macht die namentliche Nennung des Steuerpflichtigen notwendig.

Auch eine Risikoabschätzung als Teil eines Risikomanagements der Finanzverwaltung im Steuervollzug lässt sich aus den Erwägungsgründen ablesen. Zudem ist die Abschreckung eine wichtige Funktion (vergleiche 7. Erwägungsgrund): Intermediäre sollen davon abgehalten werden, Modelle zu konzipieren und zu vermarkten. Unter rechtsstaatlichen Aspekten ist dieser Abschreckungszweck fragwürdig, da für die Definition des Tatbestands der Besteuerung allein der Gesetzgeber verantwortlich ist. Lässt der Gesetzgeber Regelungslücken, die dem Ideal der gleichmäßigen Besteuerung zuwiderlaufen, so liegt es in seinem Verantwortungsbereich, den unerwünschten Zustand zu beseitigen. Da das Gesetz selbst die Gestaltungsmöglichkeit eröffnet, muss es als illegitim angesehen werden, wenn der Steuerpflichtige dann von einer ihm legal ermöglichten Handlungsweise abgeschreckt werden soll. Der Fiskus sollte hierbei nicht auf Kategorien zurückgreifen, die nicht eindeutig juristisch definiert werden können. Er ist in einem Rechtsstaat für die Besteuerungszwecke schlicht nicht tauglich. Dies gilt umso mehr für bußgeld- oder gar strafbewehrte Vorschriften.

Da die Rechtssetzungsbefugnis der Europäischen Kommission auf grenzüberschreitende Sachverhalte des Binnenmarkts begrenzt ist, kann die DAC 6 ausschließlich für grenzüberschreitende Gestaltungen angewandt werden. Rein nationale Gestaltungen, für die ebenfalls ein Regelungsinteresse gegeben wäre, bleiben dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten. Entsprechende Vorschläge für Anzeigepflichten nationaler Steuergestaltungen sind bereits in der Öffentlichkeit diskutiert worden (vergleiche den schleswig-holsteinischen und den hessischen Entwurf einer Anzeigepflicht).

Verblüffende Rechtstechnik

Soweit sich die Richtlinie in ihren Erwägungsgründen die Abwendung "aggressiver grenzüberschreitender Steuerplanungsgestaltungen" zum Ziel setzt, überrascht sie dadurch, dass ebendiese Begrifflichkeiten nicht in der DAC 6 definiert werden. Allerdings lässt sich aus einer Empfehlung der Kommission (2012/772/EU vom 6. Dezember 2012) im zweiten Erwägungsgrund das Verständnis herauslesen, dass eine "aggressive Steuerplanung" darin besteht, die Feinheiten eines Steuersystems oder Unstimmigkeiten zwischen zwei oder mehr Steuersystemen auszunutzen, um die Steuerschuld zu senken. Als Folgen werden etwa doppelte Abzüge oder eine doppelte Nichtbesteuerung verstanden. Die DAC 6 verfolgt damit auch die Anzeigepflicht von völlig legalen Gestaltungen, da ein Missbrauch definitorisch nicht gefordert wird. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass nach dem ordre public aller Mitgliedsstaaten eine Anzeigepflicht für rechtswidrige Handlungen, die eine Steuerstraftat darstellen, überhaupt nicht möglich wäre, da niemand gezwungen werden darf, sich selbst anzuzeigen.

Vermutet man, dass die Europäische Kommission unter einer "aggressiven" eine in einem besonders erschwerenden Maße zu suchende Steuergestaltung versteht, so liegt man völlig falsch: Das qualitative Merkmal einer Aggressivität spielt für die Meldepflicht überhaupt keine Rolle. Meldepflichtig soll schlicht jede grenzüberschreitende Gestaltung sein, die ein im Anhang IV der DAC 6 aufgeführtes Kennzeichen aufweist.

Damit vermisst der Rechtsanwender eine eigenständige Definition der Steuergestaltung. Stattdessen muss er eine umfangreiche Liste auf den verwirklichten Lebenssachverhalt abprüfen. Der Richtliniengeber erklärt dieses Unvermögen einer eigenständigen Definition mit den ständigen Änderungen und Anpassungen der Steuergestaltungen (vergleiche 9. Erwägungsgrund). Die Mitgliedsstaaten und die Kommission sollen den entsprechenden Anhang IV der DAC 6 im Abstand von zwei Jahren durch einen eigenständigen Bericht evaluieren, dem gegebenenfalls ein Gesetzgebungsvorschlag beigefügt wird. Aus diesem Umstand ist zu schließen, dass auch der Richtliniengeber die Kennzeichen erweitern kann.

Unklarer "Main benefit"-Test

Zusätzlich wird die Bedingung vorgeschaltet, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile, die vernünftigerweise von der Gestaltung erwartet werden kann, in einem Steuervorteil liegen muss. Er wird auch in der deutschen Übersetzung als "Main benefit"-Test bezeichnet, ist aber nicht durchgehend Voraussetzung der Anzeigepflicht.

Der Steuervorteil selbst ist wiederum nicht in der DAC 6 definiert. Er sollte durch die Tatbestände der Steuererstattung, Steuervergütung, der Verschiebung der Entstehung von Steueransprüchen in andere Besteuerungszeiträume oder auf andere Besteuerungszeitpunkte umrissen sein. Doch eine eindeutige Begriffsbestimmung durch den deutschen Gesetzgeber bleibt aus. Dabei geht es nur um Steuervorteile im Bereich der direkten Besteuerung, also etwa der Einkommen-, Körperschaft- oder Kapitalertragsteuer. Die Umsatzsteuer ist damit nicht im Anwendungsbereich der DAC 6. Auch Zölle und Verbrauchssteuern oder Sozialversicherungsbeiträge werden nicht von ihr betroffen. Eine nationale Regelung könnte die Anwendung auf Erbschaft-, Schenkung- und Grunderwerbsteuertatbestände erweitern.

Die Voraussetzung, dass der Steuervorteil "ein oder einer der Hauptvorteile" der Gestaltung sein muss, ist definitorisch unbrauchbar. Sollte ein Hauptvorteil quantitativ abgegrenzt werden, dürfte es rechnerisch nur einen Hauptvorteil geben. Die Öffnung auf mehrere Vorteile lässt den Rechtsanwender ratlos zurück.

Komplexe Kennzeichen als Prüfungsmaßstab

Im Anhang IV werden fünf Gruppen von Kennzeichen aufgeführt, die mit den Buchstaben A bis E benannt sind. Sie müssen nicht kumulativ erfüllt sein, sondern führen unabhängig voneinander zur Meldepflicht. Unter einem Kennzeichen versteht die DAC 6 ein Merkmal oder eine Eigenschaft der Gestaltung, das oder die auf ein "potenzielles Risiko der Steuervermeidung hindeutet".

Unter A werden allgemeine Kennzeichen benannt, die unter dem Vorbehalt des "Main benefit"-Tests zur Anzeigepflicht führen. Hierunter sind Vereinbarungen von Vertraulichkeitsklauseln zulasten des Mandanten oder von erfolgsabhängigen Vergütungen benannt. Auch eine standardisierte Dokumentation, ohne dass sie für die Umsetzung wesentlich individuell angepasst werden muss, ist ein solches allgemeines Kennzeichen.

Unter B sind spezifische Kennzeichen benannt, die ebenfalls nur unter der Voraussetzung des "Main benefit"-Tests eine Anzeigepflicht auslösen. Dabei kann es sich um den Erwerb eines verlustbringenden Unternehmens oder der Beendigung einer entsprechenden Haupttätigkeit handeln, um durch die Verlustnutzung die Steuerbelastung zu senken. Auch die Umwandlung von Einkünften in Vermögen und andere niedrig besteuerte Einkunftsarten sind spezifische Kennzeichen. Ein weiteres spezifisches Kennzeichen soll eine Gestaltung sein, "die zirkuläre Transaktionen nutzt, die zu einem Roundtripping von Vermögen führen, und zwar durch die Einbeziehung zwischengeschalteter Unternehmen ohne primäre wirtschaftlichen Funktion oder von Transaktionen, die sich gegenseitig aufheben oder ausgleichen oder die ähnliche Merkmale aufweisen."

Die Vielzahl unbestimmter Begriffe, die eher der Management-Literatur als der präzise zu bestimmenden Rechtsterminologie zu entnehmen sind, erschwert eine rechtssichere Anwendung sehr, wenn es sie nicht sogar unmöglich macht. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebots eingehalten wird und nimmt den umsetzenden deutschen Gesetzgeber in die Pflicht.

Eine Vielzahl unbestimmter Begriffe

Die unter C aufgeführten spezifischen Kennzeichen grenzüberschreitender Transaktionen stehen nur teilweise unter dem Vorbehalt des "Main benefit"-Tests. Unabhängig von ihm sind Gestaltungen mit abzugsfähigen grenzüberschreitenden Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen immer dann anzeigepflichtig, wenn im Ansässigkeitsgebiet des Empfängers keine oder nahezu keine Körperschaftsteuer erhoben wird, die Zahlung vollständig steuerbefreit ist oder die Zahlung in den Genuss eines präferenziellen Steuerregimes kommt.

Spezifische Kennzeichen grenzüberschreitender Transaktionen ohne Vorbehalt des "Main benefit"-Tests sind zudem Gestaltungen mit abzugsfähigen grenzüberschreitenden Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen, bei denen der Empfänger in keinem Hoheitsgebiet oder in einem laut der EU oder der OECD als nicht kooperatives Land eingestuften Rechtsgebiet ansässig ist. Ebenfalls unabhängig vom Test müssen Gestaltungen angezeigt werden, bei denen Abschreibungen für denselben Vermögenswert in mehreren Rechtsordnungen beantragt werden, bei denen in mehreren Steuergebieten für dieselben Einkünfte oder dasselbe Vermögen eine Befreiung von der Doppelbesteuerung beantragt wird, bei denen Vermögenswerte übertragen werden oder bei denen sich der anzusetzende Wert zwischen den beteiligten Hoheitsgebieten wesentlich unterscheidet.

Schwierige Abwägung bei Geldwäsche-Regelung

Die Kategorien D und E gelten ohne den Vorbehalt des "Main benefit"-Tests. Unter D werden spezifische Kennzeichen hinsichtlich des automatischen Informationsaustauschs und der wirtschaftlichen Eigentümer verstanden. Mit ihnen werden Gestaltungen erfasst, die die Regelungen zum automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten umgehen oder die Eigentumsverhältnisse im Sinne der Geldwäsche-Richtlinie 2015/849 EU verschleiern. Hier soll bereits die Verwendung von Staaten oder Territorien mit schwachen Geldwäsche-Regelungen eine Anzeigepflicht hervorrufen. Es ist zu hoffen, dass die EU solche Jurisdiktionen beispielsweise mithilfe einer Liste kennzeichnet, damit die Rechtsanwender nicht selbst entscheiden müssen, in welchem Land eine schwache Geldwäsche-Regelung vorliegt.

Unter Kategorie E fallen spezifische Kennzeichen für Verrechnungspreisgestaltungen, die unilaterale Safe-Harbor-Regeln und die Übertragung von schwer zu bewertenden immateriellen Werten nutzen oder bei gruppeninternen grenzüberschreitenden Übertragungen das operative Ergebnis des Übertragenden deutlich reduzieren. Bereits aus dem Umstand, dass im internationalen Steuerrecht etwa die Verrechnungspreisgestaltung nicht als exakte Wissenschaft, sondern eher als Bandbreite von zulässigen Werten eingestuft wird, ist die Interpretationsbedürftigkeit dieser Regelung abzulesen. Fraglich bleibt, ob sie für Zwecke einer strafbewehrten Anzeigepflicht aus dem Bestimmtheitsgebot heraus tauglich sein kann.

Intermediäre als primär Verantwortliche

Die Meldepflicht trifft primär die sogenannten Intermediäre. Dies sind Personen, die nach Art. 3 Nr. 21 Absatz 1 gemäß Richtlinie 2011/16/EU eine Gestaltung konzipieren, vermarkten, organisieren oder zur Umstellung bereitstellen oder die die Umsetzung einer solchen Gestaltung verwalten. Damit ist nicht der eigentliche Nutznießer einer Steuergestaltung, also der Steuerpflichtige, der primäre Meldepflichtige. In der Pflicht stehen vielmehr Kreditinstitute, sofern sie selbst aktiv eine meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung nach dem jeweiligen Kennzeichen vertreiben.

Weniger eindeutig sind die Intermediäre nach dem Richtlinientext zu fassen, die in einem erweiterten Sinn der Meldepflicht unterworfen sind. Darunter sind nach Art. 3 Nr. 21 Absatz 2 Richtlinie 2011/16/ EU solche Intermediäre zu verstehen, die wissen oder vernünftigerweise wissen müssten, dass sie unmittelbar oder über andere Personen Hilfe, Unterstützung oder Beratung im Hinblick auf Konzeption, Vermarktung, Organisation, Bereitstellung zur Umsetzung oder Verwaltung der Umsetzung einer meldepflichtigen grenzüberschreitenden Gestaltung geleistet haben. Dieser erweiterte Intermediär begriff ist erheblich schwieriger einzugrenzen. Sowohl das Maß der Wissenshinzurechnung beim Intermediär ebenso wie das erforderliche Maß der Beistandsleistung lässt sich kaum klar umreißen.

Muss ein Kreditinstitut beim Zweck einer Finanzierung künftig auch danach forschen, ob das Kapital nicht auch für Steuergestaltungen genutzt werden soll? Und welche Unterstützungshandlung soll ausschlaggebend sein? Der nationale Gesetzgeber muss darauf achten, dass die Kreditwirtschaft Routinedienstleistungen wie den Auslandszahlungsverkehr, bei dem allein über den Verwendungszweck Steuermotive offenbar werden können, nicht mit einer Nachforschung verbinden müssen. Eine generelle Ausforschung und Dokumentation über dem Kreditinstitut bekannt gewordene Steuermotive des Kunden würde das Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunde extrem belasten. Zudem ließen sie sich auch mit den Prinzipien des Datenschutzes nicht vereinbaren.

Schwierige Fragen der Wissenszurechnung

Das Konzept, den Initiator einer Gestaltung, der damit sein Gewerbe oder seine Berufsausübung betreibt, mit einem bürokratischen Erfordernis zu belasten und ihn anstelle des Steuerpflichtigen mittels einer bußgeldbewehrten Anzeigepflicht in die Verantwortung zu nehmen, ist für die unmittelbaren Intermediäre nachvollziehbar. Das Konzept ist aber wenig sinnvoll für diejenigen Intermediäre, die eine Gestaltung durch Dienstleistungen nur unterstützen, aber gar nicht notwendigerweise von ihrem Beitrag zur Steuergestaltung wissen. Hier ist eher der Steuerpflichtige selbst in der Verantwortung, da er "näher dran" ist und da ihm die Anzeigepflicht zugemutet werden kann. Der Intermediär hingegen ist nun mit schwierigen Fragen der Wissenszurechnung über seinen Mandanten oder Kunden konfrontiert. Er steht in der Pflicht, im Rahmen einer Beweisumkehr zu belegen, dass er keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von seiner Beteiligung an der Steuergestaltung hatte.

Ausnahmen für Intermediäre

Immerhin wird mit der DAC 6 eine weitere Mithilfe in Steuersachen von privaten Dritten für fremde Steuerangelegenheiten verlangt, die einen Eingriff in seine Berufs- beziehungsweise Gewerbefreiheit bedeuten. Eigentlich zur Aufklärung berufen im Sinne der Erfüllung genuiner Steuerpflichten sind aber nur der Steuerpflichtige selbst und die Steuerverwaltung.

Der Intermediär ist nur dann anzeigepflichtig, wenn er im Geltungsbereich des Gesetzes steueransässig ist, eine Betriebsstätte im Geltungsbereich des Gesetzes aufweist, in ein öffentliches Register eingetragen ist, dem nationalen Recht unterliegt oder in einer Organisation für juristische, steuerliche oder beratende Dienstleistungen Mitglied ist. Für in Deutschland zugelassene Kreditinstitute ist damit der Intermediärbegriff einschlägig.

Der Intermediär ist von der Meldepflicht befreit, wenn er nachweisen kann, dass bereits in einem anderen Mitgliedsstaat die dort zuständige Stelle dieselben Informationen auf die vorgeschriebene Weise erhalten hat. Grundsätzlich sind aber alle an derselben meldepflichtigen Gestaltung beteiligten Intermediäre gleichermaßen für eine Meldung verantwortlich.

Der Intermediär ist zudem von der Meldepflicht befreit, wenn eine Mitteilung gegen seine gesetzliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit verstoßen würde. Dann geht die Mitteilungspflicht auf den Steuerpflichtigen über, sofern der Intermediär den Nutzer hierüber unverzüglich informiert. Die Richtlinie lässt dem umsetzenden Mitgliedsstaat die Option, von der Meldepflicht zu befreien, sofern das Berufsgeheimnis eine Weitergabe untersagen würde. Vermutlich wird Deutschland daher den rechts- und steuerberatenden Berufen eine Befreiung einräumen. Formal hätten dann die Mandanten die Steuerbehörden zu informieren, die sich voraussichtlich auf eine von dem Berufsträger vorformulierte Mitteilung verlassen können.

Inhalt der Meldung

Die Meldung umfasst Angaben zu Intermediären und dem Steuerpflichtigen einschließlich des Namens, des Geburtsdatums und -orts, der Steueransässigkeit und der Steueridentifikationsnummer sowie gegebenenfalls Angaben zu verbundenen Unternehmen. Notwendig sind eine Zusammenfassung der Steuergestaltung mit einer abstrakt gehaltenen Beschreibung der relevanten Geschäftstätigkeit, die Bezeichnung, unter der sie allgemein bekannt ist, das Datum des ersten Schritts der Umsetzung, Einzelheiten zu den nationalen Vorschriften sowie die Nennung aller wahrscheinlich von der Gestaltung betroffenen Personen. Die Meldung ist innerhalb von spätestens 30 Tagen zu erstellen.

Das in Deutschland anwendbare Meldeverfahren ist noch nicht bekannt. Voraussichtlich wird das jeweils für den Intermediär oder den Steuerpflichtigen zuständige Finanzamt eine Meldung entgegennehmen und an das Bundeszentralamt für Steuern weiterleiten. Die EU-Kommission richtet nach Art. 21 Abs. 5 Richtlinie 2011/116/EU ein "sicheres Zentralverzeichnis" der Mitgliedsstaaten über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung ein, in dem die zu übermittelnden Informationen erfasst werden.

Die Mitgliedsstaaten haben ebenso wie die EU-Kommission Zugang zu den in diesem Verzeichnis enthaltenen Informationen, allerdings aus Geheimhaltungsgründen nach Detaillierungs- und Personalisierungsgrad gestaffelt. Die Wirtschaft hatte die Anzeigepflicht auch wegen der möglichen Verletzung der Geschäftsgeheimnisse der Steuerpflichtigen kritisiert, da es durch ein Meldeverfahren mit detaillierten Angaben zu Steuerstrukturen vielfach Empfänger in den Mitgliedsstaaten gibt. Die Mitgliedsstaaten sind aufgerufen, bei Verstößen gegen die Meldepflicht wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu erlassen.

Unklarheit über die Verwertung der Informationen

Während die Richtlinie das Melderegime detailliert ausgestaltet, sagt sie wenig darüber aus, wie die erlangten Informationen verwendet werden. Für Steuerpflichtige wie Intermediäre handelt es sich um eine Einbahnstraße. Die Steuerbehörden sind nach der DAC 6 nicht zur Reaktion verpflichtet. Gleichzeitig bedeutet das Ausbleiben einer Handlung der Finanzverwaltung nicht, dass die Gestaltung steuerlich anerkannt wird.

Angesichts der sehr knapp bemessenen 30-Tage-Frist für die Anzeigepflicht für die Rechtsanwender wirkt dieses Szenario sehr unengagiert. Außer einer jährlichen Bewertung der Mitgliedsstaaten gegenüber der EU-Kommission, ob der automatische Informationsaustausch wirksam ist und welche praktischen Ergebnisse erreicht wurden, sind keine Schritte für die Steuerbehörden vorgesehen. Deutschland steht es natürlich aber frei, bereits im Umsetzungsgesetz transparente Schritte vorzusehen, wie die Informationen in der Steuerverwaltung verwertet werden.

Konkrete Handlungsgebote für Kreditinstitute

Obgleich das nationale Umsetzungsgesetz noch nicht vorliegt, müssen die Kreditinstitute als Intermediäre wenigstens mit Bezug auf die Notwendigkeit der Meldung von Steuergestaltung ab dem 25. Juni 2018 bereits heute tätig werden und entsprechende Gestaltungen dokumentieren.

In Vorbereitung auf das deutsche Umsetzungsgesetz empfiehlt sich, die zuständigen Funktionsträger in der Bank frühzeitig und umfassend zu informieren. Da die Thematik so gut wie alle Querschnittsfunktionen der Bank von Steuern, Recht, IT, Compliance, Controlling, Marketing und Vertrieb, Risikomanagement bis zu Abwicklung und Marktfolge betrifft, ist eine breite Information für die Vorbereitung in den Häusern wesentlich. Die Information aller Geschäftsbereiche von Privat- und Firmenkunden wie Corporate und Investment Banking ist notwendig.

Die Kundendokumentationsprozesse werden für die Zwecke der DAC 6 neu überarbeitet werden müssen. Bereits für die Meldeverfahren von FATCA (Foreign Account Tax Compliance Act; unilaterales Meldeverfahren mit den US-Behörden über Finanzkonten) und dem CRS (Common Reporting Standard; multilaterales Abkommen über Finanzkonten nach dem Vorbild der OECD) sind diese Prozesse neu konzipiert worden. Sie werden nun um weitere Informationen wie Details zu den Kennzeichen, Geldwäschevorschriften erweitert werden müssen. Auch das Datum, an dem ein Produkt implementiert wurde, und die Information, welche Mitgliedsstaaten betroffen sind, müssen Kreditinstitute festhalten.

Das Augenmerk müssen die Banken dann auf die Produktanalyse richten. Das vielfache Eigenverständnis eines Kreditinstituts, keine Steuergestaltungen aktiv zu vertreiben und damit keinen Meldepflichten zu unterliegen, bedarf einer Überprüfung: Denn angesichts der erweiterten Verpflichtung eines Intermediärs, bei der schon Unterstützungshandlungen mit bloß fahrlässiger Unkenntnis der Förderung einer Steuergestaltung zu einer Meldepflicht führen können, werden Kreditinstitute nur in den wenigsten Fällen ihre Betroffenheit gänzlich ausschließen können.

Fortwährende Überprüfung als größte Herausforderung

Die größte Anforderung wird in der fortwährenden Überprüfung der Kennzeichen liegen. Sofern hier Einschätzungen des Intermediärs beispielsweise zur praktischen Wirksamkeit von Geldwäschevorschriften verlangt werden, ist dies eine verantwortungsvolle Aufgabe. Die Prozesse hierzu müssen durchdacht und etabliert werden.

Insgesamt eröffnet die DAC 6 neue Compliance-Risiken für die Kreditinstitute. Durch die sehr hohe Komplexität der Vorschriften ist gesetzestreues Verhalten aufwendig. Die Anforderungen an das Steuerrisikomanagement der Bank steigen. Es ist damit zu rechnen, dass die Finanzverwaltung vermehrt Steuerprüfungen auch für die Zwecke der DAC 6 durchführen werden.

Entscheidend für den Rechtsanwender wird das deutsche Umsetzungsgesetz werden. Der Blick auf die DAC 6 bleibt aber für das Verständnis der Meldepflichten unumgänglich. Sowohl für den deutschen Gesetzgeber als auch den Rechtsanwender liegen die Schwierigkeiten der Anwendung in der präzisen Auslegung der Begriffe. Diese entstammen den Sphären der OECD, der EU und des nationalen Rechts. Eine gemeinsame Definition sicherzustellen wird eine Herausforderung. Doch sowohl Intermediäre als auch Kreditinstitute wünschen sich eindeutige Handlungsanweisungen. Es bleibt abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber hierzu sein Gesetz gestaltet.

Thomas Ihering Abteilungsdirektor Recht und Steuern, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, Berlin
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